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Industriehaftpflichtversicherung und Nutzungsausfallschaden

BGH, Az: IVa ZR 183/83, Urteil vom 25.09.1985

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Juni 1983 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin hat bei der Beklagten eine Industriehaftpflichtversicherung abgeschlossen, der die AHB zugrunde liegen.

Industriehaftpflichtversicherung und Nutzungsausfallschaden
Symbolfoto: lagardie / Bigstock

Im Jahre 1976 lieferte die Klägerin der Firma B drei Bohrinselkräne und montierte im selben Jahr zwei davon auf einer Bohrinsel. Am 8. Dezember 1976 wurde einer der Kräne anstelle eines ausgefallenen Manitowac- Kranes dazu verwendet, ein Rohr aus dem Meeresboden zu ziehen. Infolge eines Mangels an der Rolldrehverbindung zwischen Kran und Grundsäule stürzte der Kran bei starker Belastung ein.

Die Firma B nahm die Klägerin auf Ersatz der ihr entstandenen Schäden in Anspruch, die in einer „Schedule of Loss“ zusammengefaßt waren. Darin heißt es unter VI:

Mehrleistungen an die mit der Herstellung der Insel beauftragte Firma wegen Verlängerung der Arbeitsdauer (unstreitig um 5 Tage wegen der Behinderung durch Trümmer des zerstörten Kranes und um weitere 18 1/2 Tage wegen des Fehlens des Kranes).

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Deckungsschutz für diese Schadensposition. Die Beklagte hält sich zur Deckung nicht für verpflichtet, weil ein nicht versichertes Erfüllungsinteresse geltend gemacht werde. Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Verlängerung der Arbeitsdauer um 5 Tage, die sich aus der Behinderung durch Trümmer des Kranes ergab, stattgegeben. Hinsichtlich der weiteren 18 1/2 Ausfalltage hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wegen der Teilabweisung der Klage ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr abgewiesenes Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Ersatz des Schadens, der durch Verlängerung der Arbeitsdauer um 18 1/2 Tage wegen Fehlens des Krans entstanden ist, nach § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB nicht vom Versicherungsschutz umfaßt ist. Nach § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB ist neben der Erfüllung von Verträgen auch die an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung nicht Gegenstand der Haftpflichtversicherung. Die Klägerin verlangt hier Deckungsschutz für eine an die Stelle der Erfüllungsleistung getretene Ersatzleistung.

Unter einer solchen Ersatzleistung (Erfüllungssurrogat) im Sinne von § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. zuletzt Urteil vom 9.04.1975 – IV ZR 4/74 – VersR 1975, 557, 558) die vom Versicherungsnehmer zum Ausgleich des Erfüllungsinteresses seines Gläubigers im Rahmen des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung zu erbringende Ersatzleistung zu verstehen. Soweit Littbarkski (VersR 1982, 915, 918) meint, diese Begriffsbestimmung führe zu Abgrenzungsschwierigkeiten, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Werkvertragsrecht gewisse nächste Mangelfolgeschäden in die Gewährleistungshaftung nach § 635 BGB einbezogen werden müssen, so begründet dies nach Ansicht des Senats aus den in BGHZ 80, 284 genannten Gründen keinen durchgreifenden Einwand gegen die versicherungsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. In dieser Entscheidung, der auch Littbarski zustimmt, hat der Senat unter Hervorhebung der unterschiedlichen Interessenlage dargelegt, daß die werkvertragsrechtliche Rechtsprechung im Deckungsprozeß des Versicherten gegen den Versicherer nicht anzuwenden ist. Der Senat hat daher keinen Anlaß, von der bisherigen Rechtsprechung zu § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB abzuweichen.

Ob der Versicherungsnehmer Deckungsschutz für eine zum Ausgleich des Erfüllungsinteresses seines Gläubigers zu erbringende Ersatzleistung fordert, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. zuletzt VersR 1975, 557) danach zu beurteilen, ob der Vertragspartner des Versicherungsnehmers sein unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand geltend macht. Etwas anderes hat der Senat auch nicht in BGHZ 80, 284, 288 ausgesprochen, wenn es dort heißt, § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB schließe nicht alle Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung aus, sondern nur solche, die den Schaden am Leistungsgegenstand selbst betreffen.

Die von Littbarkski (aaO S. 919) vorgeschlagene Definition, die „an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung“ sei mit dem Wert gleichzusetzen, der für die Erbringung der versprochenen und damit vertraglich geschuldeten Werkleistung erforderlich ist, würde gegenüber der bisherigen Rechtsprechung keine weitere Klarheit bringen. Denn sie läßt offen, ob unter Wert z.B. nur die Kosten für eine ordnungsgemäße Instandsetzung zu verstehen sind, oder auch Einbußen des Gläubigers, die sich daraus ergeben, daß er die Sache nicht bestimmungsgemäß nutzen konnte. Der Senat verbleibt daher bei der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB.

Die Entscheidung hängt somit davon ab, ob die B in Gestalt des Schadens infolge 18 1/2 Tage Arbeitsverlängerung ein unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand geltend gemacht hat. Das war hier der Fall.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die B Ansprüche wegen Nutzungsausfalls des Kranes erhoben habe. Demgegenüber meint die Revision, zum „Nutzungsschaden“ gehöre nicht eine Vermögenseinbuße, die dem Geschädigten dadurch entsteht, daß er durch den Verlust der Nutzungsmöglichkeit gegenüber dritten Vertragspartnern ersatz- oder vergütungspflichtig wird. Dieser Ansicht vermag der Senat nicht zu folgen. Die hier geltend gemachte erhöhte Vergütung mußte von der B bezahlt und von der Klägerin erstattet werden, weil der Kran an den 18 1/2 Tagen nicht genutzt werden konnte. Wegen seines Ausfalls mußte zur Entladung der Versorgungsschiffe ein anderer Kran eingesetzt werden, der deshalb zeitweise für die Arbeiten zur Fertigstellung der Bohrinsel nicht zur Verfügung stand. Dadurch verzögerten sich die Bauarbeiten an der Bohrinsel um weitere 18 1/2 Tage, und die B mußte an die mit der Herstellung der Bohrinsel beauftragte Firma einen entsprechend höheren Werklohn zahlen. Es handelt sich daher um einen Nutzungsausfallschaden und entgegen der Ansicht der Revision nicht um eine mittelbare, weitere Folge des Kraneinsturzes. Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, es könne dabei keinen Unterschied machen, ob die Nutzung im Einzelfall gerade darin besteht, daß der Gläubiger die Sache selbst verwendet, oder ob er sie – wie im vorliegenden Fall – einem Dritten (hier dem Hersteller der Bohrinsel) zur Erbringung einer Werkleistung überläßt. Die Revision meint, daß nach der vom Senat gebilligten Betrachtungsweise des Berufungsgerichts stets sämtliche „mittelbare Folgeschäden“, die durch den Fortfall eines schadhaften Liefergegenstandes verursacht worden sind, vom Versicherungsschutz ausgenommen sein müßten. Das trifft schon deshalb nicht zu, weil die Vorinstanzen mit Recht den Versicherungsschutz der Klägerin für ihre Schadensersatzpflicht hinsichtlich derjenigen Mehrleistungen der Firma B, die diese wegen der Verlängerung der Arbeitsdauer um 5 Tage infolge Behinderung durch Trümmer des eingestürzten Krans zu erbringen hatte, nicht an § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB haben scheitern lassen. Bei dem dafür von der Klägerin geleisteten Schadensersatz handelt es sich – im Gegensatz zu dem hier streitigen Teil des Postens VI der Schadensaufstellung – nicht lediglich um einen Ausgleich des Ausfalls der Nutzung des Krans.

Daß Nutzungsausfallschäden das unmittelbare Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand betreffen und daher nach § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB nicht Gegenstand der Haftpflichtversicherung sind, ist in ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt (vgl. dazu zuletzt das von der Revision herangezogene Urteil in VersR 1975, 557 m.w.N.). Von diesem Grundsatz macht auch die Entscheidung des Senats in BGHZ 80, 284 keine Ausnahme. Denn sie betrifft einen Sachverhalt, bei dem es nicht um Nutzungsausfall ging, sondern um Mehraufwendungen, die gerade durch den Gebrauch der mangelhaften statischen Berechnung und wegen des von dem Auftraggeber des Statikers mit dem Bauherrn vereinbarten Festpreises entstanden waren, also um einen über das Erfüllungsinteresse hinausgehenden Schaden (vgl. dazu die Ausführungen aaO S. 288). Schließlich kann die Revision auch aus dem Senatsurteil in BGHZ 88, 228 nichts für sich herleiten. Die Entscheidung betrifft die „Bearbeitungsklausel“ nach § 4 I Nr. 6b AHB. Die Vorschrift schließt Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus, die an fremden Sachen durch Bearbeitung entstehen, erwähnt jedoch Folgeschäden nicht. Aus der zu ihr ergangenen Entscheidung kann daher für die Auslegung der in § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB enthaltenen Klausel über die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung nichts entnommen werden.

Die Revision mußte daher zurückgewiesen werden, ohne daß es darauf ankam, ob die Ausschlußklausel nach § 4 II Nr. 5 AHB eingreift.

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