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Hinweispflicht des Arbeitgebers auf Arbeitssuchmeldung

BUNDESARBEITSGERICHT

Az.: 8 AZR 571/04

Urteil vom 29.09.2005


Leitsätze:

Unterlässt der Arbeitgeber den nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III gebotenen Hinweis an den Arbeitnehmer über dessen Pflicht, sich vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverzüglich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, so begründet dies keinen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber.


Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. September 2004 – 19 Sa 1248/04 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte wegen unterlassener Aufklärung.

Die Beklagte betreibt Arbeitnehmerüberlassung. Der Kläger war bei der Beklagten auf der Grundlage dreier befristeter Arbeitsverträge beschäftigt. Der letzte Arbeitsvertrag lief am 25. Januar 2004 aus. Die Beklagte wies den Kläger beim Abschluss der jeweiligen Verträge nicht darauf hin, dass er verpflichtet sei, sich frühzeitig arbeitsuchend zu melden. Der Kläger kam dieser Verpflichtung erstmalig am 12. Januar 2004 nach. Er war bis zum 25. April 2004 arbeitslos. Die Agentur für Arbeit teilte dem Kläger mit Schreiben vom 18. Februar 2004 mit, dass er sich bereits am 12. November 2003 hätte arbeitsuchend melden müssen und dass sich deshalb sein Leistungsanspruch verringere. Mit Bescheid vom 24. Februar 2004 bewilligte sie dem Kläger ab dem 26. Januar 2004 Arbeitslosengeld. Auf Grund eines Widerspruchs des Klägers setzte die Bundesagentur für Arbeit die Kürzung des Arbeitslosengeldes auf 840,00 Euro herab.

Der Kläger ist der Auffassung gewesen, die Beklagte sei ihm zur Erstattung des entgangenen Arbeitslosengeldes verpflichtet, da sie ihn nicht darüber informiert habe, dass er sich arbeitsuchend melden müsse.

Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 840,00 Euro Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. April 2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie meint, eine Meldepflicht bestehe für Arbeitnehmer bei befristeten Arbeitsverhältnissen nicht, zudem bestehe die Informationspflicht des Arbeitgebers nicht im Interesse des Arbeitnehmers.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Schadensersatzanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu.

I.

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 iVm. § 37b SGB III stelle eine öffentlich-rechtliche Bestimmung zum Schutz der Versichertengemeinschaft dar, die vor unnötiger Inanspruchnahme von Leistungen zu bewahren sei. Mit der Verpflichtung, sich frühzeitig arbeitsuchend zu melden, solle der Eintritt der Arbeitslosigkeit verhindert werden; die Kürzung des Arbeitslosengeldes stelle einen Schadensausgleich zugunsten der übrigen Versicherten dar. Die Eigenverantwortlichkeit des Arbeitsuchenden habe nicht auf Grund der Informationspflicht des Arbeitgebers auf jenen verlagert werden sollen. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III verfolge nicht den Zweck, dem Versicherten zu einem zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch zu verhelfen, wenn der Arbeitgeber seiner Informationspflicht nicht nachgekommen sei. Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich auch nicht aus einer Verletzung von Fürsorgepflichten, jedenfalls nicht beim befristeten Arbeitsvertrag. Es könne dahinstehen, ob die gesetzliche Meldepflicht des Versicherten bei verlängerbaren befristeten Arbeitsverhältnissen überhaupt sinnvoll und wirksam sei, denn dies sei für die Beurteilung des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs unerheblich.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1.

Ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Verletzung einer Pflicht gemäß § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB besteht nicht.

a) Voraussetzungen und Umfang von vertraglichen Hinweis- und Aufklärungspflichten ergeben sich zunächst aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Sie beruhen auf den besonderen Umständen des Einzelfalles und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung. Danach hat jeder Vertragspartner grundsätzlich selbst für die Wahrnehmung seiner Interessen zu sorgen, wobei die erkennbaren Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits stets zu beachten sind. So hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit eine aus § 242 BGB abgeleitete gesteigerte Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen beispielsweise bejaht, wenn Aufhebungsverträge auf Veranlassung des Arbeitgebers zustande gekommen sind und der Arbeitgeber den Eindruck erweckt, dass auch die Interessen des Arbeitnehmers hinsichtlich eines etwaigen Arbeitslosengeldbezugs gewahrt würden (BAG 12. Dezember 2002 – 8 AZR 497/01 – AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 25 mwN; 10. März 1988 – 8 AZR 420/85 – AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 99 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 6) . Eine aus § 242 BGB abgeleitete allgemeine vertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer über eine frühzeitige Meldung bei der Agentur für Arbeit zu informieren, kann danach nicht angenommen werden, schon gar nicht beim Ablauf eines befristeten Arbeitsvertrages. Grundsätzlich liegt es im eigenen Interesse eines Arbeitnehmers, zum Erhalt seiner Lohnersatzleistungen und damit seiner finanziellen Absicherung während der Arbeitslosigkeit durch eine frühzeitige Meldung Sorge zu tragen. Im Streitfall hat die Beklagte den Kläger weder zur Aufgabe eines Arbeitsverhältnisses veranlasst noch folgt eine Informationspflicht aus anderen Gründen wie beispielsweise der Übernahme einer besonderen Beratungspflicht. Die Beklagte hat weder einen Vertrauenstatbestand noch eine besondere Gefahrenquelle geschaffen.

b) Auch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III begründet keine selbstständige Nebenpflicht des Arbeitgebers, das Vermögen des Arbeitnehmers zu schützen.

Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, müssen sich schon vor der Inanspruchnahme von Leistungen nach Maßgabe des§ 37b SGB III unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend melden. Nach § 37b Satz 2 SGB III hat im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses die Meldung frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen. Die Verletzung der Obliegenheit führt bei Verwirklichung des Risikos der Arbeitslosigkeit zur Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (§ 140 SGB III). Es handelt sich um einen pauschalen Schadensausgleich (BT-Drucks. 15/25 S. 31; Urmersbach SGb 2004, 684, 685) .Den Arbeitgebern wird in diesem Zusammenhang nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III aufgegeben, die Arbeitnehmer vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses frühzeitig über die Verpflichtung unverzüglicher Meldung bei der Agentur für Arbeit zu informieren.

aa) Im Streitfall kann offen bleiben, ob § 37b Satz 2 SGB III überhaupt eine wirksame sozialrechtliche Pflicht des Arbeitnehmers, sich bei befristeten Arbeitsverhältnissen rechtzeitig arbeitsuchend zu melden, normiert. Diese Frage ist im Sozialrecht umstritten (vgl. SG Dortmund 14. Juli 2004 – S 33 AL 169/04 -; 26. Juli 2004 – S 33 AL 127/04 -; SG Aachen 22. September 2004 – S 11 AL 32/04 – AuR 2005, 157; 24. September 2004 – S 8 AL 81/04 – ; SG Berlin 29. November 2004 – S 77 AL 3781/04 -; SG Stuttgart 26. Januar 2005 – S 15 AL 6053/04 -; SG Münster 23. Februar 2005 – S 5 AL 209/04 -; SG Mannheim 3. März 2005 – S 5 AL 3437/04 -; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen 21. September 2004 – L 1 AL 51/04 – AuR 2005, 158; Winkler in Gagel SGB III Stand Mai 2005 § 37b Rn. 8, 12; Zieglmeier DB 2004, 1830, 1832; vgl. in diesem Zusammenhang die geplante Änderung des Gesetzeswortlauts BR-Drucks. 320/05; dazu Kreutz AuR 2005, 217) .Außerdem ist in Fällen, in denen befristete Arbeitsverträge jeweils kurzfristig verlängert werden, problematisch, wann und unter welchen Umständen eine sozialrechtliche Meldepflicht des Versicherten besteht, weil dann ggf. das Unterlassen einer Meldung unverschuldet ist (vgl. hierzu SG Duisburg 29. Juni 2004 – S 12 AL 369/03 -; Kreutz AuR 2005, 217) .Das Sozialgericht Frankfurt/Oder hat schließlich (1. April 2004 – S 7 AL 42/04 – AuR 2005, 155; Aktenzeichen BVerfG – 1 BvL 6/04 -) dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Minderung des Arbeitslosengeldes wegen verspäteter Meldung verfassungsgemäß ist. Von der Verfassungsmäßigkeit der Sanktion geht dagegen das Landessozialgericht Baden-Württemberg (3. November 2004 – L 5 AL 3835/04 -; 9. Juni 2004 – L 3 AL 1267/04 – AuR 2005, 158) aus. Das Bundessozialgericht hat mit den Urteilen vom 25. Mai 2005 – B 11a/11 AL 81/04 R – (zur Veröffentlichung vorgesehen) und – B 11a/11 AL 47/04 R – entschieden, dass eine verspätete Meldung nur bei verschuldeter Rechtsunkenntnis zur Minderung des Arbeitslosengeldes führt.

bb) Ob es der Kläger schuldhaft versäumt hat, sich rechtzeitig arbeitsuchend zu melden, kann jedoch dahinstehen, da die Nichtbeachtung der in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III vorgesehenen Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer über eine Meldepflicht zu informieren, jedenfalls nicht zu einem zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers führt.

(1) Im Schrifttum wird teilweise eine Schadensersatzpflicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB im Falle der Nichtbeachtung der Informationspflicht durch den Arbeitgeber angenommen (Anm. Gabke AuR 2005, 160, 161; Brune AR-Blattei SD 1510 Rn. 56, 57; Zieglmeier DB 2004, 1830, 1834 ; Urmersbach SGb 2004, 684, 688; Seel MDR  2005, 241, 246; Gaul/Otto DB  2002, 2486; vgl. auch Düwell FA 2003, 108, 110) .Begründet wird diese Auffassung im Wesentlichen damit, dass die Norm andernfalls einen bloßen Programmsatz beinhalte und ins Leere liefe.

(2) Die Instanzrechtsprechung und der überwiegende Teil des Schrifttums vertreten  jedoch die Auffassung, der Schutzzweck des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III gehe nicht dahin, den ausscheidenden Arbeitnehmer vor den Nachteilen aus§ 140 SGB III zu bewahren. Die auf Grund dieser Vorschrift eintretende Minderung des Arbeitslosengeldes stelle vielmehr eine Sanktion dar, die nur den säumigen Arbeitnehmer treffen solle (LAG Düsseldorf 29. September 2004 – 12 Sa 1323/04 – LAGE SGB III § 2 Nr. 2; LAG Baden-Württemberg 27. Januar 2005 – 11 Sa 110/04 -; LAG Düsseldorf 2. März 2005 – 4 Sa 1919/04 – AR-Blattei ES 1400 Nr. 71; LAG Berlin 29. April 2005 – 13 SHa 724/05 -; ArbG Verden 27. November 2003 – 3 Ca 1567/03 – LAGE SGB III § 2 Nr. 1 = BB 2004, 1632 mit Anm. Heins/Höstermann BB 2004, 1633, 1634, ebenso im Ergebnis zust. Bepler jurisPR-ArbR 35/2004 Anm. 3; Vetter BB 2005, 891; Küttner/Voelzke Personalbuch 2005 Arbeitslosengeld Rn. 72; Bauer/Krets NJW 2003, 537, 541, 542) .

(3) Der Senat schließt sich dieser letztgenannten Auffassung an.

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass es sich bei § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nur um eine Sollvorschrift handelt. Das ist zwar im öffentlichen Recht unschädlich, wenn es um das Handeln der Verwaltung geht. Bezüglich dieser tritt wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung eine Bindungswirkung im Hinblick auf die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ein. Der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde und in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet den Staat und seine Bediensteten ua., bei ihrem Handeln die geschriebenen und ungeschriebenen Rechtsnormen zu beachten (BAG 25. Januar 2005 – 1 AZR 657/03 – NZA 2005, 592, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen ) . Dies kann auch bei der Auslegung von Sollvorschriften zu berücksichtigen sein ( vgl. BSG 6. November 1985 – 10 RKg 3/84 – BSGE 59, 111; BGH 18. Januar 2000 – KVR 23/98 – AP GWB § 20 Nr. 1 = EzA GG Art. 9 Nr. 67; ausführlich Preis NZA 1998, 449, 453) . § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III statuiert aber eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung nicht einer Behörde, sondern eines Bürgers, der im Übrigen keinen weiteren Bindungen unterliegt. Überdies zieht eine Sollvorschrift, die der Gesetzgeber unschwer auch als Mussvorschrift hätte ausgestalten können, in der Regel schwächere Rechtsfolgen als eine Mussvorschrift nach sich (BAG 25. Oktober 1994 – 3 AZR 987/93 – AuR 2001, 146) . Es hängt deshalb von der jeweiligen Sollvorschrift und ihrer Auslegung ab, ob und welche Rechtsfolgen sie auslöst (vgl. LAG Düsseldorf 29. September 2004 – 12 Sa 1323/04 – LAGE SGB III § 2 Nr. 2 mwN) .

Die Auslegung der Norm im Weiteren ergibt, dass die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht den vom Kläger begehrten Schutz seines Vermögens bezweckt und deshalb auch nicht die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bezüglich finanzieller Einbußen des Arbeitnehmers gestaltet und konkretisiert. Eine Begünstigung des einzelnen Arbeitnehmers aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III tritt lediglich als Rechtsreflex ein.

Zwar kann die Verletzung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen grundsätzlich auch zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (Wolf NZA-RR 2004, 337, 338) . Dies gilt aber nur dann, wenn die die Verpflichtung regelnde Norm auch zivilrechtliche Rechtspositionen schützen will. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung für sich genommen führt nicht zu einer Verschiebung des Schutzzwecks der Norm.

Bereits die systematische Stellung und der Normtext sprechen für einen rein sozialrechtlichen Regelungszusammenhang des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III (insoweit zutreffend Hanau ZIP 2003, 1573, 1574; Bauer/Krets NJW 2003, 537, 541, 542; Vetter BB 2005, 891) . § 37b SGB III steht im sozialrechtlichen Sachzusammenhang der „Arbeitsförderung“, die insgesamt im SGB III geregelt ist. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB III steht nicht der individuelle Schutz des Arbeitnehmers im Vordergrund. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB III verdeutlicht, dass durch die Mitwirkung des Arbeitgebers die Vermeidung der Arbeitslosigkeit und der unnötigen Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung bezweckt sind. § 2 SGB III bezweckt eine Verbesserung des Zusammenwirkens von Arbeitgeber, Arbeitnehmer und den Agenturen für Arbeit. Der Arbeitgeber wird zur Mitwirkung veranlasst, um so im Sinne der Solidargemeinschaft den Eintritt des Versicherungsfalls Arbeitslosigkeit möglichst zu vermeiden und die Dauer eingetretener Arbeitslosigkeit möglichst einzugrenzen (Bepler jurisPR-ArbR 35/2004 Anm. 3; Wolf NZA-RR 2004, 337 ff.) . Insoweit geht die Verpflichtung auch über eine lediglich programmatische Zielvorstellung des Gesetzgebers hinaus (ebenso Bepler aaO; Kreutz AuR 2003, 201; aA LAG Düsseldorf 29. September 2004 – 12 Sa 1323/04 – LAGE SGB III § 2 Nr. 2) .

Aus der Verletzung der Mitwirkungspflicht lassen sich aber keine Sanktionen zu Lasten des Arbeitgebers ableiten, denn die Norm ist überhaupt nicht sanktionsbewehrt. § 37b SGB III begründet hinsichtlich der Meldepflicht eine sozialrechtliche Pflicht eindeutig zu Lasten des Arbeitnehmers. Dieser muss die Pflicht eigenverantwortlich erfüllen und sich dabei ggf. Kenntnisse über seine sozialversicherungsrechtlichen Pflichten bzw. Obliegenheiten verschaffen. Durch die Informationspflicht des Arbeitgebers nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III wird diese Pflicht nicht verlagert, sie wirkt im sozialrechtlichen Kontext lediglich unterstützend. Die Informationspflicht ist überdies nicht abgestimmt mit der zu Lasten des Arbeitnehmers nachträglich eingeführten Sanktion des § 140 SGB III. Die Information über „die Verpflichtung unverzüglicher Meldung bei der Agentur für Arbeit“ klärt nämlich den Arbeitnehmer nicht über die Rechtsfolgen der verspäteten Meldung nach § 140 SGB III und nur unzureichend über den Normgehalt des § 37b SGB III auf. Anders als bei § 147a SGB III, der eine Erstattungspflicht vorsieht, wenn ein älterer Arbeitnehmer Arbeitslosengeld in Anspruch nimmt, ist keine Erstattungspflicht des Arbeitgebers vorgesehen, wenn das Unterlassen der Information durch ihn zu einem Nichtverschulden des Arbeitnehmers führt. Aus alldem lässt sich ableiten, dass der Schutzzweck des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht darin besteht, den Arbeitnehmer vor den Nachteilen durch die Minderung des Arbeitslosengeldes zu bewahren, sondern dass die Sanktion nach § 140 SGB III nur den säumigen Arbeitnehmer treffen soll (so zutreffend LAG Düsseldorf 29. September 2004 – 12 Sa 1323/04 – LAGE SGB III § 2 Nr. 2) .

Bestätigt wird der rein arbeitsmarktpolitische Zweck des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III durch die Entstehungsgeschichte der Norm. Das Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt beruht auf den Vorschlägen der sogenannten Hartz-Kommission. Deren Aufgabe war die Untersuchung und Erstellung von Reformvorschlägen, um die Beschäftigungssituation auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt bezweckte generell den raschen und nachhaltigen Abbau der bestehenden Arbeitslosigkeit und die Vermeidung von Arbeitslosigkeit; es sollten neue Beschäftigungsmöglichkeiten erschlossen werden, die Schaffung neuer Arbeitsplätze unterstützt werden, eine durchgreifende Verbesserung der Qualität und Schnelligkeit der Vermittlung herbeigeführt werden und das Vermittlungsangebot der Arbeitsämter (jetzt: Agenturen für Arbeit) neu strukturiert und kundenfreundlicher gestaltet werden. Ein Teilaspekt war die Verbesserung und Beschleunigung der Arbeitsvermittlung. Dabei sollte die Zeit zwischen dem Erhalt der Kündigung bzw. dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Fristablaufs und der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses genutzt werden, um den Arbeitnehmer in eine neue Beschäftigung zu vermitteln (BT-Drucks. 15/25 S. 25; Vetter BB 2005, 891; Hümmerich/Holthausen/Welslau NZA 2003, 7 f.) . Um die Versichertengemeinschaft vor unnötiger Inanspruchnahme der Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu schützen, wurde der pauschale Schadensausgleich in § 140 SGB III geschaffen, der zu einer Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs des Versicherten führt .

2.

Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich auch nicht aus der Verletzung einer Schutznorm gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III.

§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III ist kein Schutzgesetz (ebenso ArbG Verden 27. November 2003 – 3 Ca 1567/03 – LAGE SGB III § 2 Nr. 1 = BB 2004, 1632 mit Anm. Heins/Höstermann BB 2004, 1633, 1634; Bauer/Krets NJW 2003, 537, 542; Seel MDR 2005, 241, 246; Wolf NZA-RR 2004, 337, 340; aA Kreutz AuR 2003, 201, 202) . Ein Gesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB ist jede Rechtsnorm, die ein bestimmtes Gebot oder Verbot ausspricht und nach Zweck und Inhalt jedenfalls auch dem Individualschutz dient. Die Norm muss auf den Schutz vor einer näher bestimmten Art der Schädigung eines Rechtsguts oder eines Individualinteresses gerichtet sein. Dabei ist ausreichend, dass die Gewährung von Individualschutz wenigstens eines der vom Gesetzgeber mit der Norm verfolgten Anliegen ist, selbst wenn auf die Allgemeinheit gerichtete Schutzzwecke ganz im Vordergrund stehen. Auch muss die verletzte Schutznorm gerade dazu dienen, vor Schädigungen der eingetretenen Art zu schützen, der jeweilige Schaden muss also vom Schutzzweck der Norm umfasst sein. Entscheidend ist, ob es nach Maßgabe des Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist, in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden zu knüpfen. In dem Schädigungsvorgang muss sich eine Gefahr verwirklicht haben, die durch das Gesetz gerade abgewendet werden soll. Das setzt voraus, dass die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs in den betreffenden Fällen sinnvoll und im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint, um die Gefahr auszuschließen, dass die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine allgemeine Haftung für Vermögensschäden unterlaufen wird (BAG 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – BAGE 101, 75 = AP NachwG § 2 Nr. 6 = EzA NachwG § 2 Nr. 5 mwN) .

Gemessen an diesen Grundsätzen stellt § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III kein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB dar. Hierfür spricht zunächst, dass weder in § 2 SGB III noch in anderen Vorschriften Sanktionen zu Lasten des Arbeitgebers bei dessen Verstoß gegen die Informationspflicht vorgesehen sind. Aus dem Fehlen von Sanktionen für den Fall eines Verstoßes folgt in der Regel, dass der Schutz vor Schädigungen infolge eines Rechtsverstoßes nicht das vom Gesetzgeber mit der Norm verfolgte Anliegen ist. Wie die Ausführungen unter II 1 b bb (3) der Entscheidungsgründe zeigen, verfolgt das verletzte Gesetz nicht den Zweck, den Arbeitnehmer gegen die Minderung seines Arbeitslosengeldes zu schützen, sondern den Versicherten und die Versichertengemeinschaft vor zu langer Arbeitslosigkeit. Ein Individualrechtsschutz bezüglich des Vermögens des Arbeitnehmers ist durch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht bezweckt, sondern wird allenfalls rechtsreflexartig herbeigeführt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

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