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Haustürgeschäfte: Widerruf Kreditvertrag und Auswirkung auf Grundstücksgeschäft

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: XI ZR 151/99

Verkündet am: 10.10.2002

Vorinstanzen: OLG München – LG München I


Leitsatz:

Die richtlinienkonforme einschränkende Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG führt zwar zur Widerruflichkeit auch von Realkreditverträgen, deren Zustandekommen auf einer Haustürsituation i.S.v. § 1 HWiG beruht, grundsätzlich nicht jedoch dazu, daß der Widerruf des Kreditvertrags die Wirksamkeit eines mit dem Kredit finanzierten Grundstücksgeschäfts berührt (Bestätigung des Senatsurteils vom 9. April 2002, WM 2002, 1181).


Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2002 für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. März 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der beklagten Bank die Rückabwicklung eines Realkreditvertrages. Er begehrt die Erstattung gezahlter Zinsen und entstandener Aufwendungen in Höhe von insgesamt 79.298,76 DM nebst Zinsen sowie die Feststellung, daß der Beklagten aus dem Darlehen keine Ansprüche mehr zustehen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Zur Finanzierung des Kaufpreises einer Eigentumswohnung nahm der Kläger mit Vertrag vom 25. Juli/1. August 1994 bei der Beklagten ein Darlehen von 185.000 DM auf, das durch eine Grundschuld in derselben Höhe sowie durch Abtretung der Ansprüche aus einer Lebensversicherung abgesichert wurde. Eine Widerrufsbelehrung im Sinne des Haustürwiderrufsgesetzes wurde ihm nicht erteilt.

Mit seiner im April 1998 erhobenen Klage hat der Kläger gemäß § 1 HWiG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung (im folgenden: a.F.) seine auf den Abschluß des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung widerrufen. Er behauptet, der für die Beklagte arbeitende O. habe ihn mindestens zweimal unaufgefordert zu Hause aufgesucht und zum Wohnungskauf sowie zur Darlehensaufnahme überredet. Außerdem macht er geltend, der Darlehensvertrag sei sittenwidrig, weil die Eigentumswohnung nur höchstens 50.000 DM wert gewesen sei und die Beklagte dies gewußt habe sowie weil eine „versteckte Innenprovision“ von 18,4% gezahlt worden sei.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Der erkennende Senat hat das Revisionsverfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften über ein Vorabentscheidungsersuchen in dem Verfahren XI ZR 91/99 (Senatsbeschluß vom 29. November 1999, WM 2000, 26) ausgesetzt. Das mittlerweile ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Dezember 2001 ist abgedruckt in WM 2001, 2434.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat die landgerichtliche Klageabweisung bestätigt und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe kein Widerrufsrecht zu. Das streitbefangene Darlehen falle unter § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG mit der Folge, daß die Widerrufsregelung des § 7 VerbrKrG keine Anwendung finde. Ein Rückgriff auf § 1 HWiG sei wegen der Vorrangregelung in § 5 Abs. 2 HWiG ausgeschlossen.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Ohne Erfolg bleibt allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht den Vortrag des Klägers zur Überteuerung der Eigentumswohnung, zu einer im Kaufpreis versteckten Innenprovision und zu der daraus gemäß § 138 BGB folgenden Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrags der Parteien übergangen. Die angebliche Überteuerung der Eigentumswohnung hätte allenfalls dann auch die Sittenwidrigkeit des zur Finanzierung des Kaufpreises abgeschlossenen Darlehensvertrags zur Folge haben können, wenn die Beklagte davon positive Kenntnis gehabt hätte. Der Kläger hat zwar behauptet, die Beklagte habe gewußt, daß der Kaufpreis für die Eigentumswohnung um mindestens 100% überteuert gewesen sei, dafür aber keinen Beweis angetreten. Auch zu der von der Beklagten bestrittenen angeblichen versteckten Innenprovision hat der Kläger keinen geeigneten Beweis angetreten, weshalb es nicht darauf ankommt, wie eine solche Innenprovision gegebenenfalls rechtlich zu würdigen wäre. Den Rechtsanwalt Dr. F. hat der Kläger lediglich als Zeugen für das benannt, was in Sachen Innenprovision angeblich „bei der Beklagten üblich“ war, nicht aber zu den konkreten Gegebenheiten des vorliegenden Falles.

2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch ein Widerrufsrecht gemäß § 1 Abs. 1 HWiG wegen der Subsidiaritätsklausel in § 5 Abs. 2 HWiG verneint. Diese Beurteilung entspricht zwar der Auslegung der § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG, § 5 Abs. 2 HWiG, wie sie der Senat in seinem Vorlagebeschluß vom 29. November 1999 (aaO) an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bei ausschließlich nationaler Betrachtung befürwortet hat. Sie berücksichtigt aber nicht, daß mit dem Haustürwiderrufsgesetz die Richtlinie 85/577/EWG des Rates betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vom 20. Dezember 1985 (im folgenden: Haustürgeschäfterichtlinie) in nationales Recht umgesetzt worden ist und die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes daher richtlinienkonform auszulegen sind.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat mit Urteil vom 13. Dezember 2001 (aaO) entschieden, daß die Haustürgeschäfterichtlinie dahin auszulegen ist, daß sie auf Realkreditverträge Anwendung findet, so daß dem Verbraucher bei solchen Verträgen das Widerrufsrecht nach Art. 5 der Richtlinie eingeräumt werden muß und dieses für den Fall, daß der Verbraucher über das Widerrufsrecht nicht gemäß Art. 4 der Richtlinie belehrt wurde, nicht auf ein Jahr nach Vertragsschluß befristet werden darf.

Die vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgenommene Auslegung der Haustürgeschäfterichtlinie ist für die nationalen Gerichte bindend. Sie gebietet es, wie der Senat in seinem Urteil vom 9. April 2002 in der Sache XI ZR 91/99 (WM 2002, 1181, 1183 ff.; zum Abdruck in BGHZ vorgesehen) entschieden und im einzelnen begründet hat, § 5 Abs. 2 HWiG richtlinienkonform einschränkend auszulegen. Dies hat in der Weise zu geschehen, daß Kreditverträge insoweit nicht als Geschäfte im Sinne des § 5 Abs. 2 HWiG anzusehen sind, die „die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz“ erfüllen, als das Verbraucherkreditgesetz kein gleich weit reichendes Widerrufsrecht wie das Haustürwiderrufsgesetz einräumt. Durch die Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs. 2 HWiG werden die Widerrufsvorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes daher nur dann verdrängt, wenn auch das Verbraucherkreditgesetz dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gewährt.

Das gilt, wie der Senat in seinem oben genannten Urteil vom 9. April 2002 (aaO S. 1185) näher ausgeführt hat, auch für Fälle wie den vorliegenden, in dem nach dem für die Revision zugrunde zu legenden – streitigen – Sachverhalt die Haustürsituation nur bei der Vertragsanbahnung, nicht hingegen beim Vertragsabschluß vorlag. Der Sachverhalt unterfällt daher nicht unmittelbar dem Anwendungsbereich der Haustürgeschäfterichtlinie. Eine „gespaltene Auslegung“, nach welcher das Ergebnis der richtlinienkonformen Auslegung auf Sachverhalte beschränkt bleiben soll, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, widerspricht aber der durch das nationale deutsche Recht geforderten Gleichbehandlung der verschiedenen Haustürsituationen.

Das angefochtenen Urteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).

Dieses wird, da die Umstände der Vertragsanbahnung zwischen den Parteien streitig sind, zunächst Feststellungen zu den Voraussetzungen des Widerrufsrechts gemäß § 1 HWiG a.F. zu treffen haben. Sollte danach ein Widerrufsrecht zu bejahen sein, wird das Berufungsgericht bei der Prüfung der sich aus § 3 HWiG (in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung) ergebenden Rechtsfolgen des Widerrufs zu berücksichtigen haben, daß § 9 VerbrKrG (in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung) gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG auf Realkreditverträge im Sinne dieser Vorschrift nicht anwendbar ist sowie daß nach der ständigen langjährigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Realkreditvertrag und das finanzierte Grundstücksgeschäft grundsätzlich nicht als zu einer wirtschaftlichen Einheit verbundene Geschäfte anzusehen sind (vgl. Senatsurteil vom 9. April 2002 aaO S. 1185 f. m.w.Nachw.). Die Kritik, die in diesem Punkt von einigen Autoren (Derleder ZBB 2002, 202, 208 f.; Hoffmann ZIP 2002, 1066 ff.; Fischer DB 2002, 1266, 1267; Fritz ZfIR 2002, 529 ff.; Rörig MDR 2002, 894, 895; grundsätzlich zustimmend dagegen Ulmer ZIP 2002, 1080, 1083; Lange EWiR 2002, 523, 524; Rohe BKR 2002, 575, 577) an dem Senatsurteil vom 9. April 2002 (aaO) geübt worden ist, gibt dem Senat keinen Grund, von der genannten Rechtsprechung abzuweichen. Dazu besteht umso weniger Veranlassung, als der Gesetzgeber mit dem durch Art. 25 Abs. 1 Nr. 7 des Gesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2850) eingefügten § 358 Abs. 3 Satz 3 BGB auch für die Zukunft klargestellt hat, daß Darlehensverträge und die durch sie finanzierten Grundstückserwerbsgeschäfte nur ausnahmsweise unter ganz bestimmten engen Voraussetzungen als verbundene Verträge anzusehen sind.

Der Widerruf des Realkreditvertrages berührt die Wirksamkeit des Kaufvertrages über die Eigentumswohnung deshalb grundsätzlich nicht. Die gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG ändert daran nichts. Sie hat nicht zur Folge, daß das Verbraucherkreditgesetz für Geschäfte der vorliegenden Art generell nicht zu beachten wäre. Haustürwiderrufs- und Verbraucherkreditgesetz stehen insoweit vielmehr ebenso nebeneinander wie Haustürgeschäfte- und Verbraucherkreditrichtlinie (Senatsurteil vom 9. April 2002 aaO S. 1186 m.w.Nachw.). Die Haustürgeschäfterichtlinie steht dem nicht entgegen (a.M. Fritz aaO S. 530; Rörig aaO), weil ihr Artikel 7 die Regelung der Rechtsfolgen des Widerrufs von Haustürgeschäften ausdrücklich dem einzelstaatlichen Recht überläßt.

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