OLG Hamm
Az.: 9 U 170/04
Urteil vom 09.12.2005
Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird – unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Rechtsmittel – das am 29. April 2004 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Essen abgeändert und so neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
a) ein Schmerzensgeld i. H. v. 4.000,00 €,
b) 1.807,39 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.3.2003 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 40 % aller Schäden zu ersetzen, die dieser aus dem Unfall vom 12.11.2001 in Zukunft noch entstehen, soweit die entsprechenden Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden so verteilt:
Von den Kosten des Rechtszuges erster Instanz tragen die Klägerin 72 % und die Beklagte 28 %.
Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin 67 % und die Beklagte 33 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Das Landgericht hat der Klägerin Schmerzensgeld i. H. v. 7.500 € und dem Grunde nach vollen materiellen Schadensersatz aus einem Fahrradunfall vom 12.11.2001 gegen 11:00 Uhr zugesprochen, bei dem sie als Fahrerin eines Geländerades (Mountainbike) auf einem von der Beklagten unterhaltenen, kombinierten Fuß/Radweg längs der D-Straße in N. auf einer regennassen Blätterschicht, die vom herbstlichen Laubfall der in Straßennähe stehenden Bäume herrührte, mit dem Hinterrad ins Rutschen und zu Fall gekommen war. Die Klägerin hatte dabei linksseitig eine mediale Oberschenkelhalsfraktur erlitten, für deren Folgen die Vorinstanz die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflichtverletzung als schadensersatzpflichtig angesehen hat.
Die Beklagte hatte die Laubbeseitigung in ihrem Stadtgebiet grundsätzlich im Wochenrhythmus durchgeführt; die danach am 9.12.01 ( freitags ) begonnene Reinigung war jedoch wegen Kapazitätserschöpfung der Kehrmaschine nicht bis zum Unfallbereich durchgeführt und aus innerbetrieblichen Gründen bei der Beklagten nicht bis zum folgenden Montag, dem Unfalltag, nachgeholt worden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz wird auf das angefochtene Urteil einschließlich seiner Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Mit der Berufung begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung. Sie akzeptiert die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts auch zur Schadenshöhe, will aber den Umfang ihrer Verkehrssicherungspflicht bezüglich der Laubbeseitigung, die Eigenverantwortlichkeit des Verkehrsteilnehmers und den Einwand mitwirkenden Eigenverschuldens grundsätzlich geklärt wissen. Sie rügt, das Landgericht habe die Verkehrssicherungspflicht mit dem Erfordernis der Laubbeseitigung in wöchentlichem statt in dem von ihr, Beklagter, für ausreichend gehaltenen zweiwöchentlichen Turnus überdehnt. Insoweit verweist sie auf die Grenze der Zumutbarkeit der Verkehrssicherungspflicht auch für die öffentlichen Radwege, die von der Verpflichtung zur täglich mehrfach erforderlichen Laubbeseitigung, welche allein absolute Gefahrlosigkeit gewährleisten könne, entbinde, während andererseits die Verkehrsteilnehmer – Radfahrer wie Fußgänger – im Herbst stets mit Glätte durch Laub auf dem Boden rechnen müssten und sich auf die mit zumutbarem Aufwand nicht zu beseitigenden Gefahren daraus selbst einrichten könnten. Ihre eigene Organisation einer prinzipiell wöchentlichen Laubbeseitigung hinsichtlich der Radwege binde sie, die Beklagte, nicht in der Weise, dass sie davon nicht aus – hier geltend gemachten – innerbetrieblichen Gründen im Vertrauen auf die zu erwartende Eigenvorsorge der Verkehrsteilnehmer abweichen dürfe. Soweit die Klägerin nunmehr die erstinstanzlich festgestellten Reinigungsdaten bestreitet, tritt die Beklagte dem im einzelnen entgegen.
Völlig verkannt habe das Landgericht das als anspruchsausschließend zu gewichtende Eigenverschulden der Klägerin. Es gehöre zum allgemeinen Wissen, dass eine unter Bäumen liegende, mehr oder weniger dicke Laubschicht bei feuchtem Wetter glatt ist, und dass man sich auf die daraus resultierende Rutschgefahr durch angepasste Fahrweise einstellen muss. Dies um so mehr, als am Unfalltag Nieselregen geherrscht habe, weshalb auch die oberste Laubschicht nicht mehr trocken gewesen sein könne. Darüber hinaus sei es der Klägerin zuzumuten gewesen, auf den von den Anliegern gereinigten Radweg der gegenüberliegenden Straßenseite zu wechseln, wenn sie die erkannte Gefahr nicht – wie es möglich gewesen wäre – durch besonders vorsichtige Fahrweise hätte meistern können.
Die Zurückweisung der Berufung beantragende Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil zum Haftungsgrund. Dabei betont sie hinsichtlich der Begründung einer Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten und der Verneinung eines Eigenverschuldens den Umstand, dass die schmierseifenglatte Unterschicht des auf dem Radweg lagernden Laubes tückischerweise durch eine trockene Schicht erkennbar frisch gefallenen Laubes überdeckt gewesen sei, so dass sie habe annehmen dürfen, den bedeckten Bereich mit dem grobstolligen Reifenprofil ihres Mountainbikes problemlos meistern zu können. Außerdem hält sie daran fest, der fragliche Bereich sei schon seit mindestens drei Wochen nicht mehr gefegt worden.
Mit ihrer Anschlussberufung begehrt die Klägerin die Erhöhung des Schmerzensgeldes auf insgesamt mindestens 15.000 €. Sie hält ihre vermeintlich schwerwiegenden Verletzungsfolgen für durch das Landgericht nicht ausreichend gewürdigt, als da seien:
– Infolge der Beweglichkeitseinschränkung der linken Hüfte könne sie ihren Haushalt nur unzureichend bzw. unter größten Schmerzen versorgen, nicht in die Hocke gehen, nichts aufheben und nicht auf Leitern steigen.
– Mit besonderer Bitterkeit erfülle sie, dass sie ihren geliebten Sport – dreimal wöchentlich Besuch eines Fitnessstudios – nicht mehr ausüben könne. Der dabei begründete Freundeskreis sei zerbrochen.
– Sie sei in ihren sozialen Kontakten verarmt und vereinsamt.
– Sie schäme sich für ihre jetzige Figur, nachdem sie sehr figurbetont an ihrem Körper gearbeitet, sogar ein bisschen Körperkult getrieben habe.
– Mit dem verschmächtigten linken Bein sowie der Hüft- und Gesäßmuskulatur habe sie Hemmungen, sich in kurzen Hosen oder Röcken und im Badeanzug in der Öffentlichkeit zu zeigen, Freibad und Strandurlaub seien für sie tabu geworden.
– Ihrer weiteren Leidenschaft, dem Fahrradfahren könne sie nicht mehr frönen, da das Auf- und Absteigen auf dem bislang benutzten Herrenrad mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sei. Auch dadurch habe sie soziale Kontakte verloren.
– Sie habe Schmerzen, wenn sie länger als eine halbe Stunde spazieren gehe, was sie insbesondere mit ihrem jetzt 15 Monate alten Kind gern täte.
– Das linke Bein sei unfallbedingt 5 mm länger als das rechte, weshalb sie orthopädische Schuhe, die keinen Raum für früher von ihr gepflegte modische Neigungen ließen, tragen müsse.
– Weitere Unfallfolge bzw. Folge der dadurch notwendigen Heilbehandlung sei, dass sie schwanger wurde. Sie habe zwar mit der „Pille“ verhütet, wiederholte therapeutische und röntgendiagnostische Bestrahlungen verbunden mit der Wechselwirkung der Medikamente hätten indes ihren Zyklus derart gestört, dass die hormonelle Empfängnisverhütung nicht mehr gewirkt habe; Beweis: Sachverständigengutachten.
– Sie müsse in Sorge vor dem unfallbedingten Verlust der Arbeitsstelle nach dem derzeitigen Mutterschaftsurlaub leben. Sie habe den Beruf der Friseuse besonders geliebt. Die Finanzierung einer Umschulungsmaßnahme sei zweifelhaft.
– Insgesamt führe sie nach dem Verlust ihres Lebensmittelpunktes, der aktiven sportlichen Lebensgestaltung ein schmerz- und leidgeplagtes Leben mit mittlerweile massiven psychischen Problemen.
Mit nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingereichtem Schriftsatz hat die Klägerin die Beibringung ihres die Anschlussberufung begründen Tatsachenvortrags zum Schmerzensgeldanspruch erst in der zweiten Instanz damit gerechtfertigt, dass die Operation zur Entfernung des Osteosynthesematerials erst nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens erfolgt sei, weshalb sich erst danach die von dem gerichtlichen Sachverständigen gehegte und der landgerichtlichen Schmerzensgeldbemessung zu Grunde liegende Erwartung eines baldigen Muskelaufbaus mit Beendigung der Schmerzsymptomatik als unberechtigt erwiesen habe. Erst unmittelbar vor dem Verhandlungstermin vom 17.12.2004 habe sie, Klägerin, sich wegen eines akuten Schmerzanfalles in die Klinik begeben müssen, wo man die Verdachtsdiagnose einer Gelenkentzündung gestellt habe.
Die Beklagte verweist gegenüber der Anschlussberufung darauf, dass diese entgegen § 524 III ZPO nicht in der Berufungsschrift begründet wurde. Sie bestreitet den von ihr als diffus erachteten Vortrag zur Begründung, den sie aber als ohnedies für gemäß § 531 II ZPO in der Berufungsinstanz nicht mehr berücksichtigungsfähig ansieht.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat die Klägerin persönlich gehört. Sie hat angegeben, ihre damalige Wohnung habe sich an der D-Straße schräg gegenüber der Unfallstelle befunden. Sie habe beim Heranfahren das Laub locker liegen sehen und nicht damit gerechnet, dass sich tiefer liegend eine nasse, pappige Schicht befand. Sie habe zwischenzeitlich in ihrem Beruf gearbeitet, aber unter Inanspruchnahme von angesparten Urlaubstagen niemals eine volle Woche lang. Es habe kurz vor dem Senatstermin neue Komplikationen an der Bruchstelle gegeben, so dass sie jetzt auch schmerzstillende Medikamente nehme. Es bestehe ärztlicherseits der Verdacht auf eine Gelenkentzündung als Folge der Entfernung des Osteosynthesematerials.
Daraufhin hat der Senat gemäß Beweisbeschluss vom 11.2.2005 das weitere fachorthopädische Gutachten des Sachverständigen Prof. M vom 30.5.2005 zu der Behauptung der Klägerin eingeholt, sie leide noch immer an einer über die von dem Sachverständigen in dessen erstinstanzlichem Gutachten gehegten Heilungserwartung hinausgehenden Schmerzsymptomatik. Wegen des Gutachteninhalts wird auf Bl. 309 ff der Gerichtsakte verwiesen.
II. Die Berufung der Beklagten ist insoweit begründet, als der Klägerin ein anspruchsminderndes Eigenverschulden mit 60 % angelastet werden muss (A.). Die Anschlussberufung der Klägerin führt zwar zu einer Erhöhung des bei voller Haftung der Beklagten als Rechengröße zu unterstellenden Gesamtschmerzensgeldes gegenüber dem vom Landgericht ausgeurteilten Betrag, bleibt im Ergebnis aber wegen der Anspruchskürzung aus dem Eigenverschulden ohne Erfolg (B.).
A. 1. Die Berufung bleibt insoweit ohne Erfolg, als sie einen Schadensersatzanspruch der Klägerin, der sich aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG ergibt, schon dem Grund nach verneint. Im Ergebnis zutreffend stellt das angefochtene Urteil eine Amtspflichtverletzung der Beklagten in Form der Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht aus §§ 9, 9a. 47 StrWG NW fest. Die sich daraus für sie ergebende grundsätzliche Verpflichtung, die von ihr unterhaltenen Verkehrsflächen von abhilfebedürftigen Gefahrenquellen freizuhalten und dazu u. a. die Radwege im Stadtgebiet in der Herbstzeit regelmäßig von gefallenem Laub zu befreien, stellt die Beklagte selbst nicht in Abrede; sie bedarf hier keiner über das angefochtene Urteil hinausgehenden Vertiefung.
2. Das Vorliegen einer abhilfebedürftigen Gefahr zur Unfallzeit und in dem betroffenen Bereich des Radwegs stellt die Beklagte unstreitig, indem sie mit der Berufungsbegründung (S. 2) ausdrücklich das erstinstanzliche Beweisergebnis nicht in Zweifel zieht, sondern einräumt, dass bei Nässe Laub für Radfahrer nicht ungefährlich und der Radweg im Bereich der Schule mit einer nassen und glatten Blätterschicht bedeckt war. Die Unfallzeugen haben die Laubschicht als sehr glitschig und „glatt wie Schmierseife“ bezeichnet. Die Beklagte macht auch nicht geltend, eine Reinigung, die sie bei ausreichender Kapazität ihrer Maschine eigentlich vorgesehen hatte, sei nicht nötig gewesen, sondern sie habe eine solche aufgrund besonderer Umstände nicht leisten können.
3. Die Beklagte streitet demgemäß nur die Zumutbarkeit weiterer Reinigungsmaßnahmen im Hinblick auf ihre begrenzten personellen und sachlichen Mittel und die Erkennbarkeit der Gefahr für die Verkehrsteilnehmer ab. Dazu gilt: a) Der Verkehrssicherungspflichtige hat im Rahmen des ihm wirtschaftlich Zumutbaren die Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherungserwartungen des Verkehrs geeignet sind, die Gefahren abzuwenden, die bei einer bestimmungsgemäßen Benutzung der Straßen drohen. Die Sicherungspflicht muss sich im wesentlichen darauf konzentrieren, solche Gefahren abzuwenden, mit denen der Verkehrsteilnehmer nicht zu rechnen braucht (OLG Frankfurt, VersR 1984, 394; MünchKomm, BGB Mertens, 2. Auflage, § 823 BGB Rdnr. 229; Geigel/Schlegelmilch, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., 14. Kap., Rdnr. 44 m. w. N.). Die Verkehrssicherungspflicht findet ihre Grenzen an dem, was dem Pflichtigen – auch in Ansehung der Bedeutung der Straße – nach objektiven Maßstäben zumutbar ist.
Obwohl vorliegend nicht bewiesen ist, dass eine frische, trockene Laubschicht eine darunter liegende moderige und glatte bedeckte – solches hat nämlich keiner der Zeugen bestätigt –, entschärfte dies die zu behebende Gefährlichkeit der Laubdecke nicht so weit, dass der Beklagten die Beseitigung unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit erlassen war.
b) Die somit erforderliche Reinigung war der Beklagten auch zeitlich vor dem Unfallereignis bis zum 12.11.02, 10:45 Uhr zuzumuten. Die Berufung darauf, der zuständige Arbeiter O habe die Kehrmaschine am Samstag ohne Unterstützung des Bauhofs nicht bedienen bzw. warten können und am Montag frei gehabt, so dass am Dienstag wieder der „normale“ Tourenplan aufgenommen wurde, kann die Beklagte nicht entlasten. Da ihre Bediensteten am 9.11., dem Tag der turnusmäßigen Reinigung, eben wegen der großen Laubmengen nicht alle Flächen hatten bewältigen können, hätten sie diese Arbeit am folgenden Sonnabend auch unter Anfall von Überstunden bzw. Einsatz eines anderen Mitarbeiters mit der leicht einsatzfähig zu haltenden Kehrmaschine fortsetzen müssen. Dabei spielt die von der Berufung in den Vordergrund gestellte Frage nach der gebotenen Häufigkeit einer turnusmäßigen Reinigung – wöchentlich erforderlich oder zweiwöchentlich ausreichend – hier keine Rolle. Der Anfall von Gefahr begründendem Herbstlaub ist ebenso wie Schnee und Glatteis witterungsabhängig, so dass der daraus erwachsenden Gefahr nicht mit der unflexiblen Einhaltung turnusmäßiger Reinigungspläne ausreichend begegnet werden kann. Umgekehrt besteht unzweifelhaft, worauf die Berufung richtig hinweist, keine Pflicht, Geh- und Radwege ständig laubfrei zu halten. Vielmehr muss – ebenso wie das winterliche Schneeräumen und Streuen bei Einsetzen der entsprechenden Witterung – auch das Laubkehren in Abhängigkeit vom Laubanfall, der z. B. nach den ersten Nachtfrösten verstärkt auftritt, vorgenommen werden. Mag dabei auch nicht solche Eile geboten sein wie beim Winterdienst, so kann ein Liegenlassen von Laubmassen über einen Zeitraum, der zur Bildung einer mächtigen Laubdecke mit tiefliegenden, vermoderten und deshalb glitschigen Schichten führt, nicht hingenommen werden. Im vorliegenden Fall war der Handlungsbedarf spätestens akut, als am Freitag vor dem Unfallmontag die umfängliche Laubschicht erkennbar war und die Beklagte, die das Kehren auch vorgesehen hatte, dieses vor der Säuberung der späteren Unfallstelle abbrach. Es hätte ohne Rücksicht auf festgelegte Reinigungspläne fortgesetzt werden müssen, zumal dadurch – abgesehen von im Interesse der Verkehrssicherheit hinzunehmenden Überstundenzuschlägen für die Bediensteten – keine zusätzliche Arbeit angefallen, sondern diese nur vorgezogen worden wäre. Umstände, die dergleichen unzumutbar oder gar unmöglich gemacht hätten, sind von der Beklagten nicht dargetan.
4. Die Kausalität der Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten für den Sturz der Klägerin steht nach dem bewiesenen Unfallverlauf nicht in Frage.
5. Nicht zu teilen vermag der Senat die Ansicht des Landgerichts, ein Mitverschuldens der Klägerin liege nicht vor. Schon nach dessen Feststellungen musste die Klägerin damit rechnen, dass bei der Dicke der Laubschicht zumindest in tieferen, vermoderten Lagen erhebliche Glätte herrschte, selbst wenn obenauf eine frische Schicht Laubes gelegen hätte. Das entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, so dass ein Verkehrsteilnehmer bei Beachtung der notwendigen Eigensorgfalt nicht einfach in eine mächtige Laubdecke hinein fährt, deren Untergrund er nicht einschätzen kann. Der Klägerin ist als Mitverschulden anzulasten, dass sie sich keinen hinreichenden Eindruck über die Gefährlichkeit der Stelle verschafft hat, diese offensichtlich falsch beurteilt und ihre Fähigkeiten als Radfahrerin überschätzt hat. Solange sie das Vorhandensein unsichtbarer Hindernisse oder Glättebildung in der Laubschicht nicht hinreichend zuverlässig abschätzen konnte, ihr das genaue Ausmaß der Gefährlichkeit und damit der Grad der für einen Radfahrer bestehenden Sturzgefahr deshalb verborgen blieb, durfte sie nicht versuchen, die Gefahrenstelle mit dem Fahrrad zu passieren, zumal auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein ebenso breiter, sauberer Geh-/Radweg zur Umfahrung einlud.
Im Rahmen der gemäß § 254 I BGB vorzunehmenden Abwägung der beiderseitig gesetzten Verursachungs- und Verschuldensanteile überwiegt das Verschulden der Klägerin, weil gerade – mehr als bei ortsfremden Verkehrsteilnehmern – für sie das Bestehen einer Gefahr besonders deutlich erkennbar war. Sie musste über die jedem beliebigen Verkehrsteilnehmer bei der Annäherung möglichen Wahrnehmung der Gefahr schon aufgrund der Mächtigkeit der Laubschicht hinausgehend wissen, dass die Beklagte das Laub schon seit der von ihr, Klägerin, behaupteten Zeit – gleichgültig wie lang diese war – nicht mehr beseitigt hatte, weil sie – wie in der Berufungsinstanz unstreitig – gegenüber der Unfallstelle wohnte. Auch das vorhergehende Wetter und die hochnebelartige Bewölkung mit Nieselregen am Unfalltag waren der Klägerin bekannt. Dabei sind die meteorologischen Daten in der Zeit vor dem Unfall unerheblich, denn die Klägerin kannte jedenfalls die witterungsbedingten Umstände, welche die Glätte des liegen gebliebenen Laubes verursacht hatten, und hätte daraus nahe liegende Schlüsse zur gebotenen Eigensicherung ziehen müssen. Andererseits kann das Verschulden der Bediensteten der Beklagten nicht als gering eingestuft werden, weil sie ausweislich der entstandenen Mächtigkeit der Laubschicht und der Aussagen der in der Nähe der Unfallstelle wohnhaften Zeugen schon längere Zeit an der Gefahrenstelle keine Laubbeseitigung mehr vorgenommen hatten und deshalb jedenfalls am 9.11.2001 die Reinigungstour vor diesem auch ihnen erkennbaren Gefahrenbereich nicht wegen vermeintlicher logistischer Hindernisse, die mit vertretbarem Aufwand behebbar waren, abbrechen durften. Nach Wertung des Senates trägt eine Quote im Verhältnis von 3 : 2 zum Nachteil der Klägerin den beiderseits wirksam gewordenen Verschuldensanteilen angemessen Rechnung.
6. a) Nach der vorstehend festgesetzten Quote vermindert sich der Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihres vom Landgericht beiderseits unangefochten festgestellten materiellen Schadens auf 1.807,39 €.
b) Entsprechend der Haftungsquote ist auch der Feststellungsausspruch hinsichtlich der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden der Klägerin zu reduzieren.
B. Das von der Klägerin gemäß § 847 BGB a. F. zu beanspruchende Schmerzensgeld ist bei Berücksichtigung ihres überwiegenden Eigenverschuldens mit 4.000 € angemessen. Der Senat legt dieser Bemessung über den vom Landgericht angesetzten Betrag hinausgehend ein Gesamtschmerzensgeld von 10.000 € unter der Hypothese, dass ein Eigenverschulden der Klägerin nicht vorläge, zugrunde. Diese Größenordnung trägt dem von der Vorinstanz festgestellten Verletzungsbild und dem nach dem zweitinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten allerdings demgegenüber etwas weniger günstigen Heilungsverlauf ausreichend Rechnung. Zur Würdigung des Verletzungsbildes wird zunächst auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils verwiesen. Von den im Rahmen der – zulässigen, nämlich noch innerhalb der Berufungserwiderungsfrist rechtzeitig ( vgl. Gummer/Heßler in Zöller, ZPO 24. Aufl. Rz. 14 zu § 524 ) begründeten – Anschlussberufung geltend gemachten weiteren Umständen ist aber zusätzlich die von dem Sachverständigen Prof. M in seinem Gutachten vom 30.5.2005 befundete beginnende Gelenkarthrose als Unfallfolge mit Besorgnis der Verschlechterung im Langzeitverlauf schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen. Dagegen hat die sich von der Klägerin als kurz vor dem Senatstermin eingetreten behauptete Gelenkentzündung nur als „Hüftgelenksreizung“ erwiesen, deretwegen sie kurzfristig entzündungshemmende Medikamente bekommen hat. Therapeutische Maßnahmen werden nicht mehr durchgeführt, die Schuheinlage zum Ausgleich der Beinlängendifferenz wird nicht mehr getragen. Haltung und Gangbild zeigten keine pathologischen Besonderheiten, lediglich die Beweglichkeit der linken Hüfte ist leicht eingeschränkt. Insgesamt gesehen fügt sich der vom Senat für angemessen erachtete Betrag so auch in den Rahmen der durch die Rechtsprechung zu vergleichbaren Verletzungen zuerkannten Schmerzensgeldbeträge ein ( vgl. z. B. die in Hacks-Ring-Böhm, Schmerzensgeldbeträge 22. Aufl. unter Nrn. 22.1702, 22.1938, 22.1965, 22.2084 und 22.2233 mitgeteilten Entscheidungen ).
Was dagegen die Klägerin im Übrigen noch für ein höheres Schmerzensgeld vorbringt, ist schon aus prozessrechtlichen Gründen unbeachtlich. Es handelt sich z. T. nur um pauschale, konkrete Rechtsfehler nicht aufzeigende und deshalb unbeachtliche Kritik an der landgerichtlichen Ermessensausübung; ansonsten um eine Erweiterung des erstinstanzlichen Tatsachenvortrags, die nur unter den Voraussetzungen des § 531 II ZPO in der Berufungsinstanz noch hätte berücksichtigt werden können. Die von der Klägerin bis zum Schluss der Berufungsverhandlung vorgebrachten tatsächlichen Gesichtspunkte mit Ausnahme einer erst kurz vor dem Senatstermin manifest gewordenen Störung des von der Vorinstanz erwarteten Heilungsverlaufs und der bereits eingesetzten Gelenkarthrose hätten schon in der ersten Instanz vorgetragen werden müssen. Dass das Unterlassen dieses Vortrags in der Vorinstanz nicht auf Nachlässigkeit beruht, hat die Klägerin trotz entsprechender Rüge durch die Berufungserwiderung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht dargetan.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.
Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.
Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 II ZPO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.