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Hundehalterhaftung bei Körperverletzung durch Hundebeißerei

OLG Hamm, Az.: 6 U 225/92, Urteil vom 21.02.1994

Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung beider Rechtsmittel im übrigen – das am 31. Juli 1992 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg abgeändert:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin weitere 7.374,10 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 23.02.1990 zu zahlen, ferner als Schmerzensgeld weitere 13.000,00 DM nebst 7,5 % Zinsen von 25.000,00 DM seit dem 23.02.1990.

Die Beklagten werden ferner verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin eine monatliche Dauerrente in Höhe von 206,40 DM ab 01.07.1993 bis zum 27.08.2010 zu zahlen.

Wegen des weitergehenden Zahlungsbegehrens wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten der 1. Instanz tragen: Die Klägerin zu 1/3, die Beklagten zu 2/3.

Die Kosten der 2. Instanz tragen: Die Klägerin zu 7/10, die Beklagten zu 3/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet. Die Parteien können die Sicherheit durch eine unbedingte und unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank leisten.

Beschwer der Parteien: über 60.000,00 DM.

Tatbestand

Hundehalterhaftung bei Körperverletzung durch Hundebeißerei
Symbolfoto: Von Alexandr Jitarev /Shutterstock.com

Die Klägerin begehrt Schadensersatz, u. a. Schmerzensgeld, und Feststellung weiterer Haftung der Beklagten wegen eines Vorfalles vom 29.09.1988. An diesem Tage unternahm die Klägerin gegen 8.45 Uhr mit ihrem Dackelrüden „…“ einen Spaziergang im Stadtpark von …. Nach Betreten des Parks leinte sie ihren Hund ab. Nach kurzer Zeit bemerkte sie hinter sich die Beklagte zu 1), die einen Rottweiler an der Leine führte, dessen Halterin die Beklagte zu 2) war. In der Folgezeit kam die Beklagte zu 1) mit dem Rottweiler so nahe an die Klägerin und ihren Hund heran, daß der Rottweiler den Dackelrüden fassen konnte und die Klägerin berührte, so daß sie zu Fall kam. Der Geschehensablauf im einzelnen ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin erlitt einen Bruch des ersten Lendenwirbels und befand sich in der Zeit vom 29.09.1988 bis zum 28.10.1988 in stationärer, danach weiterhin in ambulanter Behandlung.

Mit Schreiben vom 01.06.1989 verlangte die Klägerin von den Beklagten unter Fristsetzung zum 14.06.1989 die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 25.000,00 DM sowie weiteren Schadensersatz in Höhe von 15.000,00 DM. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten zahlte am 19.06.1989 einen Betrag in Höhe von 10.000,00 DM unter dem Vorbehalt beliebiger Verrechnung.

Das Amtsgericht … erließ am 05.12.1988 gegen die Beklagte zu 1) einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung (Aktenzeichen: 4 Cs 10 Js 1278/88 (814/88)). Der Strafbefehl ist rechtskräftig.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte zu 1) sei nicht in der Lage gewesen, den Rottweiler ordnungsgemäß zu führen. Der Hund habe die Beklagte zu ihr und ihrem Dackel hingezogen. Um den Dackel möglichst kurz zu halten, habe sie ihn hinter dem Halsband gefaßt. Der Rottweiler habe den Fußweg dann überquert und sei ihr überraschend in den Rücken gesprungen. Hierbei seien die Verletzungen aufgetreten. Der Rottweiler habe den Dackelrüden 3 bis 4 Minuten festgehalten und ihn dabei schwer verletzt. Der Dackel sei danach aggressiv, und für die Jagd nicht mehr brauchbar gewesen und habe schließlich aufgrund dieses Vorfalls eingeschläfert werden müssen.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 30.910,00 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 14.06.1989 abzügl. eines am 19.06.1989 gezahlten Betrages von 10.000,00 DM zu zahlen,

2.

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu zahlen,

3.

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie weitere 2.370,61 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 13.02.1992 zu zahlen,

4.

festzustellen, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr allen weiteren Schaden aus dem Unfall vom 29.09.1988 zu ersetzen, soweit er nicht auf Dritte übergegangen ist oder übergehen wird.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, der Rottweiler sei nicht auf Mann dressiert gewesen, sondern sehr fügsam. Die Beklagte zu 1), die den Rottweiler regelmäßig beaufsichtigt und geführt habe, habe sich für diese Aufgabe durchgehend als geeignet erwiesen. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt versucht, ihren Dackel anzuleinen. Der Dackel sei auf den Rottweiler zugelaufen. Dieser habe sich ruhig verhalten und lediglich an dem Dackel geschnuppert. Erst als die Klägerin den Dackel hochgehoben habe, habe der Rottweiler den Dackel ergriffen. Die Klägerin sei zurückgewichen und gestolpert.

Die Beklagten haben die von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen teilweise nach Grund und Höhe bestritten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 03.04.1990 Bezug genommen.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie zweier Gutachtenergänzungen des … bezüglich der von der Klägerin erlittenen Verletzungen und Einholung eines Wertgutachtens des Sachverständigen … über den Wert des Hundes hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil unter Zurückweisung der Klage im übrigen die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 19.552,14 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 14.06.1989 abzüglich am 19.06.1989 gezahlter 10.000,00 DM zu zahlen. Es hat der Klägerin ferner ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000,00 DM zugesprochen und darüber hinaus festgestellt, daß die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren Schaden aus dem Unfall vom 29.09.1988 zu ersetzen.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung begehrt die Klägerin ein höheres Schmerzensgeld. Sie stellt ihren Feststellungsantrag teilweise um und begehrt im Wege der Leistungsklage weiter für die Zeit von April 1989 bis Juni 1993 eine monatliche Geldrente von 800,00 DM als Haushaltsführungsschaden. Schließlich begehrt sie eine monatliche Dauerrente von 800,00 DM beginnend mit dem 01.07.1993.

Sie beantragt nunmehr, das am 31.07.1992 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg (2 O 50/90) teilweise abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie

1.

unter Einbeziehung der erstinstanzlich ausgeurteilten 19.552,14 DM nebst ausgeurteilter Zinsen, abzüglich gezahlter 10.000,00 DM, einen Betrag in Höhe von 58.223,19 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 23.02.1990 zu zahlen;

2.

unter Einbeziehung des erstinstanzlich ausgeurteilten Schmerzengeldes von 12.000,00 DM ein Schmerzensgeld in Höhe von 70.000,00 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 23.02.1990 zu zahlen;

3.

eine monatliche Dauerrente, beginnend am 01.07.1993, von 800,00 DM zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

1.

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und

2.

im Wege der Anschlußberufung die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit der Klägerin ein höheres Schmerzensgeld als 6.000,00 DM zuerkannt worden ist und soweit eine Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden zu mehr als 50 % festgestellt worden ist.

Die Klägerin beantragt, die Anschlußberufung zurückzuweisen.

Mit der Anschlußberufung machen die Beklagten geltend, daß sich die Klägerin eine Mitschuld und die Tiergefahr ihres eigenen Hundes anrechnen zu lassen habe. Sie sind der Ansicht, der materielle Schaden sei bei Berücksichtigung einer Mithaftung von 50 % durch die Zahlung von 10.000,00 DM ausgeglichen worden. Das vom Landgericht mit 12.000,00 DM bei voller Haftung ermittelte Schmerzensgeld werde akzeptiert, so daß entsprechend der Quote 6.000,00 DM zu zahlen seien. Diese Quote sei auch bei dem Feststellungsantrag zu berücksichtigen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrisch-neurologischen Gutachtens des Sachverständigen …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 13. April 1993 Bezug genommen. Wegen des Ergebnisses der Anhörung der Klägerin und der Beklagten zu 1) wird Bezug genommen auf den Berichterstattervermerk zu Protokoll vom 18.10.1993. Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in beiden Instanzen sowie auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin hat teilweise, die Anschlußberufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

Die Beklagten haften der Klägerin aus §§ 823Abs. 2, 833,834,843,847,254,249 BGB dem Grunde nach im vollen Umfang auf Schadensersatz.

Die Beklagte zu 2), die den Rottweiler als Wachhund für die von ihr betriebene Firma angeschafft und eingesetzt hat, ist als Halterin des Hundes aus § 833 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Sie haftet zwar nicht aus Gefährdungshaftung, § 833 Satz 1 BGB, da der von ihr gehaltene Hund kein sogenanntes „Luxustier“ ist, sondern als Wachhund für den Betrieb der Beklagten zu 2) und damit Berufs- bzw. Erwerbszwecken dient (OLG München VersR 84, 1085). Sie hat jedoch für vermutetes Verschulden, § 833 Satz 2 BGB, einzustehen, da sie nicht dargelegt und bewiesen hat, daß sie bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt aufgewendet hat. Dazu gehört, wenn die unmittelbare Aufsicht einem Dritten, hier der Beklagten zu 1), übertragen wird, daß der Tierhalter eine für die Aufsicht geeignete Person auswählt, ihr die nötigen Anweisungen erteilt und deren Einhaltung überwacht (vgl. OLG Düsseldorf VersR 67, 1100). Dazu hat die Beklagte zu 2) lediglich vorgetragen, ihr Geschäftsführer habe sich „durch eigene Beobachtung ohne weiteres davon überzeugen können, daß sie den Hund der Obhut und Aufsicht der Beklagten zu 1) überlassen konnte“. Dieser Vortrag ist zu pauschal und läßt nicht erkennen, nach welchen Kriterien die Beklagte zu 2) ihre Auswahl getroffen, welche Anweisungen sie im Einzelnen erteilt und wie sie diese überwacht hat.

Die Klägerin und ihr Hund sind durch den Hund der Beklagten zu 2) verletzt worden. Daß der Rottweiler die Klägerin angesprungen hat, wodurch sie zu Fall kam, und daß er den Dackel der Klägerin erfaßt hat, ist nach den Berufungsbegründungen und der Anhörung der Beklagten zu 1) im Senatstermin vom 18.10.1993 nicht mehr streitig. Ohne Bedeutung ist, ob sich die Klägerin die Verletzungen bei dem Sturz zuzog, den der Rottweiler verursacht hat, oder ob der Wirbelbruch unmittelbare Folge des Anspringens war.

Ob die Beklagte zu 2) der Klägerin daneben auch aus § 831 BGB haftet, kann dahingestellt bleiben, da sie jedenfalls aus § 833 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB) neben der Beklagten zu 2) haftet auch die Beklagte zu 1) der Klägerin aus §§ 834, 823 Abs. 2 BGB, 230 StGB. Die Beklagte zu 1) war Tieraufseherin im Sinne des § 834 BGB. Sie hat durch Vertrag, der auch konkludent geschlossen werden kann (vgl. BGH NJW 87, 949, 950), die Aufsichtsführung übernommen. Die Beklagte zu 2), eine GmbH, konnte in persona die Aufsicht nicht ausüben. Sie hat daher, wie die Beklagten selbst vortragen, den Hund regelmäßig von der Beklagten zu 1) beaufsichtigen und führen lassen. Damit lag die Aufsichtspflicht aufgrund von Absprachen zwischen den Beklagten bei der Beklagten zu 1).

Die Beklagte zu 1) hat das nach § 834 BGB vermutete Verschulden nicht widerlegt. Vielmehr läßt sich aus dem Umstand, daß der Hund, obwohl er an der Leine geführt wurde, die Klägerin anspringen konnte, entnehmen, daß die Beklagte zu 1) ihre Aufsichtspflichten zumindest fahrlässig verletzt und dadurch die Verletzung der Klägerin und ihres Hundes verursacht hat. Der Hundeführer muß jederzeit in der Lage sein, den Hund soweit von Dritten fern zu halten, daß er diese nicht gefährden kann. Das gilt insbesondere, wenn es sich dabei um größere, schwere Hunde wie den Rottweiler der Beklagten zu 2) handelt.

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Entgegen der Ansicht der Beklagten muß sich die Klägerin keine Mitschuld oder die Tiergefahr ihres eigenen Hundes anrechnen lassen mit der Folge, daß sie für die ihr entstandenen Schäden mithaftet. Ein Verschulden der Klägerin an dem Vorfall haben die Beklagten nicht dargelegt. Es kann insoweit zunächst dahinstehen, ob der Dackel der Klägerin angeleint war oder nicht. Entgegen dem Vortrag der Beklagten in beiden Instanzen steht nämlich fest, daß der Dackel der Klägerin nicht soweit auf den Rottweiler zugelaufen ist, daß er sich bereits in seiner Sphäre befand und die Klägerin sich in seine unmittelbare Nähe begeben hätte, um den Dackel aufzunehmen. Aus den Angaben der Beklagten zu 1) bei ihrer Anhörung gemäß § 141 ZPO läßt sich eindeutig entnehmen, daß der Rottweiler die Beklagte zu 1) zu dem Dackel der Klägerin hinzog. Die für den Unfall erforderliche Annäherung des Rottweilers hat allein die Beklagte zu 1) zu vertreten.

Soweit auch die typische Tiergefahr des Dackels der Klägerin für den Unfall von Bedeutung war, etwa weil er gebellt und dadurch den Rottweiler erst aufmerksam und neugierig gemacht hat, führt dies nicht dazu, daß die Klägerin im Rahmen von §§ 840Abs. 1, 426 BGB einen eigenen Mithaftungsanteil übernehmen muß. Gegenüber dem Verschulden der Beklagten zu 1), die es als Hüterin des größeren, kräftigeren und seiner Art nach gefährlicheren Tieres in der Hand haben mußte und hatte, den Rottweiler von der Klägerin und ihrem Dackel fernzuhalten, tritt die von dem Dackel ausgehende Tiergefahr zurück.

II.

Die Beklagten haben der Klägerin danach folgende Schäden zu ersetzen:

1.

Die Klägerin hat zunächst einen Anspruch auf Erstattung von 4.848,64 DM.

a)

Zwischen den Parteien nach Grund und Höhe nicht streitig sind die Kosten für die Reinigung von Bekleidung mit 37,80 DM und 15,45 DM für das Hundehalsband.

b)

Mit zutreffender Begründung und mit den Berufungen im übrigen nicht angegriffen hat das Landgericht die Kosten für eine in Verlust geratene Brille der Klägerin mit 420,00 DM angenommen und die Tierarztkosten mit 490,99 DM und den Wert des Dackels mit 4.000,00 DM als ersatzfähig angesehen.

c)

In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil hält auch der Senat angesichts der besonderen Umstände tägliche Besuche der Angehörigen im Krankenhaus für notwendig, so daß 31 Fahrten zu je 6 km (Hin- und Rückweg) zu erstatten sind. In Anlehnung an § 9 Abs. 3 ZuSEG hält der Senat eine Entschädigung von 0,40 DM pro gefahrenem Kilometer für angemessen. Hieraus errechnet sich ein zu ersetzender Betrag von (31 Tage x 6 km x 0,40 DM =) 74,40 DM.

d)

Auch im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Klägerin die ihr durch weitere Heil- und Nachbehandlungen entstandenen Kosten nicht weiter spezifiziert. Da solche Kosten aber sicher entstanden sind, schätzt der Senat diese in Übereinstimmung mit dem Landgericht auf insgesamt 50,00 DM.

e)

Soweit die Klägerin für die Dauer ihres Aufenthaltes im Krankenhaus 70,00 DM zugezahlt hat, sind auch diese Kosten grundsätzlich erstattungsfähig.

f)

Allerdings hat sich die Klägerin im Wege des Vorteilsausgleichs ersparte Verpflegungskosten für die Dauer ihres Krankenhausaufenthaltes von 31 Tagen anrechnen zu lassen. Diese Ersparnis ist mit 10,00 DM pro Tag angemessen berücksichtigt.

Die Gesamtkosten aus den Pos. a) – e) belaufen sich auf 5.158,64 DM, von denen 310,00 DM abzusetzen sind. Auf die bisher angesprochenen Schäden haben die Beklagten mithin insgesamt 4.848,64 DM zu zahlen.

2.

Die Beklagten sind dem Grunde nach gemäß § 843 BGB auch verpflichtet, die Klägerin für den teil- und zeitweisen Wegfall und die seitdem bestehende Minderung ihrer Arbeitskraft als Hausfrau zu entschädigen (vgl. BGHZ – GZS – 50, 304).

Die Minderung der häuslichen Arbeitsleistung ist weitgehend konkret zu ermitteln anhand der vor dem Unfall erbrachten häuslichen Arbeitsleistungen und der Arbeitsleistungen, die nach dem Unfall noch erbracht werden können. Die durch demographische Erhebungen gewonnenen Erfahrungswerte können dabei als Hilfe und Kontrolle bei der Schätzung gemäß § 287 ZPO dienen.

Die Klägerin bewohnte vor dem Unfall mit ihrem Ehemann das ca. 160 qm große Einfamilienhaus (18 Fenster, 2 Etagen) allein. Ihre Tochter wohnte nicht mehr bei ihnen. Im Keller befand sich ein etwa 50 qm großer Hobbyraum, der neuerdings von der Tochter bewohnt wird. Das Grundstück ist 565 qm groß. Haus und Garten wurden vor dem Unfall von der Klägerin allein gepflegt. Auch Einkäufe erledigte sie allein, jedenfalls bis zu ihrem Schlaganfall im Jahre 1980. Seither erledigen ihr Ehemann und sie größere Einkäufe gemeinsam. Ihr Ehemann ist ganztägig berufstätig und kommt erst abends nach Hause. Die Klägerin hat den Umfang der Tätigkeiten im Haushalt im einzelnen aufgelistet und diese Listen zu den Akten reichen lassen. Die Beklagten haben diese Angaben nicht gesondert angegriffen, so daß von der Aufstellung vom 22.10.1993, auf die Bezug genommen wird, im wesentlichen ausgegangen werden kann.

Auf dieser Grundlage schätzt der Senat die Anzahl der Arbeitsstunden, die die Klägerin im Monatsdurchschnitt für sich und ihren Ehemann vor dem Unfall erbracht hat auf ca. 40 Stunden pro Woche. Das entspricht in etwa auch den Erfahrungswerten, die sich aus den Ermittlungen von Schulz-Borck ergeben (vgl. Tabellen 8 und 9 in: Schulz-Borck/Hofmann, Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 4. Aufl.).

Die Klägerin war aufgrund der unfallbedingten Verletzungen und Dauerfolgen nicht mehr in der Lage, in dem Ausmaß im Haushalt zu arbeiten wie zuvor. Aufgrund der im Laufe des Prozesses vorgelegten Stellungnahmen und den fachchirurgischen Gutachten und Ergänzungsgutachten des Sachverständigen … geht der Senat davon aus, daß die Klägerin in den ersten vier Monaten nach dem Vorfall, also bis Ende Januar 1989, weitgehend nicht in der Lage war, den Haushalt selbst zu führen. Das bedeutet aber nicht, daß die Minderung der Erwerbstätigkeit mit 100 % einem völligen Ausfall der Klägerin als Hausfrau gleichzusetzen wäre. Die im Sozialversicherungsrecht geltenden Sätze der Minderung der Erwerbstätigkeit (im folgenden MdE) sind nicht ohne weiteres auch für die Bemessung des Schadensersatzes ausschlaggebend (vgl. BGH VersR 70, 640, 766; 65, 461). Auch in der Zeit sogenannter 100 %-iger MdE werden von der Klägerin, nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen war, leichte körperliche Arbeiten und jedenfalls Leitungsfunktionen im Haushalt wahrgenommen worden sein. Dabei geht der Senat hier wie im folgenden davon aus, daß die Klägerin nicht überobligationsmäßig tätig geworden ist, mit der Folge, daß diese überobligationsmäßige Tätigkeit den Beklagten nicht zugute gebracht werden dürfte (vgl. BGH r + s 94, 58 f). Für die folgende Zeit bis Ende September 1989 ist nach dem Urteil des Sachverständigen … von einer MdE von 20 bis 30 % auszugehen, je nachdem wie stark die Schmerzen noch waren, unter denen die Klägerin litt. Für das danach folgende Jahr ist mit einer MdE von 10 bis 20 % und danach als Dauerzustand mit einer MdE von 10 % zu rechnen.

Soweit die Orthopäden … und … in ihren Stellungnahmen zu anderen, höheren Werten der MdE kommen, vermag der Senat ihnen nicht zu folgen. Dem gerichtlich bestellten Sachverständigen … haben diese Stellungnahmen ebenfalls vorgelegen. Er hat sie in seinem Gutachten berücksichtigt und hat sich mit ihnen auseinandergesetzt. Er ist diesen Stellungnahmen aus nachvollziehbaren Gründen nicht gefolgt. Der Senat sieht daher keine Veranlassung, der Bewertung des ihm seit langer Zeit als kompetenter Sachverständiger bekannten … nicht zu folgen.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Überlegungen schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO, daß die Klägerin in der Zeit vom 29.09. bis 31.10.1988 ((a), Dauer des Krankenhausaufenthaltes zuzüglich der ersten drei Tage zu Haus =) 4 1/2 Wochen im Haushalt vollständig ersetzt werden mußte. In der Zeit bis Ende Januar 1989 (b) (3 Monate)) konnte sie bereits Leitungsfunktionen und in zunehmendem Maße auch wieder leichtere Arbeiten übernehmen. Es kann daher angenommen werden, daß sie, ausgehend von einer 40 Stunden Woche der Klägerin, im Wochendurchschnitt 34 Stunden ausfiel. In der nachfolgenden Zeit bis Ende September 1989 (c) (8 Monate)) kann mit einem Ausfall der Klägerin im Umfang von durchschnittlich 10 Stunden pro Woche gerechnet werden. Dieser Ausfall reduzierte sich nach Schätzungen des Senats im Laufe des folgenden Jahres (d) (12 Monate)) auf durchschnittlich 6 Stunden und betrug seitdem bis zum 30.06.1993 (e) (33 Monate)) ca. 4 Stunden.

Bei diesen Schätzungen hat der Senat bereits das Gutachten des Sachverständigen … berücksichtigt, der in Übereinstimmung mit der Ärztin für Psychiatrie und Neurologie, Frau …, bei der Klägerin posttraumatische Belastungsstörungen infolge des Unfallereignisses festgestellt hat. Soweit auch … mit prozentualen Erwerbsminderungsgraden arbeitet, gilt auch hier, daß diese nur Anhaltspunkte sein können für die Bemessung von Schadensersatz, aber nicht ohne weiteres prozentual in einem Arbeitsausfall umgesetzt werden können. Nach dem Gutachten war zu berücksichtigen, daß die Klägerin sich zeitweise in einer Verfassung ständiger Angespanntheit befand und für vorzeitige Erschöpftheit anfälliger war. Die weiteren psychischen Auswirkungen des Ereignisses auf die Klägerin sind dagegen bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen.

Da der Arbeitsausfall weitestgehend durch Mitarbeit vom Familienangehörigen kompensiert worden ist und wird, eine Ersatzkraft also nicht eingestellt worden ist, muß die Bestimmung einer Vergütung für den Ausfall an den fiktiven Kosten für eine solche Ersatzkraft orientiert sein (BGH, DAR 89, 341). Als Anhaltspunkt für die Bemessung eines Stundenlohnes kann der Verdienst einer Wirtschafterin bzw. der einer Wirtschaftsgehilfin nach BAT VIII bzw. BAT X herangezogen werden. Dieser liegt bei einer 40 Stunden Woche bei ca. 12,00 DM/Stunde netto (vgl. Schulz-Borck/Hofmann a. a. O., Tabelle 5; vgl. auch BGH a. a. O.).

Danach ist der Haushaltsführungsschaden der Klägerin für die Zeit vom 29.09.1988 bis zum 30.06.1993 wie folgt zu berechnen:

a)   29.09. bis 31.10.1988: 4 1/2 Wochen x 40 Stunden x 12,00 DM = 2.160,00 DM

b)   01.11.1988 bis 31.01.1989: 3 Monate x 4,3 Wochen x 34 Stunden a 12,00 DM = 5.263,20 DM,

c)   01.02.1989 bis 30.09.1989: 8 Monate x 4,3 Wochen x 10 Stunden x 12,00 DM = 4.128,00 DM,

d)   01.10.1989 bis 30.09.1990: 12 Monate x 4,3 Wochen x 6 Stunden x 12,00 DM = 3.715,20 DM,

e)   01.10.1990 bis 30.06.1993: 33 Monate x 4,3 Wochen x 4 Stunden x 12,00 DM = 6.811,20 DM

das Gesamtergebnis 22.077,60 DM.

Hierauf hat sich die Klägerin die Zahlung der Versicherung der Beklagten in Höhe von 10.000,00 DM anrechnen zu lassen.

3.

Die Klägerin erlitt bei dem Unfall am 29.09.1988 einen Stauchungsbruch des ersten Lendenwirbels. Sie mußte sich deshalb bis zum 28.10.1988 in stationäre Behandlung begeben. Sie war über längere Zeit in größerem Umfang nicht in der Lage, ihren Haushalt zu führen. Auch weiterhin muß sie Einschränkungen bei der körperlichen Bewältigung ihrer Arbeit hinnehmen. Darüber hinaus hat das Unfallereignis, in dessen Folge sie ihren Hund einschläfern lassen mußte, zu psychischen Beeinträchtigungen geführt, die auch in Zukunft noch weiter fortwirken. Der Sachverständigen … hat festgestellt, daß sie noch heute an phobischen Vermeidungshaltungen, nächtlichen Alpträumen mit ausgeprägten Schlafstörungen und in das Tagesgeschehen eindringenden Panikattacken leidet. Diese posttraumatischen Belastungsstörungen werden nach der Einschätzung des Sachverständigen … voraussichtlich weiter abklingen. Hierdurch wird die Lebens- und Schaffensfreude der Klägerin nachhaltig beeinträchtigt. Insbesondere unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint dem Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 DM als angemessen, um die Schäden auszugleichen und der Klägerin Genugtuung zu verschaffen.

4.

Da die Beeinträchtigungen in der Haushaltsführung nach den Gutachten der Sachverständigen von Dauer sein werden, steht der Klägerin über den 30.06.1993 hinaus eine Geldrente gemäß § 843 BGB zu. Bei deren Bemessung geht der Senat davon aus, daß die Klägerin unfallbedingt auch weiterhin durchschnittlich 4 Stunden pro Woche einer Haushaltshilfe bedarf, die mit netto 12,00 DM pro Stunde zu entlohnen wäre. Daraus errechnet sich ein Monatsbetrag von 206,40 DM (4,3 Wochen x 4 Stunden x 12,00 DM). Das Ende der eigenen Haushaltsführung wird allgemein mit Vollendung des 75. Lebensjahres angenommen (vgl. BGH VersR 74, 1016, 1018), so daß die Rentenzahlung bis zu diesem Zeitpunkt zu begrenzen ist.

III.

Die Klägerin hat, da auch weitere Beeinträchtigungen als Folge des Unfalls nicht auszuschließen sind, Anspruch auf Feststellung, daß die Beklagten auch künftige materielle und immaterielle Schäden in vollem Umfang zu ersetzen haben. Insoweit konnte es bei dem Feststellungsausspruch des landgerichtlichen Urteils verbleiben.

Die Zinsforderung der Klägerin rechtfertigt sich aus §§ 284 ff BGB. Der Senat hat dem Umstand, daß der Klägervertreter die Anträge zu Ziff. 1 bis 4 des Schriftsatzes vom 27. Mai 1993 in Verbindung mit den Anträgen des Schriftsatzes vom 12. November 1992 verlesen hat, entnommen, daß die Klägerin nunmehr eine Verzinsung der zu zahlenden Beträge seit dem 23.02.1990 begehrt, soweit ihr nicht weitergehende Zinsen bereits mit dem erstinstanzlichen Urteil zugesprochen worden sind.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10,711,108,546 Abs. 2 ZPO.

 

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