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HWS-Syndrom (schweres) – Verjährung der Ansprüche

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

Az.: 2 U 40/02

Verkündet am 23.05.2003

Vorinstanz: Landgericht Frankfurt – Az.: 2/31 O 338/01


In dem Rechtsstreit hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main- 2. Zivilsenat- im schriftlichen Verfahren – Schriftsatzfrist 30. April 2003- für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. Januar 2002 wird zurückgewiesen.

Dem Kläger fallen die Kosten der Berufung zur Last. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Parteien können die Sicherheitsleistung auch durch unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen inländischen Kreditinstitutes erbringen.

Tatbestand

Der Kläger hat am 06.09.1990 einen Verkehrsunfall erlitten, bei dem er verletzt worden ist. Die Beklagte ist die Versicherung des Unfallgegners, der an dem Unfall allein schuldig gewesen ist. Die Beklagte hat den materiellen Schaden des Klägers ersetzt. Außerdem hat sie ein Schmerzensgeld in Höhe von DM 800,– gezahlt. Der Kläger hatte bei dem Unfall ein schweres HWS-Schleudertrauma erlitten. In dem ärztlichen Gutachten vom 19.09.1990 (Bl. 39d.A.) der J-W-G-U. in F. wurde als vorläufige Diagnose festgestellt: „Schweres HWS-Schleudertrauma. Dringender Verdacht auf Hirnstammcontusion“. Nachdem zunächst die Folgen des HWS-Schleudertraumas zurückgingen, blieb die entsprechende Verletzung bei der Schadensregulierung zunächst außer Betracht. Der Kläger hat behauptet, er habe ständig unter Kopfschmerzen gelitten im Übergang vom Hals zum Schädelbereich sowie Rückenschmerzen und Schmerzen im HWS-Bereich. Deshalb befand er sich seit September 1990 fortlaufend in orthopädischer Behandlung.

Am 11. Oktober 1990 (Bl. 33 d. A.) schrieb die Beklagte an den Kläger. Sie führte dabei bezüglich des Schmerzensgeldes aus: „Als Schmerzensgeld halten wir nach dem derzeitigen Erkenntnisstand den von uns bereits regulierten Betrag in Höhe von 800,- DM für angemessen und ausreichend. Sollte ein darüber hinausgehender Anspruch geltend gemacht werden, bitten wir uns nach Abschluss der Heilbehandlung kurz zu informieren; wir behalten uns vor, dann unsererseits einen Arztbericht anzufordern und die Höhe des Schmerzensgeldes erneut zu überprüfen.“

Am 20. November 1990 reichte der Kläger gegen die Beklagte wegen des Verkehrsunfalls eine Zahlungsklage in Höhe von DM 1.500,- beim Amtsgericht in Frankfurt am Main ein (Az. 31 C 4464/90).

Nachdem die Beklagte Zahlung an den Kläger geleistet hatte, die genaue Höhe ist streitig, nahm der Kläger die Klage zurück.

Die Akten des Amtsgerichts sind nachdem inzwischen mehr als 10 Jahre verstrichen sind, vernichtet worden.

Am 01.02.1991 sowie am 03.11.1992 erlitt der Kläger zwei weitere Unfälle, bei denen HWS-Distorsionen ärztlich festgestellt wurden.

Im September 1998 wurde bei einer sogenannten MRT-Untersuchung ein „Late Whiplash Injury Syndrome“ diagnostiziert (s. Gutachten der Neurootologie der Universitätsklinik in W. vom 02.09.1998, Bl. 52 d.A.).

Der Kläger hat behauptet, er leide unter Dauerschäden. Er ist seit Juni 1998 arbeitsunfähig. Der Kläger hat behauptet, er habe erstmals im Oktober 1998 durch Einsichtnahme in die neurologischen Befundberichte Kenntnis davon erhalten, dass bereits im September 1990 bei ihm eine Hirnstammcontusion festgestellt worden sei. Er hat ferner behauptet, seit April 1995 leide er unter einem beidseitigen Tinnitus, Gleichgewichts-, Seh- und Hörstörungen sowie Hyperosmie. Ferner leide er unter Geruchs-, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie erheblichen Kopfschmerzen. Er hat behauptet, diese Spätfolgen seien auf das Unfallereignis vom 06.09.1990 zurückzuführen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, aufgrund der eingetretenen gesundheitlichen Spätfolgen aus dem Unfallereignis vom 06.09.1990 für den Zeitraum ab April 1995 bis zum 30.04.2001 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, zuzüglich eines Zinssatzes von 5% über dem zum Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes seit dem 01.05.2001;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aufgrund der eingetretenen gesundheitlichen Spätfolgen aus dem Unfallereignis vom 06.09.1990 ab dem 01.05.2001 eine monatliche Schmerzensgeld rate zu zahlen, deren Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, zuzüglich eines Zinssatzes von 5% über dem zum Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes seit dem 01.05.2001;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen Schäden zu ersetzen, die aufgrund der eingetretenen Spätfolgen aus dem Unfallereignis vom 06.09.1990 entstanden sind und entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht infolge sachlicher oder zeitlicher Kongruenz auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat dazu erklärt, dem Kläger sei bereits seit dem Unfall bekannt gewesen, dass er ein schweres HWS-Schleudertrauma erlitten habe und deswegen der Verdacht, und zwar der dringende, auf eine Hirnstammcontusion bestanden habe. Mit einem Spätschaden sei sowohl für beteiligte Fachkreise zu rechnen gewesen, auch sei dies für den Kläger selbst vorhersehbar gewesen. Ferner hat sie vorgetragen, dass die beiden weiteren HWS-Schleudertraumata 1991 und 1992 für den späteren Schaden beim Kläger mitursächlich gewesen seien.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und als Begründung die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung gemäß § 852 Abs. 1 BGB a.F. als gegeben angesehen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Er ist der Ansicht, dass vorliegend die dreijährige Verjährung gemäß § 852 BGB a.F. nicht eingetreten sei, da gemäß § 3 Abs. 3 PflVG die Verjährungsfrist des § 852 BGB a.F. gemäß § 3 Abs. 3 PflVG gehemmt gewesen sei bis zur Erhebung der Klage. Die zehnjährige Frist des § 3 Abs. 3 Satz 2 PflVG sei keine absolute Verjährungsfrist. Er meint, die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen der Hemmung der Verjährung gemäß § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG seien vorliegend gegeben. So sei der Unfall bereits am 11.09.1990 der Beklagten gemeldet worden mit einer Forderungsaufstellung vom 14.09.1990. Damit sei aber gemäß § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG die Verjährung bis zum Eingang einer schriftlichen Entscheidung der Beklagten gehemmt. Bis zum 11.10.1990 seien sodann noch Schreiben zwischen den Parteien gewechselt worden, die sich teilweise zeitlich überschnitten hätten. Das Schreiben der Beklagten vom 11.10.1990 stelle nach Ansicht des Klägers keine endgültige Ablehnung weiterer Zahlung dar (Bl. 33-34 d.A.). Vielmehr sei die Zahlung weiteren Schmerzensgeldes ausdrücklich vorbehalten worden. Der Kläger ist ferner der Auffassung, zwar sei mit dem Schreiben vom 11.10.1990 eine über 800,- DM hinausgehende Schmerzensgeldzahlung von der Beklagten abgelehnt worden, doch stelle dies keine erschöpfende, umfassende und endgültige Erklärung der Gestalt dar, dass zukünftiger Schaden nicht gezahlt werde.

Der Kläger beantragt nunmehr,

1. die Beklagte unter Abänderung des am 25.01.2002 verkündeten Urteils des Landgerichtes Frankfurt am Main zu Az. 2-31 O 338/01 zu verurteilen, an den Kläger aufgrund der gesundheitlichen Spätfolgen aus dem Unfallereignis vom 06.09.1990 für den Zeitraum ab April 1995 bis zum 30.04.2001 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichtes gestellt wird, zuzüglich 5 Prozentpunkten über Basiszins seit dem 01.05.2001,

2. die Beklagte unter Abänderung des am 25.01.2002 verkündeten Urteils des Landgerichtes Frankfurt am Main zu Az. 2-31 O 338/01 zu verurteilen, an den Kläger aufgrund der eingetretenen gesundheitlichen Spätfolgen aus dem Unfallereignis vom 06.09.1990 ab dem 01.05.2001 eine monatlich jeweils im Voraus zu leistende Schmerzensgeldrente zu zahlen, deren Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichtes gestellt wird, zuzüglich 5 Prozentpunkten über Basiszins seit dem 4. Werktag des jeweiligen Monats,

3. unter Abänderung des am 25.01.2002 verkündeten Urteil des Landgerichtes Frankfurt am Main zu Az. 2-31 O 338/01 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen Schäden zu ersetzen, die aufgrund des Unfallereignisses vom 06.09.1990 entstanden sind und noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hat in der zweiten Instanz erstmals vorgetragen, dass der Kläger vor dem Amtsgericht Klage gegen sie eingereicht gehabt hätte, dass dort DM 1.500,-Schmerzensgeld gezahlt worden seien, und dass der Kläger daraufhin die Klage vor dem Amtsgericht zurückgenommen habe (siehe Schreiben des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 28.01.1991, Bl. 101 d.A.). Sie ist der Auffassung, dass spätestens damit eine Hemmung gemäß § 3 Abs. 3 PflVG entfallen sei, so dass vorliegend Verjährung am 31.12.1993 eingetreten wäre. Im übrigen ist sie der Auffassung, dass eventuelle nichtverjährte Ansprüche verwirkt seien, da während elf Jahren der Kläger keinerlei Ansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht habe und es insoweit auf die weiteren Vorfälle im Jahre 1991 und 1992, bei denen der Kläger unstreitig weitere Verletzungen der Halswirbelsäule erlitten habe, nicht mehr ankomme.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht vorliegend die Klage abgewiesen. Die vom Kläger mit seiner Klage geltend gemachten Ansprüche sind gemäß § 852 BGB a. F. verjährt. Die Verjährung ist nicht gemäß § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG gehemmt gewesen. Zwar sind Ansprüche gemäß § 3 Nr. 3 PflVG solange gehemmt, bis die Versicherung in einem endgültigen abschließenden schriftlichen Bescheid weitere Zahlungen ablehnt (siehe hierzu BGH in MDR 1996 Seite 259 f; so auch in NJW 2000, 861 (862); in VersR 1991, 115 so auch OLG Frankfurt in OLG-Report 2002 Seite 117(118)). Jedoch bedurfte es vorliegend eines solchen schriftlichen Bescheides seitens der Beklagten nicht. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob das Schreiben der Beklagten vom 11. Oktober 1990 (Bl. 33 d. A.) eine solche endgültige Ablehnung weiterer Zahlungen bezüglich des Schmerzensgeldes darstellt. Inzwischen ist zwischen den Parteien unstreitig, dass am 20. November 1990 seitens des Klägers Klage gegen die Beklagte beim Amtsgericht Frankfurt am Main, Az. 31 C 4464/90 (siehe Bl. 294 d.A.), eingereicht worden ist. Gleichfalls unstreitig wurde nach Zahlung durch die Beklagte die Klage endgültig zurückgenommen. In einem solchen Fall bedarf es aber keiner schriftlichen Erklärung seitens der Beklagten mehr, dass sie weitere Zahlungen nicht mehr leisten werde. Ein solches Schreiben wäre eine reine Förmelei. Durch die Klageeinreichung hat der Kläger erklärt, welche Zahlungen er noch fordert. Nachdem die Beklagte diesem Begehren nachgekommen ist und die Klage zurückgenommen worden ist, hat der Kläger zu erkennen gegeben, dass er weitere Forderungen nicht mehr erheben werde. Hier noch eine zusätzliche schriftliche Erklärung der Beklagten, dass weitere Zahlungen nicht erbracht werden würden, zu fordern, wäre eine reine Förmelei und würde Treu und Glauben widersprechen (§ 242 BGB). Der Kläger hat durch die Rücknahme der Klage eindeutig zu erkennen gegeben, dass er weitere Ansprüche gegenüber der Beklagten nicht mehr geltend machen werde, zumal ersieh die Forderung weiterer Zahlungen für die Zukunft seitens der Beklagten nicht vorbehalten hat. Damit war mit der Klagerücknahme nach Zahlung der Klageforderung durch die Beklagte eine endgültige Schadensabrechnung erfolgt. Spätestens damit entfiel die hemmende Wirkung des § 3 Abs. 3 PfIVG. Somit war die dreijährige Verjährungsfrist spätestens am 31.12.1993 eingetreten.

Nach alledem kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger aufgrund des Gutachtens der Universität Frankfurt am Main vom 19.09.1990 bereits Kenntnis davon hatte, dass bei ihm ein dringender Verdacht auf Hirnstammkontusion vorgelegen hat. Bei solcher Kenntnis waren sowohl für ihn als insbesondere auch für Ärzte spätere Schäden aufgrund der beim Kläger unstreitig aufgetretenen Symptome vorhersehbar.

Es kommt ferner nicht darauf an, ob durch unstreitig zwei weitere Wegeunfälle am 01.02.1991 sowie am 03.11.1992, die gleichfalls Schäden an der Halswirbelsäule zur Folge hatten, die danach beim Kläger aufgetretenen Schäden alleine oder zumindest überwiegend durch die beiden neuen Wegeunfälle verursacht worden sind.

Nachdem vorliegend die Ansprüche des Klägers verjährt sind, kann dahingestellt bleiben, ob gegebenenfalls die Geltendmachung der Ansprüche verwirkt war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, da der Kläger mit seinem Rechtsmittel keinen Erfolg gehabt hat.

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 26 Nr. 7 EGZPO in Verbindung mit § 543 Abs. 2 ZPO n. F.).

 

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