LG Berlin – Az.: 6 U 233/12 – Beschluss vom 26.08.2014
In dem Rechtsstreit … hat der Senat nunmehr über die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin vom 2. November 2012 beraten und beabsichtigt im Ergebnis, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
I.
Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313a ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung ist zwar zulässig, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1) Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beide Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor.
2) Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen die Klage abgewiesen. Die Beklagte ist gemäß § 31 Nr. 1 VHB 2008 jedenfalls leistungsfrei, weil die Klägerin versucht hat, arglistig über Umstände zu täuschen, die für die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind. Auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil kann verwiesen werden.
a) Die Klägerin greift das Urteil mit einem neuen Vortrag an, der den Arglistvorwurf entkräften soll. Danach soll ein Versicherungsagent der Klägerin und ihrem Ehemann geraten haben, bei Unkenntnis von der genauen Typenbezeichnung entwendeter Geräte ein ähnliches Modell im Internet zu suchen und gegenüber der Beklagten als gestohlen anzugeben. Dieser Vortrag ist von der Beklagten bestritten worden. Er ist nicht zu berücksichtigen, denn dieser streitige Sachverhalt war der Klägerin bekannt. Er hätte im ersten Rechtszug vorgetragen werden müssen. Ein rechtlicher Hinweis war im ersten Rechtszug nicht geboten, denn die Frage einer arglistigen Täuschung und die Umstände, wie es zu falschen Angaben gekommen ist, waren der maßgebliche Gegenstand des Rechtsstreits zwischen den Parteien im ersten Rechtszug. Das Landgericht musste der Klägerin keinen neuen Vortrag in den Mund legen.
b) Das Berufen auf die Leistungsfreiheit ist seitens der Beklagten auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die Sanktion der Leistungsfreiheit findet ihre Rechtfertigung im Grundsatz von Treu und Glauben, der aber auch der Leistungsfreiheit des Versicherers Grenzen setzt. Die Berufung auf die Leistungsfreiheit darf sich deshalb nicht als unzulässige Rechtsausübung darstellen. Deren Annahme setzt aber ganz besondere Umstände des Einzelfalles voraus:
Der Verlust des Versicherungsschutzes muss für den Versicherungsnehmer eine übermäßige Härte darstellen. Dabei kommt es entscheidend auf das Maß des Verschuldens an und die Folgen, welche dem Versicherungsnehmer bei Wegfall des Versicherungsschutzes drohen. Eine unzulässige Rechtsausübung ist demnach nur dann anzunehmen, wenn die Täuschung lediglich einen geringen Teil des versicherten Schadens betrifft und bei der Billigkeitsprüfung weitere Gesichtspunkte ins Gewicht fallen. Dabei kann es eine Rolle spielen, welche Beweggründe den Versicherungsnehmer zu seiner Tat verleitet haben, insbesondere ob Gewinnsucht im Spiel war, oder ob lediglich die Durchsetzung eines berechtigten Anspruchs gefördert werden sollte. Schließlich ist zu berücksichtigen, inwieweit die Versagung des gesamten Versicherungsschutzes den Versicherungsnehmer in seiner Existenz bedroht. Erforderlich ist daher immer eine wertende Gesamtschau aller Umstände (vgl. BGH RuS 2005, 420 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 5 m. w. Nachw.). Diese besonderen Umstände liegen hier nicht vor.
Schon die Argumentation der Klägerin, ohne die Versicherungsleistung würde eine Existenzbedrohung eintreten, weil sie Sozialleistungen beziehe und vermögenslos werden würde, ist unlogisch. Denn sie hat die Sozialleistungen auch bezogen, als sie noch im Besitz des als gestohlenen gemeldeten Schmuckes war. Auch in dieser Situation hat sie den Schmuck nicht zur Existenzsicherung eingesetzt. Letztlich ist ihre Existenz weiterhin so gesichert wie vor dem Einbruch in ihre Wohnung.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin auch in Bezug auf den als gestohlen gemeldeten Schmuck bewusste Falschangaben vorzuwerfen sind. Sie hat in der Stehlgutliste angegeben, dass der gesamte Schmuck im Jahr 2002 geschenkt worden sei. Im Schreiben vom 9. Juli 2010 (K 4) hat sie ausdrücklich erklärt, dass Bilder vom Schmuck bei der Verlobung vorhanden seien. Bei der Polizei sind dann Rechnungen eingereicht worden, wonach Schmuck erst im Jahr 2004 im Libanon erworben worden sein soll. Der Ehemann der Klägerin hat bei seiner Vernehmung bei der Polizei angegeben, dass zur Hochzeit Geld geschenkt worden sei, wovon der Schmuck erworben worden sei. Diese Angaben hat die Klägerin auch zu ihrem Prozessvortrag gemacht. Nur eine Version kann aber stimmen. Ein Irrtum der Klägerin ist ausgeschlossen. Dies zeigt, dass die Klägerin bereit ist, zur Durchsetzung geltend gemachter Ansprüche aus der Hausratsversicherung ihren Vortrag anzupassen und zu verändern. Das Vorlegen der Rechnungen sollte zur Bezifferung der Schadenshöhe dienen. Allerdings passen die in der Stehlgutliste aufgeführten Schmuckstücke nicht zu in den Rechnungen aufgeführten Merkmalen. Damit ist jedoch nicht festzustellen, dass sich die nachgewiesene arglistige Täuschung wegen der Erwerbsdaten des Beamers vor der Leistungsablehnung der Beklagten nur auf einen geringen Teil des Schadens bezog.
Hinzu kommt bei der Würdigung der Gesamtumstände, dass die Klägerin das vertragliche Vertrauensverhältnis mit der Beklagten durch ihr Verhalten insgesamt erschüttert hat. Denn ein Versicherungsnehmer einer Hausratsversicherung kann zwar in der Regel das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls beweisen. Oftmals wird er jedoch Schwierigkeiten haben, den Beweis zu erbringen, dass als gestohlen gemeldete Gegenstände tatsächlich in der Wohnung waren und entwendet wurden. Für die Abwicklung ist deshalb der Versicherer in besonderem Maße auf zutreffende Angaben des Versicherungsnehmers und dessen Familienmitglieder beziehungsweise Mitbewohner angewiesen.
Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten angegeben hat, dass sie (die Geschädigten) nach erster Durchsicht nichts als fehlend feststellen konnten. Die Erklärungsversuche, warum diese Erklärung falsch gewesen sein soll, überzeugen nicht. Gerade das Entsetzen über das Eindringen in die Wohnung durch unbekannte Täter veranlasst einen derart Betroffenen dazu, zumindest nach dem Geld und den Wertgegenständen zu sehen, die nicht gesichert in der Wohnung vorhanden waren.
Bei Würdigung all dieser Umstände ist das Berufen auf die Leistungsfreiheit seitens der Beklagten nicht treuwidrig, auch wenn der Klägerin nicht nachgewiesen werden kann, dass sie sich zu Unrecht auf Kosten der Beklagten bereichern wollte.
3) Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da es um die Würdigung des Sachverhalts im Einzelfall geht. Der Senat weicht von den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch nicht ab. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil unter Zulassung der Revision nicht erforderlich. Zur Rechtsfortbildung eignet sich die hier streitige Sache nicht. Sonstige Gründe, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gebieten, liegen nicht vor.
III.
Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von drei Wochen gegeben. Aus Kostengründen sollte die Zurücknahme der Berufung erwogen werden.