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Haftet die Hausratversicherung bei PKW-Aufbrüchen im Parkhaus?

OBERLANDESGERICHT KÖLN

Az.: 9 U 141/98

Verkündet am 01.06.1999

Vorinstanz: LG Köln – Az.: 24 O 356/97


In dem Rechtsstreit hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 27.04.1999 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 13.08.1998 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 24 O 356/97 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch aufgrund der mit der Beklagten abgeschlossenen Hausratversicherung nach §§ 5 Nr. 1 b), 12 Nr. 1, 5 VHB 84 nicht zu.

Ob die Voraussetzungen des § 5 Nr. 1 b) VHB 84 (Aufbrechen eines Behältnisses (PKW)) in einem Raum eines Gebäudes (Parkhaus) im Streitfall erfüllt sind, kann der Senat offenlassen.

Es mag im Einzelfall nicht unproblematisch sein, das Innere eines Parkhauses als Raum eines Gebäudes anzusehen. Nach Martin (SVR, 3. Aufl., D III 6) sind Parkhäuser dann Gebäude, wenn mit Hilfe technischer Einrichtungen (Rollgitter, Schlagbäume usw.) die Zufahrt oder die Ausfahrt verhindert werden kann, mögen diese Einrichtungen auch zeitweilig außer Funktion gesetzt oder defekt sein. Raum eines Gebäudes ist jeder abgegrenzte und verschließbare Teil eines Gebäudes, der in verschlossenem Zustand Unbefugte abhält oder sie zwingt, eines der Mittel des erschwerten Diebstahls anzuwenden, um Zutritt zu erlangen (Martin, SVR, a.a.O., D III 8). Ob diese Voraussetzungen für den Innenraum von Parkhäusern, wenn sie Gebäude im Sinne von § 5 Nr. 1 b) VHB 84 sind, ohne Rücksicht auf die Ausgestaltung der Zugangsmöglichkeit von außen und Personenkontrolle stets zutreffen (so wohl Martin, SVR, a.a.O. D III 10; vgl. auch OLG Saarbrücken, r+s 1995, 108 = VersR 1996, 580; OLG Hamm, r+s 1991, 314 = VersR 1992, 353; OLG Düsseldorf, r+s 1998, 160) konnte dahinstehen. Letzlich kam es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf nicht an.

Jedenfalls ist die Beklagte nach den §§ 9 Nr. 1 a) VHB 84, 61 VVG leistungsfrei. Der Kläger hat den Schaden nämlich durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt.

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, daß auf die Verhaltensweise des Klägers abzustellen ist und nicht auf das Handeln seines Schwagers, der nach dem Vortrag des Klägers den Wagen in das Parkhaus gefahren hat. Der Kläger selbst hat das Gepäck im Fahrzeug verstaut und Mäntel, die allerdings in der Aufstellung der gestohlenen Sachen nicht erwähnt sind, oder – wie er zunächst vorgetragen hat Jacken darübergelegt. Das Fahrzeug ist sodann von seinem Schwager in Kenntnis und mit Billigung des Klägers, nachdem er und die weiteren Insassen kurz zuvor ausgestiegen waren, im Parkhaus in Palma de Mallorca abgestellt worden.

Voraussetzung für die Annahme der Herbeiführung des Versicherungsfalls in diesem Sinne ist zunächst, daß der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten – Tun oder Unterlassen – den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit gegenüber der Diebstahlgefahr deutlich unterschritten hat (vgl. BGH, r+s 1989, 62 = VersR 1989, 141; r+s 1997, 123; r+s 1996, 167 = VersR 1996, 576; r+s 1996, 168 = VersR 1996, 621; OLG Saarbrücken, r+s 1995, 108 = VersR 1996, 580; OLG Düsseldorf, r+s 1998, 160; Prölss/Martin -Knappmann, VVG, 26. Aufl., § 11 AVBR 92, Rn 9). Das ist vorliegend der Fall. Die Gefahr eines Diebstahls wird nämlich erfahrungsgemäß deutlich erhöht, wenn im Innenraum eines PKW stehlenswert erscheinende Gegenstände von außen sichtbar liegen. Dieser Umstand kann einen potentiellen Dieb leichter veranlassen, in das Wageninnere einzudringen und diese Sachen zu entwenden. Läßt ein Versicherungsnehmer derartige Gegenstände in einem PKW unter Umständen zurück, die einen Diebstahl nach Örtlichkeit, Tageszeit und ähnlichem nahelegen, so wird regelmäßig der vereinbarte Sicherheitsstandard unterschritten (vgl. BGH, r+s 1989, 62 = VersR 1989, 141).

Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die Gepäckstücke selbst von außen sichtbar sind oder ob sie erkennbar mit Mänteln zugedeckt werden. Auch dann kann nämlich damit gerechnet werden, ein möglicher Täter werde ein derartiges Fahrzeug wesentlich eher als ein im Innenraum leeres Fahrzeug auf den Verdacht hin aufbrechen, es könne sich darunter etwas Wertvolles verbergen. Der Kläger hatte das Gepäck, welches aus Koffern und Taschen bestand, hinter der Rücksitzbank des Kombifahrzeugs verstaut. Auf dem Gepäck hatte er Mäntel ausgebreitet. Damit waren zwar die Koffer und Taschen den Blicken entzogen. Aber gerade die versuchte Tarnung der Gepäckstücke mit wertvollem Inhalt durch darübergelegte Mäntel, um eine nicht vorhandene Gepäckraumabdeckung vorzutäuschen, gibt dem genau hinsehenden Täter den Anreiz zum Einbruch (vgl. OLG Saarbrücken, r+s 1995, 108 = VersR 1996, 580 für die Ausbreitung von Decken). Insoweit ist die Situation nicht anders, als ob die Gepäckstücke selbst von außen gut sichtbar im Fahrzeug liegen. Ein aufmerksam prüfender Außenstehender kann nämlich durch die Seitenscheiben oder durch die Heckscheibe erkennen, daß keine Gepäckraumabdeckung vorhanden ist. Aus der Form der ausgebreiteten Mäntel ist zu entnehmen, daß eine glatte Abdeckung als Unterlage fehlt. Dann liegt für den potentiellen Dieb die Vermutung nahe, daß sich stehlenswerte Sachen auf der Fläche unter den Mänteln befinden.

Die Leistungsfreiheit des Versicherers nach den §§ 9 Nr. 1 a) VHB 84, 61 VVG setzt ferner voraus, daß sich der Versicherungsnehmer bei der Herbeiführung des Versicherungsfalles grob fahrlässig verhalten hat. Das bedeutet, daß er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer acht gelassen hat und das Nächstliegende, das jedem in der gegebenen Situation einleuchtet, nicht beachtet (vgl. BGH, r+s 1989, 62 = VersR 1989, 141). Darüber hinaus erfordert die Annahme grober Fahrlässigkeit ein subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten. Es muß sich auch in subjektiver Hinsicht um ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden handeln (BGH, a.a.O.) . So liegt der Fall hier.

Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ergibt sich insbesondere daraus, daß der Kläger Gepäck von erheblichem Wert, nach seinem eigenen Vortrag von etwa 19.000,– DM, unbeaufsichtigt in einem PKW , bei dem eine Kofferraumabdeckung nicht vorhanden war, in einem Parkhaus zurückgelassen hat. Dies ist als besonders leichtsinnig anzusehen (vgl. auch Senat, VersR 1967, 870; OLG Düsseldorf, r+s 1998, 160). Hinzukommt, daß das Fahrzeug als Mietwagen von Touristen deutlich erkennbar war.

Diebstähle aus Kraftwagen in Parkhäusern, die insoweit keinen Schutz bieten, sind besonders leicht und schnell ausführbar, was allgemein bekannt ist. Daß das Parkhaus mit Schranken an der Ein- und Ausfahrt versehen und dort eine Aufsicht vorhanden war, ändert daran nichts. Es handelte sich unstreitig um ein Parkhaus der üblichen Art, ohne Videoüberwachung der Parkplätze, welches von außen zugänglich war.

Auch in subjektiver Hinsicht ist dem Kläger der Vorwurf des grob fahrlässigen Verhaltens zu machen. Es ging dem Kläger und seinen Mitreisenden darum, die Wartezeit bis zum Abflug vom Flughafen in Palma de Mallorca zu überbrücken und Kaffee zu trinken. Das Abstellen des Mietfahrzeugs mit dem wertvollen Gepäck in einem Parkhaus war nicht erforderlich. Es wäre ohne weiteres möglich gewesen, den Wagen in Sichtweite eines Cafés zu parken oder eine Aufsicht sicherzustellen. Daß dem Kläger die Diebstahlsgefahr vor Ort genau bewußt war, ergibt sich schon daraus, daß man kurz zuvor bei einem Spaziergang am Strand noch dafür Sorge getragen hatte, einen Parkplatz für den Kraftwagen in Sichtweite an der Strandpromenade zu finden.

Nach alledem besteht ein Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte nicht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Wert der Beschwer ist nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer des Klägers: 15.000,– DM.

 

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