Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- HWS-Verletzungen: Bedeutung von Gutachten für Schadensersatzansprüche
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Beweismittel sind bei HWS-Verletzungen für die Durchsetzung von Schmerzensgeldforderungen erforderlich?
- Welche Rolle spielt ein medizinisches Sachverständigengutachten bei der Bewertung von HWS-Verletzungen?
- Ab welchem Zeitpunkt sollten Geschädigte mit der Dokumentation ihrer HWS-Verletzung beginnen?
- Wie werden Folgeschäden bei HWS-Verletzungen rechtlich bewertet?
- Welche Fristen müssen bei der Geltendmachung von Schmerzensgeldforderungen nach HWS-Verletzungen beachtet werden?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Hamm
- Datum: 18.03.2024
- Aktenzeichen: I-7 U 120/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Zivilrecht, insbesondere Schmerzensgeldrecht und Abtretungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Kläger machte Ansprüche geltend aus einem abgetretenen Recht seiner Tochter sowie aus eigenem Recht. Er argumentierte, dass die Abtretung wirksam sei und es weitere Bedingungen für ein höheres Schmerzensgeld gebe. Zudem behauptete der Kläger das Vorliegen weiterer Schäden, die festzustellen seien.
- Beklagte: Die Seite der Beklagten wird nicht explizit im Urteilstext beschrieben.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger klagte auf ein höheres Schmerzensgeld sowie auf die Feststellung weiterer Schäden, sowohl aus eigenem Recht als auch aus abgetretenem Recht seiner Tochter. Er reichte Berufung ein, nachdem die Klage vom Landgericht abgewiesen wurde.
- Kern des Rechtsstreits: Der zentrale Rechtsstreit drehte sich um die Frage, ob die Abtretung der Rechte durch die Tochter an den Kläger wirksam war und ob ausreichende Beweise für weitere Schmerzensgeldansprüche und Schäden vorlagen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht beabsichtigt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, da die Klage offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
- Begründung: Die Abtretung der Ansprüche wurde als irrelevant angesehen, da der Kläger die Forderungen im eigenen Namen geltend machte. Darüber hinaus konnte der Kläger keine ausreichenden Beweise für die Notwendigkeit eines weiteren Schmerzensgeldes oder die Feststellung weiterer Schäden vorbringen. Das Feststellungsinteresse wurde verneint, da der Eintritt weiterer Schäden nicht als wahrscheinlich angesehen wurde.
- Folgen: Die Berufung wird zurückgewiesen, und es ist keine weitere mündliche Verhandlung vorgesehen. Der Kläger hat dadurch keinen Anspruch auf ein höheres Schmerzensgeld oder auf Feststellung weiterer Schäden gemäß der Klagepunkte. Das Urteil bekräftigt die Bedeutung der Darlegung belastbarer Beweise für Schmerzensgeldforderungen.
HWS-Verletzungen: Bedeutung von Gutachten für Schadensersatzansprüche
Die Halswirbelsäule (HWS) ist ein sensibler und komplexer Bereich unseres Körpers, der bei Verletzungen erhebliche gesundheitliche Konsequenzen haben kann. Halswirbelsäulenschädigungen treten häufig nach Unfällen, wie Verkehrsunfällen oder Stürzen, auf und erfordern eine präzise medizinische Dokumentation und Analyse.
Die Ermittlung der Ursachen, Symptome und möglichen Langzeitfolgen einer HWS-Verletzung ist entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung und eventuelle Schadensersatzansprüche. Ein aussagekräftiges Sachverständigengutachten spielt dabei eine zentrale Rolle, um die Schwere der Verletzung, notwendige Rehabilitationsmaßnahmen und mögliche bleibende Gesundheitsschäden zu bewerten.
Der nun folgende Gerichtsfall verdeutlicht die Bedeutung einer professionellen medizinischen und rechtlichen Bewertung bei HWS-Schädigungen.
Der Fall vor Gericht
Gericht weist Berufung wegen mangelnder Beweise für höheres Schmerzensgeld zurück

Das Oberlandesgericht Hamm hat die Berufung eines Klägers zurückgewiesen, der ein höheres Schmerzensgeld für sich und seine Tochter forderte. Die bereits erfolgte Schmerzensgeldzahlung wurde vom Gericht als ausreichend erachtet, da der Kläger keine weiteren medizinischen Nachweise für schwerwiegendere Verletzungen oder Folgeschäden vorlegen konnte.
Streit um zusätzliche Schmerzensgeldforderungen
Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Forderung nach einem höheren Schmerzensgeld, die der Kläger sowohl im eigenen Namen als auch aus abgetretenem Recht seiner Tochter geltend machte. Trotz mehrfacher Aufforderung durch das Landgericht konnte der Kläger keine ausreichenden Beweise für die Notwendigkeit eines zusätzlichen Schmerzensgeldes erbringen. Die vorgelegten Arztberichte vom 15. Oktober 2022 stützten nicht einmal den Vortrag zur ursprünglichen Verletzung der Tochter. Weitere Behandlungsunterlagen oder Befunde über nachweisbare ligamentäre oder knöcherne Verletzungen sowie psychische Folgeschäden wurden nicht vorgelegt.
Rechtliche Bewertung der Schmerzensgeldforderung
Das Gericht stellte klar, dass die Argumentation des Klägers bezüglich der hohen Anforderungen des Bundesgerichtshofs an Bagatellverletzungen ins Leere lief, da bereits Schmerzensgeld gezahlt worden war. Die Frage der wirksamen Abtretung der Ansprüche der Tochter ließ das Gericht offen, da die Leistungsklagen sowohl aus eigenem als auch aus abgetretenem Recht als unbegründet eingestuft wurden.
Ablehnung der Feststellungsklage
Die zusätzlich eingereichte Feststellungsklage scheiterte bereits an der Zulässigkeit. Dem Gericht zufolge fehlte es am notwendigen Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO. Zwar reicht bei Verletzungen des körperlichen Wohlbefindens grundsätzlich die Möglichkeit materieller oder weiterer immaterieller Schäden für ein Feststellungsinteresse aus. Im vorliegenden Fall war jedoch die Möglichkeit eines weiteren Schadenseintritts nicht ausreichend dargelegt worden. Das Gericht bewertete potenzielle weitere Schäden als rein theoretischer Natur.
Scheitern der Anwaltskosten
Ein weiterer Streitpunkt betraf die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren. Der entsprechende Antrag blieb als Leistungsantrag unzulässig, da der Kläger trotz mehrfacher gerichtlicher Hinweise keine Bezifferung vornahm. Das Gericht verwies darauf, dass bereits eine anteilige Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren erfolgt war, wie aus den Abrechnungsschreiben hervorging.
Der Senat sah keine Notwendigkeit für eine mündliche Verhandlung, da keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten waren. Die Entscheidung wurde einstimmig getroffen, da die maßgebenden Fragen als Einzelfallfragen eingestuft wurden und weder grundsätzliche Bedeutung hatten noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderten.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das OLG Hamm hat eine Berufung bezüglich zusätzlicher Schmerzensgeldforderungen zurückgewiesen, da keine ausreichenden Beweise für über das bereits gezahlte Schmerzensgeld hinausgehende Ansprüche vorgelegt wurden. Das Gericht macht deutlich, dass für weitergehende Schmerzensgeldforderungen konkrete Nachweise wie Arztberichte oder Befunde über nachweisbare Verletzungen oder Folgeschäden erforderlich sind. Eine rein theoretische Möglichkeit weiterer Schäden reicht für Feststellungsansprüche nicht aus.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie nach einem Schadensfall über das bereits erhaltene Schmerzensgeld hinaus weitere Ansprüche geltend machen wollen, müssen Sie diese durch konkrete medizinische Unterlagen belegen können. Bloße Behauptungen über Verletzungen oder mögliche Spätfolgen reichen vor Gericht nicht aus. Lassen Sie sich daher alle Verletzungen und Beschwerden ärztlich dokumentieren und bewahren Sie sämtliche Behandlungsunterlagen sorgfältig auf. Nur mit einer lückenlosen Dokumentation haben Sie Aussicht auf die Durchsetzung weitergehender Schmerzensgeldforderungen.
Benötigen Sie Hilfe?
HWS-Schädigung und Ihre Schmerzensgeldansprüche
Haben Sie eine HWS-Schädigung erlitten und sind unsicher, ob Ihre Schmerzensgeldansprüche angemessen sind? Die Erfahrung zeigt, dass die Durchsetzung weiterer Forderungen ohne stichhaltige, medizinische Beweise schwierig sein kann. Wir unterstützen Sie bei der Prüfung Ihrer Ansprüche und helfen Ihnen, alle relevanten medizinischen Fakten und potenziellen Folgeschäden zu dokumentieren. Sprechen Sie mit uns, um Ihre individuelle Situation zu besprechen und gemeinsam eine Strategie für Ihre Rechte zu entwickeln.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Beweismittel sind bei HWS-Verletzungen für die Durchsetzung von Schmerzensgeldforderungen erforderlich?
Für die Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüchen bei HWS-Verletzungen sind mehrere Beweise erforderlich, die den Zusammenhang zwischen Unfall und Verletzung sowie die Schwere der Beeinträchtigung belegen. Die folgenden Nachweise sind entscheidend:
1. Medizinische Dokumentation
- Ärztliche Atteste: Ein zeitnah nach dem Unfall ausgestelltes Attest ist grundlegend. Es muss die akut aufgetretenen Symptome (z. B. Nackenschmerzen, Bewegungseinschränkungen) detailliert dokumentieren.
- Bildgebende Verfahren: Röntgen-, MRT- oder CT-Befunde können strukturelle Schäden (z. B. Verrenkungen, Bänderrisse) nachweisen. Allerdings sind bei leichten HWS-Verletzungen (Grad 1) oft keine Auffälligkeiten erkennbar.
- Verlaufsdokumentation: Ein Schmerztagebuch mit täglichen Einträgen zu Beschwerden, Therapiefortschritten und Einschränkungen im Alltag stärkt die Glaubhaftigkeit.
2. Unfallbezogene Beweise
- Polizeibericht: Der offizielle Unfallbericht liefert objektive Angaben zum Unfallhergang (z. B. Aufprallgeschwindigkeit, Fahrzeugschäden).
- Zeugenaussagen: Aussagen von Unfallbeteiligten oder Dritten können die Plausibilität der Verletzung stützen.
3. Sachverständigengutachten
- Biomechanische Gutachten: Sie analysieren, ob die im Unfall freigesetzten Kräfte ausreichend waren, um eine HWS-Verletzung zu verursachen. Dies ist besonders bei Bagatellunfällen mit geringer Schadenshöhe relevant.
- Medizinische Gutachten: Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger prüft, ob die Beschwerden unfallbedingt sind oder auf Vorerkrankungen beruhen.
4. Rechtliche Grundlagen
Der Anspruch auf Schmerzensgeld ergibt sich aus § 253 Abs. 2 BGB. Voraussetzung ist, dass die HWS-Verletzung ursächlich auf den Unfall zurückzuführen ist und zu einer spürbaren Beeinträchtigung geführt hat.
Praktisches Beispiel:
Stellen Sie sich vor, Sie erleiden nach einem Auffahrunfall Nackenschmerzen. Ein Arztattest vom Unfalltag, ein Röntgenbefund ohne Frakturen (aber mit Steilstellung der HWS) und ein biomechanisches Gutachten, das die Krafteinwirkung bestätigt, bilden die Basis für Ihren Anspruch. Fehlt eines dieser Elemente, könnte die Versicherung die Zahlung verweigern.
Wichtig: Je früher Sie medizinische Hilfe in Anspruch nehmen und Beweise sichern, desto höher sind Ihre Erfolgschancen. Versicherungen argumentieren oft mit der „Harmlosigkeitsgrenze“ – hier hilft ein Gutachten, das die Verletzungsmechanik erklärt.
Welche Rolle spielt ein medizinisches Sachverständigengutachten bei der Bewertung von HWS-Verletzungen?
Ein medizinisches Sachverständigengutachten ist entscheidend, um die medizinischen und rechtlichen Aspekte einer HWS-Verletzung („Halswirbelsäulen-Schleudertrauma“) objektiv zu bewerten. Es dient dazu, die Schwere der Verletzung, ihre Ursache und ihre Auswirkungen auf den Alltag des Betroffenen festzustellen. Dies hat direkten Einfluss auf die Anerkennung des Schadens und die Höhe des Schmerzensgeldes.
1. Objektive Diagnose und Prognose
Das Gutachten klärt, ob die HWS-Verletzung tatsächlich vorliegt und wie stark sie ausgeprägt ist. Dazu gehören:
- Körperliche Untersuchungen (z. B. Beweglichkeit des Nackens, Muskelverspannungen) .
- Diagnostische Tests wie Röntgen, MRT oder CT, um strukturelle Schäden auszuschließen oder nachzuweisen .
- Einschätzung der Heilungsdauer (Prognose), die für die Berechnung von Schmerzensgeld und Verdienstausfall relevant ist .
Ohne ein solches Gutachten können Versicherungen oder Gerichte die Verletzung anzweifeln – etwa mit dem Argument, die Beschwerden seien „subjektiv“ oder nicht unfallbedingt .
2. Kausalitätsnachweis zwischen Unfall und Verletzung
Das Gutachten muss belegen, dass die HWS-Verletzung direkt durch den Unfall verursacht wurde. Dies ist besonders wichtig, wenn die Gegenseite behauptet, die Beschwerden seien älter oder anderweitig entstanden.
- Beispiel: Ein Gutachter prüft, ob die beim Aufprall wirkenden Kräfte typischerweise zu Schleudertraumata führen .
- Fehlt dieser Nachweis, kann der Anspruch auf Entschädigung scheitern .
3. Grundlage für die Schmerzensgeldberechnung
Die medizinische Prognose (z. B. voraussichtliche Dauer der Einschränkungen) fließt direkt in die Höhe des Schmerzensgeldes ein. Zudem dokumentiert das Gutachten:
- Langzeitfolgen wie chronische Schmerzen oder eingeschränkte Arbeitsfähigkeit .
- Notwendige Therapien (Physiotherapie, Schmerzmanagement), deren Kosten erstattet werden müssen .
Ein Gutachten, das diese Punkte detailliert darlegt, stärkt Ihre Verhandlungsposition gegenüber Versicherungen .
4. Rechtliche Anforderungen
In vielen Ländern (z. B. Großbritannien) ist ein unabhängiges medizinisches Gutachten gesetzlich vorgeschrieben, um Whiplash-Verletzungen nachzuweisen . Auch in Deutschland setzen Gerichte oft Gutachten ein, um Streitfragen zu klären – etwa wenn die Versicherung die Schwere der Verletzung bestreitet .
Wichtig: Der Gutachter muss neutral sein und darf nicht im Interesse einer Partei handeln. Verstöße gegen diese Pflicht können das Gutachten ungültig machen .
Wenn Sie eine HWS-Verletzung geltend machen, sollten Sie daher frühzeitig alle medizinischen Unterlagen sammeln und auf eine umfassende Dokumentation Ihrer Beschwerden achten. Ein Gutachten, das diese Daten auswertet, ist oft der Schlüssel zur Durchsetzung Ihrer Ansprüche .
Ab welchem Zeitpunkt sollten Geschädigte mit der Dokumentation ihrer HWS-Verletzung beginnen?
Die Dokumentation einer HWS-Verletzung muss unmittelbar nach dem Unfall beginnen, um die Erfolgsaussichten von Schmerzensgeldansprüchen zu sichern. Hier die entscheidenden Schritte im zeitlichen Ablauf:
1. Sofort nach dem Unfall: Erste Maßnahmen
- Ärztliche Untersuchung innerhalb von 24 Stunden ist zwingend erforderlich, selbst wenn zunächst keine Beschwerden vorliegen.
- Polizeiliche Unfallmeldung mit Erwähnung möglicher HWS-Beschwerden im Protokoll.
- Fotos der Fahrzeugschäden sichern, um später die Kollisionsenergie berechnen zu können.
2. Innerhalb der ersten 72 Stunden: Medizinische Beweissicherung
- Klinische Diagnostik (Röntgen, MRT) einleiten, um strukturelle Schäden auszuschließen oder nachzuweisen.
- Ausführlicher Arztbericht mit konkreter Diagnose (z.B. „HWS-Distorsion Grad II“) statt vager Beschreibungen wie „Nackenschmerzen“.
- Tägliches Schmerztagebuch führen: Dokumentieren Sie Art, Dauer und Intensität der Beschwerden sowie eingeschränkte Alltagsaktivitäten.
3. Bei verzögertem Beschwerdebeginn: Maximal 5 Tage
Treten Symptome erst später auf, muss der Arztbesuch spätestens innerhalb von 5 Tagen erfolgen. Ein längerer Abstand zum Unfall gefährdet den Kausalitätsnachweis.
Rechtliche Grundlagen:
- Nach § 286 ZPO muss der Vollbeweis für die Unfallverursachung geführt werden.
- Beweiswürdigung erfolgt nach der „Harmlosigkeitsgrenze“: Bei Geschwindigkeitsänderungen unter 10 km/h wird eine Verletzung grundsätzlich ausgeschlossen – es sei denn, konkrete medizinische Befunde widerlegen dies.
Praktisches Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie erleiden einen Auffahrunfall mit 15 km/h ΔV. Obwohl Sie zunächst beschwerdefrei sind, lassen Sie noch am Unfalltag ein Röntgen der HWS anfertigen. Als drei Tage später Nackensteife auftritt, haben Sie durch die zeitnahe Dokumentation bessere Chancen, den Zusammenhang nachzuweisen.
Wichtige Beweismittel: | Dokumentationsart | Beweiswert | |——————–|————| | Unfallprotokoll mit Beschwerdeangabe | Indiz für frühe Symptome | | Ärztlicher Primärbefund | Entscheidend für Diagnosesicherung | | Biomechanisches Gutachten | Widerlegt „Harmlosigkeitseinwand“ |
Vermeiden Sie Lücken in der Dokumentationskette – selbst ein eintägiges Zuwarten kann vor Gericht als Indiz für eine Bagatellverletzung gewertet werden.
Wie werden Folgeschäden bei HWS-Verletzungen rechtlich bewertet?
Grundsätzliche Bewertung von Folgeschäden
Bei HWS-Verletzungen können auch nach der regulären Heilungszeit von etwa zwei bis drei Wochen noch Folgeschäden auftreten. Die rechtliche Bewertung dieser Folgeschäden ist besonders wichtig, da bei 10-20% der Patienten eine Chronifizierung der Erkrankung eintritt.
Rechtliche Absicherung bei Folgeschäden
Die Ersatzpflicht des Schädigers erstreckt sich grundsätzlich auch auf psychische Folgeschäden einer primär erlittenen HWS-Verletzung. Ein Feststellungsbedürfnis entsteht, wenn künftige Gesundheitsentwicklungen nicht abschließend geklärt werden können.
Beweisführung und Kausalität
Bei der rechtlichen Bewertung von Folgeschäden müssen zwei Ebenen nachgewiesen werden:
- Die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfall und Primärverletzung
- Die haftungsausfüllende Kausalität für weitere Folgeschäden
Schmerzensgeldbemessung bei Folgeschäden
Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich nach der Schwere der Verletzung und den langfristigen Folgen. Bei schweren HWS-Verletzungen (Grad 3) mit dauerhaften Schäden können Schmerzensgelder deutlich höher ausfallen. Versicherungen sind oft bereit, ein höheres Schmerzensgeld zu zahlen, wenn der Verletzte auf eventuelle Folgeschädenansprüche verzichtet.
Bei einem atypischen Krankheitsverlauf, der länger als 14 Tage andauert, besteht die Möglichkeit, einen Feststellungsantrag zu stellen, um sich gegen eventuelle Dauerschäden auch nach Ablauf der regulären Verjährungszeit abzusichern.
Welche Fristen müssen bei der Geltendmachung von Schmerzensgeldforderungen nach HWS-Verletzungen beachtet werden?
Bei Schmerzensgeldforderungen nach HWS-Verletzungen gilt die reguläre Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB. Die Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem:
- der Anspruch entstanden ist und
- Sie Kenntnis von der Verletzung und dem Schädiger erlangt haben.
Fristbeginn bei verschiedenen Szenarien
Wenn Sie einen Auffahrunfall mit HWS-Verletzung im Oktober 2024 erleiden und der Unfallverursacher bekannt ist, beginnt die Verjährungsfrist am 31.12.2024 und endet am 31.12.2027.
Bei unbekanntem Unfallverursacher startet die Verjährungsfrist erst mit dem Ende des Jahres, in dem der Schädiger ermittelt werden konnte. Wird der Unfallverursacher beispielsweise erst im März 2025 ermittelt, beginnt die Frist am 31.12.2025 und endet am 31.12.2028.
Besondere Verjährungsfristen
Eine verlängerte Verjährungsfrist von 30 Jahren gilt in zwei Fällen:
- Bei bereits rechtskräftig festgestellten Ansprüchen durch ein Gerichtsurteil
- Bei Ansprüchen aus vorsätzlichen Taten
Fristhemmung
Die Verjährungsfrist kann gehemmt werden, wenn Sie Ihre Ansprüche gegen den Schädiger geltend machen. Bei einem Anerkenntnis des Anspruchs durch den Schädiger beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Ligamentäre Verletzungen
Eine Verletzung der Bänder (Ligamente), die die Wirbel der Halswirbelsäule verbinden und stabilisieren. Diese Verletzungen entstehen häufig durch plötzliche Bewegungen oder Überdehnung, wie sie bei einem Auffahrunfall vorkommen können. Die Diagnose erfolgt meist durch bildgebende Verfahren wie MRT. Gemäß § 823 BGB können solche Verletzungen Schadensersatzansprüche begründen. Ein typisches Beispiel ist das „Schleudertrauma„, bei dem die Bänder durch eine ruckartige Vor- und Rückwärtsbewegung des Kopfes überdehnt werden.
Feststellungsinteresse
Die rechtlich erforderliche Voraussetzung für eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO. Es liegt vor, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung eines Rechtsverhältnisses hat. Bei Körperverletzungen reicht meist schon die Möglichkeit zukünftiger Schäden aus. Der Kläger muss aber konkrete Anhaltspunkte für mögliche Spätfolgen darlegen. Beispiel: Nach einem Unfall möchte jemand gerichtlich feststellen lassen, dass der Unfallgegner für alle künftigen Schäden haftet.
Schmerzensgeld
Eine finanzielle Entschädigung für erlittene Schäden immaterieller Art wie körperliche und seelische Schmerzen, geregelt in § 253 Abs. 2 BGB. Die Höhe richtet sich nach Art, Schwere und Dauer der Verletzungen sowie dem Grad des Verschuldens des Schädigers. Auch dauerhafte Beeinträchtigungen werden berücksichtigt. Beispiel: Nach einem Verkehrsunfall mit Schleudertrauma können mehrere tausend Euro Schmerzensgeld zugesprochen werden, abhängig von der Schwere der Verletzung.
Feststellungsklage
Eine Klageart nach § 256 ZPO, mit der das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtlich festgestellt werden soll. Anders als bei einer Leistungsklage wird kein konkreter Geldbetrag gefordert, sondern die grundsätzliche Haftung für zukünftige Schäden. Bei Körperverletzungen wird sie oft zusätzlich zur Leistungsklage erhoben, um auch später auftretende Schäden abzusichern. Beispiel: Feststellung der Haftung für mögliche Spätfolgen einer HWS-Verletzung.
Bagatellverletzung
Eine leichte Verletzung von geringer Schwere und kurzer Dauer, die normalerweise keine oder nur geringe Folgen hat. Der BGH hat hierfür strenge Kriterien entwickelt. Bei HWS-Verletzungen muss die Bagatellgrenze überschritten sein, um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Ein klassisches Beispiel ist eine leichte Prellung, die nach wenigen Tagen ohne Behandlung abheilt.
Leistungsklage
Die häufigste Klageart im Zivilprozess, bei der ein bestimmter Anspruch (meist eine konkrete Geldsumme) eingeklagt wird. Der Kläger muss den eingeklagten Betrag genau beziffern. Grundlage ist die ZPO. Im Unterschied zur Feststellungsklage wird hier eine konkrete Leistung gefordert. Beispiel: Klage auf Zahlung eines bestimmten Schmerzensgeldes nach einem Unfall.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO: Diese Vorschrift regelt die Voraussetzungen, unter denen ein Gericht eine Berufung zurückweisen kann, wenn sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Sie dient dazu, das Prozessrecht effizient zu gestalten, indem unnötige Berufungsverfahren vermieden werden. Im vorliegenden Fall hat das OLG Hamm die Berufung des Klägers zurückgewiesen, weil das Landgericht die Klage bereits abgewiesen hatte und die Aussicht auf eine erfolgreiche Berufung als nicht gegeben erachtet wurde.
- §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1824 Abs. 2, § 181 BGB: Diese Paragraphen betreffen die Vertretung eines Kindes durch die Eltern und die Wirksamkeit von Abtretungen im familienrechtlichen Kontext. Sie stellen sicher, dass die rechtlichen Interessen von Minderjährigen angemessen vertreten werden. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob der Kläger durch eine wirksame Abtretung die Tochter seiner Mutter vertreten kann, wobei festgestellt wurde, dass die Vertretung durch den Vater mit Zustimmung der Ehegattin rechtmäßig ist.
- § 823 BGB – Schadensersatzpflicht: Dieser Paragraph regelt die Haftung für die Verletzung eines Rechtsguts, wie z.B. das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder das körperliche Wohlbefinden. Anspruch auf Schmerzensgeld besteht, wenn eine solche Verletzung nachgewiesen wird. Der Kläger konnte jedoch keine hinreichenden Belege für weitergehendes Schmerzensgeld vorlegen, weshalb seine Ansprüche als unbegründet abgewiesen wurden.
- § 256 Abs. 1 ZPO – Feststellungsklage: Diese Vorschrift bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Feststellungsklage zulässig ist. Ein Feststellungsinteresse liegt vor, wenn die Möglichkeit materieller oder immaterieller Schäden besteht. Das Gericht hat im vorliegenden Fall die Feststellungsklage des Klägers als unzulässig eingestuft, da das notwendige Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nicht gegeben war.
- Allgemeines Persönlichkeitsrecht: Dieses Grundrecht schützt das körperliche und seelische Wohlbefinden einer Person vor Eingriffen. Im Kontext von Zivilprozessen kann eine Verletzung dieses Rechts zu Schadensersatzansprüchen führen. Im vorliegenden Fall waren die behaupteten Verletzungen des körperlichen Wohlbefindens des Klägers nicht ausreichend nachgewiesen, was zur Ablehnung der entsprechenden Ansprüche führte.
Das vorliegende Urteil
OLG Hamm – Az.: I-7 U 120/23 – Beschluss vom 18.03.2024
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz