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Holzbrücke mit Unebenheiten – Verkehrssicherungspflicht – Schadensersatz – Hubschraubertransportkosten

Oberlandesgericht Bamberg

AZ.: 5 U 226/01

Urteil vom 14.05.2002

Vorinstanz: LG Coburg, AZ.: 12 O 584/00


In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatzes hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2002 für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Coburg vom 21. November 2001 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 5.112,92 EUR (= 10.000,– DM) sowie weitere 2.054,66 EUR (= 5.974,39 DM) zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, das die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der aufgrund des Unfallereignisses vom 17. Oktober 1999, ca. 12.30 Uhr, auf der Brücke der … entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht kraft Gesetzes auf Dritte übergegangen sind.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits in erstier Instanz haben die Klägerin 52 %, die Beklagte 48 % zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 58 %, die Beklagte 42 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 14.191,77 EUR (- 27.756,6? DM) festgesetzt.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. nicht vorliegen.

Im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EG ZPO wird die Beschwer der Klägerin auf 3.190,64 EUR (= 16.019,50 DM) und die der Beklagten auf 6.001,13 EUR (= 11.737,19 DM) festgesetzt.

Gründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. abgesehen.

In Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Coburg vom 21. November 2001, in Ziffer 2) des Tenors, war die Klage auch insoweit abzuweisen, als die Beklagte verurteilt worden ist, die Klägerin von Ansprüchen der Firma … anlässlich des Hubschraubertransportes vom 17. Oktober 1999 freizustellen.

Dieser Anspruch steht der Klägerin im Rahmen der ansonsten seitens des Senats bejahten Haftung der Beklagten gemäß Art. 34 GG i.V.m. §§ 839, 249 ff. BGB nicht zu.

Gemäß § 249 Satz 2 3GB kann die Klägerin, wegen Verletzung ihrer Person, statt der Herstellung – ihrer Gesundheit – den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.

Die Kosten des Hubschraubertransportes der Klägerin in das Klinikum nach … zählen nicht zu den erforderlichen Kosten der Heilbehandlung der Klägerin, weil, auch im Hinblick auf die vorausgegangenen Hüftoperationen in … eine Behandlung der Klägerin in der Universitätsklinik … nicht medizinisch indiziert war.

In Übereinstimmung mit dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. med. B. S… vom 13. Juli 2001 – dort Seite 16 – ist der Senat der Überzeugung, dass die fachlich korrekte und kompetente Versorgung des Bruches der Klägerin im Umkreis von weniger als 100 km vom Kreiskrankenhaus … entfernt – also entweder im nahe gelegenen … oder in der Universitätsklinik … – erfolgen konnte.

Insoweit wäre ein Transport der Klägerin in einem Krankenwagen zumutbar und somit ein – langer – Hubschrauberflug nicht erforderlich gewesen.

Ein weitergehender Erfolg ist der zulässigen Berufung der Beklagten jedoch zu versagen, weil ein etwaiges Mitverschulden der Klägerin an dem Sturz vom 17. Oktober 1999 auf der Verbindungsbrücke vom Kurhotel zur … hinter dem deutlich überwiegenden Verschulden der Beklagten zurücktritt.

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils, dort insbesondere Seiten 7 und 8, als das Landgericht Coburg überzeugend ausführt, dass die Klägerin – beim Begehen von Einrichtungen der Kuranlage darauf vertrauen durfte, dass ihr dies völlig gefahrlos möglich sein muss.

Überdies sind – wie es die in den Akten befindlichen Lichtbilder belegen – die im Holzbelag der Brücke aufgetretenen Verwerfungen wegen der konkreten Verlegung der Holzlatten – mit regelmäßigen Rillen – nur schwer erkennbar. Demgegenüber kannte die Beklagte den für das Begehen der Brücke gefährlichen, verkehrsunsicheren baulichen Zustand seit längerer Zeit, ohne dass sie die zur Beseitigung dieser Gefahren erforderlichen Maßnahmen durchführte.

Dies erfolgte erst nach dem Unfall der Klägerin.

Ein teilweises Verschrauben der Holzlatten des Brückenbelages mit dessen Untergrund, wie auch 4-wochige Kontrollen der Brücke durch das Bauamt der Beklagten reichen zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten keinesfalls aus.

Vielmehr war es bis zur Beseitigung der baulichen Mängel der Brücke dringlich angezeigt, dass die Beklagte die Brücke zur … entweder für den Verkehr sperrte oder zumindest durch Aufstellen eines Schildes deutlich vor der Sturzgefahr bei Begehen der Brücke warnte.

Angesichts dieser Umstände und der konkreten Verletzungen der Klägerin erscheint auch dem Senat das vom Landgericht Coburg der Klägerin gemäß § 347 Abs. I BGB zuerkannte Schmerzensgeld von 10.000,– DM als angemessen; auf die diesbezüglichen Urteilsgründe, Seiten 9, 10, wird verwiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO, 12, 14, 25 GKG.


LANDGERICHT COBURG

Az.: 12 O 584/00

Urteil vom 21.11.2001


In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatzes hat der Einzelrichter der 1. Zivilkammer des Landgerichts Coburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2001 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin ein Schmerzensgeld von DM 10.000,– sowie weitere DM 5.974,39 zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt die Klägerin von Ansprüchen der Firma … anlässlich des Hubschraubertransportes vom 17.10.1999 gemäß namens und im Auftrage der … durch den … erstellten Rechnung Nr. … freizustellen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden zukünftigen Schaden zu ersetzen, der aufgrund des Unfallereignisses vom 17.10.1999, ca. 12.30 Uhr auf der Brücke der … entstehen wird.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreites haben zu trägen:

die Klägerin: 15 %

die Beklagte: 85 %

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Erbringung einer Sicherheitsleistung in Höhe von DM 43.000,–. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Erbringung von Sicherheitsleistung in Höhe von DM 900,– abfinden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt materiellen und immateriellen Schadenersatz wegen behaupteter Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht.

Die Beklagte ist Trägerin der Straßenbaulast bezüglich einer Holzbrücke im Gemeindebereich der Stadt …. Die Holzbrücke verbindet ein Kurhotel mit der ….

Die Klägerin überquerte am 17.10.1999 gegen 12.30 Uhr gemeinsam mit ihrem Ehemann diese Brücke und kam dabei zu Fall. Aufgrund des Sturzes erlitt die Klägerin einen Bruch des Oberschenkelhalses. Die Klägerin wurde zunächst in das Kreiskrankenhaus … eingeliefert. Noch am gleichen Tag wurde die Klägerin per Hubschrauber in die Universitätsklinik … geflogen. Dort wurde sie am 19.10.1999 operiert.

Die Klägerin trägt vor, dass sie auf der Holzbrücke aufgrund von bis zu 8 cm herausragenden Unebenheiten/Aufwölbungen zu Fall gekommen sei. Der Beklagten als Trägerin der Straßenbaulast sei die Gefahrenstelle auch bekannt gewesen, da sich bereits mehrmals auf der streitgegenständlichen Brücke Unfälle ereignet hätten.

Die Klägerin trägt weiter vor, dass die Behandlung in der Universitätsklinik … medizinisch indiziert gewesen sei. Im Hinblick auf dort vorgenommene Eingriffe bezüglich Hüftendoprothesen sei im Hinblick auf das Verletzungsbild eine Operation nur in der Universitätsklinik … möglich gewesen.

Nach der komplizierten Operation sei ein stationärer Aufenthalt in der Universitätsklinik … bis 26.11.1999 erforderlich gewesen. Daran habe sich ein medizinisch erforderlicher Aufenthalt in der Fachklinik … im Zeitraum bis 16.12.1999 angeschlossen.

Die Klägerin führt aus, dass nicht absehbar sei, welche Folgen das Unfallereignis noch nach sich ziehen werde. Sie hält ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,– DM für angemessen und meint, dass die Beklagte verpflichtet sei sie von den Kosten des Hubschraubertransportes in Höhe von DM 16.019,50 freizustellen. Weiterhin beziffert die Klägerin ihren materiellen Schaden im übrigen auf DM 12.905,46 (Vergleiche Klageschrift vom 23.08.2000 zu 4. Leistungsantrag).

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, nicht unter DM 10.000,00 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Ansprüchen der Firma … anlässlich des Hubschraubertransportes am 17.10.1999 gemäß namens und im Auftrage der … durch den … in Rechnung gestellten Beträge Rechnungs-Nr. … freizustellen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der aufgrund des Unfallereignisses von 17.10.1999, ca. 12.30 Uhr auf der Brücke der … entstehen wird.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von DM 12.905,46 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet den Unfallhergang und führt ergänzend aus, dass der Brückenbelag höchstens 2-3 cm aufgewölbt gewesen sei. Im Hinblick auf die örtliche Situation könne von einer Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht ausgegangen werden, da eine etwaige von der Verkehrsfläche ausgehende Gefahr für den sorgfältigen Benutzer rechtzeitig erkennbar gewesen sei. Im übrigen trägt die Beklagtenpartei vor, dass das geltend gemachte Schmerzensgeld jedenfalls überhöht sei. Der Hubschraubertransport sei darüber hinaus nicht erforderlich gewesen, die Rechnung überhöht.

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Hinsichtlich der sonstigen Schadenspositionen wendet sich die Beklagte insbesondere gegen geltend gemachte Fahrtkosten des Ehemannes der Klägerin, angesetzter Telefonkosten, TV-Miet-, und angefallener Chefarztkosten. Desweiteren trägt die Beklagte vor, dass Kosten für einen angebrachten Wandhandlauf nicht ersetzt werden müssten, da diese aufgrund der vorherigen Hüftoperation der Klägerin angefallen seien. Weiterhin seien geltend gemachte Kosten für eine „Begleitperson Reha“ nicht nachvollziehbar.

Hinsichtlich des übrigen Sachvortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben, durch uneidliche Einvernahme der Zeugen … und … gem. Verfügung vom 26.10.2000 (Blatt 19 der Akte), sowie uneidliche Einvernahme der Zeugen Dr. … gem. Verfügung vom 21.09.2001 (Blatt 60 der Akte). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 31.01.2001 (Blatt 31 ff.), sowie 07.11.2001 (Blatt 61 ff.) Bezug genommen. Weiterhin hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens gem. Beweisbeschluss vom 21.02.2001 (Blatt 45-47 der Akte).

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 13.07.2001 Bezug genommen, welches der Oberarzt-Dr. … im Termin vom 07.11.2001 erläutert hat.

Entscheidungsgründe:

I. Zahlungsansprüche:

Der Klägerin steht gegen die Beklagte gem. Art. 34 GG i.V.m. § 839, 847, 249 ff. BGB Ansprüche wegen Schmerzensgeld und materiellem Schadenersatz in der zuerkannten Höhe zu.

A. Anspruchsgrund:

Der Unfall hat sich auf einer Brücke ereignet, für deren Verkehrssicherheit die beklagte Stadt als Straßenbaulastträgerin nach Amtshaftungsgrundsätzen einstehen muss. Die Beklagte ist den ihr obliegenden Sicherungspflichten nicht gehörig nachgekommen.

1.

Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht bestimmt sich danach, was ein vernünftiger Benutzer an Sicherheit erwarten darf. Ein Gehweg muss sich in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand befinden, der eine möglichst gefahrlose Benutzung zulässt. Daraus folgt zwar nicht, dass die Verkehrsfläche schlechthin gefahrlos und frei von allen Mängeln sein muss. Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen ist allerdings dann geboten, wenn Gefahren bestehen, die auch für einen sorgfältigen Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (Vergleiche BGH Versicherungsrecht 1979, 1055; OLG Oldenburg NJWRR 1986, 903).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahmen, insbesondere im Hinblick auf die vorgelegten Lichtbilder ist erkennbar, dass zum Unfallzeitpunkt eine hohe abstrakte Gefährdung vom baulichen Zustand der Brücke ausgegangen ist.

Insbesondere aus den von dem Zeugen … im Termin vom 31.01.2001 übergebenen Lichtbildern ist erkennbar, dass erhebliche Aufwölbungen gegeben gewesen sind. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob Aufwölbungen an der konkreten Sturzstelle 8 cm oder lediglich 2-3 cm hoch gewesen sind. Unabhängig von der konkreten Höhe der Aufwölbung/Unebenheit ist im Hinblick auf die Art und Beschaffenheit der Holzbrücke von einem Gefahrenzustand auszugehen, der nicht mehr hinzunehmen ist. Dies ergibt sich insbesondere auch daraus, dass die Beklagte aufgrund der Örtlichkeiten der Brücke davon ausgehen musste, dass diese auch von älteren und möglicherweise sogar bewegungseingeschränkten Personen benutzt werden könnte.

Dies ergibt sich zwanglos daraus, dass es sich bei der Brücke um einen der Zugänge zur …, einer Kureinrichtung, handelt.

2.

Der verkehrsunsichere Zustand der Holzbrücke hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch den Sturz der Klägerin verursacht. Dies ergibt sich zum einen bereits aus den glaubhaften Aussagen des Zeugen …. Das Gericht hat den Zeugen besonders eingehend und sorgfältig vernommen. Aufgrund der anschaulichen Schilderungen des Zeugen zum Hergang des Sturzes und des Zustandes der Brücke besteht für das Gericht kein Zweifel, dass die Klägerin über eine Aufwölbung/Verwerfung gestolpert bzw. dadurch zu Fall geraten ist.

Darüber hinaus decken sich die Angaben des Zeugen auch mit denen von der Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung geschilderten Vorfallshergang. In der Zusammenschau der Angaben der Klägerin sowie den Schilderungen des Zeugen ist das Gericht von dem Sachvortrag der Klagepartei zur Ursache des Sturzes überzeugt.

3.

Die Beklagte hat es auch schuldhaft unterlassen, die Gefahrenstelle zu beseitigen und einen verkehrssicheren Zustand herzustellen.

Dies ergibt sich bereits aus den Angaben des Zeugen …, Mitarbeiter der Beklagten. Dieser hat dargelegt, dass die Beklagte bereits vor dem Vorfallszeitpunkt gegenüber der Herstellerfirma Mängelrügen bezüglich des baulichen Zustandes der Brücke erhoben hatte. Somit waren der Beklagten offenkundig der bauliche Zustand – nämlich auftretende Verwerfungen – positiv bekannt. Nicht ausreichend war es in diesem Zusammenhang lediglich Kontrollen durchzuführen und Holzbohlen wieder festzuschrauben. Aus dem von dem Zeugen … vorgelegten Lichtbildern ergibt sich, dass diese „Mängelbeseitigungsarbeiten“ nicht zu einer Beseitigung der Gefahrenstelle geführt haben.

B. Anspruchshöhe:

1. Schmerzensgeld:

Die Klägerin kann von der Beklagten Schmerzensgeld in Höhe von DM 10.000,– erlangen.

Das Schmerzensgeld ist im wesentlichen auf Schadensausgleich gerichtet. Im einzelnen sind bei der Bemessung vor allem die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung, nämlich Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen zu berücksichtigen. Bei Beachtung dieser Überlegungen hält das Gericht das zuerkannte Schmerzensgeld für billig und angemessen.

a) Die Klägerin erlitt bei dem Unfall einen Knochenbruch im Bereich einer liegenden Endoprothese am linken Oberschenkel. Ausweislich der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung (Anlage K 38) befand sie sich vom 17.10.1999 bis 25.11.1999 in stationärer Behandlung. Dem schloss sich eine Rehabilitationsmaßnahme in der Fachklinik bis 16.12.1999 an (Anlage K 39).

Bei der Klägerin sind auch nach den Feststellungen des Sachverständigen deutliche Restbeschwerden geblieben. Es besteht eine Unsicherheit beim Gehen bei erheblicher muskulärer Insuffizienz. Die Klägerin ist gezwungen weiterhin zwei Unterarmgehstützen zu benützen. Darüber hinaus ist eine Metallentfernung am linken Oberschenkel durch eine operative Maßnahme noch erforderlich.

Diese Verletzungsfolgen sind in ihrer Gesamtschau geeignet das begehrte Schmerzensgeld zu rechtfertigen. Das Gericht orientiert sich dabei unter anderem an den Entscheidungen Nr. 841, 826, 859 aus „Schmerzensgeldbeträge“ Hacks, Ring, Böhm, 17. Auflage.

2. Befreiungsanspruch:

Die Klägerin kann von der Beklagten Befreiung von der Verbindlichkeit bezüglich der Kosten des Hubschraubertransportes gem. §§ 839, 249 ff, 257 BGB verlangen.

Der Verletzte hat grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der tatsächlich entstandenen, angemessenen Kosten aller erforderlichen Heilbehandlungsmaßnahmen. Zu den Heilbehandlungskosten zählen dabei auch die notwendigen Fahrtkosten/Transportkosten zur medizinischen Behandlung (vgl. Wussow/Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 6, Auflage, Randziffer 161, 162 zu III. Heilbehandlungskosten).

Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass der Geschädigte wegen des schädigenden Ereignisses die Aufwendungen ersetzt verlangen kann, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann die Klägerin die geltend gemachte Befreiung verlangen.

Zwar hat der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass grundsätzlich eine Behandlung in der Universitätsklinik Tübingen – trotz der dort vorgenommenen Voroperationen (Hüftoperationen) – medizinisch nicht indiziert gewesen sei. Ein operativer Eingriff hätte auch in einer Klinik, die über eine entsprechende Erfahrung in der Hüftendprothetik verfügt, vorgenommen werden können.

Aus Sicht der Klägerin war diese Frage der medizinischen Indikation jedoch zum Zeitpunkt der Entscheidung eine Behandlung in der Universitätsklinik Tübingen vornehmen zu lassen nicht in diesem Sinne zu beantworten.

Insbesondere hat die Zeugin Dr. … überzeugend dargelegt, dass sie fernmündlich mit der zuständigen Ärztin im Kreiskrankenhaus … die Problematik erörtert hat und letztendlich die Empfehlung ausgesprochen hat einen Transport nach … vornehmen zu lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zeugin – auch – die Hausärztin der Klägerin ist und dass sie als Hausärztin entsprechende Rücksprache vor dem Transport ihrer Mutter nach Tübingen mit der dortigen Universitätsklinik vorgenommen hat.

Unter Berücksichtigung dieser von ihrer Hausärztin ausgesprochenen Empfehlungen durfte die Klägerin den Transport nach Tübingen per Hubschrauber für erforderlich halten und entsprechend veranlassen.

Soweit die Beklagtenpartei die Angemessenheit der geltend gemachten Kosten bestreitet, ist dies unerheblich. Ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen war der Klägerin bei dem gegebenen Verletzungsbild ein Transport per Krankenwagen nach nicht zumutbar. Eine Überprüfung der Kosten war der Klägerin auch vor dem Transport per Hubschrauber nicht zuzumuten. In der konkreten Verletzungssituation konnte sie selbstverständlich keine Preisvergleiche oder Preisermittlungen vornehmen.

3. sonstiger materieller Schadenersatz:

3.1. Fahrt/Übernachtungskosten des Ehemanns der Klägerin:

Grundsätzlich sind die Kosten für die Besuche naher Angehöriger im Krankenhaus zu ersetzen soweit sie sich in einem angemessenen Rahmen halten und nach ärztlicher Auffassung für die Heilung zweckmäßig sind, wobei die Möglichkeit einer positiven Auswirkung auf den Heilungsprozess genügt (Wussow „a. a. 0.“, Randziffer 66 zu III. Heilbehandlungskosten).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die geltend gemachten Fahrt- und Übernachtungskosten nicht zu beanstanden. Es handelt sich hier offenkundig um Kosten des Ehemanns der Klägerin, die Zahl der Besuche ist auch nicht überzogen. Weiterhin hat der Sachverständige dargelegt, dass Besuche von nahen Angehörigen – selbstverständlich – eine positive Auswirkung auf den Patienten haben können. Weiterhin hat die Zeugin Dr. … überzeugend den angegriffenen psychischen Zustand ihrer Mutter geschildert. Sie hat dargelegt, dass sie Besuche durch den Ehemann der Klägerin auch aus ärztlicher Sicht für zweckmäßig gehalten habe.

Die geltend gemachten Fahrt- und Übernachtungskosten können somit dem Grunde nach geltend gemacht werden.

Allerdings sind lediglich 453 km – wie von der Beklagtenpartei dargelegt – als einfache Fahrtstrecke in Ansatz zu bringen. Darüber hinaus schätzt das Gericht die Kosten auf 0,40 DM/km. Es gilt somit folgendes:

a) Übernachtung 17./18.10.1999 Lichtenfels (Anlage K 7)

Übernachtungskosten: 79,00 DM

b) Übernachtung 18.-20.10.1999 (Anlage K 8)

Übernachtungskosten: 194,50 DM

c) Übernachtung 20./21.11.1999 (Anlage K 9)

Übernachtungskosten: 105,00 DM

Fahrtkosten: 362,40 DM (906 km a 0,40 DM)

d) Übernachtung 13./14.11.1999 (Anlage K 10)

Übernachtungskosten: 105,00 DM

Fahrtkosten: 362,40 DM

e) Übernachtung 06./07.11.1999 (Anlage K 11)

Übernachtungskosten: 105,00 DM

Fahrtkosten: 362,40 DM

f) Übernachtung 30.10./01.11.1999 (Anlage K 12)

Ausweislich der vorgelegten Rechnung sind Übernachtungskosten für zwei Personen angefallen. Es können jedoch lediglich die Übernachtungskosten bezüglich des Ehemanns der Klägerin geltend gemacht werden.

Übernachtungskosten: 105,00 DM

Fahrtkosten: 362,40 DM

g) Übernachtung 23./24.10.1999 (Anlage K 13)

Übernachtungskosten: 105,00 DM

Fahrtkosten: 362,40 DM

h) Nachuntersuchungen 24./25.01./04.05./05.05.2000 (Anlagen K 14 bis K 16):

Insoweit ist der Sachvortrag der Klagepartei unsubstantiiert. Den Anlagen kann auch eine Berechtigung zur Geltendmachung der Kosten nicht entnommen werden. Sollte es sich hier um Kosten des Ehemanns der Klägerin handeln, kann nicht nachvollzogen werden wieso eine Begleitung zu Nachuntersuchungen medizinisch erforderlich gewesen sein sollte.

3.2. Telefonkosten Rehaklinik (Anlage K 17):

Während eines Krankenhausaufenthaltes sind grundsätzlich Telefonkosten zu erstatten (Vgl. OLG Koblenz R+S 89, 15). Gleiches muss für einen Aufenthalt während einer Rehabilitationsmaßnahme gelten.

Telefonkosten: 203,20 DM

3.3. Miete TV (Anlage K 18):

Während, des Krankenhausaufenthaltes sind TV-Leihgebühren zu erstatten (Vgl. Becker/Böhme Kraftverkehrshaftpflichtschäden, Handbuch für die Praxis, 21. Auflage, Randziffer 98 D III.)

TV-Kosten: 60,00 DM

3.4. Arztkosten:

Grundsätzlich ist ein Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht gehalten diese in Anspruch zu nehmen. Privatärztliche Behandlung ist aber dann zu ersetzen, wenn der Geschädigte diese Kosten auch ohne Regressmöglichkeit aufgewandt hätte (Vgl. Becker/Böhme „a. a. 0.“ Randziffer D 96).

Im streitgegenständlichen Fall hat die Klägerin dargelegt, dass die Operation aus dem Jahr 1997 (Hüftendoprothese) von einem Chefarzt durchgeführt worden ist. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin auch im streitgegenständlichen Fall – unabhängig von der Schadenersatzpflicht der Beklagten – diese Kosten aufgewandt hätte.

Die Klägerin kann somit geltend machen:

2.103,03 DM (Anlage K 19)

60,96 DM (Anlage K 20)

3.5. Telefonkosten Klinik (Anlage K 21)

Es kann auf obige Ausführungen verwiesen werden.

Telefonkosten: 127,40 DM

3.6. Zuzahlung (Anlage K 22):

Die Klägerin kann insoweit als

Heilbehandlungskosten 196,00 DM

geltend machen.

3.7. Apothekenrechnung (Anlage K 23):

Der Sachvortrag der Klagepartei insoweit ist unsubstantiiert

3.8. Bettpfanne (Anlage K 24): 24,90 DM

3.9. Wandlauf (Anlage K 25):

Die insoweit angefallenen Kosten sind als unfallbedingt einzuordnen. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen, der dargelegt hat, dass sich keine Hinweise darauf ergeben haben, dass der streitgegenständliche Wandlauf nicht aufgrund unfallbedingter Bewegungseinschränkungen erforderlich gewesen wäre. Die Anbringung eines derartigen Wandlaufes sei jedenfalls bei der Klägerin im Hinblick auf die gegebenen Gehunsicherheiten indiziert, um Sicherheit beim Treppensteigen zu gewähr1eisten.

429,20 DM

3.10. Entgangene „Lebensfreude“ wegen stoniertem Urlaub:

Es handelt sich insoweit um einen nicht ersatzfähigen immateriellen Vermögensschaden (Vgl. BGH Versicherungsrecht 83, 392).

3.11. Röntgenbilder:

Es handelt sich um eine adäquate Schadensfolge. Die Beklagte hat entsprechende Kosten zu ersetzen.

39,00 DM (Anlage K 26/K 27)

3.12. Begleitperson Reha:

Unter Berücksichtigung oben genannter Grundsätze kann nicht von einer Ersatzfähigkeit ausgegangen werden. Ausweislich der Ausführung des Sachverständigen ist davon auszugehen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Rehabilitationsmaßnahme rehabilitationsfähig gewesen ist. Eine Begleitperson ist somit aus medizinischen Gründen nicht erforderlich gewesen. Im übrigen wäre es hier nicht erforderlich gewesen, die Rehamaßnahme nicht heimatnah durchzuführen.

3.13. Personenbeförderung:

Ausweislich der vorgelegten Anlage (K 31) handelt es sich um die Fahrt von der Universitätsklinik … in die Rehaeinrichtung. Kosten insoweit sind als Transportkosten grundsätzlich erstattungsfähig.

120,20 DM

Gesamtsumme 3.1. – 3.13. 5.974,39 DM.

II. Feststellungsantrag:

Die begehrte Feststellung ist zulässig und begründet.

Ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen kann bei der Klägerin jedenfalls eine Prothesenlockerung aufgrund des Vorfalles nicht ausgeschlossen werden. Bei der Klägerin verbleibt auch jedenfalls eine muskuläre Insuffizienz als Dauerfolge.

Im Hinblick darauf kann aus vernünftiger Sicht nicht ausgeschlossen werden, dass weitere materielle oder immaterielle Schäden anfallen.

III.:

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§, 92, 709 Satz 1 ZPO.

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