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Hundegebell – Wann ist es Unzumutbar?

VG Frankfurt (Oder)

Az: 5 L 130/10

Beschluss vom 16.11.2010


1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Antragsgegners, mit dem ihr unter Anordnung des Sofortvollzugs die Haltung von Hunden auf ihrem Grundstück untersagt wurde.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Wohngrundstücks in………., belegen im Landkreis ….. Auf dem Grundstück der Antragstellerin werden seit Jahren ständig Hunde gehalten, die mindestens seit 2004 Anlass zu Beschwerden der Nachbarn gaben. Die Nachbarschaft beschwerte sich unter anderem über das Bellen der Tiere zur Tages – und Nachtzeit, wobei neben der Lautstärke vor allem Stetigkeit und dauerndes Hundegebell als unzumutbar bezeichnet wurden. Hierauf untersagte der Antragsgegner mit Anordnung vom 2. November 2005 aus immissionsschutzrechtlichen Gründen der Antragstellerin die Haltung von mehr als 2 Hunden auf dem Grundstück …….. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 15. November 2005 gegen die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung des Antragsgegners wiederherzustellen bzw. anzuordnen, blieb erfolglos (Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder), Beschluss vom 30. Dezember 2005, Az.: 7 L 444/05). Auf dem Grundstück der Antragstellerin befanden sich zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich 16 Hunde, wovon der Antragstellerin lediglich 3 Hunde gehört haben sollen.

Mit Verfügung vom 16. Januar 2006 setzte der Antragsgegner das in der Anordnung zur Untersagung der Hundehaltung vom 2. November 2005 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 3000 € fest und drohte der Antragstellerin ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 4500 € an, wenn sie der oben genannten Anordnung nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung nachweislich nachkomme. Diese Verfügung wurde bestandskräftig (Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2006). In der Folgezeit bemühte sich die Antragstellerin, den Bestand an den von ihr gehaltenen Hunden durch Abgabe an Privatpersonen bzw. Tierheime zu reduzieren. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2006 wies der Antragsgegner zudem den Widerspruch vom 15. November 2005 gegen die Ordnungsverfügung vom 2. November 2005 zurück. Auch die Ordnungsverfügung wurde in der Fassung des Widerspruchsbescheides bestandskräftig.

Unter dem 14. März 2006 versicherte die Antragstellerin eidesstattlich, dass sie die Anordnung vom 2. November 2005 erfüllt habe und sich auf ihrem Grundstück nur noch die Hunde mit den Namen Arthur und Nero befinden würden. Zugleich erklärte sie, dass sie die Hunde ihrer Tochter oder andere Hunde nicht mehr aufnehmen werde. Unter dem 4. April 2006 teilte der Antragsgegner dem Ordnungsamt des Landkreises ……… mit, dass nach Androhung der Ersatzvornahme die Anordnung am letzten Tag der Frist erfüllt worden sei. Eine Vorortbegehung am 2. Mai 2007 ergab zufolge eines Schriftsatzes des Antragsgegners an den damaligen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin hingegen, dass sich zwischenzeitlich wieder mehr als 2 Hunde auf dem Grundstück aufhielten und erneut Beschwerden zu Lärmbelästigungen durch diese Hunde vorlagen.

Am 19. März 2009 führte der Antragsgegner auf dem Grundstück der Antragstellerin „aufgrund massiver Beschwerden über Lärmbelästigung durch Hundegebell“ eine Vorortbegehung durch, wobei auf dem Hof 3 frei laufende Hunde und 2 Hunde in einem Zwinger festgestellt wurden. Nach weiteren Vorortbegehungen am 18. Juni 2009 und 19. August 2009 untersagte der Antragsgegner der Tochter der Antragstellerin, Frau ….., mit Verfügung vom 7. September 2009 die Haltung jeglicher Hunde auf Dauer auf dem Grundstück der Antragstellerin. Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) entsprach mit Beschluss vom 15. Dezember 2009 (Az. 1 L 308/09) dem Antrag der Frau …., die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 8. Oktober 2009 wiederherzustellen, da die dortige Antragstellerin nicht die richtige Adressatin für die Ordnungsverfügung sei; sie sei zu Unrecht vom Antragsgegner in Anspruch genommen worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2010 gab der Antragsgegner dem Widerspruch der Frau …. gegen die Untersagung der Hundehaltung statt.

Nach Anhörung der Antragstellerin erließ der Antragsgegner unter dem 12. April 2010 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die streitgegenständliche Verfügung, mit der der Antragstellerin unter Androhung eines Zwangsgeldes die Haltung jeglicher Hunde auf Dauer auf ihrem Grundstück untersagt wurde (Nr. 1). Des Weiteren sollten alle auf diesem Grundstück befindlichen Hunde nachweislich bis zum 30. April 2010 an einen Dritten abgegeben werden (Nr. 2). Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, die Antragstellerin dürfe aufgrund der Anordnung vom 2. November 2005 aus Lärmschutzgründen auf ihrem Grundstück lediglich 2 Hunde halten. Es lägen vermehrt Informationen von Anwohnern vor, wonach im Haus regelmäßig Hunde gehalten würden, die jeweils in Gruppen auf den Hof gelassen würden. Außerdem seien im August und September 2009 Bellprotokolle geführt worden, aus denen sich ergebe, dass nicht nur die unmittelbare Nachbarschaft von der Lärmbelästigung beeinträchtigt werde. Es sei ein Verstoß gegen die Anordnung vom 5. November 2005 festzustellen; daher werde der Antragstellerin die Haltung von Hunden jeglicher Art auf Dauer auf dem Grundstück …. untersagt. In die Entscheidung habe er den Ablauf des bisherigen Verfahrens, die regelmäßigen Beschwerden von Anwohnern und die Erwiderungen der Antragstellerin einbezogen. Entscheidend sei, dass sich seit Oktober 2008 die Beschwerden und Hinweise mehren würden, dass durch das Halten von mehreren Hunden im Wohnhaus eine erhebliche Lärmbelästigung zu verzeichnen sei.

Die Antragstellerin hat am 30. April 2010 Widerspruch gegen die Verfügung vom 12. April 2010 erhoben und am 3. Mai 2010 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Im Wesentlichen trägt sie vor: Sie halte die angegriffene Verfügung für offenkundig rechtswidrig. Diese sei insbesondere unverhältnismäßig, da willkürlich, selbst wenn eine immissionsschutzrechtliche Pflichtverletzung vorliegen würde, da dem Antragsgegner einfachere und angemessenere Mittel zur Beseitigung der von ihm behaupteten Störung der öffentlichen Sicherheit zur Verfügung gestanden hätten. Ordnungsrechtliche Maßnahmen, die zu einer Lärmminimierung führen könnten, ohne zugleich die Hundehaltung zu verbieten, seien vom Antragsgegner noch nicht einmal erwogen worden. Mithin sei auch die Verpflichtung der Antragstellerin, die Hunde an einen Dritten abzugeben, unverhältnismäßig. Die Antragstellerin halte auf ihrem Grundstück lediglich 2 Hunde; soweit sich auf dem Grundstück der Antragstellerin weitere Hunde aufhalten würden, handele es sich im wesentlichen um die (beiden) Hunde der Tochter der Antragstellerin, die sie lediglich vorübergehend besuchsweise auf das Grundstück der Antragstellerin mitbringe. Die Hunde der Antragstellerin würden im übrigen als sehr wesensfest und ruhig gelten; eine mehr als nur geringfügige Belästigung durch die Hunde der Antragstellerin habe der Antragsgegner weder festgestellt noch dokumentiert. Eigene örtliche Feststellungen zu angeblichen Lärmbelästigungen würden nicht existieren.

Der Antragsgegner habe auch kein konkretes besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung aufgezeigt.

Die Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen Nr. 1 und 2 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 12. April 2010 wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

Er erwidert auf das Vorbringen der Antragstellerin im Wesentlichen: Der Antragsgegner sei eingeschritten, da sich viele Anwohner durch die regelmäßigen Lärmbelästigungen gestört fühlen würden. Gerade in den Nacht – und Abendstunden sei eine erhebliche Lärmbelästigung zu verzeichnen. Zum Nachweis dieser Lärmbelästigung lägen aussagekräftige Bellprotokolle vor, die über einen längeren Zeitraum geführt worden seien. Diese Bellprotokolle seien tatsächlich von den Nachbarn, der Familie …., erstellt worden. Bei der Würdigung der einzelnen Lärmereignisse habe man ihre Eigenart wie Dauer, Häufigkeit und Tageszeit herangezogen. Dies und insbesondere die Schutzwürdigkeit der Nachtruhe hätten hier einen Eingriff im Einzelfall notwendig gemacht. Ein geringeres Mittel als die Untersagung der Hundehaltung auf dem Grundstück sei nicht ersichtlich. So hätten Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern in Höhe von bis zu 4500 € im vorangegangenen Verfahren gezeigt, dass die Antragstellerin nicht willens sei, die Hunde, die nicht in ihrem Eigentum gestanden haben sollen, freiwillig vom Grundstück zu entfernen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den Vortrag der Beteiligten sowie den vom Antragsgegner eingereichten Verwaltungsvorgang (1 Ordner) verwiesen.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, weil die Antragstellerin trotz ausdrücklicher Ankündigung ihres Prozessbevollmächtigten bis zur Beschlussfassung der Kammer nicht nachgewiesen hat, dass sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Sie hat weder Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen noch diese glaubhaft gemacht (vgl. auch OVG Bautzen, Beschluss vom 14. Dezember 2009 – 1 D 171/09 zitiert nach juris Rdnr. 3). im Übrigen hat die Sache – wie nachfolgend ausgeführt wird – keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung – ZPO -).

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

18Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen für sofort vollziehbar erklärten bzw. kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsakt ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Inhaltlicher Maßstab der hier gemäß § 80a Abs. 2 und 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden gerichtlichen Entscheidung im Eilverfahren ist eine umfassende Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse der Antragstellerin einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Diese Abwägung hat der Gesetzgeber zunächst dahin vorgenommen, dass Widerspruch und Klage im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG) grundsätzlich aufschiebende Wirkung entfalten (§ 80 Abs. 1 VwGO), diese aber entfällt, wenn die Behörde – wie hier – die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO gesondert angeordnet hat. Das Gericht prüft mithin im Falle einer solchen Anordnung, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse der Antragstellerin, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens von einer Vollziehung des Verwaltungsakts verschont zu bleiben. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes Bedeutung; allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als bei Gewichtung des Sofortvollzugsinteresses in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte (so die ständige Rspr. des OVG Berlin-Brandenburg, vgl. z. B. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. September 2006 – OVG 11 S 57.06 – NVwZ 2007, 848 f. zitiert nach juris Rdnr. 2).

Denn selbst dann, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist, vermag dies in den Fällen eines behördlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die Dringlichkeit seines – vorzeitigen – Vollzugs allein nicht zu begründen. Erforderlich ist vielmehr das Vorliegen eines besonderen Vollzugsinteresses, das über jenes Interesse hinausgehen muss, das den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigt.

Auf Grund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass die angegriffenen Anordnungen Nummern 1 und 2 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig sind, darüber hinaus ein besonderes öffentliches Interesse im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für die unter Nummer 4 der Ordnungsverfügung angeordnete sofortige Vollziehung besteht und die Begründung der Vollziehungsanordnung den (formalen) Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entspricht, indem sie einzelfallbezogen auf nicht mehr hinnehmbare Lärmbelästigungen für die Anwohner im Zusammenhang mit der Hundehaltung verweist.

Rechtsgrundlage für die Untersagung des Haltens „jeglicher Hunde auf Dauer“ auf dem Grundstück …. in …. (vgl. Nummer 1 der streitgegenständlichen Verfügung), sowie für das Gebot, die auf dem Grundstück befindlichen Hunde bis zum 30. April 2010 an Dritte abzugeben (vgl. Nummer 2 der Verfügung), ist § 15 Satz 1 des Landesimmissionsschutzgesetzes (LImSchG). Danach kann die zuständige Behörde im Einzelfall die Beseitigung von Zuständen anordnen, die unter anderem den Vorschriften des Landesimmissionsschutzgesetzes und damit insbesondere der Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 LImSchG widersprechen. Dieser Vorschrift zufolge sind Tiere so zu halten, dass niemand durch die Immissionen, die durch sie hervorgerufen werden, mehr als nur geringfügig belästigt wird. Lautes Hundegebell ist eine (Geräusch-)Immission im Sinne diese Vorschrift, da es sich um „Lärm“ handelt und auf einen normal lärmempfindlichen Menschen belästigend wirkt. Belästigungen sind Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens, die noch keine Gesundheitsschäden bewirken. Lautes Hundegebell ist bereits aufgrund seiner Eigenart als ungleichmäßiges, lautes Geräusch dazu geeignet, das körperliche und seelische Wohlbefinden eines verständigen Durchschnittsmenschen zu beeinträchtigen. Belästigungen sind erheblich, also nicht mehr geringfügig, wenn sie das übliche und zumutbare Maß übersteigen; dies richtet sich nach Stärke, Häufigkeit und Dauer des Lärms sowie nach dem konkreten Zeitpunkt der Lärmimmission sowie deren Ortsüblichkeit. Nach der Rechtsprechung sowohl der Zivil- als auch der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der sich die Kammer anschließt, ist es bei Geräuschbelästigungen, die von einer Tierhaltung ausgehen, für die Annahme einer „erheblichen“ Belästigung nicht erforderlich, dass diese die Immissionsrichtwerte überschreiten, die für die Bestimmung der Erheblichkeit von Geräuscheinwirkungen durch Anlagen in Regelwerken wie z.B. der TA-Lärm festgelegt sind; dies gilt insbesondere bei Störungen der Nachtruhe (vgl. m. w. N. VG München, Urteil vom 06. Oktober 2009 – M 22 K 08.6241 – zitiert nach juris Rdnr. 21).

Dementsprechend kann die Haltung von Hunden auf einem Grundstück auf eine bestimmte Anzahl von Tieren beschränkt oder sogar gänzlich untersagt werden, wenn entgegen § 3 Abs. 2 Satz 1 LImSchG Immissionen, hier durch Hundegebell, hervorgerufen werden, die andere mehr als nur geringfügig belästigen. Mehr als nur eine geringfügige Belästigung stellt für Anwohner eines allgemeinen Wohngebietes das wiederholte Bellen einer Vielzahl von Hunden über einen nicht nur unerheblichen Zeitraum während eines Tages dar, wenn die Haltung von Hunden für das betreffende Gebiet nicht typisch ist. Denn die Lärmemissionen, die vom Gebell einer Vielzahl von Hunden ausgehen, übersteigen nach ihrer Intensität, Häufigkeit und Dauer das Gebell von einem bzw. zwei Hunden, weil Hunde Rudeltiere sind und es in der Regel nicht beim Gebell eines einzelnen Hundes bleibt, wenn nur ein einziges Tier zu bellen beginnt (VG Frankfurt (Oder) Beschluss vom 30. Dezember 2005 – 7 L 444/05, Seite 3 des Beschlussabdrucks). Allerdings gehört die Haltung von Hunden in einem üblichen Rahmen grundsätzlich zu einer wohngebietstypischen Freizeitnutzung; gelegentliches Hundegebell einzelner Hunde haben Anwohner hinzunehmen, soweit die Geringfügigkeitsschwelle nicht überschritten wird (vgl. die Ausführungen in VG Frankfurt (Oder) a.a.O.). Anders verhält es sich, wenn mehrere Hunde auf einem Wohngrundstück gehalten werden und diese regelmäßig z. B. zur Nachtzeit bellen, aber auch dann, wenn sich die Hundehaltung innerhalb einer wohngebietstypischen Freizeitnutzung hält, die von den Hunden bzw. dem Hund ausgehende Lärmbelästigung jedoch nicht mehr nur geringfügig belästigend wirkt. So verhält es sich hier. Nach der bestandskräftigen Anordnung des Antragsgegners vom 02. November 2005 wurde das Halten von mehr als zwei Hunden auf dem Grundstück der Antragstellerin untersagt. Am 19. März 2009 führte der Antragsgegner auf dem Grundstück der Antragstellerin „aufgrund massiver Beschwerden über Lärmbelästigung durch Hundegebell „eine Vorortbegehung durch, wobei auf dem Hof 3 frei laufende Hunde und 2 Hunde in einem Zwinger festgestellt wurden. Diesen Feststellungen des Antragsgegners ist die Antragstellerin nur insoweit entgegengetreten, als es sich bei den Hunden außerhalb des Zwingers um „Besuchshunde“ (der Tochter) gehandelt haben soll, die angeblich nicht ständig auf dem Grundstück der Antragstellerin gehalten werden. Die Ordnungsbehörde kann in einem solchen Fall nach Ermessen zum einen die Haltung einer solchen Anzahl von Hunden, die über eine wohngebietstypische Nutzung hinausgeht, unterbinden, wenn Anwohner durch das Gebell einer Vielzahl von Hunden nicht nur unerheblich gestört werden. Das Interesse des Hundehalters tritt gegenüber dem gesetzlich geschützten Bedürfnis der Anwohner auf Wohn- und Nachtruhe zurück. Dem trägt grundsätzlich bereits die o.g. bestandskräftige Anordnung vom 02. November 2005 Rechnung. Zur Überzeugung der Kammer kann das Interesse des Hundehalters gegenüber dem gesetzlich geschützten Bedürfnis der Anwohner auf Wohnruhe aber auch soweit zurücktreten, dass selbst die Haltung einer Anzahl von Hunden, die einer wohngebietstypischen Nutzung entspricht, ermessensfehlerfrei gänzlich untersagt werden darf.

Unstreitig hält die Antragstellerin auf ihrem Grundstück mindestens zwei Hunde, deren Gebell die Anwohner in der Nachbarschaft mehr als nur geringfügig belästigt. Es spricht weiter vieles dafür, dass sich darüber hinaus noch weitere Hunde auf dem Grundstück der Antragstellerin aufhalten; so wurden – augenscheinlich durch die Nachbarin Fr. …. – 10 Hunde auf dem Grundstück der Antragstellerin festgestellt (Bl. 308 VV). Aktenkundig sind vom Grundstück der Antragstellerin ausgehende Lärmbelästigungen durch Hundegebell wie folgt:

Datum 21./22.05.2007

Immissionsdauer 21.30-0.30

Geräuschart Intensives, lang anhaltendes Bellen

………………………

Es spricht angesichts der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Beschwerden und Feststellungen nicht nur von der Nachbarin Fr. …. in der …., sondern weiterer Bewohner aus der nächsten Nachbarschaft vieles dafür, dass die Feststellungen des Antragsgegners zu dem Hundegebell auf dem Grundstück der Antragstellerin für den Zeitraum ab 2007 zutreffend sind, wonach die Hunde auf dem Grundstück der Antragstellerin häufig über mehrere Stunden täglich und zur Nachtzeit mit einer hohen Lärmintensität bellen (s. tabellarische Aufstellung). Die Kammer bemerkt hierzu, dass zum Beweis der Lärmstörungen durch Hundegebell Aufzeichnungen des belästigten Nachbarn als Beweismittel ausreichend sind (genauso VG Stade, Urteil vom 03. August 1989 – 1 A 188/88 – zitiert nach juris). Danach geht die Kammer davon aus, dass die Hunde auf dem Grundstück der Antragstellerin täglich stundenlang bellen. Die Kammer brauchte hierzu keinen Augenschein von der Örtlichkeit einzunehmen. Sie konnte sich aufgrund der Vielzahl der wiederholten Nachbarbeschwerden, der Aufzeichnungen der beklagten Behörde jedenfalls bei summarischer Prüfung eine Überzeugung dazu bilden, ob das Bellen der Hunde der Antragstellerin in einem allgemeinen Wohngebiet die Wohn- und Nachtruhe stört (zur gerichtlichen Sachaufklärungspflicht bei Hundegebell BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1991 – 7 B 165/91, NVwZ 1993, 268). Diese Belästigungen sind auch erheblich, also nicht mehr geringfügig, da sie das übliche und zumutbare Maß übersteigen; nach Stärke, Häufigkeit und Dauer des Lärms sowie nach den konkreten Zeitpunkten der Lärmimmissionen kann nicht mehr von einer Ortsüblichkeit ausgegangen werden. Die Erheblichkeit der Lärmstörung durch Hundegebell entfällt dabei nicht deshalb, weil sich – so wie hier – im Wesentlichen und hauptsächlich besonders eine Nachbarin bei der Behörde über die Lärmstörungen beklagt hat (vgl. VG Stade a.a.O.).

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Die vom Antragsgegner angestellten Ermessenserwägungen sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Ein Ermessensausfall liegt nicht vor. Um eine gerichtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung vornehmen zu können, muss diese grundsätzlich im Verwaltungsverfahren, spätestens aber in dem Widerspruchsbescheid begründet werden. Mithin könnten Ermessenserwägungen sogar noch bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides nachgeholt werden. Der Antragsgegner hielt die streitgegenständliche Anordnung im Zeitpunkt ihres Ergehens – auf diesen Zeitpunkt ist für die rechtliche Beurteilung der vorliegenden immissionsschutzrechtlichen Anordnung abzustellen – sinngemäß und zu Recht für erforderlich, um weitere erhebliche Belästigungen durch Hundegebell zu unterbinden bzw. zu verhüten. Soweit er diese Erwägungen zur Notwendigkeit eines Eingriffs im Einzelfall in der Antragserwiderung vom 18. Mai 2010 ergänzt hat, erscheint dies im Hinblick auf § 114 S. 2 VwGO als unbedenklich.

Im Bescheid selbst hat der Antragsgegner ausgeführt, er habe in seine Entscheidung den Ablauf des bisherigen Verfahrens, die regelmäßigen Beschwerden von Anwohnern und die Erwiderungen der Antragstellerin einbezogen. Mithin liegt auch kein Ermessensdefizit vor. Vielmehr hat der Antragsgegner die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der Wohn- und Nachtruhe dem Interesse der Antragstellerin am Belassen ihrer Hunde gegenübergestellt und den weit überwiegenden öffentlichen Interessen zutreffend den Vorzug gegeben. Dem Antragsgegner waren keine Umstände bekannt geworden oder von der Antragstellerin mitgeteilt worden, die eine grundsätzliche Änderung der Sachlage hätten annehmen lassen; eine derartige Änderung war insbesondere nach den Einlassungen der Antragstellerin, die – sinngemäß verstanden – etwaige von ihren Hunden ausgehende Belästigungen grundsätzlich in Abrede gestellt hat (z.B. mit der Behauptung, ihre Hunde seien von den Nachbarn oder Kindern gereizt worden), nicht zu erwarten.

Die angeordnete Entfernung der Hunde vom Grundstück ist auch eine geeignete Maßnahme, einen den Anforderungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 LImSchG entsprechenden Zustand wiederherzustellen.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin widerspricht die streitgegenständliche Verfügung nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil die Wohnruhe der Anwohner, welches durch das Gebell von mindestens zwei bis zu 10 Hunden beeinträchtigt wird, schützenswerter ist als das Interesse der Antragstellerin an der Hundehaltung auf ihrem Grundstück, zumal die „Besuchshunde“ noch nicht einmal in ihrem Eigentum stehen und somit fremde Hunde sind. Das Einschreiten des Antragsgegners nach langen Monaten des erfolglosen Zuwartens und unergiebigem Schriftwechsel mit der Antragstellerin bzw. deren Tochter erscheint nach alledem als ermessensgerecht. Auf eine „freiwillige“ Beseitigung der Zustände durch die Antragstellerin konnte und musste der Antragsgegner mit Blick auf das Verhalten der Antragstellerin – auch in der Vergangenheit – nicht mehr warten. Wenn die Antragstellerin in diesem Zusammenhang darauf verweist, als weniger einschneidende Maßnahme hätte der Antragsgegner die Durchsetzung der Ordnungsverfügung vom 02. November 2005 betreiben können, verkennt sie, dass der Antragsgegner diese Ordnungsverfügung nach Festsetzung eines Zwangsgeldes und Androhung der Ersatzvornahme durch die Antragstellerin als erfüllt angesehen hat. Die streitgegenständlichen Immissionen durch Hundegebell sind danach nicht die Folge eines behördlichen „Vollzugsdefizits“ sondern allein den aktuellen Versäumnissen der Antragstellerin anzulasten, die jedenfalls die Hunde, die nicht in ihrem Eigentum standen, nicht von ihrem Wohngrundstück entfernt hat. Diese muss sich – auch und gerade mit Blick auf die von ihr selbst gehaltenen Hunde – vielmehr fragen lassen, warum sie nicht von sich aus alle Vorkehrungen getroffen hat, um mehr als nur geringfügige Lärmbelastungen durch Hundegebell auszuschließen.

Die ursprüngliche Fristsetzung war angemessen, weil die Antragstellerin seit Erhalt der Verfügung einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen hatte, die Hunde vom Grundstück zu entfernen. Im Übrigen dürfte es nunmehr auch an einem Rechtsschutzbedürfnis im Hinblick auf Nr. 2 der streitgegenständlichen Verfügung fehlen, da die gesetzte Frist (fruchtlos) abgelaufen ist und es einer erneuten Fristsetzung durch den Antragsgegner bedarf.

Es besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO an einer sofortigen Befolgung der Anordnungen und einer sofortigen Unterbindung der durch das Hundegebell hervorgerufenen regelmäßigen und nicht nur kurzfristigen erheblichen Lärmbelästigungen, durch die sich nachweislich mehrere Nachbarn erheblich belästigt fühlen (genauso VG Frankfurt (Oder) a.a.O., S. 5 des Beschlussabdrucks).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes. Maßgebend ist für die Nummern 1 und 2 der Ordnungsverfügung ist der halbe Auffangwert (2.500,00 €).

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