Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Gericht urteilt zu Hinterbliebenenentschädigung nach tödlichem Verkehrsunfall
- Tödlicher Verkehrsunfall in Schleswig-Holstein fordert zwei Menschenleben
- Mutter stirbt noch am Unfallort – Stiefvater erliegt Verletzungen im Krankenhaus
- Versicherung zahlt Hinterbliebenengeld für Mutter, lehnt Anspruch für Stiefvater aber ab
- Klägerin fordert Hinterbliebenengeld auch für Stiefvater – Klage vor dem Landgericht
- § 844 Abs. 3 BGB – Grundlage für Hinterbliebenengeld bei besonderer Nähebeziehung
- Darlegung eines besonderen Näheverhältnisses zum Stiefvater im Fokus
- Familiengeschichte als Beweis für tiefe Verbundenheit
- Stiefvater übernahm Vaterrolle in der Kindheit der Klägerin
- Enge Beziehung setzte sich im Erwachsenenalter fort – Stiefvater als „Großvater“ für Enkel
- Gericht spricht Hinterbliebenengeld für Stiefvater zu – Anerkennung der besonderen Beziehung
- 10.000 Euro Hinterbliebenengeld für den Tod des Stiefvaters zugesprochen
- Klage im Übrigen abgewiesen – Forderung nach höherem Hinterbliebenengeld erfolglos
- Beklagte Versicherung trägt die Kosten des Rechtsstreits
- Bedeutung des Urteils für Betroffene und Hinterbliebene
- Besonderes Näheverhältnis entscheidend für Anspruch auf Hinterbliebenengeld
- Einzelfallprüfung und detaillierte Darlegung der persönlichen Beziehung notwendig
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was genau versteht man unter Hinterbliebenengeld und wer hat Anspruch darauf?
- Welche Faktoren beeinflussen die Höhe des Hinterbliebenengeldes?
- Wie unterscheidet sich Hinterbliebenengeld von anderen Schadensersatzansprüchen nach einem tödlichen Verkehrsunfall?
- Welche Rolle spielt das „besonders enge persönliche Verhältnis“ zum Verstorbenen bei der Geltendmachung von Hinterbliebenengeld?
- Welche Fristen muss ich bei der Geltendmachung von Hinterbliebenengeld beachten?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Itzehoe
- Datum: 17.03.2023
- Aktenzeichen: 7 O 269/22
- Verfahrensart: Nicht genannt
- Rechtsbereiche: Haftpflichtrecht, Verkehrsrecht, Schadenersatzrecht
- Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Die Klägerin begehrt Hinterbliebenengeld aufgrund eines Verkehrsunfalls, bei dem ihre leibliche Mutter und ihr Stiefvater ums Leben gekommen sind.
- Beklagter: Der Beklagte ist die [Haftpflichtversicherung] des Unfallverursachers und wird auf Zahlung von Hinterbliebenengeld und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Die leibliche Mutter und der Stiefvater der Klägerin sind bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, der von einem Dritten verursacht wurde. Die Klägerin macht gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers Ansprüche auf Hinterbliebenengeld geltend.
- Kern des Rechtsstreits: Besteht ein Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenengeld gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers aufgrund des tödlichen Verkehrsunfalls, bei dem ihre Mutter und ihr Stiefvater ums Leben kamen, und in welcher Höhe?
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.020,00 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 331,06 € nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Fall vor Gericht
Gericht urteilt zu Hinterbliebenenentschädigung nach tödlichem Verkehrsunfall

Das Landgericht Itzehoe hat in einem aktuellen Urteil (Az.: 7 O 269/22) über die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen Hinterbliebene nach einem Verkehrsunfalltod eine finanzielle Entschädigung, das sogenannte Hinterbliebenengeld, beanspruchen können. Im Zentrum des Falls stand die Klage einer Frau, die nach dem Tod ihres Stiefvaters bei einem Verkehrsunfall eine solche Entschädigung von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers forderte.
Tödlicher Verkehrsunfall in Schleswig-Holstein fordert zwei Menschenleben
Dem Urteil zugrunde liegt ein tragischer Verkehrsunfall, der sich am 7. Juli 2021 auf einer Landstraße bei G. O.-A. ereignete. Ein Autofahrer geriet auf die Gegenfahrbahn und kollidierte frontal mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. In diesem Fahrzeug befanden sich die leibliche Mutter der Klägerin und ihr Stiefvater. Beide erlitten bei dem Unfall schwerste Verletzungen.
Mutter stirbt noch am Unfallort – Stiefvater erliegt Verletzungen im Krankenhaus
Die Mutter der Klägerin verstarb noch an der Unfallstelle. Ihr Stiefvater wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht, wo er jedoch einige Wochen später, am 26. Juli 2021, seinen Verletzungen erlag. Der Unfallverursacher war eindeutig identifiziert und sein Fahrzeug bei dem beklagten Versicherungsunternehmen haftpflichtversichert.
Versicherung zahlt Hinterbliebenengeld für Mutter, lehnt Anspruch für Stiefvater aber ab
Die Versicherung des Unfallverursachers, der Beklagte in diesem Verfahren, regulierte zunächst einen Teil des Schadens. Sie zahlte der Klägerin bereits 10.000 Euro Hinterbliebenengeld für den Tod ihrer leiblichen Mutter sowie die Bestattungskosten für beide Verstorbenen. Auch vorgerichtliche Anwaltskosten wurden teilweise übernommen. Den Anspruch auf Hinterbliebenengeld für den Tod des Stiefvaters lehnte die Versicherung jedoch ab.
Klägerin fordert Hinterbliebenengeld auch für Stiefvater – Klage vor dem Landgericht
Die Klägerin war mit der Ablehnung der Versicherung nicht einverstanden. Sie argumentierte, dass ihr auch im Hinblick auf ihren verstorbenen Stiefvater ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld zustehe, da sie zu ihm ein besonders enges persönliches Verhältnis gehabt habe. Um ihren Anspruch durchzusetzen, erhob sie Klage vor dem Landgericht Itzehoe.
§ 844 Abs. 3 BGB – Grundlage für Hinterbliebenengeld bei besonderer Nähebeziehung
Die rechtliche Grundlage für das Hinterbliebenengeld findet sich in § 844 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Diese Vorschrift gewährt nahen Angehörigen eines Getöteten einen Anspruch auf eine angemessene Geldentschädigung, wenn sie zu dem Verstorbenen in einem besonders engen persönlichen Verhältnis standen. Dieses besondere Näheverhältnis ist entscheidend für den Anspruch auf Hinterbliebenengeld im Fall des Stiefvaters.
Darlegung eines besonderen Näheverhältnisses zum Stiefvater im Fokus
Kern des Rechtsstreits war somit die Frage, ob zwischen der Klägerin und ihrem Stiefvater ein solches besonderes Näheverhältnis bestand, wie es das Gesetz für die Gewährung von Hinterbliebenengeld voraussetzt. Die Klägerin musste detailliert darlegen und im Zweifel beweisen, dass diese besondere Beziehung tatsächlich existierte.
Familiengeschichte als Beweis für tiefe Verbundenheit
Um das besondere Näheverhältnis zu ihrem Stiefvater zu belegen, schilderte die Klägerin ausführlich die Familiengeschichte. Sie berichtete, dass ihre Mutter und ihr Stiefvater bereits seit ihrer Kindheit eine Einheit bildeten. Die beiden lernten sich demnach bereits 1975 kennen und heirateten 1977, als die Klägerin zehn Jahre alt war.
Stiefvater übernahm Vaterrolle in der Kindheit der Klägerin
Die Klägerin wuchs demnach in einer Familie mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater auf. Sie betonte, dass ihr Stiefvater in ihrer Kindheit und Jugend eine prägende Rolle gespielt und die Vaterrolle vollumfänglich ausgefüllt habe. Dies, obwohl es sich nicht um ihren leiblichen Vater handelte.
Enge Beziehung setzte sich im Erwachsenenalter fort – Stiefvater als „Großvater“ für Enkel
Auch nach ihrem Auszug und der Familiengründung blieb das Verhältnis zum Stiefvater eng. Die Klägerin schilderte, dass ihr Stiefvater sich liebevoll um ihre Kinder gekümmert habe und für sie wie ein Großvater gewesen sei. Diese fortbestehende enge Bindung bis zum Tod des Stiefvaters sollte das besondere Näheverhältnis untermauern.
Gericht spricht Hinterbliebenengeld für Stiefvater zu – Anerkennung der besonderen Beziehung
Das Landgericht Itzehoe gab der Klage der Frau teilweise statt. Das Gericht erkannte an, dass die Klägerin zu ihrem Stiefvater ein besonders enges persönliches Verhältnis im Sinne des § 844 Abs. 3 BGB hatte. Es würdigte die von der Klägerin geschilderte Familiengeschichte und die langjährige, enge Bindung zwischen ihr und ihrem Stiefvater.
10.000 Euro Hinterbliebenengeld für den Tod des Stiefvaters zugesprochen
In der Folge verurteilte das Gericht die Versicherung, der Klägerin ein weiteres Hinterbliebenengeld in Höhe von 10.000 Euro für den Tod ihres Stiefvaters zu zahlen. Zusätzlich wurden Zinsen auf diesen Betrag sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zugesprochen. Damit folgte das Gericht im Wesentlichen der Argumentation der Klägerin.
Klage im Übrigen abgewiesen – Forderung nach höherem Hinterbliebenengeld erfolglos
Im Übrigen wies das Gericht die Klage jedoch ab. Dies deutet darauf hin, dass die Klägerin möglicherweise ein höheres Hinterbliebenengeld gefordert hatte, als ihr letztendlich zugesprochen wurde. Die genaue Höhe des geforderten Betrages ist dem Urteilstext jedoch nicht direkt zu entnehmen.
Beklagte Versicherung trägt die Kosten des Rechtsstreits
Das Gericht entschied zudem, dass die Kosten des Rechtsstreits von der beklagten Versicherung zu tragen sind. Dies ist in der Regel der Fall, wenn eine Partei im Wesentlichen obsiegt, wie es hier für die Klägerin der Fall war. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Bedeutung des Urteils für Betroffene und Hinterbliebene
Das Urteil des Landgerichts Itzehoe stärkt die Rechte von Hinterbliebenen in Fällen von Verkehrsunfalltoden. Es verdeutlicht, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld nicht nur für leibliche Eltern oder Ehepartner besteht, sondern auch für Personen, zu denen ein besonders enges persönliches Verhältnis bestand, wie im vorliegenden Fall zum Stiefvater.
Besonderes Näheverhältnis entscheidend für Anspruch auf Hinterbliebenengeld
Das Urteil unterstreicht die Bedeutung des § 844 Abs. 3 BGB und die Notwendigkeit, im Einzelfall das Vorliegen eines besonderen Näheverhältnisses sorgfältig zu prüfen. Für Betroffene bedeutet dies, dass es sich lohnen kann, auch in Fällen, in denen es sich nicht um leibliche Verwandte handelt, einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld geltend zu machen, sofern eine enge persönliche Bindung nachweisbar ist.
Einzelfallprüfung und detaillierte Darlegung der persönlichen Beziehung notwendig
Das Urteil zeigt aber auch, dass es stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Hinterbliebene müssen die besondere Nähebeziehung zu dem Verstorbenen detailliert darlegen und im Zweifel auch beweisen können. Die bloße Behauptung einer engen Beziehung reicht in der Regel nicht aus, um einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld erfolgreich durchzusetzen. Eine fundierte rechtliche Beratung ist in solchen Fällen ratsam.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass für den Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB ein besonderes Näheverhältnis auch zu nicht-leiblichen Familienmitgliedern ausreichen kann. Die langjährige familiäre Beziehung zwischen der Klägerin und ihrem Stiefvater (gemeinsames Leben, gegenseitige Unterstützung, familiärer Zusammenhalt) wurde vom Gericht als ausreichend anerkannt, wobei formale Kriterien wie Adoption oder testamentarische Bedenkung nicht entscheidend waren. Für Hinterbliebene bedeutet dies, dass bei Verkehrsunfällen auch bei Stiefeltern-Verhältnissen Ansprüche auf Hinterbliebenengeld bestehen können, wenn eine intensive familiäre Bindung nachgewiesen werden kann.
Benötigen Sie Hilfe?
Rechtliche Klarheit bei Ansprüchen im Bereich Hinterbliebenenentschädigung
In Situationen, in denen ein tragischer Verkehrsunfall zu erheblichen persönlichen und finanziellen Belastungen führt, stehen viele Betroffene vor der Herausforderung, ihren Anspruch auf eine angemessene Abs zu klären. Fragen zur Definition eines besonders engen persönlichen Verhältnisses und zur richtigen Anwendbarkeit der gesetzlichen Grundlagen erfordern eine präzise Prüfung und eine sachliche Analyse der individuellen Umstände.
Unsere Kanzlei bietet Ihnen Unterstützung bei der detaillierten Bewertung Ihres Falles. Durch einen strukturierten Ansatz und fundierte juristische Expertise erhalten Sie klare Einblicke in die relevanten rechtlichen Möglichkeiten. So können Sie nachvollziehen, welche Ansprüche Ihnen zustehen und wie Sie Ihre Rechte wirksam geltend machen können.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was genau versteht man unter Hinterbliebenengeld und wer hat Anspruch darauf?
Hinterbliebenengeld ist eine Entschädigung, die im Falle der Tötung einer Person durch einen Dritten gezahlt wird. Diese Zahlung dient als Schadensersatz für das seelische Leid, das die Angehörigen erleiden, wenn sie in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zum Verstorbenen standen.
Wer hat Anspruch?
Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld besteht grundsätzlich für Ehegatten, Lebenspartner, Eltern und Kinder des Verstorbenen, da bei ihnen ein besonderes Näheverhältnis vermutet wird. Andere Personen, wie Geschwister, Enkel oder Großeltern, können ebenfalls einen Anspruch geltend machen, wenn sie nachweisen können, dass sie dem Verstorbenen besonders nahestanden.
Voraussetzungen für den Anspruch:
- Tod durch Dritte: Der Verstorbene muss auf unnatürlichem Wege ums Leben gekommen sein, z.B. durch einen Unfall oder ein Tötungsdelikt.
- Besonderes Näheverhältnis: Es muss ein besonderes persönliches Näheverhältnis zum Verstorbenen bestehen.
- Schuld des Schädigers: Der Schädiger muss für den Tod verantwortlich sein.
Höhe des Hinterbliebenengeldes:
Die Höhe des Hinterbliebenengeldes ist nicht gesetzlich festgelegt und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. In der Praxis werden oft Beträge zwischen 2.500 und 15.000 Euro zugesprochen.
Steuerfreiheit:
Das Hinterbliebenengeld ist steuerfrei, obwohl es als Einkommen angerechnet wird.
Zusammenhang mit Schmerzensgeld:
Es ist noch nicht einheitlich geklärt, ob Hinterbliebenengeld zusätzlich zu einem Schmerzensgeld verlangt werden kann, wenn psychische Beeinträchtigungen vorliegen.
Welche Faktoren beeinflussen die Höhe des Hinterbliebenengeldes?
Die Höhe des Hinterbliebenengeldes wird durch mehrere Faktoren beeinflusst, die im Einzelfall individuell bewertet werden. Keine festen Sätze oder Tabellen bestimmen die Höhe, sondern es handelt sich um eine individuelle Bewertung der Umstände des jeweiligen Falls.
Wichtige Faktoren:
- Intensität der Beeinträchtigung: Wie stark sind die Hinterbliebenen durch den Verlust betroffen? Die seelische Beeinträchtigung und das Ausmaß des Leids spielen eine zentrale Rolle.
- Nähebeziehung: Ein besonderes Näheverhältnis zwischen dem Verstorbenen und den Hinterbliebenen ist entscheidend. Dies wird bei Ehepartnern und engen Verwandten vermutet, muss bei anderen Beziehungen jedoch nachgewiesen werden.
- Verschulden des Unfallverursachers: Das Grad des Verschuldens des Unfallverursachers kann die Höhe des Hinterbliebenengeldes beeinflussen. Ein besonders rücksichtsloses Verhalten kann zu höheren Entschädigungen führen.
- Mitverschulden des Verstorbenen: Wenn der Verstorbene am Unfall mitverschuldet ist, kann dies den Anspruch auf Hinterbliebenengeld reduzieren. Das Mitverschulden wird quotal berücksichtigt.
Bezugspunkte für die Bemessung:
- Richtschnur von 10.000 Euro: In der Gesetzesbegründung wurde ein durchschnittlicher Betrag von etwa 10.000 Euro als Orientierung genannt. Inflationsbedingt liegt dieser Betrag heute oft bei über 12.000 Euro.
- Schmerzensgeld als Vergleich: Die Bemessung erfolgt ähnlich wie bei Schmerzensgeldansprüchen, jedoch bleibt das Hinterbliebenengeld in der Regel dahinter zurück, da es keine gesundheitliche Beeinträchtigung voraussetzt.
Wie unterscheidet sich Hinterbliebenengeld von anderen Schadensersatzansprüchen nach einem tödlichen Verkehrsunfall?
Das Hinterbliebenengeld ist eine besondere Form der Entschädigung für die Hinterbliebenen einer Person, die durch ein schuldhaftes Handeln eines Dritten zu Tode gekommen ist. Es dient dazu, den immateriellen Schaden auszugleichen, den die Hinterbliebenen durch den Verlust einer nahestehenden Person erleiden. Dieser Anspruch wurde 2017 in das deutsche Recht eingeführt und ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in § 844 Abs. 3 geregelt.
Abgrenzung zu anderen Ansprüchen:
- Schmerzensgeld: Dieses wird für eine direkte Verletzung oder Gesundheitsschädigung gezahlt und erfordert eine eigene Rechtsgutsverletzung. Im Gegensatz dazu benötigt das Hinterbliebenengeld keine eigene Verletzung, sondern basiert auf dem Verlust einer nahestehenden Person.
- Unterhaltsersatz und Beerdigungskosten: Diese Ansprüche beziehen sich auf die finanziellen Verluste, die durch den Tod einer Person entstehen. Sie sind gesondert von dem Hinterbliebenengeld, das sich auf den seelischen Schaden konzentriert.
- Schockschaden: Dieser Anspruch erfordert eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert, die direkt durch das Ereignis verursacht wurde. Das Hinterbliebenengeld hingegen wird unabhängig davon gewährt, ob ein Schockschaden vorliegt.
Anspruchsberechtigte Personen für das Hinterbliebenengeld sind in der Regel Ehegatten, Lebenspartner, Eltern und Kinder. Andere Personen können ebenfalls einen Anspruch geltend machen, wenn sie ein besonderes Näheverhältnis nachweisen können.
Die Höhe des Hinterbliebenengeldes ist nicht gesetzlich festgelegt und wird im Einzelfall durch Gerichte bestimmt. Sie hängt von Faktoren wie der Intensität der Beziehung und dem Grad des Verschuldens ab.
Welche Rolle spielt das „besonders enge persönliche Verhältnis“ zum Verstorbenen bei der Geltendmachung von Hinterbliebenengeld?
Ein besonders enges persönliches Verhältnis zum Verstorbenen spielt eine zentrale Rolle bei der Geltendmachung von Hinterbliebenengeld. Dieses Verhältnis ist entscheidend dafür, ob ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld besteht. Hinterbliebenengeld ist eine Entschädigung für das seelische Leid, das Hinterbliebene nach dem Tod eines Angehörigen durch einen Dritten erleiden.
Was ist ein besonderes persönliches Näheverhältnis?
Ein besonderes persönliches Näheverhältnis bedeutet eine besonders enge persönliche Bindung zwischen dem Getöteten und dem Hinterbliebenen. Diese Bindung muss über die üblichen sozialen Beziehungen hinausgehen und eine tatsächlich gelebte soziale Beziehung umfassen. Für Ehegatten, Lebenspartner, Eltern und Kinder wird ein solches Näheverhältnis vermutet. Bei anderen Beziehungen, wie Geschwistern oder Stiefkindern, muss das Näheverhältnis nachgewiesen werden.
Wie kann das Näheverhältnis nachgewiesen werden?
Das Nachweisen eines besonderen Näheverhältnisses kann durch verschiedene Beweismittel erfolgen, wie z.B.:
- Zeugenaussagen von Freunden oder Familienmitgliedern, die die Beziehung bestätigen können.
- Fotos oder Videos, die gemeinsame Aktivitäten dokumentieren.
- Briefe oder E-Mails, die die emotionale Nähe belegen.
- Gemeinsame Unternehmungen oder regelmäßige Treffen, die die Intensität der Beziehung zeigen.
Bedeutung für den Erfolg der Klage
Das Vorliegen eines besonderen persönlichen Näheverhältnisses ist entscheidend für den Erfolg einer Klage auf Hinterbliebenengeld. Ohne den Nachweis einer solchen Beziehung kann der Anspruch nicht geltend gemacht werden. Die Höhe des Hinterbliebenengeldes hängt ebenfalls von der Intensität des Näheverhältnisses ab. Gerichte bewerten die Beziehung im Einzelfall und setzen die Entschädigung entsprechend fest.
Welche Fristen muss ich bei der Geltendmachung von Hinterbliebenengeld beachten?
Wenn Sie Hinterbliebenengeld geltend machen möchten, sollten Sie sich der Verjährungsfristen bewusst sein. Schadensersatzansprüche, zu denen auch das Hinterbliebenengeld gehört, verjähren in der Regel nach drei Jahren. Diese Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und Sie Kenntnis vom Schaden und der Person des Schädigers erlangt haben.
Wichtige Aspekte:
- Anspruchsberechtigung: Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld setzt voraus, dass der Tod durch eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung eines Dritten verursacht wurde. Typischerweise sind Ehepartner, Kinder und Eltern anspruchsberechtigt, aber auch andere nahe Angehörige können unter bestimmten Umständen einen Anspruch geltend machen.
- Fristen: Die Frist zur Geltendmachung beginnt, sobald Sie Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen haben. Es ist entscheidend, dass Sie innerhalb dieser drei Jahre handeln, um Ihre Ansprüche nicht zu verlieren.
- Beweispflicht: Um den Anspruch erfolgreich durchzusetzen, müssen Sie den Unfallhergang und die Schuldfrage klären. Dazu gehören das Sammeln von Beweisen wie Polizeiberichte, Zeugenaussagen und medizinische Atteste.
- Gerichtliche Geltendmachung: In strittigen Fällen kann ein Gerichtsverfahren erforderlich sein. Hier ist es wichtig, alle relevanten Unterlagen und Beweise vorzulegen.
Für die Geltendmachung von Hinterbliebenengeld ist es hilfreich, sich über die rechtlichen Grundlagen und die erforderlichen Schritte zu informieren.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Hinterbliebenengeld
Das Hinterbliebenengeld ist eine finanzielle Entschädigung für den immateriellen Schaden, den nahe Angehörige durch den Verlust eines geliebten Menschen erleiden. Es wurde 2017 durch § 844 Abs. 3 BGB neu ins deutsche Recht eingeführt. Anders als der materielle Schadenersatz soll das Hinterbliebenengeld das seelische Leid der Hinterbliebenen ausgleichen und deren Trauer und emotionalen Verlust anerkennen.
Der Anspruch setzt ein besonderes Näheverhältnis zum Verstorbenen voraus, wobei dies nicht auf Blutsverwandtschaft beschränkt ist. Die Höhe bemisst sich nach der Intensität der Beziehung zum Verstorbenen und dem Ausmaß des erlittenen seelischen Leids.
Beispiel: Nach einem tödlichen Verkehrsunfall kann die Ehefrau des Verstorbenen Hinterbliebenengeld von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers fordern, um ihr seelisches Leid anerkannt zu bekommen.
Näheverhältnis
Das besondere Näheverhältnis bezeichnet eine enge emotionale und persönliche Bindung zwischen Personen, die für den Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB entscheidend ist. Es geht dabei nicht primär um formelle Verwandtschaftsbeziehungen, sondern um die tatsächliche emotionale Verbundenheit und Intensität der Beziehung zwischen den Betroffenen.
Gerichte prüfen zur Feststellung eines besonderen Näheverhältnisses Faktoren wie gemeinsames Leben, gegenseitige Unterstützung, familiären Zusammenhalt und emotionale Bindung. Nicht erforderlich sind formale Kriterien wie Adoption oder testamentarische Regelungen.
Beispiel: Eine Stieftochter kann ein besonderes Näheverhältnis zu ihrem Stiefvater nachweisen, wenn sie über viele Jahre in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben und eine intensive familiäre Beziehung mit gegenseitiger emotionaler und praktischer Unterstützung bestand.
Haftpflichtversicherung
Die Haftpflichtversicherung ist eine Versicherung, die Schäden abdeckt, die der Versicherungsnehmer einem Dritten schuldhaft zufügt. Im Kontext des Verkehrsrechts ist die Kfz-Haftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben (§ 1 Pflichtversicherungsgesetz) und deckt Personen-, Sach- und Vermögensschäden ab, die durch den Gebrauch des versicherten Fahrzeugs entstehen.
Bei Unfällen mit Todesfolge umfasst die Leistungspflicht der Haftpflichtversicherung auch Ansprüche der Hinterbliebenen, einschließlich des Hinterbliebenengeldes nach § 844 Abs. 3 BGB, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Beispiel: Nach einem tödlichen Verkehrsunfall, bei dem der Versicherungsnehmer die Schuld trägt, muss seine Haftpflichtversicherung nicht nur für Beerdigungskosten aufkommen, sondern unter Umständen auch Hinterbliebenengeld an die Familie des Opfers zahlen.
Schadenersatzrecht
Das Schadenersatzrecht regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Person für Schäden haftet, die sie anderen zugefügt hat, und in welchem Umfang sie diese ersetzen muss. Die gesetzliche Grundlage bilden hauptsächlich die §§ 823 ff. BGB (deliktische Haftung) und §§ 280 ff. BGB (vertragliche Haftung).
Im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen kommt insbesondere die Gefährdungshaftung nach § 7 StVG zur Anwendung, wonach der Halter eines Kraftfahrzeugs verschuldensunabhängig für Schäden haftet, die durch den Betrieb des Fahrzeugs entstehen.
Beispiel: Nach einem Verkehrsunfall mit Todesfolge kann der Unfallverursacher zum Ersatz materieller Schäden (Beerdigungskosten, Unterhaltsansprüche) und immaterieller Schäden (Hinterbliebenengeld) verpflichtet sein, wobei seine Haftpflichtversicherung in der Regel diese Ansprüche begleicht.
Immaterieller Schaden
Ein immaterieller Schaden bezeichnet einen nicht-vermögenswerten Nachteil, der nicht direkt in Geld messbar ist. Hierunter fallen insbesondere seelische Leiden, Trauer und Schmerz. Die rechtliche Grundlage für den Ausgleich solcher Schäden bildet § 253 BGB, der in bestimmten Fällen einen Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld gewährt.
Mit Einführung des § 844 Abs. 3 BGB wurde der Ersatz immaterieller Schäden auf Hinterbliebene ausgeweitet, die durch den Verlust eines nahestehenden Menschen seelisches Leid erfahren. Vor 2017 war ein solcher Anspruch nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich.
Beispiel: Nach dem Tod eines Familienmitglieds bei einem Verkehrsunfall kann das Hinterbliebenengeld das seelische Leid der Angehörigen zwar nicht beseitigen, aber als gesellschaftliche Anerkennung des erlittenen immateriellen Schadens dienen.
Aktenzeichen
Das Aktenzeichen ist eine eindeutige Kennzeichnung für ein Gerichtsverfahren, die der systematischen Erfassung und Zuordnung von Verfahrensakten dient. Es setzt sich in der Regel aus mehreren Bestandteilen zusammen, die Informationen über das Gericht, die Kammer oder den Senat, das Registerzeichen (Art des Verfahrens) und eine laufende Nummer sowie das Eingangsjahr enthalten.
Das Aktenzeichen wird bei allen verfahrensbezogenen Schriftstücken verwendet und ermöglicht die eindeutige Identifizierung eines Verfahrens im Rechtsverkehr. Bei Zitierung von Urteilen ist die Angabe des Aktenzeichens unverzichtbar.
Beispiel: Das Aktenzeichen „7 O 269/22“ im vorliegenden Fall zeigt an, dass es sich um ein Verfahren vor der 7. Zivilkammer (O steht für Zivilprozesse in erster Instanz) des Landgerichts handelt, das im Jahr 2022 als 269. Sache dieser Art eingegangen ist.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 844 Abs. 3 BGB (Hinterbliebenengeld): Diese Vorschrift räumt nahen Angehörigen eines Getöteten einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld ein, wenn der Getötete aufgrund des Verschuldens eines anderen gestorben ist. Dieses Geld soll den immateriellen Schaden, insbesondere das seelische Leid der Hinterbliebenen, ausgleichen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin begehrt Hinterbliebenengeld für den Tod ihres Stiefvaters. Das Gericht muss prüfen, ob die Klägerin als Stieftochter zu den anspruchsberechtigten Hinterbliebenen zählt und ob im konkreten Fall ein „besonderes Näheverhältnis“ zum Stiefvater bestand.
- § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht): Diese Norm bildet die Grundlage für Schadensersatzansprüche im deutschen Recht. Sie besagt, dass derjenige zum Schadensersatz verpflichtet ist, der das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich und schuldhaft verletzt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Verkehrsunfall, bei dem der Stiefvater der Klägerin ums Leben kam, stellt eine Verletzung des Rechts auf Leben dar. Da der Unfall durch den Fahrer des bei dem Beklagten versicherten Fahrzeugs verursacht wurde, kann sich eine Schadensersatzpflicht des Beklagten ergeben.
- § 7 Abs. 1 StVG (Halterhaftung): Diese Vorschrift regelt die Haftung des Halters eines Kraftfahrzeugs, wenn durch dessen Betrieb ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Es handelt sich um eine Gefährdungshaftung, die unabhängig von einem Verschulden des Halters greift. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Beklagte ist die Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs, dessen Fahrer den Unfall verursacht hat. Nach § 7 StVG haftet der Halter des Fahrzeugs verschuldensunabhängig, und die Haftpflichtversicherung tritt an seine Stelle, um Schadensersatzansprüche zu erfüllen.
- § 249 Abs. 2 BGB (Naturalrestitution bei Personenschäden): Im Falle der Verletzung einer Person ist der Schadensersatz grundsätzlich auf den Geldbetrag gerichtet, der erforderlich ist, um den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn die Schädigung nicht eingetreten wäre. Dies umfasst materielle Schäden wie Heilkosten und Verdienstausfall, aber auch immaterielle Schäden wie Schmerzensgeld und Hinterbliebenengeld. | Bedeutung im vorliegenden Fall: § 249 Abs. 2 BGB legt fest, dass der Schadensersatz bei Personenschäden in Geld zu leisten ist. Dies ist relevant für die Durchsetzung des Hinterbliebenengeldanspruchs der Klägerin, da dieser Anspruch auf eine Geldzahlung gerichtet ist.
Das vorliegende Urteil
LG Itzehoe – Az.: 7 O 269/22 – Urteil vom 17.03.2023
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