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Hinterbliebenengeld nach Suizid

Eine psychiatrische Klinik sollte ein Ort der Genesung und des Schutzes sein. Doch als sich eine Patientin dort das Leben nimmt, erhebt ihr Witwer schwere Vorwürfe und fordert Antworten auf die Frage nach der Haftung. Ein wegweisendes Urteil aus Frankfurt öffnet nun die Tür zu einem Verfahren, das die Grenzen der Obhutspflicht neu ausloten könnte.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 17 W 17/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Frankfurt
  • Datum: 22.04.2025
  • Aktenzeichen: 17 W 17/24
  • Verfahrensart: Beschwerdeverfahren (Prozesskostenhilfe)
  • Rechtsbereiche: Zivilrecht, Arzthaftungsrecht, Zivilprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Der Ehemann einer verstorbenen Patientin, der Prozesskostenhilfe beantragte, um Hinterbliebenengeld von der Klinik zu fordern, in der seine Frau Suizid beging.
  • Beklagte: Eine Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik, gegen die Ansprüche auf Hinterbliebenengeld geltend gemacht werden und die sich gegen diese Ansprüche verteidigt.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Ehemann einer Patientin beantragte Prozesskostenhilfe, um Hinterbliebenengeld von einer Klinik zu fordern. Seine Ehefrau hatte sich während eines stationären Aufenthalts in dieser Klinik suizidiert. Der Ehemann warf der Klinik vor, notwendige Schutzmaßnahmen unterlassen zu haben, obwohl sie über die Suizidalität informiert war.
  • Kern des Rechtsstreits: Zentral war die Frage, ob dem Ehemann Prozesskostenhilfe für seine Klage auf Hinterbliebenengeld gegen die Klinik zusteht. Dies hing davon ab, ob seine Klage auf Verletzung ärztlicher Fürsorge- und Überwachungspflichten durch die Klinik Aussicht auf Erfolg hatte und ob der Anspruch möglicherweise verjährt war.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht änderte die vorherige Entscheidung ab und bewilligte dem Ehemann Prozesskostenhilfe für die erste Instanz seiner Klage. Er muss monatliche Raten zahlen, da sein Antrag auf ratenfreie Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden nicht erstattet.
  • Begründung: Das OLG sah hinreichende Erfolgsaussichten für die Klage, da der Anspruch auf Hinterbliebenengeld schlüssig dargelegt wurde und eine Beweisaufnahme, auch durch Sachverständige, nicht ausgeschlossen war. Zudem war der Anspruch nicht verjährt, da die Verjährungsfrist durch den rechtzeitigen Prozesskostenhilfeantrag gehemmt wurde. Die Bewilligung erfolgte ratenweise aufgrund der Einkommensverhältnisse des Antragstellers.
  • Folgen: Der Ehemann kann seine Klage auf Hinterbliebenengeld nun mit finanzieller Unterstützung führen, muss aber monatliche Raten zahlen. Für das Prozesskostenhilfe-Verfahren selbst werden keine Kosten erstattet.

Der Fall vor Gericht


Der tragische Tod in der Klinik: Wann haftet ein Krankenhaus für den Suizid eines Patienten?

Jeder, der einen Angehörigen in die Obhut einer psychiatrischen Klinik gibt, tut dies im Vertrauen darauf, dass dort alles für dessen Sicherheit und Genesung getan wird. Wenn dann das Schlimmste eintritt und der Patient sich das Leben nimmt, bleiben die Hinterbliebenen nicht nur mit ihrer Trauer, sondern auch mit quälenden Fragen zurück: Hätte der Tod verhindert werden können? Hat die Klinik ihre Pflichten verletzt? Ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main befasst sich mit genau einer solchen tragischen Situation und klärt, unter welchen Umständen eine Klage gegen eine Klinik Aussicht auf Erfolg haben kann.

Ein Ehemann verlangt Antworten und eine Entschädigung

Leeres, düsteres Klinikbett mit einer leblosen Patientin und Behandlungsunterlagen, betont Verzweiflung
Patientin in Klinikzimmer, Suizid, Obhutspflicht, Behandlungsdokumente – Verantwortung und Risiken im Gesundheitswesen. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall begann mit einem schweren Schicksalsschlag. Die Ehefrau eines Mannes befand sich im Sommer 2020 zur Behandlung in einer Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik. Trotz des stationären Aufenthalts nahm sie sich am 19. August 2020 in ihrem Zimmer das Leben. Für ihren Ehemann brach eine Welt zusammen. Er war davon überzeugt, dass die Klinik eine Mitschuld am Tod seiner Frau trug. Er wollte die Klinik auf die Zahlung eines sogenannten Hinterbliebenengeldes verklagen. Das ist eine finanzielle Entschädigung, die das Gesetz nahen Angehörigen wie Ehepartnern oder Kindern für das seelische Leid zuspricht, das sie durch den Tod eines geliebten Menschen erleiden, wenn ein Dritter diesen Tod verschuldet hat. Der Mann forderte eine Summe von mindestens 10.000 Euro.

Aber worauf stützte er seinen schweren Vorwurf? Der Ehemann konnte dem Gericht zwei wichtige Dokumente vorlegen. Zum einen einen sogenannten „Non-Suizid-Vertrag“, den seine Frau und die Klinik bereits am 8. August 2020 geschlossen hatten. In einem solchen Vertrag versichert ein Patient üblicherweise, sich nichts anzutun und sich bei aufkommenden Suizidgedanken sofort an das Personal zu wenden. Zum anderen legte er einen Auszug aus der Behandlungsdokumentation vom 18. August 2020 vor, also vom Tag vor dem Suizid. Darin wurde der Zustand seiner Frau als „nach wie vor sehr verzweifelt“ beschrieben. Sie fühle sich „ausgeschlossen und ausgegrenzt“, sei „innerlich starr“ und habe eine „innere Leere“. Für den Ehemann waren dies klare Beweise dafür, dass die Klinik von der akuten Suizidgefahr seiner Frau wusste, aber nicht die notwendigen Schutzmaßnahmen ergriffen hatte.

Die verklagte Klinik sah das völlig anders. Sie bestritt, dass eine akut erhöhte Suizidgefahr bestanden habe, auf die man hätte reagieren müssen. Der vorgelegte Dokumentationsauszug sei unvollständig und ein Non-Suizid-Vertrag sei in der Psychiatrie ein alltägliches Mittel. Zudem brachte die Klinik ein weiteres, scharfes juristisches Schwert ins Spiel: die Einrede der Verjährung. Damit meinte die Klinik, dass der Anspruch des Ehemanns, selbst wenn er bestehen würde, bereits verfallen sei, weil er zu lange mit seiner Klage gewartet habe.

Der lange Weg zum Gericht: Warum der Ehemann um finanzielle Hilfe kämpfen musste

Ein Gerichtsverfahren kostet Geld. Wer sich die Anwalts- und Gerichtskosten nicht leisten kann, hat in Deutschland die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Das ist eine staatliche Unterstützung, die sicherstellen soll, dass niemand aus reiner Geldnot auf sein Recht verzichten muss. Doch diese Hilfe gibt es nicht einfach so. Das Gericht prüft zwei Dinge: die finanzielle Bedürftigkeit des Antragstellers und die „hinreichende Erfolgsaussicht“ der geplanten Klage. Das bedeutet, die Klage darf nicht von vornherein aussichtslos erscheinen.

Genau an diesem Punkt war der Ehemann zunächst gescheitert. Das zuständige Landgericht hatte seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Begründung: Der Ehemann habe seinen Anspruch nicht schlüssig dargelegt. Einfach gesagt, das Gericht war der Meinung, seine vorgebrachten Fakten und Beweise reichten nicht aus, um eine Klage zu rechtfertigen. Dagegen legte der Mann Beschwerde ein, die nun vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt entschieden werden musste. Die Kernfrage für das OLG war also: Hatte das Landgericht zu hohe Anforderungen an den Ehemann gestellt?

Die entscheidende Frage: Genügen die vorgelegten Beweise für eine Klage?

Das OLG Frankfurt kam zu einem klaren Ergebnis: Ja, die Anforderungen des Landgerichts waren zu hoch. Die Klage des Ehemanns hat eine hinreichende Erfolgsaussicht. Aber warum sah das OLG die Sache so anders? Um das zu verstehen, muss man sich die besondere Situation in Arzthaftungsprozessen ansehen. Ein Patient oder sein Angehöriger ist gegenüber der Klinik fast immer im Nachteil, was Informationen angeht. Die Klinik besitzt die vollständigen Behandlungsunterlagen und kennt alle internen Abläufe. Der Patient kann oft nur von außen auf das Geschehen blicken.

Das OLG machte deutlich, dass man von einem Kläger in einer solchen Lage nicht verlangen kann, den Behandlungsfehler lückenlos nachzuweisen. Es reicht aus, wenn er Tatsachen vorträgt, die einen Fehler der Klinik zumindest möglich und plausibel erscheinen lassen. Man könnte es mit einem Alltagsbeispiel vergleichen: Wenn Sie Ihr Auto zur Reparatur bringen und es danach einen Motorschaden hat, müssen Sie als Laie nicht den genauen technischen Fehler benennen können. Es genügt, wenn Sie darlegen: „Vor der Reparatur lief der Motor, danach nicht mehr.“ Es ist dann Sache des Gerichts, mithilfe eines Sachverständigen zu klären, was genau passiert ist.

Genau diese Logik wandte das OLG auf den Fall des Ehemanns an. Es urteilte, dass der Non-Suizid-Vertrag und die dramatische Beschreibung des Zustands der Frau am Vortag ihres Todes starke Indizien dafür sind, dass die Klinik von der Suizidalität wusste. Ob die daraufhin ergriffenen Maßnahmen ausreichend waren oder ob eine engere Überwachung notwendig gewesen wäre, ist eine komplexe medizinische Frage. Diese Frage muss aber nicht im Verfahren über die Prozesskostenhilfe geklärt werden, sondern erst im eigentlichen Hauptverfahren, und zwar höchstwahrscheinlich durch ein Sachverständigengutachten. Das Gericht betonte, dass das Prozesskostenhilfeverfahren nicht dazu da ist, eine Beweisaufnahme vorwegzunehmen. Solange eine solche ernsthaft in Betracht kommt, muss die Erfolgsaussicht bejaht werden. Hinzu kam, dass der Ehemann gar nicht mehr Informationen vorlegen konnte, da ihm in einem früheren Verfahren die Herausgabe der vollständigen Behandlungsunterlagen verweigert worden war – weil seine Frau die Ärzte zu Lebzeiten nicht von der Schweigepflicht ihm gegenüber entbunden hatte. Ihm diesen Umstand nun zum Nachteil auszulegen, wäre unfair gewesen.

Die Uhr tickt: War der Anspruch des Ehemanns bereits verjährt?

Damit blieb noch das zweite große Argument der Klinik: die Verjährung. Ein juristischer Anspruch ist wie ein Gutschein mit Ablaufdatum. Wartet man zu lange, kann man ihn nicht mehr einlösen. Im Normalfall beträgt diese Frist drei Jahre. Sie beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Betroffene davon wusste. Der Tod der Frau war im August 2020, also lief die Frist bis zum 31. Dezember 2023.

Der Ehemann hatte seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe im November 2023 gestellt, also auf den ersten Blick rechtzeitig. Die Klinik argumentierte jedoch sinngemäß, dass die entscheidende Zustellung des Antrags an sie erst im Januar 2024 und damit zu spät erfolgt sei. Doch auch hier folgte das OLG der Argumentation des Ehemanns. Das Gesetz sieht vor, dass der Lauf der Verjährungsuhr angehalten wird, sobald ein Antrag auf Prozesskostenhilfe bei Gericht eingeht. Dieser Vorgang wird juristisch als „Hemmung der Verjährung“ bezeichnet. Es ist, als würde man auf einen Pause-Knopf drücken. Entscheidend ist der Tag, an dem der Antrag beim Gericht eingeht, nicht der Tag, an dem das Gericht ihn an die Gegenseite weiterleitet. Eine Verzögerung durch das Gericht darf dem Bürger nicht zum Nachteil gereichen. Da der Ehemann seinen Antrag vor dem 31. Dezember 2023 eingereicht hatte, war sein Anspruch nicht verjährt.

Die Entscheidung des Gerichts: Ja zur Klage, aber nicht kostenlos

Das OLG Frankfurt änderte die Entscheidung des Landgerichts daher ab. Es bewilligte dem Ehemann die beantragte Prozesskostenhilfe. Damit ist der finanzielle Weg frei für seine Klage gegen die Klinik. Einen kleinen Dämpfer gab es für den Mann aber doch. Er hatte gehofft, die Prozesskostenhilfe komplett ohne eigene Zahlungen zu erhalten. Das Gericht prüfte jedoch seine finanziellen Verhältnisse und kam zu dem Schluss, dass er in der Lage ist, monatliche Raten in Höhe von 463 Euro zu den Kosten beizutragen. Die Bewilligung erfolgte also nicht ratenfrei.

Der Weg für die eigentliche Klage ist nun frei

Mit diesem Beschluss hat das Oberlandesgericht Frankfurt noch kein Urteil darüber gefällt, ob die Klinik tatsächlich eine Schuld am Tod der Frau trägt. Es hat lediglich die Tür zum Gerichtssaal für den Ehemann aufgestoßen. Die Entscheidung stellt sicher, dass seine ernsten und durch Indizien gestützten Vorwürfe in einem ordentlichen Gerichtsverfahren geprüft werden können. Nun wird das Landgericht in die Hauptsache einsteigen müssen. Dort wird es voraussichtlich zu einer umfangreichen Beweisaufnahme kommen, bei der Gutachter klären müssen, welcher Überwachungsstandard im Fall der verstorbenen Patientin medizinisch geboten gewesen wäre und ob die Klinik diesen Standard eingehalten hat.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Gericht hat grundsätzlich anerkannt, dass Angehörige von Suizid-Patienten gegen Kliniken klagen können, wenn diese ihre Überwachungspflichten verletzt haben – auch wenn der vollständige Nachweis eines Behandlungsfehlers schwierig ist. Ein Non-Suizid-Vertrag und dokumentierte Verzweiflung des Patienten am Vortag des Suizids reichen als Indizien aus, um eine Klage zu rechtfertigen und staatliche Prozessfinanzierung zu erhalten. Das Urteil stärkt die Position von Hinterbliebenen, da es anerkennt, dass sie naturgemäß weniger Informationen haben als die Klinik und deshalb nicht den lückenlosen Beweis eines Fehlers erbringen müssen. Für betroffene Familien bedeutet dies: Wer begründete Zweifel an der Betreuung seines verstorbenen Angehörigen hat und entsprechende Anhaltspunkte vorweisen kann, hat realistische Chancen auf ein gerichtliches Verfahren – selbst wenn die vollständigen Behandlungsunterlagen nicht zugänglich sind.

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann habe ich Anspruch auf Hinterbliebenengeld, wenn mein Angehöriger nach einem Klinikaufenthalt durch Suizid verstirbt?

Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach dem Suizid eines Angehörigen nach einem Klinikaufenthalt besteht nur unter ganz bestimmten und strengen Voraussetzungen. Der zentrale Punkt ist, dass der Suizid direkt auf ein schuldhaftes Fehlverhalten der Klinik oder des behandelnden Personals zurückzuführen sein muss.

Voraussetzungen für Hinterbliebenengeld

Grundsätzlich ist das Hinterbliebenengeld eine Entschädigung für das seelische Leid, das Sie als Angehöriger durch den Tod eines Ihnen nahestehenden Menschen erfahren. Es wird nicht gezahlt, weil der Tod an sich tragisch ist, sondern weil er durch das schuldhafte Handeln oder Unterlassen eines Dritten verursacht wurde. Im Fall eines Suizids nach einem Klinikaufenthalt bedeutet das:

  • Verschulden der Klinik: Es muss nachweisbar sein, dass die Klinik oder ihre Mitarbeiter eine Pflicht verletzt haben, die den Suizid hätte verhindern können. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine vorhandene Suizidgefahr nicht erkannt, nicht ernst genommen oder nicht ausreichend behandelt wurde. Denkbar ist auch ein Versäumnis bei der Überwachung oder bei der Anpassung der Behandlung. Es geht also um einen konkreten Fehler in der medizinischen oder pflegerischen Betreuung.
  • Kausalität (Ursächlicher Zusammenhang): Der Fehler der Klinik muss ursächlich für den Suizid gewesen sein. Das bedeutet, der Suizid darf nicht sowieso unausweichlich gewesen sein, sondern die Pflichtverletzung der Klinik muss den Tod des Angehörigen mitverursacht oder ermöglicht haben. Es muss ein direkter Zusammenhang zwischen dem Klinikfehler und dem Suizid bestehen. Das ist oft der schwierigste Teil bei der Prüfung eines solchen Anspruchs.
  • Anspruchsberechtigte Hinterbliebene: Als anspruchsberechtigte Hinterbliebene kommen in erster Linie Ehepartner, Lebenspartner, Kinder und Eltern des Verstorbenen in Betracht. Auch andere Personen können unter Umständen einen Anspruch haben, wenn sie zu dem Verstorbenen in einem besonders engen persönlichen Verhältnis standen und durch dessen Tod ein vergleichbar schweres Leid erfahren haben.

Was wird entschädigt?

Das Hinterbliebenengeld ist eine Entschädigung für das seelische Leid und den Schock, der durch den Verlust des geliebten Menschen entsteht. Es handelt sich hierbei nicht um ein klassisches Schmerzensgeld im Sinne einer Kompensation für eigene körperliche oder psychische Verletzungen, die durch das Miterleben des Ereignisses entstanden sind (sogenannter Schockschaden). Vielmehr soll es das Leid ausgleichen, das durch das unwiederbringliche Fehlen des Angehörigen verursacht wird. Die Höhe des Hinterbliebenengeldes wird immer im Einzelfall und unter Berücksichtigung aller Umstände (wie dem Grad der Beziehung, der Art des Todes und den Auswirkungen auf die Hinterbliebenen) bemessen.

Wichtig zu wissen: Die Beweislast dafür, dass die Klinik den Suizid schuldhaft mitverursacht hat, liegt bei den Hinterbliebenen. Dies kann eine sehr anspruchsvolle Aufgabe sein.


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Unter welchen Bedingungen kann eine Klinik für den Suizid eines Patienten haftbar gemacht werden?

Eine Klinik kann für den Suizid eines Patienten haftbar gemacht werden, wenn ein Behandlungsfehler vorliegt, der ursächlich für den Suizid war. Dies bedeutet, dass die Klinik ihren medizinischen Sorgfaltspflichten nicht ausreichend nachgekommen ist und dieser Mangel direkt zum Tod des Patienten geführt hat.

Die Sorgfaltspflichten einer Klinik bei Suizidgefahr

Kliniken, insbesondere psychiatrische Einrichtungen, haben gegenüber suizidgefährdeten Patienten besondere Sorgfaltspflichten. Diese Pflichten sind darauf ausgerichtet, einen Suizid zu verhindern. Sie umfassen in der Regel:

  • Erkennen der Suizidgefahr: Das medizinische Personal muss die Anzeichen einer Suizidgefährdung richtig einschätzen und dokumentieren. Dies erfordert eine genaue Beobachtung des Patienten und die Berücksichtigung seiner Krankengeschichte.
  • Angemessene Überwachung (Obhutspflicht): Je nach Grad der Suizidgefahr muss der Patient entsprechend überwacht werden. Dies kann von regelmäßigen Kontrollen bis hin zu einer ständigen Einzelbetreuung reichen. Die Überwachungsintensität muss an die aktuelle Gefährdungslage angepasst sein.
  • Geeignete therapeutische Maßnahmen: Es müssen alle medizinisch notwendigen und sinnvollen therapeutischen Schritte eingeleitet werden, um die Suizidgefahr zu mindern. Dazu gehören beispielsweise die Gabe bestimmter Medikamente, therapeutische Gespräche oder das Einleiten von Fixierungsmaßnahmen in extremen Fällen.

Für Sie als Laie ist wichtig: Diese Pflichten sind nicht pauschal gleich, sondern richten sich immer nach dem individuellen Zustand des Patienten und der Einschätzung seiner akuten Gefährdung.

Der Behandlungsfehler und der medizinische Standard

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn die medizinische Behandlung oder Betreuung nicht dem anerkannten medizinischen Standard entspricht. Stellen Sie sich vor, der medizinische Standard ist eine Art „best practice“, die festlegt, wie ein durchschnittlich sorgfältiger Arzt oder eine Klinik unter den gegebenen Umständen handeln würde. Ein Fehler kann zum Beispiel dann vorliegen, wenn:

  • Die Suizidgefahr trotz eindeutiger Anzeichen nicht erkannt wurde.
  • Die Überwachung des Patienten nicht ausreichte, obwohl eine höhere Stufe der Überwachung medizinisch geboten gewesen wäre.
  • Notwendige therapeutische Maßnahmen unterlassen oder falsch durchgeführt wurden.

Ob ein Behandlungsfehler vorliegt, wird in der Regel durch die Einholung medizinischer Gutachten festgestellt. Ein Sachverständiger prüft, ob das Handeln des Klinikpersonals von dem abwich, was in der jeweiligen Situation nach den Regeln der medizinischen Kunst zu erwarten gewesen wäre.

Der ursächliche Zusammenhang zwischen Fehler und Suizid

Selbst wenn ein Behandlungsfehler feststeht, muss zusätzlich bewiesen werden, dass dieser Fehler ursächlich für den Suizid war. Das bedeutet, es muss eine direkte Verbindung zwischen dem Fehlverhalten der Klinik und dem Tod des Patienten bestehen. Man fragt sich: Wäre der Suizid mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten, wenn die Klinik sich korrekt verhalten hätte?

Gerade bei Suizidfällen ist es oft sehr schwierig, diesen ursächlichen Zusammenhang nachzuweisen. Suizid ist eine höchst persönliche Handlung, bei der viele individuelle Faktoren eine Rolle spielen. Eine Klinik kann nicht jede Selbsttötung verhindern, insbesondere wenn der Patient trotz aller Bemühungen einen starken Willen zur Selbstschädigung zeigt und geeignete Gelegenheiten findet. Die Haftung setzt voraus, dass der Klinikvorwurf nicht nur ein Mangel im Allgemeinen ist, sondern konkret zum Tod führte. Es muss also deutlich werden, dass die mangelnde Sorgfalt der Klinik die entscheidende Ursache für den Suizid war.


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Welche Beweismittel sind wichtig, um einen möglichen Fehler der Klinik im Zusammenhang mit einem Suizid nachzuweisen?

Um einen möglichen Fehler einer Klinik im Zusammenhang mit einem Suizid nachzuweisen, sind verschiedene Beweismittel von Bedeutung. Für juristische Laien ist es oft schwierig, diese Informationen zu sammeln und zu bewerten, da Kliniken über alle internen Unterlagen verfügen.

Die Bedeutung der Klinikdokumentation

Im Zentrum der Beweisführung stehen meist die umfassenden Behandlungsunterlagen der Klinik, die sogenannte Patientenakte. Diese Akte enthält wichtige Informationen über den gesamten Aufenthalt des Patienten. Dazu gehören:

  • Aufnahmebefunde und Diagnosen: Was wurde bei der Aufnahme festgestellt?
  • Medikationspläne: Welche Medikamente wurden wann und in welcher Dosierung verabreicht?
  • Therapiepläne: Welche therapeutischen Maßnahmen waren vorgesehen und wurden durchgeführt?
  • Verlaufsprotokolle: Täglich geführte Notizen über den Zustand des Patienten, Gespräche mit Ärzten und Pflegepersonal, Verhaltensauffälligkeiten und Reaktionen auf Behandlungen.

Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang spezielle Aufzeichnungen zum Patientenzustand, die sich direkt auf die Einschätzung und das Management einer Suizidgefährdung beziehen. Dies können sein:

  • Risikoeinschätzungen: Regelmäßige Beurteilungen der Suizidgefährdung durch das Klinikpersonal.
  • Beobachtungsprotokolle: Detaillierte Notizen darüber, wie oft und wie intensiv der Patient beobachtet wurde, insbesondere wenn eine erhöhte Suizidgefahr bekannt war.
  • Maßnahmen zur Suizidprävention: Dokumentation, welche Schutzmaßnahmen ergriffen wurden (z.B. Einzelzimmer, Entfernen gefährlicher Gegenstände, engmaschige Überwachung).

Als Patient oder dessen Vertreter haben Sie grundsätzlich ein Recht auf Einsicht in die vollständige Patientenakte.

Weitere relevante Informationen

Neben den schriftlichen Unterlagen können auch Zeugenaussagen eine Rolle spielen. Das können sein:

  • Angehörige oder Besucher: Sie können Aussagen über den Zustand des Patienten vor dem Suizid machen, über Gespräche mit dem Klinikpersonal oder über wahrgenommene Mängel in der Betreuung.
  • Klinikpersonal: In Ausnahmefällen können auch Aussagen von Mitarbeitern der Klinik relevant sein, falls diese über kritische Umstände oder Fehler berichten können.

Auch interne Richtlinien der Klinik oder Dienstpläne, die einen Personalmangel aufzeigen könnten, können unter Umständen relevant sein, sind aber schwieriger zu interpretieren und alleine selten ausschlaggebend.

Die Rolle medizinischer Expertise im Gerichtsverfahren

Für juristische Laien ist es in der Regel sehr schwierig, einen Behandlungsfehler lückenlos nachzuweisen, da dies medizinisches Fachwissen erfordert. Hier kommt im Rahmen eines Gerichtsverfahrens die Einholung eines Sachverständigengutachtens ins Spiel. Ein Sachverständiger, in der Regel ein erfahrener Mediziner, wird vom Gericht beauftragt, die vollständigen Behandlungsunterlagen zu prüfen. Er beurteilt, ob die Behandlung und Betreuung den medizinischen Standards zum Zeitpunkt des Vorfalls entsprochen haben und ob mögliche Fehler ursächlich für den Suizid waren. Das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen ist oft entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob ein Fehler der Klinik vorliegt und ob dieser Fehler zu dem tragischen Ereignis beigetragen hat.


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Gibt es Fristen, innerhalb derer ich rechtliche Schritte gegen eine Klinik nach dem Suizid meines Angehörigen einleiten muss?

Ja, für die Einleitung rechtlicher Schritte gegen eine Klinik – beispielsweise aufgrund eines vermuteten Behandlungsfehlers, der zum Suizid Ihres Angehörigen beigetragen haben könnte – gelten gesetzliche Fristen, die unbedingt beachtet werden müssen. Diese Fristen werden als Verjährungsfristen bezeichnet.

Die regelmäßige Verjährungsfrist

Die wichtigste Frist in solchen Fällen ist die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Für Sie bedeutet das: Ansprüche gegen eine Klinik, zum Beispiel auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld, verjähren normalerweise nach drei Jahren. Nach Ablauf dieser Frist kann der Anspruch rechtlich nicht mehr durchgesetzt werden, selbst wenn er ursprünglich berechtigt war.

Wann beginnt die Frist zu laufen?

Diese dreijährige Frist beginnt nicht sofort mit dem Ereignis selbst. Stattdessen beginnt sie mit dem Ende des Jahres, in dem

  • der Anspruch entstanden ist (also der Vorfall, der den Anspruch begründet, z.B. der angenommene Behandlungsfehler und der Suizid) und
  • Sie als Betroffener Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen.

Stellen Sie sich vor, ein Ereignis, das einen Anspruch begründen könnte, findet im Juni 2023 statt, und Sie erhalten Ende 2023 Kenntnis von den relevanten Umständen. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt dann nicht im Juni 2023, sondern erst am 31. Dezember 2023 und würde am 31. Dezember 2026 ablaufen.

Wie kann der Lauf der Verjährung angehalten (gehemmt) werden?

Es gibt Wege, den Lauf dieser Verjährungsfrist zu unterbrechen oder anzuhalten, was juristisch als Hemmung der Verjährung bezeichnet wird. Während der Hemmung steht die Frist still und läuft nach dem Wegfall des Hemmungsgrundes weiter. Die Zeit, in der die Hemmung bestand, wird dabei nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet. Ein häufiges Beispiel hierfür ist die Einreichung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe (PKH).

Wenn Sie einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen, um Klage gegen die Klinik zu erheben, hemmt dies in der Regel die Verjährung. Das bedeutet, die dreijährige Frist läuft für die Dauer des Verfahrens zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht weiter. Wird die Prozesskostenhilfe bewilligt, beginnt die Hemmung in der Regel mit der Zustellung der Klage. Dies ist eine wichtige Möglichkeit, Zeit zu gewinnen, um die finanziellen Voraussetzungen für einen Rechtsstreit zu klären, ohne den Verlust des Anspruchs befürchten zu müssen.

Es ist von großer Bedeutung, diese Fristen im Blick zu behalten, da das Verpassen einer Verjährungsfrist zur Folge haben kann, dass ein potenzieller Anspruch nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden kann.


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Was kann ich tun, wenn ich mir eine Klage gegen eine Klinik finanziell nicht leisten kann?

Wenn Sie eine Klage gegen eine Klinik in Erwägung ziehen, aber die möglichen Kosten für Anwalt und Gericht eine finanzielle Hürde darstellen, gibt es in Deutschland die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe (PKH). Diese staatliche Unterstützung soll sicherstellen, dass auch Personen mit geringem Einkommen ihren Zugang zur Justiz wahrnehmen und ihre Rechte vor Gericht geltend machen können.

Wie funktioniert Prozesskostenhilfe (PKH)?

Prozesskostenhilfe bedeutet, dass der Staat die Kosten für ein Gerichtsverfahren, einschließlich der eigenen Anwaltskosten und der Gerichtskosten, ganz oder teilweise übernimmt. Wenn Ihnen Prozesskostenhilfe bewilligt wird, müssen Sie diese Kosten nicht selbst tragen oder es wird Ihnen eine Ratenzahlung an den Staat auferlegt. Das Ziel ist, dass finanzielle Schwierigkeiten niemanden daran hindern, vor Gericht zu ziehen, wenn es nötig ist.

Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe

Um Prozesskostenhilfe zu erhalten, müssen in der Regel zwei wesentliche Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Finanzielle Bedürftigkeit:
    Für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist es entscheidend, dass Sie die Kosten des Gerichtsverfahrens aufgrund Ihrer finanziellen Verhältnisse nicht selbst aufbringen können. Hierbei werden Ihr Einkommen, Ihr Vermögen und Ihre monatlichen Ausgaben berücksichtigt. Dazu zählen zum Beispiel Miete, Nebenkosten und notwendige Lebenshaltungskosten. Auch Unterhaltspflichten gegenüber Familienmitgliedern spielen eine Rolle. Wenn Ihr verfügbares Einkommen nach Abzug dieser Ausgaben zu gering ist, um die Gerichts- und Anwaltskosten zu decken, liegt in der Regel finanzielle Bedürftigkeit vor.
  2. Hinreichende Erfolgsaussicht der Klage:
    Ihre beabsichtigte Klage muss eine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben. Das bedeutet nicht, dass Sie garantiert gewinnen müssen. Es bedeutet aber, dass Ihr Fall nicht offensichtlich aussichtslos sein darf. Das Gericht prüft vor der Bewilligung der Prozesskostenhilfe, ob Ihr rechtliches Anliegen eine realistische Chance hat, vor Gericht Bestand zu haben. Wenn Ihre Klage von vornherein aussichtslos erscheint oder mutwillig ist, wird keine Prozesskostenhilfe gewährt.

Kostenübernahme und mögliche Ratenzahlungen

Wird Ihnen Prozesskostenhilfe gewährt, übernimmt der Staat zunächst die Gerichtskosten und die Kosten Ihres eigenen Anwalts. Es ist wichtig zu wissen, dass dies nicht immer eine komplette und endgültige Übernahme bedeutet. Abhängig von Ihren finanziellen Verhältnissen kann das Gericht anordnen, dass Sie die gewährte Prozesskostenhilfe in monatlichen Raten an den Staat zurückzahlen müssen. Dies ist der Fall, wenn Ihr Einkommen eine bestimmte Grenze überschreitet, aber immer noch nicht ausreicht, um die gesamten Prozesskosten auf einmal zu bezahlen. Sollte sich Ihre finanzielle Situation in den folgenden Jahren (in der Regel vier Jahre nach der Entscheidung) verbessern, kann das Gericht auch nachträglich eine Ratenzahlung oder eine vollständige Rückzahlung anordnen. Wenn Sie den Prozess gewinnen, muss die Gegenseite in der Regel Ihre Anwalts- und Gerichtskosten tragen, wodurch sich die Frage einer Rückzahlung an den Staat dann meist erübrigt.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Behandlungsfehler

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn eine medizinische Behandlung oder Betreuung nicht dem anerkannten medizinischen Standard entspricht. Das bedeutet, die Klinik oder ihre Mitarbeiter haben nicht so sorgfältig gehandelt, wie es nach den Regeln der medizinischen Kunst in der jeweiligen Situation zu erwarten gewesen wäre. Im Fall eines Suizids kann ein Behandlungsfehler beispielsweise vorliegen, wenn die Klinik eine vorhandene Suizidgefahr nicht erkannte oder Schutzmaßnahmen unterließ. Die Feststellung eines Behandlungsfehlers erfolgt in der Regel durch ein medizinisches Sachverständigengutachten.

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Non-Suizid-Vertrag

Ein Non-Suizid-Vertrag ist eine Vereinbarung zwischen einem Patienten und einer Klinik, in der sich der Patient verpflichtet, keine Selbsttötung zu begehen und bei entsprechenden Gedanken sofort das Klinikpersonal zu informieren. Dieses Instrument dient der Suizidprävention und soll die Klinik bei der Einschätzung und Überwachung der Suizidgefährdung unterstützen. Im juristischen Kontext kann ein solcher Vertrag als Beweismittel dienen, um zu zeigen, dass der Patient und die Klinik ein gemeinsames Verständnis über das Suizidrisiko hatten.

Beispiel: Ein Patient unterschreibt einen Non-Suizid-Vertrag und verspricht, sich bei suizidalen Gedanken vertrauensvoll an das Pflegepersonal zu wenden, damit rechtzeitig Hilfe eingeleitet werden kann.

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Verjährung und Hemmung der Verjährung

Verjährung bedeutet, dass ein rechtlicher Anspruch nach einer bestimmten Frist nicht mehr gerichtlich durchsetzbar ist. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt im Fall von Ansprüchen gegen eine Klinik meist drei Jahre und beginnt typischerweise am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Betroffene davon Kenntnis erlangt hat. Die Hemmung der Verjährung ist ein rechtlicher Mechanismus, mit dem der Ablauf dieser Frist vorübergehend gestoppt wird. So führt zum Beispiel die Einreichung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe dazu, dass die Verjährung für die Dauer der Prüfung nicht weiterläuft.

Beispiel: Hat ein Angehöriger fünf Monate nach dem Tod eines Patienten einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt, wird die Verjährungsfrist während der Bearbeitung dieses Antrags angehalten, sodass die Klage später noch rechtzeitig eingereicht werden kann.

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Prozesskostenhilfe (PKH)

Prozesskostenhilfe ist eine staatliche Unterstützung, die es finanziell Bedürftigen ermöglicht, ihre Rechte vor Gericht geltend zu machen, ohne dass sie sofort die Kosten für Anwalt und Gericht tragen müssen. Die Bewilligung von PKH setzt voraus, dass der Antragsteller nachweislich nicht in der Lage ist, die Prozesskosten selbst zu zahlen, und dass die beabsichtigte Klage hinreichende Erfolgsaussichten hat (also nicht offensichtlich aussichtslos ist). Bei genehmigter PKH übernimmt der Staat die Kosten komplett oder teilweise; oft werden jedoch Ratenzahlungen festgelegt, wenn die finanzielle Lage des Antragstellers eine gewisse Belastbarkeit zeigt.

Beispiel: Ein Hinterbliebener, der einen Behandlungsfehler einer Klinik geltend machen will, kann PKH beantragen, wenn sein Einkommen nicht ausreicht, um die Prozesskosten zu bezahlen.

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Ursächlicher Zusammenhang (Kausalität)

Der ursächliche Zusammenhang bedeutet, dass ein bestimmtes Verhalten oder ein Fehler direkt dafür verantwortlich sein muss, dass ein Schaden oder Ereignis eingetreten ist. Im Fall eines Suizids nach Klinikaufenthalt muss also gezeigt werden, dass der Fehler der Klinik den Suizid mitverursacht oder überhaupt erst ermöglicht hat. Es reicht nicht aus, dass die Klinik irgendwo falsch handelte; der Fehler muss nachweisbar die Todesursache beeinflusst haben. Die Kausalität ist oft schwer zu beweisen, da Suizid eine komplexe, persönliche Handlung ist.

Beispiel: Wenn eine Klinik eine bekannte Suizidgefahr ignoriert und deshalb nicht die nötige Überwachung anordnet, was es dem Patienten ermöglicht, sich selbst zu töten, liegt ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Fehler und dem Suizid vor.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht bei Verletzung von Rechtsgütern): Dieser Paragraph regelt die Haftung für Schäden, die durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten verursacht werden, und umfasst auch die Verletzung von Leben oder Gesundheit. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Ehemann könnte die Haftung der Klinik wegen einer Pflichtverletzung, die zum Tod der Patientin führte, auf dieser Grundlage geltend machen.
  • § 630a BGB (Behandlungsvertrag und ärztliche Pflichten): Dieser Paragraph definiert die Rechte und Pflichten aus dem Behandlungsvertrag zwischen Patient und Klinik, insbesondere die Pflicht zur fachgerechten und sorgfältigen Behandlung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Er bildet die Grundlage dafür, dass die Klinik verpflichtet war, geeignete Schutzmaßnahmen zur Verhinderung eines Suizids zu treffen.
  • Arzthaftungsrecht (Rechte und Pflichten bei Fehlbehandlung): Hierbei handelt es sich um die speziellen Grundsätze, die die Haftung von medizinischem Personal für Behandlungsfehler regeln, wie die Beweislastumkehr und die Beurteilung der Erfolgsaussichten von Klagen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG hat berücksichtigt, dass der Kläger nicht den Behandlungsfehler vollständig nachweisen muss, sondern Tatsachen vortragen kann, die eine Pflichtverletzung möglich machen.
  • § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen – Schweigepflicht): Regelt den Schutz medizinischer Daten und die Voraussetzungen, unter denen eine Entbindung von der Schweigepflicht erfolgen kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Verweigerung der Herausgabe der vollständigen Behandlungsunterlagen erschwerte dem Ehemann die Beweisführung und beeinflusste die Bewertung seiner Beweislage.
  • § 195 BGB (Verjährung von Ansprüchen und Fristen): Bestimmt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren für zivilrechtliche Ansprüche. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Entscheidend für den Anspruch des Ehemanns auf Hinterbliebenengeld war, ob die Verjährung bereits eingetreten ist.
  • § 204 BGB (Hemmung der Verjährung): Regelt die Unterbrechung der Verjährung durch bestimmte Maßnahmen, wie die Beantragung von Prozesskostenhilfe vor Gericht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Antrag auf Prozesskostenhilfe hemmt den Verjährungslauf, sodass der Anspruch des Ehemanns trotz verspäteter Zustellung nicht verfallen ist.

Das vorliegende Urteil


OLG Frankfurt – Az.: 17 W 17/24 – Beschluss vom 22.04.2025


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