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Infektionsschutzgesetz – Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 1 B 93/20 – Beschluss vom 03.06.2020

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000, — € festgesetzt.

Gründe

Der am 29. Mai 2020 wörtlich gestellte Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, in der Zeit vom 06.06.2020 bis zum 12.06.2020 ein Seminar zur Ernährungsmedizin im „XXX“ in B-Stadt mit 70 Teilnehmern zu veranstalten, ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

Infektionsschutzgesetz - Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Symbolfoto: Von Dreamprint/Shutterstock.com

Soweit die Antragstellerin für den Zeitraum vom 8. Juni 2020 bis zum 12. Juni 2020 eine Ausnahmegenehmigung vom Verbot einer Veranstaltung mit mehr als 50 Personen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 der am 18. Mai 2020 in Kraft getretenen Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2, im Folgenden: SARS-Co-2-BekämpfV) im Sinne des § 20 Abs. 1 SARS-Co-2-BekämpfV begehrt, ist der Antrag bereits unzulässig. Der Antragstellerin fehlt hierfür das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, denn zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt stehen der Durchführung der Veranstaltung in diesem Zeitraum keine Rechtsakte entgegen, die eine Verpflichtung zum Erlass einer Ausnahmegenehmigung rechtfertigen. Insbesondere steht der Veranstaltung auch nicht die derzeit geltende SARS-Co-2-BekämpfV entgegen, denn sie tritt mit Ablauf des 7. Juni 2020 außer Kraft (vgl. Art. 3 SARS-Co-2-BekämpfV). Nicht veranlasst ist – gewissermaßen – eine doppelte Vorwegnahme der Hauptsache, denn weder eine Hauptsache als solche, noch etwaige belastende Inhalte sind für den Zeitraum vom 8. Juni 2020 bis zum 12. Juni 2020 prognostizierbar. Im Gegenteil gab die Landesregierung gestern bekannt, dass im Rahmen des sog. Stufenplans ab dem 8. Juni 2020 Veranstaltungen bei denen die Abstände eingehalten werden, die Teilnehmer erfasst werden und feste Plätze haben, im Außenbereich bis zu 250 und in geschlossenen Räumen bis zu 100 Personen teilnehmen können sollen (vgl. https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/coronavirus/Corona-in-SH-Stufenweise-Lockerungen-bei-Veranstaltungen,veranstaltungen376.html).

Der Antrag ist im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Erforderlich ist danach zum einen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Notwendigkeit einer Eilentscheidung, und zum anderen ein Anordnungsanspruch, also ein rechtlicher Anspruch auf die begehrte Maßnahme. Dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht im einstweiligen Anordnungsverfahren grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragssteller nicht schon das zusprechen, was er – sofern ein Anspruch besteht – nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Dieser Grundsatz des Verbotes einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung gilt jedoch im Hinblick auf den durch Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gewährleisteten wirksamen Rechtschutz dann nicht, wenn die erwarteten Nachteile bei einem Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht.

Ob es sich im Rahmen des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache bei der Nichterteilung einer Ausnahmegenehmigung etwa wegen eines Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin (Art. 12 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG) um einen schweren und unzumutbaren Nachteil handelt, kann offen bleiben, da bereits der Erfolg in der Hauptsache nicht überwiegend wahrscheinlich ist.

Der Antrag ist nicht begründet. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch für die begehrte Ausnahmegenehmigung nicht glaubhaft gemacht.

Der von der Antragstellerin geltend gemachte Anordnungsanspruch im Hinblick auf eine Verpflichtung zum Erlass einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 20 Abs. 1 SARS-Co-2-BekämpfV besteht nicht mit der nach obigen Maßstäben erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit.

Gemäß § 20 Abs.1 der SARS-Co-2-BekämpfV können die zuständigen Behörden auf Antrag Ausnahmen von den Geboten und Verboten aus §§ 5 bis 17 genehmigen, soweit die dadurch bewirkten Belastungen im Einzelfall eine besondere Härte darstellen und die Belange des Infektionsschutzes nicht überwiegen.

An der Rechtmäßigkeit der SARS-Co-2-BekämpfV bestehen bei summarischer Prüfung keine Zweifel, insoweit wird auf die ergangene Rechtsprechung verwiesen (vgl. zur aktuellen SARS-Co-2-BekämpfV etwa zuletzt Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. Mai 2020 – 3 MR 21/20 –, S. 6 ff. m.w.N.).

Das von der Antragstellerin geplante Seminar im Zeitraum vom 6. Juni 2020 bis 7. Juni 2020 ist mit einer Teilnehmerzahl von 70 Personen zunächst eine verbotene Veranstaltung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 SARS-Co-2-BekämpfV, denn hiernach sind Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen untersagt.

Die Antragstellerin hat einen Antrag auf Ausnahme des Verbots aus § 5 Abs. 1 Satz 1 SARS-Co-2-BekämpfV gestellt, jedoch sind die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs.1 der SARS-Co-2-BekämpfV bei summarischer Prüfung nicht gegeben.

Bereits eine besondere Härte zulasten der Antragstellerin ist weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich, weshalb sich Feststellungen zum Überwiegen infektionsschutzrechtlicher Belange letztlich erübrigen. § 20 Abs. 1 SARS-Co-2-BekämpfV gibt den Gesundheitsbehörden die Möglichkeit, auf Antrag Ausnahmen von den Ge- und Verboten der §§ 5 bis 17 der Verordnung zuzulassen. Diese Öffnungsmöglichkeit ist auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, denn durch diese Befugnis können die Behörden unbillige Härten im Einzelfall verhindern. Diese Regelung passt sich auch in die Systematik der neuen Verordnung ein, wonach die Verordnung nur noch allgemeine Vorgaben machen soll. Daher ist es möglich, dass es Einzelfälle gibt, die nicht zu den Regelungen der Verordnung passen (vgl. die Begründung zu § 20 der SARS-Co-2-BekämpfV). Im Sinne des unbestimmten Rechtsbegriffs ist erforderlich, dass die Antragstellerin in besonderer Weise durch das Verbot in ihrem Einzelfall betroffen ist und zwingende und unaufschiebbare Gründe für das Vorliegen einer Ausnahme im hiesigen Eilverfahren glaubhaft macht. Dies ist hier nicht der Fall.

Bis zum Ablauf der SARS-Co-2-BekämpfV zum 7. Juni 2020 fallen im Land sämtliche Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen als Teilnehmer zunächst in gleicher Weise unter den Verbotstatbestand des § 5 Abs. 1 Satz 1 SARS-Co-2-BekämpfV.

Das wesentliche Vorbringen der Antragstellerin, sie habe langfristig geplant, Buchungen für die Veranstaltung schon vor Oktober 2019 entgegengenommen, eigene Kostenpunkte und das Fortbildungsinteresse der Teilnehmer seien ebenso wie ein ausgearbeitetes Hygienekonzept zu berücksichtigen, stellt keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe in ihrem Einzelfall heraus, sondern betrifft sämtlich vergleichbare Veranstalter und Veranstaltungsteilnehmer gleichermaßen. Ärzte sind vom Infektions- und Verbreitungsrisiko des Coronoavirus im Grundsatz nicht weniger bedroht, weshalb sich eine Ausnahmegenehmigung nicht schon daraus rechtfertigt, dass das Seminar der Antragstellerin ernährungsmedizinisch ausgebildete Ärzte und Ärztinnen ansprechen soll. Bei alledem gilt zu bedenken, dass die von der Antragstellerin angestrebte Teilnehmerzahl von 70 Personen die derzeit gesetzlich erlaubte Teilnehmerzahl von 50 Personen um knapp die Hälfte der überhaupt zulässigen Anzahl überschreitet. Eine Einzelfallhärte ergibt sich auch nicht daraus, dass für den 8. Juni 2020 im Rahmen des sog. Stufenplans durch die Landesregierung im Hinblick auf Veranstaltungen weitere Öffnungen angekündigt sind, denn auch insoweit betreffen die Regelungen sämtliche Veranstaltungen gleichermaßen, wobei hier keine besondere Einzelfallbetroffenheit der Antragstellerin glaubhaft gemacht wurde. Eine besondere Härte wird letztlich auch nicht dadurch begründet, dass etwaige Prüfungen für Zusatz- oder Anschlussqualifikationen von Teilnehmern erst später abgelegt werden können oder Teilnehmer langfristig Urlaube gebucht hätten. Auch insoweit wird eine Einzelfallhärte nicht glaubhaft gemacht, denn von Veranstaltungsabsagen oder -verschiebungen sind sämtliche Berufsgruppen erfasst.

Ungeachtet dessen bleibt auch unklar, weshalb sich die ersten zwei Tage des vom Verbotstatbestand erfassten Veranstaltungsbeginns (6. und 7. Juni 2020) nicht durch organisatorische Alternativkonzepte der Antragstellerin, etwa in Form eines verspäteten Beginns, Verschiebung der Örtlichkeit, Aufteilung und Minimierung der Teilnehmeranzahl bzw. Zuhilfenahme elektronischer Systeme, vermeiden lassen.

Die Durchführung des von der Antragstellerin geplanten Seminars am 6. und 7. Juni 2020 wäre für die Antragstellerin vor allem wirtschaftlich vorteilhaft, bei summarischer Prüfung nach alledem aber keineswegs zwingend und unaufschiebbar im Sinne obiger Ausführungen.

Danach ist ein Anordnungsanspruch auf Verpflichtung zur Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nicht glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG festgesetzt.

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