LG Braunschweig, Az.: 1 O 1886/14 (268), Urteil vom 19.05.2015
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen: Der Streitwert wird auf eine Wertstufe bis 170.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen behaupteter Pflichtverletzungen aus einem Architektenvertrag in Anspruch.
Die Klägerin, vertreten durch …, beauftragte den Beklagten, einen Architekten, mit den Leistungen der Leistungsphase 5-8 betreffend die Balkonsanierung an ihrem Mehrfamilienhaus in … . Die Arbeiten erfolgten durch verschiedene Unternehmen. Die … erstellte die Beschichtung und die … die Entwässerung der Balkone. Die Arbeiten wurden in zwei Teilabschnitten ausgeführt. Die Abnahme des zweiten Teilabschnittes erfolgte am 12.08.2004. Aus dem Abnahmeprotokoll geht hervor, dass die Verjährung am 11.08.2009 endet. Die Klägerin erhielt davon eine Abschrift.
Ende 2006 zeigten sich Mängel in Form von Blasenbildungen unter der Beschichtung der Balkone. Daraufhin beauftragte die … den Beklagten mit (strittigen) Leistungen im Rahmen der Gewährleistung betreffend dieses Mangels (vgl. Anlage K5).
Der Beklagte leitete daraufhin die „Mängelanzeige der Wohnungseigentümergemeinschaft (Klägerin), vertreten durch die … (vgl. Anlage K6) an … weiter. Ein entsprechendes Schreiben ging an die … (vgl. Anlage K16). Beide ausführenden Unternehmen erklärten sich für unzuständig.
In einem am 17.05.2010 erstellten Privatgutachten ermittelte …,, dass entweder das Material oder die Verarbeitung durch die … ursächlich für die Blasenbildung sei.
Anschließend rechnete der Beklagte über seine „Leistungen der Leistungsphase 9“ (vgl. Anlage K4) ab.
Im Jahr 2011 beauftragte die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigten, welcher den Beklagten dafür in Anspruch nahm, dass zwischenzeitlich gegenüber den ausführenden Unternehmen die Verjährung eingetreten war.
Im selbstständigen Beweisverfahren 1 OH 20/12 zwischen den Parteien ermittelte der Sachverständige …, dass die Arbeiten der … mangelhaft ausgeführt worden seien und dies Ursache für die Blasenbildung sei. Der Sanierungsaufwand entspricht der bezifferten Klageforderung.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie den Beklagten mit den Leistungen der Leistungsphase 9 beauftragt habe und er die ihr sich daraus ergebenen Pflichten verletzt habe. Insbesondere hätte er die Klägerin auf die drohende Verjährung aufmerksam machen müssen und ihr vor Ablauf der Verjährung anraten müssen, einen Rechtsanwalt aufzusuchen.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 142.521,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2013 zu zahlen, und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, jedweden weiteren Schaden zu ersetzen, der der Klägerin im Rahmen der Sanierung der blasenförmigen Ablösungen des Beschichtungssystems am Bauvorhaben … in …, Balkonsanierung, 1. und 2. Bauabschnitt entsteht.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB bzw. anderem Rechtsgrund.
Es kann dahingestellt bleiben, ob zwischen der Klägerin, vertreten durch die …, vgl. § 164 Abs. 1 S. 2 BGB, und dem Beklagte ein Architektenvertrag geschlossen worden ist, und auch ob der Beklagte zumindest betreffend den Mangel der Blasenbildung mit den Leistungen der Leistungsphase 9 beauftragt wurde, denn jedenfalls würde auch beim Vorliegen eines solchen Schuldverhältnisses dem Beklagten keine Pflichtverletzung i. S. v. § 280 Abs. 1 BGB vorzuwerfen sein.
Zunächst besteht im Rahmen des etwaigen Architekturvertrages keine Leistungspflicht dahingehend, dass der Bauherr über den Ablauf der Verjährung von Seiten des Architekten unterrichtet wird, da nach § 15 Abs. 2 HOAI (2002) das Leistungsbild der Leistungsphase 9 lediglich folgende Leistungen vorsieht: Objektbegehung zur Mängelfeststellung vor Ablauf der Verjährungsfristen der Gewährleistungsansprüche gegenüber den bauausführenden Unternehmen, Überwachen der Beseitigung von Mängeln, die innerhalb der Verjährungsfristen der Gewährleistungsansprüche, längstens jedoch bis zum Ablauf von fünf Jahren seit Abnahme der Bauleistungen auftreten, Mitwirken bei der Freigabe von Sicherheitsleistungen, Systematische Zusammenstellung der zeichnerischen Darstellungen und rechnerischen Ergebnisse des Objekts. Eine rechtliche Beratung des Bauherren im Hinblick darauf, wann die Verjährung im konkreten Fall abläuft bzw. ob diese gehemmt ist, wird auf Seiten des Architekten nicht verlangt, denn dieser schuldet nur die Leistung des technischen Sachverstandes. Wie bereits das Leistungsbild zeigt, soll der Architekt nicht einmal für seine Leistungen den konkreten Ablauf der Verjährungsfrist (bei ggf. bestehenden Hemmungen) berechnen können, denn seine Aufgabe ist auf Mängel die sich innerhalb von fünf Jahren zeigen beschränkt.
Darüber hinaus bestände aus dem etwaigen Architekturvertrag auch keine Nebenpflicht i. S. v. § 241 Abs. 2 BGB dahingehend, die Interessen des Bauherren in der Form zu schützen, dass dem Beklagten eine Hinweispflicht oblegen hätte, dem Bauherren innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist anzuraten, einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob über die Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB eine Umgehung des Leistungsbildes der HOAI in Bezug auf die rechtlichen Gesichtspunkte überhaupt möglich ist, denn jedenfalls im vorliegenden Fall war eine solche Pflicht nicht anzunehmen.
Die Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB haben keinen „starren“ Charakter, sondern sind auf das jeweilige Rechtsverhältnis und insbesondere auf die Vertragsparteien anzupassen. Danach bedurfte die Klägerin keines, von dem Beklagten allenfalls zu erwartenden, Hinweises auf den Ablauf der Verjährung, da ihr bereits mit der Abnahme der Zeitpunkt der Verjährung mitgeteilt wurde und zudem die Klägerin betreffend die Abwicklung des Bauvertrages mit der … eine Verwalterin hatte, die über hinreichendes Wissen betreffend die Erfordernisse einer rechtzeitigen Geltendmachung von Baumängeln und die Sinnhaftigkeit einer anwaltlichen Beratung hatte. Bei einer solchen Situation musste der Beklagte nicht davon ausgehen, dass es eines Hinweises durch ihn bedurft hätte, damit die Klägerin Kenntnis davon erlangt, dass sie sich eines Anwaltes bedienen könnte, um ihre Ansprüche rechtlich und rechtzeitig durchzusetzen.
Mangels Hauptanspruches besteht auch kein solcher auf diesbezügliche Zinsen.
Weiter war mangels Schadensersatzanspruches auch dieser nicht für bislang nicht bezifferbare Schäden festzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit war nach § 709 S. 1 und 2 ZPO anzuordnen und die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 48 GKG, § 3 ZPO.