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Immobiliardarlehensvertrag – Kündigungsrecht nach § 494 Abs. 6 S. 1 BGB

OLG Frankfurt – Az.: 10 U 184/17 – Urteil vom 22.02.2019

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10.11.2017 – Az.: 2-18 O 100/17 – wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten der Berufung zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach den Urteilen vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Feststellung hinsichtlich der Kündigung eines Immobiliardarlehensvertrages in Anspruch.

Zwischen den Parteien kam im Dezember 2013 ein Darlehensvertrag zu einer „Baufinanzierung“ zu Stande. Der Vertrag enthielt eine Widerrufsbelehrung. Unter der Zwischenüberschrift „12. Außerordentliches Kündigungsrecht der Bank“ enthielt der Vertrag Regelungen zum Kündigungsrecht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertragsinhaltes wird auf die Anlage K 1 (Anlagenband) verwiesen.

Die Kläger haben durch Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 13.7.2017 (Bl. 20 d. A.) die Kündigung des Darlehensvertrages erklärt. Sie haben gemeint, ihnen stehe ein Kündigungsrecht gemäß § 494 Abs. 6 BGB zu. Zwar sei der Vertrag, weil es sich bei den fehlenden Angaben zur Kündigungsmöglichkeit nicht um eine Pflichtangabe im Sinne von Artikel 247 EGBGB handele, nicht nichtig. Nach der Intention des Gesetzgebers bleibe aber das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers bestehen.

Die Kläger haben beantragt, festzustellen, dass die von ihnen ausgesprochene Kündigung des mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrages Nummer … wirksam ist, so dass der Darlehensvertrag hierdurch beendet wurde.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, ein Kündigungsrecht nach § 494 Abs. 6 Satz 1 BGB stehe dem Darlehensnehmer deswegen nicht zu, weil Informationen zu gesetzlichen Kündigungsrechten des Darlehensnehmers bei Immobiliardarlehen nicht zu den Angaben gehörten, die in den Vertragstext aufgenommen werden müssten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Zulässigkeit des Feststellungsantrages könne offenbleiben, weil die Klage im Ergebnis unbegründet sei. Die streitgegenständliche Angabe sei nach der Bereichsausnahme des Art. 247 § 9 EGBGB keine „zwingende“ Angabe nach § 492 BGB. Deshalb sei die Widerrufsbelehrung für sich genommen nicht zu beanstanden. Hiervon zu trennen sei die Frage, ob ohne diese Angabe die gesetzliche Kündigungsmöglichkeit des § 494 BGB auch für Immobiliardarlehensverträge fortbestehe. Dies sei aus den Gründen des Aufsatzes von Feldhusen (NJW 2017, 1905) zu verneinen. Die dort angestellte systematische Überlegung sei überzeugend. Die Kündigungsmöglichkeit des § 494 BGB stelle danach die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die fehlerhafte Darstellung des Vertragsinhaltes im Sinne von Abs. 1 dieser Norm dar. Während der Gesetzgeber für einige, als besonders schwerwiegend erachtete Verstöße die Nichtigkeitsfolge des Vertrages anordne, die bei Vorliegen einiger Ausnahmetatbestände wiederum geheilt werden könne, räume Abs. 6 als eine für den Verbraucher günstigere Möglichkeit diesem „nur“ ein fortbestehendes Kündigungsrecht ein. Allerdings setze auch das Vorliegen eines solchen Kündigungsrechtes entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Koblenz einen Verstoß gegen die Angabepflicht nach Abs. 1 der Vorschrift voraus. Durch den in Abs. 1 enthaltenen Verweis unter anderem auf Art. 247 § 9 EGBGB werde klar, dass der Verstoß bei Immobiliardarlehensverträgen ausschließlich Bereiche betreffen könne, die in Art. 247 EGBGB als zwingend aufgeführt würden. Darunter fielen die von den Klägern vermissten detaillierteren Angaben zum Kündigungsrecht aber gerade nicht (Urteil des LG Frankfurt am Main vom 28.9.2017 – 2-21 O 213/17 – = Anlage B 1, Bl. 49 ff. d.A.). Für diese Bewertung spreche auch der Umstand, dass dem Darlehensnehmer bei Immobiliardarlehensverträgen weitere gesetzliche Kündigungsmöglichkeiten, beispielsweise im Rahmen von § 489 BGB, eingeräumt würden. Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, der vom Landgericht festgestellten Tatsachen sowie der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidung verwiesen (Bl.60 – 64 d.A.).

Gegen das ihnen am 23.11.2017 zugestellte Urteil haben die Kläger am 7.11.2017 Berufung eingelegt, welche sie am 23.1.2018 begründet haben. Wie das Oberlandesgericht Koblenz zutreffend festgestellt habe (OLG Koblenz, Beschluss vom 15.10.2015 – 8 U 241/15 -, juris), führe das Fehlen einer nicht von den Pflichtangaben umfassten anderen Angabe nicht zur Nichtigkeit, sondern zur Anwendbarkeit der gesetzlichen Regeln, vorliegend des Kündigungsrechts des § 494 Abs. 6 BGB. In § 13 Abs. 1 VerbrKredRL sei die Wertung enthalten, dass ein unbefristeter Vertrag jederzeit unentgeltlich kündbar sei. § 494 Abs. 6 S. 1 BGB regele die Folgen, wenn im Vertrag Angaben zum Kündigungsrecht fehlten; eine Unterscheidung nach Allgemein- und Immobiliardarlehensvertrag erfolge darin nicht. Es sei nicht ersichtlich, wieso der Gesetzgeber das Kündigungsrecht nur in der Konstellation eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrages gemeint haben sollte. Die Kommentierung in Palandt/Weidenkaff (§ 494 BGB Rn. 1 und 10), auf welche das OLG Koblenz verweise, sei insofern zutreffend. Hierfür sprächen auch die Gesetzesbegründungen. So heiße es dort, dass bei Fehlen zusätzlicher Angaben „zwar der Darlehensvertrag nicht nichtig“ sei. „…In diesen Fällen erscheint es angemessen, dem Darlehensnehmer ein uneingeschränktes Kündigungsrechts zu zugestehen.“ (BT-Drucks. 16/11643, S. 81 ff.). Auch in Anbetracht von Art 247 § 9 EGBGB a.F. gelte nichts anderes. In der Gesetzesbegründung heiße es: „Fehlen andere als die sich aus dem Abs. 1 ergebenden Angaben im Vertrag, soll nicht die Nichtigkeitsfolge des § 494 BGB eintreten. Vielmehr tritt an die Stelle einer vertraglichen Vereinbarung die jeweilige gesetzliche Regelung…“. Auch das Landgericht Hamburg vertrete in einem Hinweis vom 15.5.2018 (Anlage K 4, Bl. 105 ff. d.A.) die Ansicht, dass das Kündigungsrecht aus § 494 Abs. 6 S. 1 BGB auch dann bestehe, wenn Angaben zum Kündigungsrecht, die nicht zwingend vorgeschrieben seien, fehlten. In der Literatur werde ebenfalls von einer uneingeschränkten Anwendbarkeit von § 494 Abs. 6 S. 1 BGB ohne Unterscheidung von Allgemein- und Immobiliardarlehensverträgen ausgegangen. Ferner enthalte § 494 Abs. 6 S. 3 BGB eine Einschränkung für den Fall, dass ein Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag vorliege. Daraus ergebe sich, dass § 494 Abs. 1 BGB insgesamt grundsätzlich sowohl Allgemein- als auch Immobiliardarlehensverträge umfasse. Die Auffassung von Feldhusen, wonach eine Kündigung gemäß § 494 Abs. 6 BGB nur in Betracht komme, wenn es an einer nach § 494 Abs. 1 BGB für Verbraucherdarlehensverträge vorgeschriebenen Angabe fehle und zudem Heilung eingetreten sein müsse, überzeuge nicht. Dies hätte der Gesetzgeber ausdrücklich regeln können. Dass bei Immobiliardarlehen weitere Kündigungsrechte bestünden, spreche nicht gegen die Anwendbarkeit von § 494 Abs. 6 BGB, der dem Interessenausgleich und Schutz des Darlehensnehmers diene. Sollte man zu einem anderen Ergebnis gelangen, sei in Anbetracht der dann abweichenden Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Koblenz und aufgrund grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen.

Vorsorglich haben die Kläger mit Schreiben vom 16.10.2018 (Anlage K 5, Bl. 132 f. d.A.) erneut die Kündigung gegenüber der Beklagten ausgesprochen.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 2-18 O 100/17) aufzuheben und festzustellen, dass die von ihnen ausgesprochene Kündigung des mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrages Nummer … wirksam ist, so dass der Darlehensvertrag hierdurch beendet wurde.

Hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht die Rechtsauffassung vertreten sollte, dass die Klage an § 489 Abs. 3 BGB scheitert, beantragen die Kläger, festzustellen, dass der Darlehensvertrag Nr. … vom 16.12.2013 mit Schreiben vom 16.10.2018 rechtswirksam gekündigt wurde mit der Folge, dass sie zum 30.4.2019 zur Tilgung des Darlehens ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung berechtigt sind.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz sei unzutreffend. Die darin angeführte Fundstelle (Staudinger Kessal-Wulf, BGB, § 503 Rn 2) belege bei vollständiger Lektüre ihre Rechtsansicht. Die gesetzlichen Kündigungsrechte des Darlehensnehmers gehörten bei Immobiliardarlehen nicht zu den vorgeschriebenen Angaben, die nach § 492 Abs. 2 BGB in den Vertragstext aufgenommen werden müssten. Die vom Oberlandesgericht Koblenz angeführte Fundstelle Palandt/Weidenkaff (BGB, § 494 BGB Rn. 1 und 10) beziehe sich ausschließlich auf den Allgemeinverbraucherdarlehensvertrag. In einem Hinweisbeschluss vom 31.10.2018 habe das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az.: 17 U 221/18) hingegen die Ansicht vertreten, dass Angaben zum Kündigungsrecht im Sinne von § 494 Abs. 6 BGB a. F. nur dann fehlten, wenn sie gemäß Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB a. F. bzw. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB a. F. in den Vertrag aufzunehmen gewesen waren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, da die Kündigung der Kläger unwirksam war.

Ein Kündigungsrecht gemäß § 494 Abs. 6 S. 1 BGB bestand nicht. Diese Norm setzt voraus, dass im Vertrag Angaben zum Kündigungsrecht fehlten, was nicht der Fall ist. Die Informationspflichten bei Verbraucherdarlehensverträgen sind in Art. 247 EGBGB geregelt. Dort war in § 9 Abs. 1 a. F. geregelt, dass bei Verträgen gemäß § 503 BGB a. F. abweichend von den §§ 3 bis 8, 12 und 13 EGBGB (nur) die Angaben nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 7, 10 und 13 sowie nach § 3 Abs. 4 und nach § 8 zwingend sind. Dies entspricht im Wesentlichen der aktuellen Gesetzeslage, auch wenn dies nun in der aktuellen Fassung des § 6 Abs. 1 S. 2 deutlicher dargestellt wird. Danach sind für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge abweichend von § 6 Abs. S. 1 nur die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 7, 10 und 13 sowie Abs. 4 genannten Angaben zwingend. Angaben zum Kündigungsrecht wie sie für den Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag in § 6 Abs. 1 S. 1 vorgeschrieben sind, sind und waren deshalb für den Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge im Sinne des § 503 BGB a.F. nicht vorgeschrieben.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der streitgegenständliche Vertrag ein Immobiliardarlehensvertrag im Sinne des § 503 Abs. 1 a. F. BGB ist. Daraus folgt, dass sich aus den Regelungen des Art. 247 §§ 1 ff. EGBGB keine Pflicht ergab, Angaben zum Kündigungsrecht in den Vertrag aufzunehmen.

Deshalb bestand kein Kündigungsrecht aus § 494 Abs. 6 S. 1 BGB, denn diese Norm setzt voraus, dass Angaben zum Kündigungsrecht im Vertrag fehlten, obgleich diese gesetzlich vorgeschrieben waren. Die vereinzelten Stimmen in Rechtsprechung (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 15.10.2015 – 8 U 241/15 -, juris; Landgericht Hamburg, Verfügung vom 15.5.2018, Anlage K 4, Bl. 105 d.A.) und Literatur (vgl. Knops, in: beck-online, Großkommentar, Gesamt-Hrsg. Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 1.9.2018, § 494 Rn. 38; Wiese, in: Schulze, BGB, 10. Auflage 2019, § 494 Rn. 9), die dies anders beurteilen, überzeugen unter Berücksichtigung des Wortlauts, des systematischen Zusammenhangs und Sinn und Zweck der Norm sowie der Gesetzgebungsgründe nicht.

Zwar lässt der Wortlaut des § 494 Abs. 6 S. 1 BGB eine Auslegung dahin zu, dass auch eine Berechtigung zur Kündigung statuiert wird, wenn Angaben zur Kündigung – wie im Falle des Immobiliardarlehensvertrages – nicht vorgeschrieben sind. Die Verwendung des Wortes „fehlen“ legt hingegen den Schluss nahe, dass es sich um eine an sich geschuldete Angabe handeln muss. Denn falls die Sanktion unabhängig von der Verpflichtung, Angaben zum Kündigungsrecht in den Vertrag aufzunehmen, bestehen sollte, hätte es näher gelegen, eine Formulierung wie „sind im Vertrag Angaben zur Laufzeit oder zum Kündigungsrecht nicht angegeben…“ oder „enthält der Vertrag keine Angaben zum Kündigungsrecht…“ zu verwenden. Eine ähnliche Formulierung befindet sich in § 494 Abs. 4 S. 2 BGB, wo es heißt „Ist im Vertrag nicht angegeben,….“. Dieses Verständnis legt auch § 494 Abs. 2 S. 2 BGB nahe. Dort verwendet der Gesetzgeber das Wort „fehlt“, wo es um die Angabe des Sollzinssatzes, des effektiven Jahreszinses oder des Gesamtbetrags geht. Diese Angaben sind allesamt in Art. 247 § 3 Abs. 1 EGBGB verpflichtend vorgesehen. Vor allem ergibt sich dies auch aus der Entwurfsbegründung (BT-Drucks. 16/11643 Seite 82 „zu Abs. 6 (Fehlen weiterer Angaben“): „Abs. 6 S. 1 ist neu und regelt die Rechtsfolgen bei fehlenden Angaben im Vertrag zum Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder zur Laufzeit (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 6, § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB-E). In diesen Fällen erscheint es angemessen, dem Darlehensnehmer ein uneingeschränktes Kündigungsrecht zuzugestehen“. Daraus ist ersichtlich, dass der Entwurf das uneingeschränkte Kündigungsrecht nur zugestehen wollte, wenn die in § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB-E vorgeschriebenen Angaben fehlen.

Auch Sinn und Zweck des § 494 BGB sprechen hierfür. Durch die Regelungen in § 494 Abs. 2 S. 2 bis Abs. 6 S. 1 BGB a. F. legt der Gesetzgeber den Vertragsinhalt beim Fehlen entsprechender Vereinbarung der Parteien fest. Ein freies Kündigungsrecht für den Verbraucher stellt eine erhebliche Sanktion dar, die nur bei einem Verstoß gegen gesetzliche Pflichten angemessen wäre (vgl. LG Heilbronn, Urteil vom 2.5.2018 – Ve 6 O 67/18 -, juris Rn. 22; Schürnbrand, in: MüKo, BGB, 7. Aufl. 2016, § 494 Rn. 30). Da für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge (§ 503 BGB a. F.) Angaben zum Kündigungsrecht nicht vorgeschrieben sind, ist eine solche Sanktion nicht geboten (Möller, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 48. Edition, Stand: 01.08.2018, § 494 Rn. 19). Dies hat auch der 17. Senat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in einer aktuellen Entscheidung so gesehen und zutreffend ausgeführt, dass die Frage, ob die Angaben zum Kündigungsrecht im Sinne von § 494 Abs. 6 BGB a. F. „fehlen“ und mithin eine Berechtigung zur Kündigung besteht, davon abhängt, ob sie gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB a. F. in den Vertrag aufzunehmen waren (OLG Frankfurt, Beschluss vom 31.10.2018 – 17 U 221/18 -).

Die Vorschrift des § 494 Abs. 6 BGB ist vielmehr dahin zu verstehen, dass sie lediglich die Rechtsfolgen regelt, wenn die in Art. 247 §§ 1 ff. EGBGB aufgeführten Angaben im Vertrag fehlen (LG Frankfurt, Urteil vom 28.9.2017, 2-21 O 213/17 = Anlage B 1, Bl. 49, 57 d.A.). Sie greift nicht in die detaillierten Regelungen des Art. 247 EGBGB ein und konstruiert auch keine weiteren zusätzlichen im Vertrag aufzunehmenden Angaben. Denn in Art. 247 EGBGB hat der Gesetzgeber ausdrücklich und abschließend geregelt, welche Angaben in Verbraucher-darlehensverträgen enthalten sein müssen. Dass der Gesetzgeber in diese Regelungen, die insbesondere in § 9 a.F. (bzw. § 6 Abs. 1) hinsichtlich der erforderlichen Angaben im Vertrag zwischen Allgemein-Verbraucher-darlehensverträgen und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen differenzieren, durch die Regelung des § 494 Abs. 6 S. 1 BGB eingreifen und faktisch weitere Pflichtangaben konstruiert wollte, die in Immobiliar-Verbraucher-darlehensverträgen aufgenommen werden müssen, um nicht ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Darlehensnehmers entstehen zu lassen, ist nicht anzunehmen.

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Zwar heißt es in der Gesetzesbegründung unter anderem: „Die bislang in den Sätzen 3 bis 5 genannten Rechtsfolgen sollen nunmehr in den Absätzen 4 bis 6 geregelt werden, da sie immer eintreten, wenn ihre Voraussetzungen vorliegen, unabhängig davon, ob der Vertrag nichtig war, aber geheilt worden ist, oder aber von Anfang an rechtsgültig war“ (BT-Drucks. 16/11643, S. 81). Dies könnte man isoliert betrachtet dahin verstehen, dass auch eine Berechtigung zur Kündigung gegeben ist, wenn Angaben zum Kündigungsrecht, wie im Falle des Immobiliardarlehensvertrages, nicht vorgeschrieben sind. Dem ist aber nicht so. Denn in der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich zwischen Pflichtangaben, deren Fehlen grundsätzlich zur Nichtigkeit des Vertrags führen und „zusätzlichen Angaben“ die Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB vorsieht, differenziert. Fehlen diese zusätzlichen Angaben, wie z.B. zu Sicherheitsleistungen, sei der Darlehensvertrag nicht nichtig, die Sicherheit (oder die Vorfälligkeitsentschädigung bzw. sonstige Zusatzleistung) könne aber nicht verlangt werden (BT-Drucks. 16/11643, S. 81). Daraus ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber die in § 494 Abs. 4 bis 6 BGB geregelten Rechtsfolgen zwar nicht von der ursprünglichen Nichtigkeit des Vertrages, aber davon abhängig machen wollte, dass Angaben im Vertrag fehlen, die in Art. 247 §§ 1 ff. EGBGB vorgeschrieben sind. Dass der Gesetzgeber darüber hinaus noch eine dritte Kategorie von Angaben schaffen wollte, die sich abweichend von Art. 247 §§ 1 ff. EGBGB und unmittelbar aus § 494 Abs. 6 BGB ergeben soll, lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Dies haben das Oberlandesgericht Koblenz in seinem Hinweisbeschluss vom 15.10.2015 (- 8 U 241/15 -, juris) sowie das Landgericht Hamburg (Verfügung vom 15.5.2018, Bl. 105 ff. d. A.) nicht berücksichtigt. Beide Gerichte haben lediglich darauf abgestellt, dass § 494 Abs. 6 BGB nicht nur im Falle der ursprünglichen Nichtigkeit anwendbar sei. Da aus Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB a. F. „zusätzliche Angaben“ resultieren, deren Fehlen nicht die Nichtigkeit des Vertrages nach sich zieht, verbleibt für die Vorschrift des § 494 Abs. 6 BGB ein Anwendungsbereich bei (von Anfang an) wirksamen Verträgen auch dann, wenn man sie auf Immobiliar-Verbraucherdarlehen für nicht anwendbar erachtet.

Schließlich wird auch in der Kommentarliteratur weitgehend davon ausgegangen, dass der Darlehensnehmer – nur dann – jederzeit zur Kündigung berechtigt ist, wenn im Vertrag entgegen Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EGBGB Angaben zum Kündigungsrecht fehlen (Palandt/Weidenkaff BGB, 77. Aufl., § 494 Rn.10; Schürnbrand, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 494 Rn. 38; Soergel/Seifert, BGB, Band 7, 13. Aufl., § 494 Rn. 27; Peters, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 81 Rn. 270; Möller, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 48. Edition, Stand: 01.08.2018, § 494 Rn. 19).

Ein anderweitiges Kündigungsrecht des Darlehensvertrages mit gebundenen Sollzinssatz für die Dauer von 10 Jahren wurde weder vorgetragen noch ist ein solches ersichtlich. Deshalb ist die Kündigung unwirksam, so dass das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.

Über den Hilfsantrag ist mangels Bedingungseintritts nicht zu entscheiden. Die Abweisung der Klage beruht nicht darauf, dass die Kläger den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach (dem vermeintlichen) Wirksamwerden der Kündigung gemäß § 489 Abs. 3 BGB zurückgezahlt haben.

Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, auch wenn die zentrale Rechtsfrage bislang vom Bundesgerichtshof nicht entschieden worden ist. Durch Anwendung der gängigen Auslegungsmethoden lässt sich die vorliegende Rechtsfrage hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 494 Abs. 6 BGB klar beantworten. Abweichende, verfahrensabschließende Entscheidungen andere Obergerichte sind nicht bekannt. Das Oberlandesgericht Koblenz (Beschluss vom 15.10.2015 – 8 U 241/15 -, juris) hat die Rechtsfrage nur im Rahmen eines Hinweisbeschlusses anders beurteilt. Die abweichenden Ansichten in der Literatur sind vereinzelt geblieben und auch nicht hinreichend begründet. Aus denselben Gründen erfordert auch weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

 

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