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Haustierhaltungsverbot Mehrheitsbeschluss Wohnungseigentümer

Oberlandesgericht Saarbrücken

Az: 5 W 154/06

Beschluss vom 02.11.2006


In dem Wohnungseigentumsverfahren hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts am 2. Oktober 2006 beschlossen:

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 10. März 2006 – 5 T 588/05- abgeändert. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Amtsgerichts St. Ingbert vom 7.10.2005 – 3II5/05 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.750,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft S. Straße in.

Beide Antragsgegner halten in ihrer im obersten Stockwerk gelegenen Wohnung seit mehr als einem Jahr einen Hund der Rasse Dobermann.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte vor Anschaffung des Hundes der Antragsgegner durch unangefochtenen Mehrheitsbeschluss eine Hausordnung verabschiedet, deren Ziffer 4 den Wohnungseigentümern und Mietern das Halten der nach der Verabschiedung dieser Hausordnung angeschafften Haustiere verbietet.

Die Antragsteller haben erstinstanzlich beantragt, die Antragsgegner zur Beseitigung einer Terrassentürverkleidung und zur Entfernung des Hundes zu verpflichten.

Mit Beschluss vom 7.10.2005 (Bl. 77 d. A.) hat das Amtsgericht beide Anträge zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss haben die Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, die sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht lediglich noch hinsichtlich des Antrags auf Entfernung des Hundes weiterverfolgt haben. Das Landgericht hat die Antragsgegner mit Beschluss 10.03.2006 (Bl. 90 ff) zur Entfernung des Hundes verpflichtet. Es hat die Auffassung vertreten, der Wohnungseigentümerbeschluss betreffend die Hausordnung sei wirksam, für die Antragsgegner damit verbindlich, so dass sie gemäß §§ 1004 BGB i.V. m. § 15 Abs. 3 WEG zur Entfernung des von ihnen gehaltenen Hundes verpflichtet seien. Die Durchsetzung des Verbotes verstoße im konkreten Fall auch nicht gegen Treu und Glauben.

Gegen diesen ihnen am 11.4.2006 zugestellten Beschluss haben die Antragsgegner am 20.4.2006 sofortige weitere Beschwerde eingelegt, mit dem Antrag,

unter Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts den Antrag der Antragsteller kostenpflichtig zurückzuweisen und ihnen aufzugeben, die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner zu erstatten.

Sie sind der Auffassung, das Landgericht habe verkannt, dass ein grundsätzliches Verbot jedweder Tierhaltung eine unverhältnismäßige Einschränkung des Kernbereichs des Wohnungseigentums darstelle und gegen § 138 BGB verstoße, so dass der die Hausordnung festlegende streitgegenständliche Mehrheitsbeschluss nicht nur anfechtbar sondern nichtig sei. Das Verbot sei nicht verwirkt. Sie behaupten bei der Durchsetzung des Verbotes handele es sich um Schikane, da ein anderer Wohnungseigentümer einen Hasen und einen Hund und ein weiterer Wohnungseigentümer einen Hund halte.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG). Zwar ist der Wohnungseigentümerbeschluss nicht bereits wegen fehlender Beschlusskompetenz unwirksam, seine Nichtigkeit ergibt sich daraus, dass das darin geregelte generelle Haustierhaltungsverbot gegen §§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 2 WEG verstößt und daher gemäß §134 BGB nichtig ist.

1.

Die Beschlusskompetenz hat das Landgericht in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.9.2000 ( – V ZB 58/99 – BGHZ 129, 329) ohne Rechtsfehler bejaht. Bei dem streitgegenständlichen Beschluss über die Hausordnung, die ein generelles Haustierhaltungsverbot vorsieht, handelt es sich um eine Regelung des Gebrauchs des Sonder- und Gemeinschaftseigentums. Gesetzliche Regelungen oder Vereinbarungen der Wohnungseigentümer, die durch Mehrheitsbeschluss nicht abgeändert werden dürfen, bestehen nicht. Vielmehr räumt § 15 Abs. 2 WEG den Wohnungseigentümern ausdrücklich die Möglichkeit einer Mehrheitsentscheidung ein, sofern es um die „Ordnungsmäßigkeit“ des Gebrauchs geht. Die Wohnungseigentümerversammlung ist also nicht von vornherein für eine Beschlussfassung absolut unzuständig. Sie darf nur keine Beschlüsse fassen, die über die „Ordnungsmäßigkeit“ des Gebrauchs hinausgehen. Da dies aber von den Umständen des Einzelfalls abhängt und die Frage der Abgrenzung vielfach nicht leicht zu entscheiden ist, kann die Beschlusszuständigkeit nicht davon abhängen, ob eine Maßnahme ordnungsmäßig ist. Die „Ordnungsmäßigkeit“ ist daher aus Gründen der Rechtssicherheit nicht kompetenzbegründend. Die Überschreitung der Grenzen eines ordnungsgemäßen Gebrauchs begründet lediglich die Anfechtbarkeit einer solchen Beschlussfassung der Eigentümerversammlung. Sie wirkt mit dem Eintritt ihrer Bestandskraft mit Ablauf der Beschlussanfechtungsfrist „vereinbarungsersetzend“ (BGH a.a.O. und diesem folgend BayObLG, Beschluss vom 25.10,2001 – 2 Z BR 81/01-, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.12.2004 -I-3 Wx 311/04-, zitiert nach juris; OLG Hamm, Beschluss vom 24.2.2005 – 15 W 507/04- , zitiert nach juris). Dies gilt auch für den hier streitgegenständlichen Eigentümerbeschluss über ein umfassendes Verbot der Haustierhaltung.

2.

Die Nichtigkeit des streitgegenständlichen Beschlusses ergibt sich indessen aus § 134 BGB weil ein generelles Haustierhaltungsverbot gegen den zwingenden Regelungsgehalt des § 13 Abs. 1 WEG verstößt. Nach § 13 Abs. 1 WEG kann jeder Wohnungseigentümer, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit seinen im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren, insbesondere diese bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen. Der zulässige Gebrauch findet seine Grenzen gemäß § 14 Nr. 1 WEG erst dort, wo die anderen Miteigentümer in ihrer Nutzung von Sonder- oder Gemeinschaftseigentum mehr als in unvermeidlichem Umfang beeinträchtigt werden. Der Wohnungseigentümer ist danach verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen lediglich in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.

Zu den herkömmlichen soziokulturellen Vorstellungen im Geltungsbereich des WEG gehört die Haustierhaltung jedenfalls dann, wenn mit ihr keinerlei Nachteile für die anderen Wohnungseigentümer verbunden sind. Damit gehört sie zum Wesensgehalt des Sondereigentums, das auch unter dem die Auslegung der zivilrechtlichen Vorschriften beeinflussenden Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG steht. Sie gehört ferner zu der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit, weshalb ein absolutes Verbot jeglicher Haustierhaltung durch Wohnungseigentümer ausgeschlossen ist. Ein generelles Tierhaltungsverbot ist vor diesem Hintergrund zugleich unverhältnismäßig, weil es auch Tiere umfasst, von denen keinerlei Beeinträchtigung oder Gefährdungen zu befürchten sind, weil sie den Bereich des Sondereigentums schon nicht verlassen und von ihnen weder Geräusch – noch Geruchsbelästigungen ausgehen können (Zierfische, Kanarienvögel, Schildkröten). Ein solches Verbot ist auch deshalb unverhältnismäßig, weil andere Mittel der Hausordnung zur Verfügung stehen, um Belästigungen jedenfalls zu mindern, beispielsweise eine art- oder zahlenmäßige Einschränkung der Haustierhaltung. Ein unterschiedsloses Verbot ist daher materiell rechtswidrig (§134 BGB, §§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 2 WEG) und damit nichtig.

Diese Entscheidung steht auch in Einklang mit dem Beschluss des Senates vom 7.5.1999 ( – 5 W 365/98-105 – NZM 1999, 621-623). Darin ist lediglich ausgeführt, dass ein Beschluss, der die Haltung von Tieren einem Erlaubnisvorbehalt unterwirft, nicht nichtig ist und sich im Rahmen des § 15 Abs. 2 WEG hält, da es sich gerade nicht um ein „generelles“ Verbot der Haustierhaltung handelt, die diesen Gebrauch des Sondereigentums – anders als im vorliegenden Fall – nicht schlechthin verbietet Die übrigen in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle sahen kein generelles Tierhaltungs- sondern lediglich ein generelles Hundehaltungsverbot vor (BGH, NJW 1995 2036, OLG Hamm 24.2.2005, – 15 W 507/04- OLGR 2005, 499) und sind daher nicht ohne weiteres mit dem vorliegenden Fall zu vergleichen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner sind diesen nicht durch die Antragsteller zu erstatten, da die Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem Grundsatz der Nichterstattung der außergerichtlichen Kosten hier nicht vorliegen und es zudem um die Klärung einer schwierigen Rechtsfrage ging zu der unterschiedliche Entscheidungen der Vorinstanzen vorlagen (Riecke, Schmid, Kompaktkommentar zum WEG, § 47 WEG Rz. 13).

Die Rechtsbeschwerde ist mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.

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