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Heizkostenzahlungspflicht des Sozialleistungsträgers

Hessisches Landessozialgericht

Az.: L 6 AS 145/07 ER

Urteil vom 05.09.2007

Vorinstanz: Sozialgericht Kassel, Az.: S 8 AS 181/07 ER, Urteil vom 27.03.2007


Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 27. März 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Die am 27.04.2007 bei dem Sozialgericht Kassel eingegangene Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Sozialgericht mit Entscheidung vom 30.04.2007 nicht abgeholfen hat, mit dem sinngemäßen Antrag, den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 27.03.2007 aufzuheben und den Antrag der Antragsteller zurückzuweisen ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin zunächst zu Recht verpflichtet, an die Antragsteller vorläufig bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens weitere Kosten für die Heizung in Höhe von 26,46 EUR zu zahlen. Insoweit liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein Rechtsverhältnis gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines materiellen Leistungsanspruchs) als auch ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), die glaubhaft zu machen sind (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung – ZPO -). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes – GG -), ist von diesem Grundsatz jedoch dann abzuweichen, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – BVerfGE 79, 69 ff.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern eine Wechselbeziehung besteht. Die Anforderungen an den Anordnungsanspruch sind mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Beschluss des 7. Senates des Hessischen Landessozialgerichts vom 29.06.2005, Az. L 7 AS 1/05 ER; Meyer-Ladewig, SGG, § 86b, Rdnr. 28). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet und das angegriffene Verwaltungshandeln offensichtlich rechtswidrig bzw. bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Leistungsträgers, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.05.2004, Az. L 16 B 15/04 KR ER; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 31.07.2002, Az: L 18 B 237/01 V ER). In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, wobei jedoch auf einen Anordnungsgrund nicht gänzlich verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden.

Davon ausgehend ist das Sozialgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragsteller nach der im vorliegenden Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung einen Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Kosten für die Heizung in Höhe von 26,46 EUR monatlich glaubhaft gemacht haben. Der erforderliche Anordnungsanspruch ist damit gegeben.

Im Hinblick auf die nach § 22 Abs. 1 SGB, Zweites Buch, Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) berücksichtigungsfähigen laufenden Kosten für die Heizung ist nach mittlerweile gesicherter Rechtsprechung (z. B. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21.03.2006, Az. L 9 AS 124/05 ER; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.12.2005, Az. L 8 AS 427/05 ER; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2005, Az. L 19 B 68/05 AS ER; Landessozialgericht Thüringen, Beschluss vom 07.07.2005, Az. L 7 AS 334/05 ER) auf die Festsetzungen im Mietvertrag oder auf die Vorauszahlungsfestsetzungen der Energieversorgungsunternehmen abzustellen, für die eine Vermutung der Angemessenheit spricht, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches und damit unangemessenes Heizverhalten vorliegen (so auch Münder, SGB II, Lehr- und Praxiskommentar, § 22, Rdnr. 65; Juris Praxiskommentar, SGB II, § 22, Rdnr. 62). Dies hat zur Folge, dass der Leistungsträger im Zweifel das Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte konkret darzulegen und ggf. zu beweisen hat. Kommt er dem nicht nach, hat es bei der Vermutung der Angemessenheit zu verbleiben. So liegt der Fall hier. Die Antragsgegnerin hat lediglich darauf verwiesen, sie orientiere sich im Interesse der Gleichbehandlung der Leistungsempfänger an Pauschalbeträgen für bestimmte Brennstoffe. Dies entspricht jedoch nicht der Intention des Gesetzgebers, der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind, geregelt hat. Die Anwendung von Pauschalbeträgen ist damit gerade nicht gesetzeskonform. Die Antragsgegnerin hat selbst darauf verwiesen, dass die Höhe der Heizkosten von zahlreichen Faktoren wie Bauzustand der Wohnung, Lage im Gebäude, Geschosshöhe, Wärmeisolierung, Heizungsanlage und meteorologischen Daten abhängt. Diese Faktoren stehen überwiegend nicht zur kurzfristigen Disposition des Hilfeempfängers. Dementsprechend kommt es, wie bei der Ermittlung der Bruttokaltmiete, auf die Besonderheiten des Einzelfalles an. Die Antragsgegnerin zitiert die Entscheidung des 9. Senates des Hessischen Landessozialgerichtes vom 21.03.2006 (L 9 AS 124/05 ER) verkürzt, wenn sie darauf verweist, nach dieser Entscheidung könne eine Orientierung an quadratmeterbezogenen Richtwerten erfolgen. Dies steht – wie der 9. Senat zutreffend ausgeführt hat – unter der Prämisse, dass die Richtwerte nach Maßgabe der Besonderheiten des Einzelfalles anzupassen sind. Im Übrigen hat der 9. Senat ausgeführt, dass quadratmeterbezogene Richtwerte eben nur einen Anhaltspunkt für die Angemessenheit der Heizkosten bilden. Auch der weiteren Argumentation der Antragsgegnerin ist nicht zu folgen, wonach das Abstellen auf die Vorauszahlungen an den Vermieter oder das Energieversorgungsunternehmen mit § 22 Abs. 1 SGB II nicht vereinbar sei, weil es auf die tatsächlichen Aufwendungen ankomme. Gerade Vorauszahlungen stehen in einem Bezug zu den tatsächlichen Heizkosten (in aller Regel orientiert an den tatsächlichen Kosten der letzten Heizperiode), während die Antragsgegnerin auf Pauschalbeträge für bestimmte Brennstoffe abstellen will, die als Durchschnittswerte keinerlei Bezug zu den genannten Faktoren haben, die für die Höhe der Heizkosten im Einzelfall aber bestimmend sind.

Nach alledem hat es dabei zu verbleiben, dass für die Angemessenheit der Heizkosten auf die Vorauszahlungen aufgrund des Mietvertrages oder aufgrund der Festsetzungen der Energieversorgungsunternehmen abzustellen ist, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches und damit unangemessenes Verhalten vorliegen. Derartige Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich und von der Antragsgegnerin auch nicht schlüssig dargetan. Diese hat lediglich pauschal geltend gemacht, Vorauszahlungen seien in aller Regel höher als die zu erwartenden Kosten, um spätere Nachforderungen zu vermeiden. Weiter könne der Leistungsträger unwirtschaftliches Heizverhalten kaum nachweisen. Die Heizkosten der Antragsteller seien fast doppelt so hoch wie die von ihr ermittelten angemessenen Heizkosten (unter Anwendung der Pauschalbeträge). Ob auch im Falle der Antragsteller erhöhte und unangemessene Vorauszahlungen festgesetzt sind, hat die Antragsgegnerin damit gerade nicht dargetan. Die Antragsgegnerin verkennt die aufgezeigte Darlegungs- und Beweislast, wenn sie vorträgt, die Antragsteller hätten keine triftigen Gründe wie zum Beispiel schlechte Bausubstanz geltend gemacht, so dass eine Anpassung der quadratmeterbezogenen Richtwerte nach oben nicht erfolgen könne. Es ist vielmehr Aufgabe der Leistungsträger die Besonderheiten des Einzelfalles im Rahmen der Amtsermittlungspflicht zu klären und daran die Leistungen auszurichten. Die Antragsgegnerin hat jedoch keinerlei Ermittlungen getätigt, sondern lediglich Pauschalbeträge zugrunde gelegt. Dies steht, wie ausgeführt, mit § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht im Einklang. Im Übrigen ist hier kein Abzug in Höhe von 18% für den Warmwasseranteil vorzunehmen, weil die Warmwasserbereitung nicht über die Heizungsanlage, sondern über einen elektrisch betriebenen Durchlauferhitzer erfolgt. Dies hat die Gemeinde A-Stadt als Vermieter unter dem 27.03.2007 bestätigt. Im Ergebnis ist nach der gebotenen summarischen Prüfung ein Anspruch der Antragsteller auf Berücksichtigung weiterer Kosten für die Heizung in Höhe von 26,46 EUR monatlich glaubhaft gemacht.

Der Senat folgt dem Sozialgericht auch, soweit es die Antragsgegnerin verpflichtet hat, von der monatlichen Einbehaltung eines Betrages von 50,00 EUR zur Tilgung des Darlehens für die Mietkaution abzusehen. Auch insoweit ist von einem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch auszugehen. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass ein solches Darlehen grundsätzlich zins- und tilgungsfrei zu gewähren ist (so Münder, SGB II, Lehr- und Praxiskommentar, § 22, Rdnr. 101). Dem tritt der Senat zumindest für den Fall, dass die gewährten laufenden Grundsicherungsleistungen die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO nicht übersteigen, bei. Hierfür sind folgende Erwägungen bedeutsam: Rechtsgrundlage für die Erbringung einer Mietkaution als Darlehen ist § 22 Abs. 3 S. 3 SGB II. Demgegenüber regelt § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II die Gewährung eines Darlehens im Einzelfall zur Deckung eines (sonstigen) unabweisbaren Bedarfs. Nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB II wird ein solches Darlehen durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10% der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt. Eine entsprechende Regelung zur Tilgung des Darlehens enthält § 22 Abs. 3 SGB II gerade nicht. Bereits diese Gesetzessystematik legt den Schluss nahe, dass der Gesetzgeber nicht von einer Tilgung eines Mietkautionsdarlehens vor Fälligkeit des entsprechenden Rückzahlungsanspruches ausgegangen ist. Den Gesetzesmaterialien (vgl. Gesetzesbegründung zu § 22 Abs. 3 SGB II, BT-Drucks 16/1688, Seite 14) ist zu entnehmen, dass der zuständige Leistungsträger eine Mietkaution grundsätzlich in Form eines Darlehens erbringen solle, da sich aus der Natur der Mietkaution bereits ergebe, dass diese im Regelfall an den Mieter zurückfließe. Insofern sei es im Regelfall nicht gerechtfertigt, die Kaution dem Hilfebedürftigen endgültig zu belassen. Die Gesetzesbegründung enthält damit keine ausdrücklichen Hinweise auf die Möglichkeit einer ratenweisen Tilgung des Darlehens aus den laufenden Grundsicherungsleistungen. Ebensowenig enthält die Begründung einen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass das Darlehen erst nach Rückzahlung der Kaution durch den Vermieter getilgt werden soll. Der Gesamtzusammenhang spricht jedoch dafür, dass der Gesetzgeber von einem tilgungsfreien (und zinsfreien) Darlehen ausgegangen ist. Zumindest geben sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die Gesetzesbegründung im Hinblick auf die Möglichkeit einer (Sonder-) Aufrechnung nichts her, so dass für die Frage der Rechtmäßigkeit einer Rückzahlungsvereinbarung im Darlehensvertrag auf die allgemeine Vorschrift des § 51 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch, Allgemeiner Teil (SGB I) abzustellen ist. Insoweit ist der Einbehalt von Teilen der laufenden Grundsicherungsleistungen zur Tilgung des Darlehens auf der Grundlage des Darlehensvertrages als Aufrechnung zu beurteilen (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.09.2006, Az. L 13 AS 3108/06 ER). Nach § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind. § 54 Abs. 2 SGB I regelt die Pfändbarkeit von einmaligen Geldleistungen und kommt deshalb von vornherein nicht in Betracht. Nach § 54 Abs. 4 SGB I können Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. Die Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen ergeben sich aus § 850c Abs. 1 ZPO. Danach unterfällt ein monatlicher Betrag von 930,00 EUR dem Pfändungsschutz. Dieser Betrag erhöht sich im Falle einer Unterhaltsgewährung aufgrund gesetzlicher Verpflichtung für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, um 350,00 EUR monatlich. Der Antragsteller zu 1. lebt zusammen mit dem Antragsteller zu 2., seinem minderjährigen Sohn, in einer Bedarfsgemeinschaft. Dementsprechend gilt hier eine Pfändungsgrenze von 1.280,00 EUR. Die Antragsgegnerin leistete in der Zeit vom 01.03.2007 bis 30.04.2007 aufgrund des Bescheides vom 01.03.2007 an die Antragsteller einen monatlichen Betrag von 717,40 EUR. Wird das gezahlte Kindergeld von 154,00 EUR hinzugerechnet, so ergab sich ein Gesamteinkommen der Antragsteller von 871,40 EUR. Dieser Betrag, der den Grundsicherungsbedarf darstellt, bleibt deutlich unter der genannten Pfändungsgrenze von 1.280,00 EUR zurück. Sogar der Pfändungsfreibetrag für eine Einzelperson von 930,00 EUR wird unterschritten. Dies gilt gleichermaßen für die Leistungen ab dem 01.05.2007. Die Antragsgegnerin leistet seit diesem Zeitpunkt monatlich 743,86 EUR an die Antragsteller (Bescheid vom 03.05.2007). Mithin besteht keinerlei Raum für eine Aufrechnung gegen die Ansprüche der Antragsteller mit dem Anspruch auf Darlehensrückzahlung.

Im Übrigen führt § 51 Abs. 2 SGB I zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen bezieht sich die Vorschrift auf – hier nicht gegebene – Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen bzw. auf Beitragsansprüche. Zum anderen kann die Aufrechnung nur bis zum Eintritt der Sozialhilfebedürftigkeit oder Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II erfolgen. Die Antragsteller sind jedoch bereits entsprechend hilfebedürftig. Weiter findet auch § 43 Abs. 1 SGB II keine Anwendung, der eine privilegierte Aufrechnung zulässt, soweit es um Ansprüche auf Erstattung oder auf Schadensersatz geht, die der Hilfebedürftige durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst hat. Auch ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Im Ergebnis hat es dabei zu verbleiben, dass zu keinem Zeitpunkt seit dem 01.03.2007 eine Aufrechnung zulässig war bzw. ist.

Dies hat zur Folge, dass die in dem Darlehensvertrag vom 25.01.2007 enthaltene Tilgungsvereinbarung in Höhe von 50,00 EUR monatlich beginnend mit dem Monat nach Auszahlung des Darlehens rechtswidrig ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Vereinbarung gemäß § 58 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren (SGB X) i.V.m. § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig ist. Der Antragsgegnerin ist es jedenfalls in Anwendung des in § 242 BGB geregelten und über § 61 S. 2 SGB X anwendbaren Grundsatzes von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Tilgungsvereinbarung als Rechtsgrundlage für die Aufrechnung zu berufen, denn die Antragsgegnerin hat die Aufnahme der rechtswidrigen Rückzahlungsvereinbarung in den Darlehensvertrag veranlasst. Es würde eine unzulässige Rechtsausübung darstellen, wenn sie sich nun darauf berufen könnte.

Gleiches gilt im Hinblick auf den Vortrag der Antragsgegnerin, in dem Darlehensvertrag liege ein (Teil-) Verzicht auf Sozialleistungen im Sinne des § 46 Abs. 1 1. Halbs. SGB I, der zu einem entsprechenden Erlöschen des Sozialleistungsanspruches geführt habe. Auch hierauf kann sich die Antragsgegnerin nach Treu und Glauben nicht berufen, denn sie selbst hat den Verzicht – rechtswidrig – herbeigeführt. Angesichts dessen bedarf es keiner weiteren Ausführungen zu der Frage, ob der Antragsteller zu 1. den Verzicht wirksam nach § 46 Abs. 1 2. Halbsatz SGB I widerrufen und welche Auswirkungen ein solcher Widerruf des Verzichts im Falle von Dauerleistungen hat. Insoweit spricht viel dafür, dass die Angaben des Antragstellers zu 1. im Rahmen des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 09.03.2007 und aus Anlass der weiteren Vorsprache bei dem Sozialgericht am 12.03.2007 als konkludent erklärter Widerruf des Verzichts zu werten sind. Es reicht aus, wenn dem Wortlaut und den Begleitumständen der Erklärung entnommen werden kann, dass an dem Verzicht nicht mehr festgehalten wird. Auch ist eine Erklärung gegenüber dem Gericht ausreichend, zumal hier sowohl der Antrag vom 09.03.2007 als auch der Vermerk vom 12.03.2007 der Antragsgegnerin zugeleitet worden sind. Weiter ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin davon auszugehen, dass der Widerruf eines Verzichts bei laufenden Leistungen alle nach dem Zugang des Widerrufs fälligen Teilleistungen erfasst. Einer weiteren Vertiefung bedarf es jedoch – wie ausgeführt – nicht.

Der Senat hat weiter bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass es für die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotene summarische Prüfung lediglich auf einen Anordnungsanspruch im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ankommt. Dieser war – auch unter Berücksichtigung der Folgen für die Beteiligten – zu bejahen. Insoweit führt der Ansatz weiterer Heizkosten zu lediglich geringfügig höheren Leistungen an die Antragsteller (26,46 EUR monatlich). Dies rechtfertigt, die endgültige Klärung verbleibender Zweifel im Hauptsacheverfahren herbeizuführen. Sollte sich erweisen, dass die einstweilige Anordnung insoweit von Anfang an ganz oder teilweise ungerechtfertigt war, sind die Antragsteller verpflichtet, der Antragsgegnerin den Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Vollziehung der Anordnung entsteht (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 945 ZPO). Im Hinblick auf die Aussetzung des Einbehalts von monatlich 50,00 EUR entsteht der Antragsgegnerin ohnehin kein Schaden, weil der Rückzahlungsanspruch aufgrund des Darlehensvertrages, der zudem durch die Abtretung des Kautionsrückzahlungsanspruches des Antragstellers zu 1. gesichert ist, davon unberührt bleibt.

Letztlich ist auch der erforderliche Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Hiervon ist offenbar auch das Sozialgericht ausgegangen, auch wenn es dazu keine Ausführungen gemacht hat. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d.h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 07.11.2005, Az. L 9 AS 66/05; Conradis, SGB II, Lehr- und Praxiskommentar, Anhang Verfahren Rdnr. 119). Eine solche Notlage ist bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (Meyer-Ladewig, SGG, § 86b Rdnr. 28). Derartige erhebliche Nachteile sind hier zu bejahen, da nicht ersichtlich ist, aus welchen Mitteln der nicht gedeckte Bedarf im Hinblick auf die Heizkosten bestritten werden kann. Insoweit verfügen die Antragsteller abgesehen von dem Kindergeld über keinerlei eigene Einkünfte und Vermögen. Dies gilt zumindest für die Zeit seit dem 01.03.2007. Weiter führt die Herabsetzung der laufenden Leistungen nach dem SGB II im Wege der Aufrechnung zur Tilgung des Mietkautionsdarlehens dazu, dass das gesetzlich gewährleistete Existenzminimum nicht mehr sichergestellt ist. Insgesamt ist es deshalb den Antragstellern nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).

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