Übersicht:
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Gerichtsentscheidung: Unter welchen Umständen ist Herabsetzung der Restlaufleistung bei Kurzläufern gerechtfertigt?
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Hat ein Fahrzeughalter grundsätzlich Anspruch auf Wertminderung bei geringer Fahrleistung?
- Welche anderen Faktoren neben der Laufleistung können eine Wertminderung rechtfertigen?
- Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Kurzläufer gegen eine ungerechtfertigte Wertminderung vorzugehen?
- Wie erfolgt die korrekte Bemessung des Restwerts bei Gebrauchtwagenverkäufen von Kurzläufern?
- Können Kurzläufer Schadensersatzansprüche gegen den Fahrzeughersteller geltend machen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Das Urteil behandelt die Frage der Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen und deren rechtliche Folgen.
- Der Klägerin wurde ein Pkw mit unzulässigen „Thermofenster“ und „Geregeltem Kühlmittelthermostat“ verkauft.
- Diese Abschalteinrichtungen führen unter bestimmten Temperaturbedingungen zu einer Reduktion der Abgasrückführung, was nach EU-Regelungen unzulässig ist.
- Das Gericht entschied, dass die Klägerin einen Schadensersatz in Höhe von 2.600 € erhält.
- Der Schadensersatz basiert auf der Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem Fahrzeugwert bei Vertragsschluss, welcher durch die unzulässigen Abschalteinrichtungen vermindert wurde.
- Die Verjährung von kaufrechtlichen Ansprüchen aus dem Kaufvertrag ist bereits eingetreten.
- Das Gericht stellte klar, dass die Abtretungsklausel im Kaufvertrag die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht umfasst.
- Die Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf Fahrzeughalter, da sie ihre Ansprüche sichern und prüfen sollten, ob ihre Fahrzeuge ähnliche unzulässige Abschalteinrichtungen aufweisen.
- Das Urteil verdeutlicht auch die Bedeutung der rechtlichen Einordnung und Nachweisführung eines Herstellers hinsichtlich der Zulässigkeit verwendeter Abschalteinrichtungen.
- Es wird klargestellt, dass Software-Updates nur dann eine Schadensminderung bewirken, wenn sie neue unzulässige Abschalteinrichtungen vermeiden.
Gerichtsentscheidung: Unter welchen Umständen ist Herabsetzung der Restlaufleistung bei Kurzläufern gerechtfertigt?
Die Berechnung der Restlaufleistung eines Kraftfahrzeugs ist ein entscheidender Faktor bei der Bestimmung seines Wertes. Gerade bei sogenannten „Kurzläufern“, also Fahrzeugen mit geringer Laufleistung, stellt sich oft die Frage, ob eine Herabsetzung der erwarteten Restlaufleistung gerechtfertigt ist.
Die Antwort ist nicht immer eindeutig und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Neben der reinen Kilometerleistung spielen auch das Alter des Fahrzeugs, die Art der Nutzung und der allgemeine Zustand eine Rolle. Eine pauschale Herabsetzung der Restlaufleistung aufgrund geringer Fahrleistung ist daher nicht immer zulässig.
Im Folgenden wird ein Gerichtsurteil vorgestellt, das sich mit genau dieser Frage beschäftigt. Es zeigt, unter welchen Umständen eine Herabsetzung der Restlaufleistung bei Kurzläufern gerechtfertigt sein kann und welche Kriterien dabei zu beachten sind.
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Der Fall vor Gericht
Urteil zu Wertminderungsanspruch bei Kurzläufern

In dem vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob ein Fahrzeughalter mit geringer Fahrleistung (Kurzläufer) einen Anspruch auf Wertminderung seines Fahrzeugs aufgrund der geringen Laufleistung hat. Die Klägerin hatte 2011 einen Mercedes-Benz C-Klasse Diesel von der Beklagten erworben. Das Fahrzeug war mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung ausgestattet, welche zu erhöhten Stickoxid-Emissionen führte. 2023 verkaufte die Klägerin das Fahrzeug mit nur 65.000 km Laufleistung weiter.
Gerichtliche Entscheidung
Das Oberlandesgericht Celle entschied, dass die Beklagte aufgrund der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung und der dadurch unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung an die Klägerin einen Schadensersatz in Höhe von 2.600 € nebst Zinsen zu zahlen hat.
Das Gericht begründete dies damit, dass die Beklagte durch die Verwendung der Abschalteinrichtungen ein gesteigertes Risiko eines behördlichen Eingreifens geschaffen und somit gegen die EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung verstoßen hat. Die Bedatung des „Thermofensters“ für die Abgasrückführung vereitelte das mit dem Verbot angestrebte hohe Umweltschutzniveau. Zudem war der Umfang möglicher Betriebsbeschränkungen zum Kaufzeitpunkt nicht absehbar.
Allerdings wurde der volle Schadensrahmen von 5-15% des Kaufpreises nicht ausgeschöpft, da die Verwendung des „Thermofensters“ zum damaligen Zeitpunkt einem Industriestandard entsprach und vom Kraftfahrtbundesamt nicht beanstandet wurde. Auch lag das Verschulden hinter einer manipulativen Prüfstandserkennung zurück. Das Software-Update brachte keine relevante Aufwertung, da weiterhin eine Abschalteinrichtung vorlag.
Die Berechnung des Nutzungsvorteils erfolgte nicht anhand der tatsächlichen individuellen Fahrleistung, sondern einer erwarteten Gesamtlaufleistung von 250.000 km für diesen Fahrzeugtyp. Eine Berücksichtigung der individuellen Fahrleistung wurde abgelehnt, da dies zu einer unangemessenen Entlastung des Schädigers führen würde.
Bedeutung für Kurzläufer
Für Fahrzeughalter mit geringer Laufleistung (Kurzläufer) bedeutet dieses Urteil, dass eine bloße geringe Fahrleistung keinen Anspruch auf Wertminderung begründet. Ausschlaggebend sind vielmehr die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen und die dadurch entstandenen Risiken und Nachteile für den Fahrzeughalter. Kurzläufer können somit bei entsprechenden Fällen einen anteiligen Schadensersatz geltend machen.
Aspekte der Schadensberechnung
Neben der Wertminderung selbst behandelte das Gericht ausführlich die Berechnung des Schadensersatzes. Relevante Faktoren sind das Gewicht des Rechtsverstoßes, das Umweltschutzniveau, der Grad des Verschuldens sowie die konkreten Einzelfallumstände. Die Höhe des Schadens bewegt sich in einer Bandbreite von 5-15% des Kaufpreises.
Bei der Nutzungsvorteilsberechnung wird auf eine typische Gesamtlaufleistung des Fahrzeugtyps und nicht auf die individuelle Laufleistung abgestellt. Dies soll eine unangemessene Entlastung des Schädigers verhindern. Käufer profitieren somit nicht von einer möglichen höheren Restlaufleistung bei geringer Nutzung.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass eine geringe Laufleistung allein keinen Anspruch auf Wertminderung begründet. Entscheidend sind die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen und die daraus resultierenden Risiken für den Fahrzeughalter. Die Schadenshöhe richtet sich nach dem Gewicht des Rechtsverstoßes, dem Umweltschutzaspekt und dem Verschuldensgrad. Bei der Nutzungsvorteilsberechnung ist die typenspezifische Gesamtlaufleistung maßgeblich, um den Schädiger nicht unangemessen zu entlasten.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Fahrzeughalter mit geringer Fahrleistung (Kurzläufer) stellt das Urteil klar, dass eine bloße geringe Laufleistung allein keinen Anspruch auf Wertminderung des Fahrzeugs begründet. Entscheidend sind vielmehr die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen durch den Hersteller und die damit verbundenen Risiken wie behördliche Auflagen und Betriebsbeschränkungen. Das Gericht hat der Klägerin aufgrund solcher Abschalteinrichtungen einen anteiligen Schadensersatz in Höhe von 10% des Kaufpreises zugesprochen.
Die Entscheidung zeigt, dass Kurzläufer sehr wohl Ansprüche gegen den Hersteller geltend machen können, wenn das Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet war. Dabei spielt die tatsächliche individuelle Fahrleistung keine Rolle. Stattdessen wird auf die typische Gesamtlaufleistung des Fahrzeugtyps abgestellt. So wird vermieden, dass Hersteller durch eine unterdurchschnittliche Nutzung doppelt entlastet werden. Für Kurzläufer ist es wichtig, ihre Rechte zu kennen und auf Mängel wie verbotene Abschalteinrichtungen zu achten, um im Bedarfsfall Schadensersatzansprüche prüfen zu lassen.
FAQ – Häufige Fragen
Sie haben Fragen rund um das Thema Wertminderungsanspruch bei Kurzläufern? Wir haben die Antworten! In unserer FAQ-Rubrik finden Sie verständliche und fundierte Informationen zu den rechtlichen Aspekten dieses komplexen Themas.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Hat ein Fahrzeughalter grundsätzlich Anspruch auf Wertminderung bei geringer Fahrleistung?
- Welche anderen Faktoren neben der Laufleistung können eine Wertminderung rechtfertigen?
- Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Kurzläufer gegen eine ungerechtfertigte Wertminderung vorzugehen?
- Wie erfolgt die korrekte Bemessung des Restwerts bei Gebrauchtwagenverkäufen von Kurzläufern?
- Können Kurzläufer Schadensersatzansprüche gegen den Fahrzeughersteller geltend machen?
Hat ein Fahrzeughalter grundsätzlich Anspruch auf Wertminderung bei geringer Fahrleistung?
Bei der Bewertung einer möglichen Wertminderung eines Fahrzeugs spielen neben der Laufleistung zahlreiche weitere Faktoren eine wichtige Rolle. Das Alter des Fahrzeugs hat einen erheblichen Einfluss auf seinen Wert. Generell verlieren Fahrzeuge in den ersten Jahren nach der Erstzulassung am stärksten an Wert, wobei der Wertverlust mit zunehmendem Alter in der Regel abnimmt.
Technische Mängel können ebenfalls zu einer deutlichen Wertminderung führen. Dabei ist es unerheblich, ob diese Mängel durch einen Unfall oder durch normalen Verschleiß entstanden sind. Selbst nach einer fachgerechten Reparatur kann ein technischer Mangel den Wert eines Fahrzeugs nachhaltig beeinträchtigen.
Die Marke und das spezifische Modell eines Fahrzeugs beeinflussen seinen Wertverlust maßgeblich. Einige Marken und Modelle gelten als besonders wertstabil, während andere schneller an Wert verlieren. Deutsche Premium-Marken wie Mercedes, BMW und Audi zählen beispielsweise zu den wertstabilsten Marken.
Die Anzahl der Vorbesitzer spielt ebenfalls eine Rolle bei der Wertermittlung. Ein Fahrzeug mit nur einem Vorbesitzer wird in der Regel höher bewertet als ein vergleichbares Modell mit mehreren Vorbesitzern. Der Gesamtzustand des Fahrzeugs, einschließlich des Innenraums und der Karosserie, beeinflusst den Wert erheblich. Gut gepflegte Fahrzeuge erzielen höhere Preise als vernachlässigte.
Die Ausstattung eines Fahrzeugs kann seinen Wert positiv beeinflussen. Hochwertige Sonderausstattungen wie Ledersitze, Navigationssysteme oder Fahrassistenzsysteme können den Wert eines Gebrauchtwagens steigern. Die Marktgängigkeit eines Fahrzeugs, also wie gefragt es auf dem Gebrauchtwagenmarkt ist, beeinflusst ebenfalls seinen Wert. Beliebte Modelle erzielen oft höhere Preise als weniger nachgefragte Fahrzeuge.
Bei Kurzläufern, also Fahrzeugen mit geringer jährlicher Fahrleistung, können diese Faktoren besonders ins Gewicht fallen. Die geringe Laufleistung allein garantiert keinen hohen Restwert. Auch bei diesen Fahrzeugen müssen Alter, technischer Zustand und Marktattraktivität berücksichtigt werden. Ein älteres Fahrzeug mit geringer Laufleistung kann trotzdem an Wert verlieren, wenn es technisch veraltet ist oder nicht mehr den aktuellen Marktanforderungen entspricht.
Für eine umfassende Einschätzung der Wertminderung eines Fahrzeugs ist es daher unerlässlich, alle genannten Faktoren zu berücksichtigen. Eine professionelle Bewertung durch einen Sachverständigen kann helfen, den tatsächlichen Wert eines Fahrzeugs unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte zu ermitteln.
Welche anderen Faktoren neben der Laufleistung können eine Wertminderung rechtfertigen?
Kurzläufer haben verschiedene rechtliche Möglichkeiten, gegen eine ungerechtfertigte Wertminderung vorzugehen. Der erste Schritt besteht in der Einlegung eines Widerspruchs gegen die Entscheidung zur Wertminderung. Hierbei sollten Betroffene schriftlich darlegen, warum sie die Wertminderung für ungerechtfertigt halten und entsprechende Belege beifügen. Dies gibt der Gegenseite die Möglichkeit, ihre Entscheidung zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.
Führt der Widerspruch nicht zum gewünschten Ergebnis, können Kurzläufer den Klageweg beschreiten. Eine Klage vor dem zuständigen Gericht ermöglicht eine umfassende rechtliche Prüfung des Sachverhalts. Hierbei ist es ratsam, sich von einem spezialisierten Rechtsanwalt vertreten zu lassen, der die komplexen rechtlichen Aspekte der Wertminderung bei Kurzläufern kennt.
Von zentraler Bedeutung für beide Vorgehensweisen ist die Beweissicherung. Kurzläufer sollten frühzeitig alle relevanten Unterlagen und Beweise sammeln, die den tatsächlichen Zustand und Wert ihres Fahrzeugs belegen. Dazu gehören Wartungsnachweise, Fahrtenbücher und vor allem ein unabhängiges Sachverständigengutachten. Ein solches Gutachten kann den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren ermitteln und somit eine ungerechtfertigte Wertminderung widerlegen.
Kurzläufer sollten zudem die Dokumentation aller Kommunikation mit der Gegenseite nicht vernachlässigen. Schriftliche Aufzeichnungen über Gespräche, E-Mails und Briefe können in einem späteren Verfahren von großem Nutzen sein.
Eine weitere Option stellt die Einschaltung der Schlichtungsstelle dar. Viele Versicherungen und Automobilhersteller haben eigene Schlichtungsstellen eingerichtet, die bei Streitigkeiten vermitteln können. Dieses Verfahren ist oft kostengünstiger und schneller als ein Gerichtsprozess.
In besonders komplexen Fällen oder bei hohen Streitwerten empfiehlt sich die Beauftragung eines spezialisierten Rechtsanwalts bereits im Vorfeld rechtlicher Schritte. Ein erfahrener Anwalt kann die Erfolgsaussichten realistisch einschätzen und die optimale Strategie zur Durchsetzung der Rechte des Kurzläufers entwickeln.
Kurzläufer sollten bei all diesen Schritten stets die geltenden Fristen im Auge behalten. Sowohl für Widersprüche als auch für Klagen gibt es oft strenge zeitliche Vorgaben, deren Versäumnis zum Verlust der Ansprüche führen kann.
Die Kosten-Nutzen-Abwägung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Kurzläufer müssen sorgfältig prüfen, ob der potenzielle Gewinn durch die Anfechtung der Wertminderung in einem angemessenen Verhältnis zum finanziellen und zeitlichen Aufwand steht.
Durch die konsequente Nutzung dieser rechtlichen Möglichkeiten können Kurzläufer ihre Interessen effektiv vertreten und sich gegen ungerechtfertigte Wertminderungen zur Wehr setzen. Eine gründliche Vorbereitung und die Unterstützung durch Fachleute erhöhen dabei die Chancen auf einen erfolgreichen Ausgang des Verfahrens.
Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Kurzläufer gegen eine ungerechtfertigte Wertminderung vorzugehen?
Die korrekte Bemessung des Restwerts bei Gebrauchtwagenverkäufen von Kurzläufern erfordert eine sorgfältige Berücksichtigung verschiedener Faktoren und Methoden. Der Restwert eines Fahrzeugs bezeichnet den Wert, den ein Gebrauchtwagen zu einem bestimmten Zeitpunkt noch hat. Bei der Ermittlung dieses Wertes spielen mehrere Aspekte eine entscheidende Rolle.
Für eine präzise Restwertermittlung werden in der Regel standardisierte Bewertungsmethoden herangezogen. Eine weit verbreitete und anerkannte Methode ist die Verwendung der Schwacke-Liste. Diese Liste bietet eine fundierte Grundlage für die Wertbestimmung, indem sie Faktoren wie Marke, Modell, Alter und Ausstattung berücksichtigt. Ergänzend dazu können weitere Bewertungsportale und Datenbanken genutzt werden, um einen möglichst genauen Marktwert zu ermitteln.
Bei Kurzläufern, also Fahrzeugen mit geringer Laufleistung, ist besondere Aufmerksamkeit geboten. Die erwartete Restlaufleistung spielt hier eine wichtige Rolle. Aufgrund der geringen Fahrleistung kann es zu einer Herabsetzung der erwarteten Restlaufleistung kommen. Dies kann den Restwert beeinflussen, da potenzielle Käufer möglicherweise von einer längeren Nutzungsdauer ausgehen.
Zur Bestimmung des Restwerts werden häufig professionelle Gutachten herangezogen. Ein Sachverständiger berücksichtigt dabei nicht nur die offensichtlichen Faktoren wie Kilometerstand und Alter, sondern auch den technischen Zustand, eventuelle Vorschäden und die allgemeine Marktlage. Diese umfassende Betrachtung trägt dazu bei, eine ungerechtfertigte Wertminderung zu vermeiden.
Branchenübliche Standards spielen bei der Restwertermittlung ebenfalls eine wichtige Rolle. Hierzu gehören neben der bereits erwähnten Schwacke-Liste auch Datenbanken wie DAT oder Eurotax. Diese Instrumente bieten eine verlässliche Basis für die Wertermittlung und werden von Händlern, Versicherungen und Gutachtern gleichermaßen genutzt.
Bei der Restwertermittlung von Kurzläufern ist zudem der Zeitwert des Fahrzeugs zu berücksichtigen. Dieser Wert spiegelt den aktuellen Marktwert wider und berücksichtigt neben dem Alter auch die spezifische Situation des Fahrzeugs. Hierbei fließen Faktoren wie der allgemeine Pflegezustand, die Vollständigkeit der Servicedokumentation und eventuelle Besonderheiten in der Ausstattung ein.
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Restwertermittlung ist die Berücksichtigung des Wertverlaufs. Fahrzeuge verlieren in den ersten Jahren nach der Erstzulassung in der Regel am meisten an Wert. Bei Kurzläufern kann dieser Wertverlauf jedoch abweichen, da die geringe Laufleistung den Wert positiv beeinflussen kann. Es ist daher wichtig, den individuellen Wertverlauf des spezifischen Fahrzeugs zu betrachten.
Für eine faire und korrekte Restwertermittlung ist es ratsam, mehrere Quellen und Methoden zu kombinieren. Neben den standardisierten Bewertungsinstrumenten können auch Vergleichsangebote auf dem Gebrauchtwagenmarkt herangezogen werden. Dies ermöglicht eine realistische Einschätzung des aktuellen Marktwertes und hilft, mögliche Abweichungen aufgrund der besonderen Situation von Kurzläufern zu berücksichtigen.
Bei der Restwertermittlung von Kurzläufern ist es zudem wichtig, die spezifischen Eigenschaften dieser Fahrzeuge zu berücksichtigen. Trotz des geringen Alters und der niedrigen Laufleistung können bestimmte Komponenten aufgrund von Standzeiten beeinträchtigt sein. Eine gründliche technische Überprüfung kann helfen, solche Faktoren zu identifizieren und in die Wertermittlung einzubeziehen.
Wie erfolgt die korrekte Bemessung des Restwerts bei Gebrauchtwagenverkäufen von Kurzläufern?
Ein Fahrzeughalter hat nicht grundsätzlich allein aufgrund geringer Fahrleistung Anspruch auf Wertminderung. Die geringe Laufleistung ist zwar ein wichtiger Faktor bei der Berechnung einer möglichen Wertminderung, begründet aber für sich genommen keinen automatischen Anspruch.
Für die Beurteilung einer Wertminderung werden verschiedene Aspekte herangezogen. Neben der Laufleistung spielen das Fahrzeugalter, der Zustand vor dem Unfall, die Anzahl der Vorbesitzer sowie die Ausstattung und Marktgängigkeit eine entscheidende Rolle. Diese Faktoren müssen im Einzelfall geprüft und bewertet werden.
Bei Kurzläufern mit geringer Fahrleistung kann durchaus eine höhere Wertminderung in Betracht kommen als bei vergleichbaren Fahrzeugen mit höherer Laufleistung. Der Grund dafür liegt in der Erwartungshaltung potentieller Käufer: Ein Fahrzeug mit niedriger Kilometerleistung verspricht eine längere Restnutzungsdauer und wird daher am Markt oft höher bewertet. Ein Unfallschaden kann diese positive Erwartung stärker beeinträchtigen als bei einem Fahrzeug mit durchschnittlicher oder hoher Laufleistung.
Die Rechtmäßigkeit einer Wertminderung hängt nicht von der Fahrleistung allein ab. Entscheidend ist vielmehr, ob durch den Unfallschaden tatsächlich eine Wertminderung am Markt eintritt. Dies muss im konkreten Fall nachgewiesen werden. Hierfür werden in der Praxis verschiedene Berechnungsmodelle herangezogen, die neben der Laufleistung weitere Faktoren berücksichtigen.
Es gibt Ausnahmen, bei denen trotz geringer Fahrleistung kein Anspruch auf Wertminderung besteht. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn es sich um einen Bagatellschaden handelt oder wenn das Fahrzeug bereits erhebliche Vorschäden aufweist. Auch bei sehr alten Fahrzeugen wird oft keine Wertminderung mehr anerkannt, selbst wenn die Laufleistung gering ist.
Die Abgrenzung zu anderen wertbeeinflussenden Faktoren gestaltet sich bei Kurzläufern mitunter schwierig. Ein niedriger Kilometerstand kann den Wert eines Fahrzeugs erheblich steigern. Gleichzeitig können andere Aspekte wie Ausstattung, Pflegezustand oder Markttrends den Wert ebenfalls beeinflussen. Bei der Beurteilung einer Wertminderung müssen all diese Faktoren in ihrer Gesamtheit betrachtet werden.
Für Fahrzeughalter von Kurzläufern ist es ratsam, im Schadensfall ein unabhängiges Gutachten einzuholen. Ein Sachverständiger kann die spezifische Situation des Fahrzeugs unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren beurteilen und eine fundierte Einschätzung zur Wertminderung abgeben. Dies erhöht die Chancen, einen berechtigten Anspruch auf Wertminderung erfolgreich durchzusetzen.
Können Kurzläufer Schadensersatzansprüche gegen den Fahrzeughersteller geltend machen?
Kurzläufer können unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatzansprüche gegen den Fahrzeughersteller geltend machen. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet in erster Linie das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG). Dieses Gesetz regelt die Haftung des Herstellers für Schäden, die durch fehlerhafte Produkte verursacht werden.
Ein Anspruch gegen den Fahrzeughersteller kann entstehen, wenn das Fahrzeug einen Fehler aufweist, der zu einer unberechtigten Wertminderung führt. Als Fehler im Sinne des Produkthaftungsgesetzes gilt eine Abweichung von der berechtigterweise zu erwartenden Beschaffenheit des Produkts. Bei Kurzläufern könnte ein solcher Fehler beispielsweise in einer unerwartet geringen Haltbarkeit oder Lebensdauer des Fahrzeugs liegen.
Die Beweislast für das Vorliegen eines Produktfehlers trägt grundsätzlich der Geschädigte. Er muss nachweisen, dass das Fahrzeug nicht die Eigenschaften aufweist, die bei einem Produkt dieser Art üblicherweise erwartet werden können. Bei Kurzläufern könnte dies bedeuten, dass die tatsächliche Restlaufleistung erheblich von der erwarteten abweicht, ohne dass dies durch äußere Faktoren wie besonders intensive Nutzung oder mangelnde Wartung erklärbar wäre.
Wichtig ist, dass der Fehler bereits zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs vorgelegen haben muss. Spätere Veränderungen oder Verschlechterungen, die auf normalen Verschleiß zurückzuführen sind, begründen keinen Anspruch gegen den Hersteller.
Für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist es ratsam, zunächst eine genaue Dokumentation des Sachverhalts vorzunehmen. Dazu gehören Nachweise über die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeugs, Wartungshistorie und gegebenenfalls Gutachten zur Feststellung der unerwarteten Wertminderung.
Der nächste Schritt wäre die Kontaktaufnahme mit dem Fahrzeughersteller. Viele Hersteller haben spezielle Abteilungen für Kundenreklamationen, die sich mit solchen Fällen befassen. Sollte auf diesem Weg keine zufriedenstellende Lösung erreicht werden, kann der Rechtsweg beschritten werden.
Bei der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen ist zu beachten, dass nach dem Produkthaftungsgesetz eine Verjährungsfrist von drei Jahren gilt. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte von dem Schaden, dem Fehler und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt oder hätte erlangen müssen.
Zu beachten ist auch, dass das Produkthaftungsgesetz eine Haftungshöchstgrenze vorsieht. Bei Sachschäden besteht zudem ein Selbstbehalt des Geschädigten. Diese Regelungen sollen eine ausgewogene Risikoverteilung zwischen Herstellern und Verbrauchern gewährleisten.
Neben dem Produkthaftungsgesetz können auch andere Rechtsgrundlagen für Schadensersatzansprüche in Betracht kommen. Dazu gehören insbesondere die Gewährleistungsrechte aus dem Kaufvertrag sowie deliktische Ansprüche nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Diese Ansprüche können unter Umständen weitergehende Rechte begründen als das Produkthaftungsgesetz.
Die Erfolgsaussichten einer Klage hängen stark vom Einzelfall ab. Entscheidend sind dabei Faktoren wie die Schwere der Abweichung von der erwarteten Beschaffenheit, die Kausalität zwischen dem Fehler und der Wertminderung sowie die Beweisbarkeit des Sachverhalts.
Ein anschauliches Beispiel für einen möglichen Schadensersatzanspruch wäre der Fall eines Kurzläufers, bei dem trotz geringer Laufleistung und ordnungsgemäßer Wartung bereits nach kurzer Zeit erhebliche Motorschäden auftreten. Wenn nachgewiesen werden kann, dass diese Schäden auf einen Konstruktions- oder Produktionsfehler zurückzuführen sind, könnte dies einen Anspruch gegen den Hersteller begründen.
Die rechtliche Beurteilung solcher Fälle ist oft komplex und erfordert eine genaue Prüfung der individuellen Umstände. Für Betroffene empfiehlt es sich daher, fachkundigen rechtlichen Rat einzuholen, um die Erfolgsaussichten eines möglichen Anspruchs gegen den Fahrzeughersteller einschätzen zu lassen.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Abschalteinrichtung: Dies ist eine Software oder Hardwarekomponente in Fahrzeugen, die die Abgasreinigung situationsbedingt reduziert oder deaktiviert. Solche Funktionen sind illegal, da sie die Emissionen erhöhen und gegen Umweltvorschriften verstoßen. Sie werden von Herstellern manchmal eingesetzt, um die Motorleistung zu optimieren, können aber zu hohen Strafzahlungen führen.
- Differenzschaden: Dabei handelt es sich um den finanziellen Verlust, der einem Fahrzeugkäufer entsteht, wenn sich herausstellt, dass das Fahrzeug mit einer illegalen Abschalteinrichtung ausgestattet war. Der Differenzschaden entspricht der Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem tatsächlichen Wert des mangelhaften Fahrzeugs.
- Übereinstimmungsbescheinigung: Dies ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Dokument, mit dem der Fahrzeughersteller bestätigt, dass ein Fahrzeug alle geltenden Umwelt- und Sicherheitsvorschriften erfüllt. Ist ein Fahrzeug mit illegalen Funktionen wie Abschalteinrichtungen ausgestattet, ist diese Bescheinigung unzutreffend und kann zu Schadensersatzansprüchen führen.
- Thermofenster: Hierbei handelt es sich um eine Art der Motorsteuerung, bei der die Abgasrückführung außerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs reduziert wird. Dies wurde von einigen Herstellern als vermeintlicher Motorschutz implementiert, gilt aber als unzulässige Abschalteinrichtung.
- Schutzgesetz: Darunter versteht man Gesetze, die nicht nur öffentliche Interessen schützen, sondern auch die Rechte von Einzelpersonen. Die EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung mit den Abgasvorschriften ist ein solches Schutzgesetz. Eine Verletzung kann zu Schadensersatzansprüchen für Geschädigte führen.
- Nutzungsvorteil: Dieser Vorteil wird im Rahmen von Schadensersatzberechnungen angerechnet. Er entspricht dem Nutzwert, den der Fahrzeughalter durch die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs hatte, z.B. durch gefahrene Kilometer. Dieser Nutzungsvorteil wird vom Schadensersatzanspruch abgezogen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV: Der zentrale Anspruch in diesem Fall basiert auf der deliktischen Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV). Diese Norm stellt eine Verletzung von Schutzgesetzen unter Schadensersatzanspruch. Das Gericht sah hier eine schuldhaft verursachte Verletzung der §§ 6, 27 EG-FGV durch die Beklagte. Konkret ging es um die unzutreffende Erteilung einer Übereinstimmungsbescheinigung für ein Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung.
- Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007: Diese Vorschrift der EG-Verordnung über die Genehmigung von Fahrzeugen hinsichtlich der Emissionen verbietet die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen, die eine Reduzierung der Wirksamkeit der Abgasreinigung bewirken. Im konkreten Fall befand das Gericht, dass sowohl das sogenannte „Thermofenster“ als auch das „Geregelte Kühlmittelthermostat“ solche nach Art. 5 Abs. 2 unzulässigen Abschalteinrichtungen darstellten.
- § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO: Diese Vorschrift der Zivilprozessordnung ermöglicht es dem Gericht, im Rahmen der Schadensschätzung bei Verstößen gegen das Verbot unzulässiger Abschalteinrichtungen eine Bandbreite von 5-15% des Kaufpreises als Schadenshöhe anzunehmen. Eine Hinzuziehung eines Sachverständigen ist dafür nicht erforderlich. Das Gericht muss lediglich nach freier Überzeugung innerhalb dieses Rahmens schätzen. Im vorliegenden Fall belief sich der Schaden auf 10% des Kaufpreises (2.600 €).
- § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 17, 37 EG-FGV: Neben der Verletzung der §§ 6, 27 EG-FGV durch die Beklagte prüfte das Gericht auch einen möglichen Haftungsausschluss wegen unvermeidbarem Verbotsirrtum gemäß §§ 17, 37 EG-FGV. Hiernach ist eine fahrlässige Verletzung der Vorschriften ausreichend für einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB. Ein Verbotsirrtum des Fahrzeugherstellers schließt die Haftung nur aus, wenn dieser unvermeidbar war. Das Gericht befand jedoch, dass die Beklagte das Vorliegen eines solchen unvermeidbaren Rechtsirrtums nicht überzeugend darlegen und beweisen konnte.
- Art. 3 Nr. 10 Verordnung (EG) Nr. 715/2007: Diese Vorschrift definiert den entscheidenden Begriff der „Abschalteinrichtung“ in der zugrundeliegenden EG-Verordnung über Emissionsvorschriften für Fahrzeuge. Danach ist eine Abschalteinrichtung eine Einrichtung, „die die Temperatur, Fahr- oder Lastzustände eines Fahrzeugs erkennt, um die Funktion eines Bauteils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu modulieren, zu verzögern oder zu deaktivieren, und die dazu führt, dass das Fahrzeug bei der Prüfung die Grenzwerte der genehmigten Emissionen einhält“. Anhand dieser Definition erachtete das Gericht sowohl das „Thermofenster“ als auch das „Geregelte Kühlmittelthermostat“ als solche unzulässigen Abschalteinrichtungen.
Das vorliegende Urteil
OLG Celle – Az.: 7 U 149/22 – Urteil vom 19.06.2024
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 3. Dezember 2021 geändert.
Die Beklagte hat an die Klägerin 2.600 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. März 2021 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 90%, die Beklagte zu 10%.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Mit Kaufvertrag vom 6. Dezember 2011 erwarb die Klägerin von der Beklagten einen von dieser hergestellten Pkw Mercedes-Benz C 200 CDI BlueEfficiency 2.1 l Diesel 105 kW OM 651 Euro 5 mit einem Kilometerstand von 11.481 km zu einem Kaufpreis von 26.000 €.
Am 5. April 2023 verkaufte die Klägerin das Fahrzeug für 10.900 € bei einem Kilometerstand von 65.000 km weiter.
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In dem Kaufvertrag, ein Formularvordruck, für dessen Einzelheiten auf die Anlage KII1 (Bd. III 596 f.) Bezug genommen wird, ist unter anderem folgende Klausel als § 5 enthalten:
„Der Ausschluss bzw. die Begrenzung der Sachmängelhaftung gilt nicht für Schadensersatzansprüche aus Sachmängelhaftung, die auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung von Pflichten des Verkäufers oder seiner Erfüllungsgehilfen beruhen sowie bei der Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit. Gegebenenfalls bestehende Ansprüche gegenüber Dritten aus Sachmängelhaftung werden vom Verkäufer an den Käufer abgetreten, der diese Abtretung annimmt.“
Das Fahrzeug war bei Erwerb durch die Klägerin mit einem sog. „Thermofenster“ ausgestattet, dessen Temperaturbereich, außerhalb dessen die Abgasrückführung reduziert wird, streitig ist. Daneben verfügte es über ein „Geregeltes Kühlmittelthermostat“. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2023 ordnete das Kraftfahrtbundesamt Nebenbestimmungen wegen der Verwendung des als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuften „Thermofensters“ an. Bereits am 24. September 2019 wurde auf dem Fahrzeug der Klägerin ein Software-Update aufgespielt, mit dem die Funktion „Geregeltes Kühlmittelthermostat“ aus der Motorsteuerung entfernt und das „Thermofenster“ so aufgeweitet wurde, dass bei betriebswarmem Motor erst unterhalb von Umgebungslufttemperaturen von 0°C und oberhalb von Umgebungslufttemperaturen von 40°C die Abgasrückführungsrate schrittweise reduziert wird.
Die Klägerin hat behauptet, dass die im Kaufzeitpunkt aufgespielte Motorsteuerung die Abgasrückführungsrate bereits bei einstelligen Temperaturen reduziert habe.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat nach Einholung einer Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes (Bd. II 343) die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hatte zunächst ihre erstinstanzlichen Anträge mit der Berufung weiterverfolgt. Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2024 beantragt sie nunmehr unter Rücknahme der Berufung im Übrigen,
unter Änderung des angefochtenen Urteils,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 3.900 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Das ursprünglich verwendete „Thermofenster“ habe die Abgasrückführungsrate außerhalb eines Temperaturbereichs von 18°C bis 32°C schrittweise reduziert. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung hinsichtlich der kaufrechtlichen Ansprüche erhoben (Bd. I 120, Bd. II 365).
II.
Die Berufung ist, soweit sie noch zur Entscheidung des Senats gestellt ist, überwiegend begründet.
A. Die Klägerin hat die Aktivlegitimation nicht durch die Abtretung in dem Weiterveräußerungsvertrag verloren.
1. Für den Fall, dass das Fahrzeug nicht von dem Fahrzeughersteller, sondern von einem Dritten erworben worden war, hat der Senat bereits entschieden, dass die Klausel „Ggf. noch bestehende Ansprüche gegenüber Dritten aus Sachmängelhaftung werden an den Käufer abgetreten“ nicht als Abtretung der Ansprüche aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gegen den Fahrzeughersteller an den Käufer ausgelegt werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 20. Dezember 2023 – 7 U 1742/19, MDR 2024, 225 = juris Rn. 19 ff.). Dieser Rechtsprechung hat sich das OLG Stuttgart angeschlossen und sie auf die hier zu entscheidende Konstellation eines Direkterwerbs übertragen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 29. Februar 2024 – 24 U 1424/22, juris Rn. 21-38).
2. Jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall trifft dies zu. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei der Abtretungsklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt oder, weil die Klausel nicht im Sinne von § 305 BGB gestellt worden ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Juni 2023 – XI ZR 80/22, juris Rn. 20), eine individuelle Vereinbarung vorliegt, weil in beiden Fällen die Auslegung zu demselben Ergebnis führt.
a) Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Ein übereinstimmender Parteiwille geht dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vor, selbst wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2014 – VIII ZR 302/13, juris Rn. 11).
b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die bei einer Formularklausel gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie ihr Wortlaut. Legen die Parteien allerdings der Klausel übereinstimmend eine von ihrem objektiven Sinn abweichende Bedeutung bei, ist diese maßgeblich (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 – VIII ZR 152/15, juris Rn. 18; Urteil vom 7. Februar 2023 – VI ZR 137/22, juris Rn. 31 mwN).
c) So liegt es hier. Die Abtretungsklausel erfasst die streitgegenständlichen deliktischen Ansprüche bereits deshalb nicht, weil nach dem – insoweit unbestrittenen – Vortrag der Klägerin mit der Veräußerung des streitgegenständlichen Fahrzeuges die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten und zudem bereits in der Berufungsinstanz rechtshängigen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht an den Fahrzeugerwerber abgetreten werden sollten; dies sei von den Parteien des Weiterverkaufsertrages gemäß Anlage K II 1 nicht gewollt gewesen und ergebe sich bereits aus dem vereinbarten Kaufpreis, der eine solche Abtretung gerade nicht mit umfasse (Bd. IV 792). Hiervon ausgehend ist die Abtretungsklausel ungeachtet ihrer Rechtsnatur nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien des Weiterverkaufsvertrages nicht auf eine Abtretung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche gerichtet.
Die in den oben genannten Entscheidungen aufgeworfene grundsätzliche Frage der Auslegung der Abtretungsklausel stellt sich mithin nicht.
B.Die Klägerin kann von der Beklagten Ersatz des sog. Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV in Höhe von 2.600 € nebst Zinsen verlangen. Weitergehende Ansprüche stehen ihr nicht zu.
1. Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB ist dem Grunde nach zu verneinen. Für die Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 8. Juni 2022 (Bd. III 509 ff.) verwiesen.
2. Mangels Täuschung scheidet auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 263 StGB aus.
3. Kaufrechtliche Ansprüche sind verjährt. Die Verjährungsfrist aus § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB begann in 2011 mit Übergabe des Fahrzeugs und endete in 2013. Mangels Arglist kommt auch eine vorvertragliche Haftung nicht in Betracht. Im Übrigen hat die Klägerin die Rechtsinhaberschaft aufgrund der Abtretung der Ansprüche aus Sachmängelhaftung verloren.
4. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gegen die Beklagte. Die Beklagte hat § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV schuldhaft verletzt, indem sie eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung erteilt hat. Unzutreffend ist eine Übereinstimmungsbescheinigung, wenn das betreffende Kraftfahrzeug mit einer gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, weil die Bescheinigung dann eine tatsächlich nicht gegebene Übereinstimmung des konkreten Kraftfahrzeugs mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, juris Rn. 38). Das ist hier der Fall.
a) Sowohl das „Geregelte Kühlmittelthermostat“ als auch das „Thermofenster“ sind unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 715/2007.
aa) Das „Geregelte Kühlmittelthermostat“ führt unstreitig dazu, dass unter bestimmten Betriebsumständen, die Sollwerttemperatur für das Kühlmittelthermostat von 100°C auf 70°C abgesenkt wird. Dies bewirkt eine verbesserte Emissionsreduzierung durch einen verlängerten Warmlauf und dem damit verbundenen besseren Ausgleich von Stickoxiden und Partikeln. Eine Deaktivierung der Funktion erfolgt bei Überschreiten bzw. Unterschreiten einer maximalen bzw. minimalen Außen- und Ansauglufttemperatur, Unterschreiten eines bestimmten Umgebungsdrucks, Überschreiten einer maximalen Last, einer maximalen Drehzahl, einer maximalen Motoröltemperatur und Überschreiten eines Zeitraums, der in Abhängigkeit von der Kühlmitteltemperatur bei Motorstart festgelegt wird. Die Funktion kann über jede dieser Bedingungen deaktiviert werden, wenn die jeweilige Bedingung nicht (mehr) erfüllt ist. Eine erneute Aktivierung der Funktion im laufenden Betrieb findet nicht statt. Danach kann das „Geregelte Kühlmittelthermostat“ auch dann deaktiviert werden, wenn die fortgesetzte erhöhte Kühlung zu einer zusätzlichen Vermeidung von NOx-Emissionen führen würde. Ob, wie die Beklagte anführt, aus anderen (technischen) Gründen eine Deaktivierung des „Geregelten Kühlmittelthermostats“ angezeigt ist oder ob die Grenzwerte auf dem Prüfstand auch ohne das „Geregelte Kühlmittelthermostat“ eingehalten werden, ist nicht für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung, sondern erst für deren Zulässigkeit von Bedeutung.
bb) Auch mit dem „Thermofenster“ liegt eine Abschalteinrichtung vor. Die Klägerin hat behauptet, dass die Abgasrückführung bereits bei einstelligen Temperaturen reduziert werde, die Beklagte hat eingeräumt, dass die Abgasrückführung in der Bedatung bei Kauf außerhalb eines Temperaturbereichs von 18°C bis 32°C reduziert wurde. Zu den üblichen tatsächlichen Fahrbedingungen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gehört jedenfalls der Betrieb eines Fahrzeugs bei Umgebungstemperaturen von weniger als 18°C oder mehr als 32°C.
cc) Ein solcherart bedatetes „Thermofenster“ stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 dar. Diese Abschalteinrichtung ist unzulässig, weil eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, jedenfalls nicht unter die in Art. 5 Abs. 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehene Ausnahme fallen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 Rn. 70). Das ist hier jedoch, was auch die Beklagte nicht in Abrede nimmt, der Fall.
Diese Bewertung findet zudem eine Bestätigung darin, dass mittlerweile auch das Kraftfahrtbundesamt, wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. Februar 2024 mitgeteilt hat, bezogen auf den Serienstand der Software mit Bescheid vom 13. Dezember 2023 einerseits Steuerungen, die in direkter oder mittelbarer Abhängigkeit von der Umgebungslufttemperatur innerhalb der Spanne von 12 °C bis 33 °C eine emissionserhebliche Korrektur der AGR-Rate bei betriebswarmem Motor vornehmen, andererseits Steuerungen der AGR-Rate in Abhängigkeit von der Motortemperatur, bei denen eine Korrektur bei niedrigeren Motortemperaturen erfolgt, wenn die Motorstarttemperatur außerhalb einer spezifizierten Temperaturspanne liegt, als unzulässige Abschalteinrichtungen beanstandet. Der Bescheid erfasst auch das Fahrzeug der Klägerin.
dd) Auch das „Geregelte Kühlmittelthermostat“ ist unzulässig. Der Senat hat mit Urteil vom 20. Dezember 2023 – 7 U 1742/19, veröffentlicht bei juris, auf das er mit der Terminsbestimmung vom 24. April 2024 Bezug genommen hat, ein (nicht-grenzwertkausales) „Geregeltes Kühlmittelthermostat“ als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet. Die von der Beklagten vorgebrachten Argumente für die Zulässigkeit der Abschalteinrichtungen, die ihrem Vorbringen hier im Verfahren in allen wesentlichen Aspekten entsprechen, hat der Senat nicht für ausreichend erachtet. Dieser Bewertung schließt sich der Senat für das vorliegende Verfahren an. Insbesondere lässt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen, dass das „Geregelte Kühlmittelthermostat“ notwendig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 gewesen wäre (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 8. November 2022 – C-873/19, ECLI:EU:C:2022:857 Rn. 95). Die Beklagte trägt vielmehr vor, dass die Versottung durch einen Ausbau und einen Austausch der versotteten Teile behoben werden kann (Bd. IV 705 Rn. 285). Soweit sie sich auf einen sog. Trade-Off beruft, kann dieser die Verwendung einer Abschalteinrichtung nicht rechtfertigen; ein Klärungsbedarf besteht insoweit nicht (vgl. Senat, Urteil vom 20. Dezember 2023 – 7 U 1742/19, juris Rn. 63).
b) In Kenntnis der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen hätte die Klägerin entsprechend der allgemeinen Lebenserfahrung den Kauf nicht (so) abgeschlossen.
c) Eine Schadensersatzhaftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV setzt ein Verschulden des in Anspruch genommenen Fahrzeugherstellers voraus, wofür nach dem heranzuziehenden Maßstab des § 37 Abs. 1 EG-FGV ein fahrlässiger Verstoß genügt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, juris Rn. 38). Bei – wie hier – objektiv feststehender Verletzung eines Schutzgesetzes muss der das Schutzgesetz Übertretende in aller Regel Umstände darlegen und beweisen, die geeignet sind, die daraus folgende Annahme seines Verschuldens auszuräumen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2016 – II ZR 311/14, juris Rn. 16; Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, juris Rn. 59).
aa) Die Haftung wegen Fahrlässigkeit ist nur bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 – XI ZR 418/13, juris Rn. 14 allg. zu § 276 BGB; Urteil vom 30. Mai 1972 – VI ZR 6/71, juris Rn. 29; Urteil vom 12. Mai 1992 – VI ZR 257/91, juris Rn. 20 jew. zum Deliktsrecht). Der Fahrzeughersteller, der sich unter Berufung auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum entlasten will, muss sowohl den Verbotsirrtum als solchen als auch die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums konkret darlegen und beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, juris Rn. 63; Urteil vom 25. September 2023 – VIa ZR 1/23, juris Rn. 13).
(1) Das setzt zunächst die Darlegung und erforderlichenfalls den Nachweis eines Rechtsirrtums seitens des Fahrzeugherstellers voraus (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2023 – VIa ZR 1285/22, juris Rn. 15). Der Fahrzeughersteller muss darlegen und beweisen, dass sich sämtliche seiner verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB über die Rechtmäßigkeit der von dem Käufer dargelegten und erforderlichenfalls nachgewiesenen Abschalteinrichtung mit allen für die Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bedeutsamen Einzelheiten im maßgeblichen Zeitpunkt im Irrtum befanden oder im Falle einer Ressortaufteilung den damit verbundenen Pflichten genügten. Der Irrtum muss außerdem die Rechtmäßigkeit der konkreten, in Rede stehenden Abschalteinrichtung mit allen für die Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bedeutsamen Einzelheiten betreffen. Nur in Bezug auf einen in diesen Einzelheiten konkret festgestellten Irrtum der maßgebenden Personen kann der Sorgfaltsmaßstab der Fahrlässigkeit sinnvoll geprüft und kann die Unvermeidbarkeit festgestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2023 – VIa ZR 1/23, juris Rn. 14; Urteil vom 30. Januar 2024 – VIa ZR 1291/22, juris Rn. 14 mwN).
Erst im Anschluss an die Darlegung und den Nachweis dieser Umstände kann Bedeutung gewinnen, ob der Rechtsirrtum unvermeidbar war (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2023 – VIa ZR 1/23, juris Rn. 15; Urteil vom 23. Januar 2024 – VIa ZR 1284/23, juris Rn. 17). Das Vorhandensein einer EG-Typgenehmigung oder die Ermittlung einer hypothetischen Genehmigung der zuständigen Typgenehmigungsbehörde betreffen nicht den Verbotsirrtum als solchen, sondern dessen Unvermeidbarkeit. Die Verneinung eines Verschuldens unter dem Gesichtspunkt eines unvermeidbaren Verbotsirrtums und gestützt auf Äußerungen der zuständigen Typgenehmigungsbehörde setzt zunächst einen Irrtum der Beklagten voraus. (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2023 – VIa ZR 1425/22, juris Rn. 32).
(2) An das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss. Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen muss, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 – XI ZR 418/13, juris Rn. 14 mwN). Das ist etwa der Fall, wenn sich der Hersteller mit Rücksicht auf eine nicht in seinem Sinn geklärte Rechtslage erkennbar in einem rechtlichen Grenzbereich bewegte, schon deshalb eine abweichende rechtliche Beurteilung seines Vorgehens in Betracht ziehen und von der eventuell rechtswidrigen Verwendung der Abschalteinrichtung absehen musste (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, juris Rn. 69; Urteil vom 25. September 2023 – VIa ZR 1/23, juris Rn. 14).
Die Verneinung des Schuldvorwurfs setzt voraus, dass die letztlich als unzutreffend erkannte Rechtsmeinung nicht nur vertretbar, sondern auch aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen worden war (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2005 – III ZR 264/04, juris Rn. 19). Es lässt das Verschulden des Fahrzeugherstellers nicht entfallen, wenn zu dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs keine Zweifel an der Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung bestanden, weil sich ein Hersteller nicht ohne weiteres und gestützt auf eine zu einem bestimmten Zeitpunkt mehr oder weniger verbreitete Auffassung von der Zulässigkeit bestimmter Abschalteinrichtungen entlasten kann (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2023 – VIa ZR 689/22, juris Rn. 12; Urteil vom 11. Dezember 2023 – VIa ZR 340/22, juris Rn. 12).
bb) Gemessen hieran hat die Beklagte ein zumindest fahrlässiges Handeln weder für den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs noch für den Abschluss des Kaufvertrages (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2023 – VIa ZR 340/22, juris Rn. 12) widerlegt. Es ist nicht festzustellen, dass sich sämtliche ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB über die Rechtmäßigkeit des konkret verwendeten „Thermofensters“ und des „Geregelten Kühlmittelthermostats“ mit allen für die Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bedeutsamen Einzelheiten zu den genannten Zeitpunkten im Irrtum befanden oder im Falle einer Ressortaufteilung den damit verbundenen Pflichten genügten.
(1) Die Beklagte äußert sich bereits nicht zu dem Vorstellungsbild ihrer maßgeblichen Entscheidungsträger, sondern erachtet entsprechende Ausführungen – rechtsirrig (vgl. dazu Senat, Urteil vom 20. Dezember 2023 – 7 U 1742/19, juris Rn. 115) – für entbehrlich. Sie äußert sich lediglich zu dem Vorstellungsbild der sog. „Ausstellenden“, für die sie indes nicht darlegt, dass diese sämtliche ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter wären oder diese ihren Aufsichtspflichten genügt hätten.
(2) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass sie nach wie vor der Rechtsansicht sei, dass die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung im streitgegenständlichen Fahrzeug aus Gründen des Motorschutzes zulässig sei, mag sie zwar – unter ergänzender Heranziehung ihres zum Motorschutz gehaltenen Vortrags – einen Verbotsirrtum darlegen. Ob dies auch, was zweifelhaft ist, für einen Irrtum über die Rechtmäßigkeit der konkreten, in Rede stehenden Abschalteinrichtung mit allen für die Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bedeutsamen Einzelheiten genügt, kann offen bleiben. Für eine solche Fehlvorstellung ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter bietet die Beklagte weder Beweis an noch kann hierauf aus den Umständen geschlossen werden.
Zwar ist die Ermittlung einer inneren Tatsache in der Weise möglich, dass Umstände festgestellt werden, die den Schluss hierauf zulassen (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2003 – VIII ZR 218/01, juris Rn. 14; Urteil vom 18. Mai 2021 – VI ZR 401/19, juris Rn. 23). Ein solcher Indizienbeweis ist überzeugungskräftig, wenn andere Schlüsse aus den Indiztatsachen ernstlich nicht in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2016 – VI ZR 163/14, juris Rn. 15). Die von der Beklagten vorgetragenen Umstände – Offenlegungspraxis gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt, Kenntnis des Normgebers und des Kraftfahrtbundesamts, positive Bewertung der temperaturabhängigen Steuerung der AGR durch das Kraftfahrtbundesamt gegenüber der Untersuchungskommission Volkswagen – genügen diesen Anforderungen jedoch nicht.
(a) Der einzige Umstand, der überhaupt einen Rückschluss auf das Vorstellungsbild bei der Beklagten erlauben könnte, ist, dass die Beklagte geltend macht, dass sie dem Kraftfahrtbundesamt bereits in 2003 offengelegt habe, dass die Lufttemperatur ein Parameter bei der Steuerung der Abgasrückführung in Diesel-Fahrzeugen der Beklagten sei. Hierzu verweist sie auf beispielhafte Anlagen zu Beschreibungsbögen für ihre Motoren, die in dem Typgenehmigungsverfahren vorgelegt werden. In diesen sei die Lufttemperatur als Parameter für die Abgasrückführung genannt, was nur so verstanden werden könne, dass die für die Beklagte handelnden Personen von der rechtlichen Zulässigkeit der Steuerung der Abgasrückführung in Abhängigkeit der genannten Parameter ausgegangen seien. Schließlich habe das Kraftfahrtbundesamt erstmals mit Bescheid vom 1. November 2022 eine außentemperaturabhängige Steuerung der AGR bei betriebswarmem Motor in einem Fahrzeug der Beklagten als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet.
(b) Dieser Aspekt genügt jedoch weder für sich noch in der Gesamtschau, um den Schluss auf einen Irrtum in allen für die Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bedeutsamen Einzelheiten zu tragen.
Weder bestand eine allgemeine Genehmigungspraxis des Kraftfahrtbundesamtes, auf die sich ein Vertrauen hätte gründen und die deshalb ein tauglicher Anknüpfungspunkt für einen Rückschluss auf eine entsprechende Fehlvorstellung bei der Beklagten sein könnte, noch eine gesicherte Rechtslage, auf die hätte vertraut werden können, weil der Verwendung von Thermofenstern ein allgemeiner Industriestandard zugrunde gelegen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, juris Rn. 70). Das würde ohnehin nur für die Technologie als solche gelten, nicht aber für die konkrete Ausgestaltung, von der die Notwendigkeit zum Motorschutz im Einzelfall abhängt und auf die sich die Fehlvorstellung in allen Einzelheiten beziehen muss.
Soweit die Beklagte geltend macht, sie habe nach Bekanntwerden des „Dieselskandals“ im Herbst 2015 mit dem Kraftfahrtbundesamt „Thermofenster“ und deren Rechtfertigung im Einzelnen besprochen, bleibt dies zum einen völlig ohne Substanz. Zum anderen liegen diese Gespräche sämtlich nach dem Kaufvertragsschluss. Abgesehen davon, dass danach eine tatsächliche Genehmigung mangels Angaben zu der genauen Funktionsweise des „Thermofensters“ oder des „Geregelten Kühlmittelthermostats“ ausscheidet, kann auch auf eine spätere Freigabe des „Thermofensters“ im Zuge des Software-Updates die behauptete rechtliche Fehlvorstellung von der Zulässigkeit nicht gestützt werden, weil dieses erst nach dem Kaufvertragsschluss veröffentlicht wurde.
Auch in der Gesamtschau vermögen es die von der Beklagten angeführten Umstände nicht, einen belastbaren Schluss auf eine rechtliche Fehlvorstellung zu tragen. Es handelt sich um äußere Umstände, die in Bezug auf das Vorstellungsbild der Verantwortlichen der Beklagten in dem ihr günstigsten Fall indifferent sind und deshalb ebenso gut damit in Einklang stehen, dass die Verantwortlichen der Beklagten nicht der von ihr behaupteten Fehlvorstellung unterlagen. Das gilt erst recht, weil es sich bei den von der Beklagten angeführten Umständen um allgemeine Gesichtspunkte handelt, die in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der konkreten, in Rede stehenden Abschalteinrichtungen mit allen für die Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bedeutsamen Einzelheiten keine Aussagekraft besitzen. Schließlich spricht auch die schiere Häufung der von der Beklagten geltend gemachten Rechtsirrtümer gegen den Wortlaut und die Intention der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 – Auslegung des Begriffs „Abschalteinrichtung“, Auslegung des Begriffs „Beschädigung“, Auslegung des Begriffs „notwendig“, Auslegung des Begriffs „Motor“, Auslegung des Begriffs „Übereinstimmungsbescheinigung“ – angesichts ihrer mangelnden Plausibilität dafür, dass sich ihre Verantwortlichen nicht in einem Verbotsirrtum befanden.
Im Ergebnis gilt nichts Anderes für das „Geregelte Kühlmittelthermostat“. Hier tragen die Umstände auch den Schluss auf eine rechtliche Fehlvorstellung hinsichtlich des Gesichtspunkts der Grenzwertkausalität nicht. Die Beklagte führt im Schriftsatz vom 12. Februar 2024 (dort Rn. 254) selbst aus, dass das Kraftfahrtbundesamt das „Geregelte Kühlmittelthermostat“ in einigen Fahrzeugvarianten der Beklagten als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet hat, weil die Grenzwerte nicht eingehalten wurden. Daraus kann gefolgert werden, dass eine fehlende Grenzwertkausalität für die Entscheidung der Beklagten, das „Geregelte Kühlmittelthermostat“ in ihren Fahrzeugen zu verwenden, nicht von Bedeutung war, weil sie anderenfalls in den grenzwertrelevanten Fällen von deren Verwendung hätte absehen müssen. Hat die Beklagte das „Geregelte Kühlmittelthermostat“ aber ohne Rücksicht auf die Grenzwertkausalität implementiert, steht dies der Annahme im Wege, dass die Beklagte der von ihr geltend gemachten Fehlvorstellung unterlag, dass eine nicht grenzwertkausale Abschalteinrichtung nicht unzulässig wäre. Es wäre überdies der sechste Rechtsirrtum der Beklagten gegen den Wortlaut und die Intention der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 im Zusammenhang mit dem Verbot von Abschalteinrichtungen.
d) Dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs kann ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Schutzgesetzverletzung zustehen, wenn ihm aufgrund des Erwerbs eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs ein Vermögensschaden in Form eines so genannten Differenzschadens entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2023 – VI ZR 493/20, juris Rn. 24). Die Höhe des ersatzfähigen Schadens ist im Rahmen einer Bandbreite zwischen 5% und 15 % des gezahlten Kaufpreises nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO ohne Hinzuziehung eines Sachverständigengutachtens nach freier Überzeugung zu schätzen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, juris Rn. 73 ff.).
aa) Bei dieser Schätzung hat der Tatrichter bei der Bestimmung des objektiven Werts des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Nachteile, insbesondere das Risiko behördlicher Anordnungen, zu berücksichtigen. Weiter hat er den Umfang in Betracht kommender Betriebsbeschränkungen und die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Beschränkungen mit Rücksicht auf die Einzelfallumstände in den Blick zu nehmen. Maßgebend ist dabei eine auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogene Betrachtung. Über diese originär schadensrechtlichen Gesichtspunkte hinaus hat der Tatrichter das Gewicht des der Haftung zugrundeliegenden konkreten Rechtsverstoßes für das unionsrechtliche Ziel der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzwerte sowie den Grad des Verschuldens nach Maßgabe der Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls zu bewerten, um so dem Gebot einer verhältnismäßigen Sanktionierung auch bezogen auf den zu würdigenden Einzelfall Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, juris Rn. 76 f.).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist der der Klägerin entstandene Schaden auf 10% des von ihr gezahlten Kaufpreises, also 2.600 € zu bestimmen.
Hierfür ist maßgeblich, dass die Beklagte durch die Verwendung des „Thermofensters“ und des „Geregelten Kühlmittelthermostats“ ein gesteigertes Risiko eines behördlichen Eingreifens geschaffen hat, das sich mit dem Bescheid vom 13. Dezember 2023 letztlich auch verwirklicht hat. Die Abschalteinrichtungen in der Seriensoftware vereitelten zudem in Anbetracht ihrer konkreten Ausgestaltung das mit dem Verbot unzulässiger Abschalteinrichtungen angestrebte hohe Umweltschutzniveau. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass zu dem Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses der Umfang der in Betracht kommenden Betriebsbeschränkungen nicht absehbar war, weil der Kaufvertrag noch vor Aufdeckung der Manipulationen an dem Motor EA 189 geschlossen worden war. Der volle Schadensrahmen ist gleichwohl nicht auszuschöpfen, weil zu dem Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs durch die Klägerin die Verwendung eines „Thermofensters“ mit der der Entscheidung zugrunde zu legenden Bedatung einem allgemein verwendeten Industriestandard entsprach und in der Praxis des Kraftfahrtbundesamtes zu der damaligen Zeit weder geprüft noch beanstandet wurde. Hinsichtlich des Grads des Verschuldens bleibt der Verstoß der Beklagten auch hinsichtlich des „Geregelten Kühlmittelthermostats“ hinter dem einer manipulativen Prüfstandserkennung deutlich zurück, weil dieses nicht grenzwertkausal ist.
e) Der Schaden ist nicht durch anzurechnende Vorteile ausgeglichen.
Auf den Differenzschaden finden die von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe des Vorteilsausgleichs zum „kleinen“ Schadensersatz Anwendung. Dies hat zur Folge, dass die Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs anspruchsmindernd im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen sein können, soweit sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen, wofür ebenfalls die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet ist. Beruft sich der Fahrzeughersteller auf die nachträgliche Verbesserung des Fahrzeugs durch ein Software-Update, kann damit eine Schadensminderung nur verbunden sein, wenn und soweit das Software-Update die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert. Das wiederum kann nur dann der Fall sein, wenn es nicht seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung beinhaltet (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, juris Rn. 80 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 – VI ZR 40/20, juris Rn. 23 f.; Urteil vom 24. Januar 2022 – VIa ZR 100/21, juris Rn. 17).
Die Darlegungs- und Beweislast für die Vorteilsausgleichung, welche anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist, trägt der Schädiger (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2021 – V ZR 272/19, juris Rn. 24; Beschluss vom 25. Juli 2022 – VIa ZR 622/21, juris Rn. 10; Urteil vom 23. März 2023 – V ZR 97/21, juris Rn. 7; Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, juris Rn. 80).
Nach diesen Grundsätzen ist der Schaden nicht ausgeglichen.
aa) Durch das Software-Update hat das Fahrzeug keine relevante Aufwertung erfahren. Ein Vorteilsausgleich durch das Software-Update setzt voraus, dass das Risiko behördlicher Maßnahmen signifikant reduziert wird, woran es fehlt, wenn die festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht beseitigt werden oder neue Abschalteinrichtungen implementiert werden. Die Beseitigung nur einzelner unzulässiger Abschalteinrichtungen führt zu keiner Aufwertung, wenn das Risiko von Betriebsbeschränkungen fortbesteht (vgl. Senat, Urteil vom 20. Dezember 2023 – 7 U 1742/19, juris Rn. 143).
So liegt es aber hier. Zwar legt die Beklagte dar, dass mit dem Software-Update das „Geregelte Kühlmittelthermostat“ entfernt und der Umfang des AGR-Betriebs stark ausgeweitet worden sei. Bei betriebswarmem Motor werde die Rate der Abgasrückführung erst unterhalb von Umgebungslufttemperaturen von 0°C und oberhalb von Umgebungslufttemperaturen von 40°C schrittweise reduziert. Etwaig verbleibende außentemperaturabhängige Steuerungen seien jedenfalls aus Motorschutzgründen gerechtfertigt.
Dieser Vortrag lässt nicht erkennen, dass das ausgeweitete „Thermofenster“ keine unzulässige Abschalteinrichtung mehr wäre. Es handelt sich noch immer um eine Abschalteinrichtung, weil jedenfalls Temperaturen von weniger als 0°C zu den im Unionsgebiet üblichen Betriebsbedingungen zählen (vgl. Senat, Urteil vom 20. März 2024 – 7 U 287/22, juris Rn. 38 f.; OLG Frankfurt, Urteil vom 29. November 2023 – 19 U 185/22, juris Rn. 14; OLG Stuttgart, Urteil vom 22. Februar 2024 – 24 U 254/21, juris Rn. 76 mwN) und die Beklagte nicht darlegt, dass bei diesen Temperaturen das „Thermofenster“ die Emissionsminderung nicht verringert. Hinsichtlich des Motorschutzes kann auf die Ausführungen in Senat, Urteil vom 20. Dezember 2023 – 7 U 1742/19, juris Rn. 70-94 verwiesen werden. Die von ihr angesprochene Kolben-Ventil-Kollision mit Kondensatbildung oder Motoraussetzern entspricht in wesentlichen Aspekten ihrem Vortrag zur Rechtfertigung des ursprünglich implementierten „Thermofensters“. Als denkbare Schäden nennt die Beklagte ein Verbiegen der Pleuelstange oder einen sog. Kolbenfresser, was bereits für die ursprüngliche Ausgestaltung als mögliche Schadensfolge angeführt war und von dem Senat in dem in Bezug genommenen Urteil vom 20. Dezember 2023 – 7 U 1742/19, juris Rn. 83 ff. als nicht ausreichend bewertet worden ist. Diese Bewertung hatte der Senat unter anderem damit begründet, dass der Beklagten andere technische Möglichkeiten zur Verfügung standen, die sie lediglich wegen des damit verbundenen und aus ihrer Sicht unverhältnismäßigen Aufwands nicht ergreifen wollte. Warum dies für die Beseitigung der gleichartigen Schäden nach dem Software-Update nicht gelten soll, lässt sich ihrem Vortrag nicht entnehmen. Im Übrigen behauptet die Beklagte nur, dass dies für den betriebswarmen Motor gelte. Auch die Phase des Motorwarmlaufs gehört aber zu den normalen Betriebsbedingungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 (vgl. Senat, Urteil vom 22. November 2023 – 7 U 40/23, juris Rn. 17; Urteil vom 20. Dezember 2023 – 7 U 1742/19, juris Rn. 62; OLG Stuttgart, Urteil vom 29. Februar 2024 – 24 U 1424/22, juris Rn. 105 f.).
bb) Der Schaden ist auch im Übrigen nicht ausgeglichen, weil die Summe aus gezogenen Nutzungen (5.834 €) und Restwert (10.900 €) von 16.734 € den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs von 23.400 € (Kaufpreis von 26.000 € abzüglich 2.600 €) im Kaufzeitpunkt nicht übersteigt.
(1) Der Wert der gezogenen Nutzungen beläuft sich auf 5.834 €.
Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Bemessung der anzurechnenden Vorteile legt der Senat folgende Berechnungsformel zugrunde (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2014 – VIII ZR 215/13, juris Rn. 14 mwN zum Rücktritt; Urteil vom 19. Januar 2021 – VI ZR 8/20, juris Rn. 13; Urteil vom 23. März 2021 – VI ZR 3/20, juris Rn. 10; Urteil vom 18. Mai 2021 – VI ZR 720/20, juris Rn. 6; Urteil vom 24. Oktober 2023 – VI ZR 131/20, juris Rn. 29 zur Schadenshaftung):
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Die erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt schätzt der Senat (§ 287 ZPO) für die Berechnung der Nutzungsvorteile auf 238.519 km.
(a) Für die Prognose der Gesamtlaufleistung sind in erster Linie Fahrzeugtyp und Baujahr maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2021 – VI ZR 812/20, juris Rn. 16), wobei es nicht auf die mögliche Laufleistung des Motors an sich, sondern die Lebensdauer des (gesamten) Fahrzeugs ankommt. Da Fahrzeuge aus verschiedenen Teilen mit unterschiedlicher Lebensdauer bestehen und bei zunehmender Nutzungsdauer die Reparaturanfälligkeit steigt, werden in aller Regel bereits wirtschaftliche Erwägungen dazu führen, dass eine mögliche Lebensdauer des Motors nicht ausgeschöpft wird und daher nicht mit der maßgeblichen Gesamtnutzungsdauer des Fahrzeugs gleichzusetzen ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, juris Rn. 58). Daher kommt es auf die unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende (durchschnittliche) Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs und nicht darauf an, welche Gesamtlaufleistung das Fahrzeug unter günstigen Bedingungen im äußersten Fall erreichen kann oder in bestimmten Einzelfällen erreicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, juris Rn. 59).
Nach diesen Grundsätzen schätzt der Senat für die Berechnung der Nutzungsvorteile die Gesamtlaufleistung eines Neufahrzeugs für Fahrzeuge mit – wie hier – 2,0 bis 2,5 l Hubraum regelmäßig auf 250.000 km, weil diese Laufleistung der gewöhnlichen Lebensdauer eines Mittelklassefahrzeugs (wenn auch nicht der maximalen, bei entsprechend gesteigertem Erhaltungsaufwand technisch möglichen Leistungsgrenze) entspricht (vgl. Senat, Urteil vom 20. Dezember 2023 – 7 U 1742/19, juris Rn.150 ff. mwN; auch OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 – 13 U 149/18, juris Rn. 91 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18, juris Rn. 114; OLG Stuttgart, Urteil vom 22. Februar 2024 – 24 U 254/21, juris Rn. 126).
Die Klägerin erwarb das Fahrzeug für einen Kaufpreis von 26.000 € mit einer Laufleistung von 11.481 km. Daraus ergibt sich die erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt mit 238.519 km (250.000 km – 11.481 km). Bis zur Weiterveräußerung, bei der die Laufleistung des Fahrzeugs 65.000 km betrug, hat die Klägerin das Fahrzeug über 53.519 km (65.000 km – 11.481 km) genutzt. Hieraus ermittelt sich der Wert der gezogenen Nutzungen mit 5.834 €:
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(b) Der Senat hat keinen Anlass, mit Blick auf die bisherige durchschnittliche jährliche Fahrleistung von rund 4.722 km nach der sog. „Kurzläuferrechtsprechung“ eine geringere Gesamtfahrleistung in Ansatz zu bringen. Die Prognose der erwarteten Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt für die Berechnung der Nutzungsvorteile kann nicht anhand der tatsächlichen individuellen Durchschnittsfahrleistung erfolgen.
(aa) Nach den oben genannten Grundsätzen sind für die Prognose der Gesamtlaufleistung in erster Linie Fahrzeugtyp und Baujahr maßgeblich; es kommt auf die unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende (durchschnittliche) Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs und nicht darauf an, welche Gesamtlaufleistung das Fahrzeug in bestimmten Einzelfällen erreicht. Zu den danach maßgeblichen Bemessungsfaktoren gehört die individuelle Fahrleistung der Klägerin nicht. Mit den gezogenen Nutzungen wird der Wert, den die Vorteile des Gebrauchs des Fahrzeugs haben, in Geld erfasst. Dabei ist – spiegelbildlich zur Bestimmung des Differenzschadens – eine Prognose der Gesamtfahrleistung im Kaufzeitpunkt vorzunehmen. Deshalb liegt im Grundsatz ein Rückschaufehler vor, wenn diese Prognose aufgrund der erst nach dem Kauf entstandenen tatsächlichen Fahrleistung vorgenommen wird.
(bb) Für die Berechnung des Vorteils ist grundsätzlich der objektive Wert der gezogenen Nutzungen maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2006 – V ZR 51/05, BGHZ 167, 108 Rn. 10). Ein Fahrzeugkäufer, der das Fahrzeug nur schonend nutzt, hat objektiv jedoch keinen höheren Nutzungsvorteil je gefahrenem Kilometer als ein Käufer, der sein Fahrzeug in durchschnittlichem Umfang oder darüber hinaus gebraucht. Das Abstellen auf die individuelle Fahrleistung führt stattdessen zu dem Ansatz eines – nicht berücksichtigungsfähigen – subjektiven Wertes der gezogenen Nutzungen.
(cc) Darüber hinaus führt die Ermittlung des Werts der gezogenen Nutzungen anhand der individuellen Fahrleistung im Rahmen des Differenzschadensersatzes zu einer unangemessenen Entlastung des Schädigers. Auf den Differenzschaden sind sowohl die Nutzungsvorteile als auch der Restwert des Fahrzeugs anspruchsmindernd im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen, soweit sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Kaufabschluss übersteigen. Zu den für den Wert eines Fahrzeugs bestimmenden Faktoren gehört jedoch seine Laufleistung (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 WF 27/19, BeckRS 2019, 5162 Rn. 6; BeckOGK/Preisner [1.5.2024], § 1379 BGB Rn. 75; BeckOK BGB/Scheller/Sprink [1.5.2024], § 1379 Rn. 32). Das hat zur Folge, dass eine geringere individuelle Fahrleistung regelmäßig zu einem höheren Restwert führt. Es ist jedoch unbillig, den Schädiger aufgrund einer unterdurchschnittlichen individuellen Fahrleistung doppelt zu entlasten, indem zum einen zu seinen Gunsten ein erhöhter Nutzungsvorteil in Abzug gebracht wird und er zum anderen von dem höheren Restwert profitiert.
(dd) Schließlich handelt es sich nicht um einen im Wege der Vorteilsausgleichung anrechenbaren, nachträglich zusätzlichen Umstand, wenn die für die Bestimmung der Höhe des Nutzungsvorteils erwartete Gesamtfahrleistung im Kaufzeitpunkt dadurch ermittelt wird, dass die jährliche individuelle Fahrleistung mittels einer durchschnittlichen Maximallebensdauer berechnet wird (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 31. August 2021 – 7 U 187/20, juris Rn. 45 f.; Urteil vom 23. Januar 2024 – 7 U 22/23, juris Rn. 66). Diese Vorgehensweise führt im Ergebnis stets dazu, dass bei einem Neufahrzeug die gefahrenen Kilometer und damit die erlangten Gebrauchsvorteile für den Vorteilsausgleich nicht länger von Bedeutung sind, sondern allein das Verstreichen der Zeit. Dies stellt jedoch keinen erlangten Vorteil dar (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 2023 – VIa ZR 752/22, juris Rn. 15).
(2) Der anzurechnende Restwert entspricht dem Veräußerungserlös von 10.900 €. Anhaltspunkte dafür, dass der erzielte Weiterveräußerungserlös nicht marktgerecht gewesen sein könnte, hat die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht aufgezeigt.
5. Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin nicht verlangen. Allein auf der Grundlage des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV kann neben dem Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens eine Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht verlangt werden (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2023 – VIa ZR 14/22, juris Rn. 13). Ein Anspruch aus § 826 BGB steht ihr – wie ausgeführt – nicht zu. Zu der Zeit der Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten befand sich die Beklagte auch nicht in Verzug.
6. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB. Ein vorheriger Verzug ist nicht dargelegt.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 92 Abs. 1, § 516 Abs. 3 Satz 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Das gilt auch hinsichtlich der sog. „Kurzläuferrechtsprechung“, die das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht mit der Ausübung des nach § 287 ZPO eröffneten Schätzungsermessens im Einzelfall begründet.