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Infektionsschutzgesetz Coronavirus – Begrenzung von Anreisen zum Ort der Nebenwohnung

Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 1 B 44/20 – Beschluss vom 08.04.2020

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000, — festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 24. März 2020 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO zulässig, jedoch nicht begründet.

Infektionsschutzgesetz Coronavirus - Begrenzung von Anreisen zum Ort der Nebenwohnung
Symbolfoto: Von Flystock/Shutterstock.com

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO i.V.m § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kann das Gericht in dem vorliegenden Fall des nach § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges die aufschiebende Wirkung des Widerspruches ganz oder teilweise anordnen. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse der Antragsteller einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist.

Lässt sich nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Überprüfung weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, so ergeht die Entscheidung aufgrund einer weiteren Interessenabwägung, in der zum einen die Auswirkungen in Bezug auf das öffentliche Interesse in dem Fall, dass dem Antrag stattgegeben wird, der Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren indes erfolglos bleibt, und zum anderen die Auswirkungen auf den Betroffenen für den Fall der Ablehnung eines Antrags und des erfolgreichen Rechtsbehelfs in der Hauptsache gegenüberzustellen sind. Bei dieser Interessenabwägung ist jeweils die Richtigkeit des Vorbringens desjenigen als wahr zu unterstellen, dessen Position gerade betrachtet wird, soweit das jeweilige Vorbringen ausreichend substantiiert und die Unrichtigkeit nicht ohne weiteres erkennbar ist (OVG Schleswig, Beschluss vom 13. September 1991 – 4 M 125/91 –, Rn. 14, juris; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 11. September 2017 – 1 B 128/17 –, Rn. 28 – 29, juris).

Die Kammer kann vorliegend weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit der ergangenen Allgemeinverfügung im Hinblick auf das Verbot der Anreise zum Zwecke der touristischen Nutzung einer dort gelegenen Nebenwohnung feststellen.

Nach der Allgemeinverfügung des Antragsgegners zum Verbot der Anreise zu selbstgenutzten Nebenwohnungen auf dem Gebiet des Kreises Ostholstein vom 24. März 2020 ist die Anreise in den Kreis Ostholstein zur Nutzung einer im Kreis gelegenen Nebenwohnung (sogenannte Zweitwohnung) im Sinne des Bundesmeldegesetzes nach Ziffer 1 untersagt, wenn die Nebenwohnung für einen Aufenthalt a.) aus touristischem Anlass im Sinne von § 2 der Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein vom 23. März 2020 (SARS-CoV-2-BekämpfV), nunmehr § 2 der Landesverordnung vom 2. April 2020, in Kraft seit 3. April 2020, erfolgt, b.) zu Freizeitzwecken, c.) zu Fortbildungszwecken oder d.) zur Entgegennahme von vermeidbaren oder aufschiebbaren Maßnahmen der medizinischen Versorgung, Vorsorge oder Rehabilitation genutzt werden soll. Nach Ziffer 3 der Allgemeinverfügung liegt keine touristische Nutzung im Sinne von § 2 SARS-CoV-2BekämpfV insbesondere vor, wenn a.) die Nebenwohnung aus zwingenden beruflichen sowie aus ehe-, sorge- und betreuungsrechtlichen Gründen genutzt wird, b.) Verwandte 1. Grades, die Ehegattin, der Ehegatte, die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner in der Nebenwohnung ihren derzeitigen Aufenthaltsort haben, c.) eine zwingende Betreuung von betreuungs- oder pflegebedürftigen Familienangehörigen (Eltern, Kinder) in oder bei der Nebenwohnung sichergestellt werden soll, oder d.) um eine am Hauptwohnsitz nicht zu gewährleistende Trennung von Personen vorzunehmen, die aufgrund behördlicher Anordnung unter häusliche Quarantäne gestellt wurden, oder e.) um zwingende und nicht aufschiebbare Erhaltungs- und Sicherungsmaßnahmen an der Nebenwohnung vorzunehmen. Dies gilt nicht für Renovierungsarbeiten.

Maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, da es sich bei dem Verbot der Anreise insoweit um einen Dauerverwaltungsakt handelt. Die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Erteilung der Sach- und Rechtslage ergibt sich grundsätzlich aus den Regelungen des materiellen Rechts (BVerwG, Urteil vom 27. April 1990 – 8 C 87/88 –, Rn. 11, juris). Enthält dieses insoweit keine Regelung, gilt für Anfechtungssachen im Zweifel die Regel, dass bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung auch spätere nach Erlass des Verwaltungsaktes entstandene Veränderungen der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. März 2004 – 3 C 16.03 – NVwZ 2005, 87; vom 21. August 2003 – 3 C 15.03 – NJW 2004, 698; vom 22. Januar 1998 – 3 C 6.97 – BVerwGE 106, 141).

Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung kann ihre Rechtsgrundlage in der Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG in der Fassung des Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587), insoweit am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft getreten, finden. Nach dieser Vorschrift trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29-31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten (Satz 1). Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstiger Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen (Satz 2). Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden (Satz 3). Die Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt (Satz 4).

Es handelt sich bei der Bestimmung des § 28 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz IfSG n. F. um eine Generalklausel, die die zuständigen Behörden zum Handeln verpflichtet (sog. gebundene Entscheidung). Nur hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen, – „wie“ des Eingreifens – ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der verfügten Beschränkungen ist der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dafür sprechen das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen (§ 1 Abs. 1, § 28 Abs. 1 IfSG), sowie der Umstand, dass die betroffenen Krankheiten nach ihrem Ansteckungsrisiko und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen unterschiedlich gefährlich sind. Es erscheint sachgerecht, einen am Gefährdungsgrad der jeweiligen Erkrankung orientierten, „flexiblen“ Maßstab für die hinreichende (einfache) Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen (VG Bayreuth, Beschluss vom 11. März 2020 – B 7 S 20.223 –, Rn. 44 – 45, juris). Sind Schutzmaßnahmen erforderlich, so können diese grundsätzlich nicht nur gegen die in Satz 1 genannten Personen, also gegen Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider getroffen werden, sondern – soweit erforderlich – auch gegenüber anderen Personen (Bales/Baumann/Schnitzler, Infektionsschutzgesetz, Kommentar, 2. Aufl. § 28 Rn. 3). Es bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei der Infektion mit dem SARS-CoV-2, der zur Lungenkrankheit Covid-19 führen kann, um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG handelt, so dass der Anwendungsbereich des 5. Abschnitts des Infektionsschutzgesetzes, der sich mit der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten befasst, eröffnet ist (vgl. hierzu den Steckbrief des RKI zur Coronavirus-Krankheit:

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/ nCoV_node.html).

Das Coronavirus ist eine übertragbare Krankheit, die bereits landesweit aufgetreten und dadurch gekennzeichnet ist, dass sie sehr leicht übertragbar ist und sich dadurch sehr schnell ausbreitet. Das Robert Koch-Institut, das bei der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen eine besondere Sachkunde aufweist (§ 4 IfSG), schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit insgesamt als hoch ein. Es handelt sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernstzunehmende Situation. Bei einem Teil der Fälle sind die Krankheitsverläufe schwer, auch tödliche Krankheitsverläufe kommen vor. Nach Darstellung des Robert Koch-Instituts ist die Erkrankung sehr infektiös. Da weder eine spezifische Therapie noch eine Impfung zur Verfügung stünden, müssten alle Maßnahmen darauf gerichtet sein, die Verbreitung der Erkrankung in Deutschland und weltweit so gut wie möglich zu verlangsamen (Epidemiologisches Bulletin 12/2020: COVID-19: Verbreitung verlangsamen, S. 3, veröffentlicht unter www.rki.de). Zentral dabei seien bevölkerungsbasierte kontaktreduzierende Maßnahmen, wie die Absage von Großveranstaltungen sowie von Veranstaltungen in geschlossenen Räumlichkeiten, bei denen ein Abstand von 1 – 2 Metern nicht gewährleistet werden könne. Bei vergangenen Pandemien habe gezeigt werden können, dass bevölkerungsbasierte Maßnahmen zur Kontaktreduzierung durch Schaffung sozialer Distanz besonders wirksam seien, wenn sie in einem möglichst frühen Stadium der Ausbreitung des Erregers in der Bevölkerung eingesetzt würden (ebd., S. 5). Es seien von jetzt an und in den nächsten Wochen maximale Anstrengungen erforderlich, um die Epidemie in Deutschland zu verlangsamen, abzuflachen und letztlich die Zahl der Hospitalisierungen, intensivpflichtigen Patienten und Todesfälle zu minimieren (dies., Modellierung von Beispielszenarien der SARS-CoV-2-Epidemie 2020 in Deutschland vom 20.03.2020, vorletzte Seite). Die massiven Anstrengungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, dem insbesondere die möglichst frühzeitige Identifizierung von Kontaktpersonen und deren Management obliegt, sollten nach Ansicht der Robert Koch-Instituts durch gesamtgesellschaftliche Anstrengungen wie die Reduzierung von sozialen Kontakten mit dem Ziel der Vermeidung von Infektionen im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich sowie eine Reduzierung der Reisetätigkeit ergänzt werden (vgl. VG Bremen, Beschluss vom 26. März 2020 – 5 V 553/20 –, Rn. 37, juris). Mit den deutschlandweit auftretenden Fällen einer Infektion sind an einer übertragbaren Krankheit (§ 2 Nr. 3, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. h IfSG) erkrankte Personen und damit Kranke im Sinne von § 2 Nr. 4 IfSG festgestellt worden (vgl. VG Bremen, Beschluss vom 26. März 2020 – 5 V 553/20 –, Rn. 36, juris).

Die zeitweise Begrenzung von Anreisen zum Ort der Nebenwohnung ist eine notwendige Maßnahme. Es besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Anreise von Personen zur Nutzung einer Nebenwohnung, von denen es im Gebiet des Antragsgegners mehrere Tausend gibt, die Infektionsausbreitung verstärken und in der Folge auch zu einer Überlastung der medizinischen Kapazitäten im Gebiet des Antragsgegners führen könnte (die medizinischen Kapazitäten im Gebiet des Antragsgegners sind im Wesentlichen auf die Inhaber einer Erstwohnung ausgelegt). Es geht insbesondere darum, für die Bevölkerung eine ausreichende Anzahl von Intensivbetten und Beatmungsgeräten vorzuhalten (vgl. dazu Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht vom 2. April 2020 – 3 MB 8/20 – für den Kreis Nordfriesland) und die Ausbreitung des Virus zu vermindern. Es wird gegenwärtig – wie überall in Deutschland – auch in Schleswig-Holstein versucht, die Anzahl der Intensivbetten und insbesondere auch die Anzahl der Behandlungsplätze so zu erhöhen, dass auch bei einem exponentiellen Anstieg der Erkrankungen nach Möglichkeit eine Versorgung der Kranken auch vor Ort möglich bleibt.

Die genaue Prognose bleibt schwierig, jedoch zeigen die Erfahrungen aus anderen Ländern, dass bei einem exponentiellen Anstieg die Versorgungsmöglichkeiten – durchaus regional unterschiedlich – in relativ kurzer Zeit erschöpft sein könnten. Die immer noch mögliche exponentielle, eben nicht lineare, Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung kann in sehr schneller Zeit zu einer Erschöpfung der derzeit noch vorhandenen Behandlungskapazitäten führen, wenn auch derzeit die Hoffnungen wachsen, dass die Kapazitäten reichen werden. Nach dem Krankenhausplan des Landes Schleswig-Holstein wird die fachübergreifende Schwerpunktversorgung im Bereich des Antragsgegners durch die Sana-Kliniken Ostholstein GmbH in der Klinik in Eutin auch mit Intensivbetten sichergestellt. Die Regelversorgung im nördlichen Teil des Kreises erfolgt im Wesentlichen durch die Klinik in Oldenburg, die auch über Intensivbetten verfügt. Im Kreis befinden sich weitere Krankenhäuser, die schwerpunktmäßig in den Bereichen Psychiatrie, Neurologie (Stroke Unit) und Geriatrie tätig sind, sowie ein Inselkrankenhaus. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die zusätzliche Versorgung von Bewohnern von Nebenwohnungen in Schleswig-Holstein, von denen es insbesondere an den Küsten des Landes mehrere 10.000 gibt, geeignet wäre, die begrenzt vorhandenen Behandlungskapazitäten für die allgemeine Versorgung, aber auch die Versorgung im Intensivbereich und bei Beatmungsplätzen zu erschöpfen und dadurch konkret Menschenleben zu gefährden.

Die Antragsteller werden als Bewohner des Kreises Segeberg insoweit nicht anders behandelt als Eigentümer einer Nebenwohnung im Bereich des Antragsgegners, die ihren Hauptwohnsitz in anderen Bundesländern haben. Der Antragsgegner kommt damit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG nach.

Im Gegensatz zu Einwohnern anderer Bundesländer dürfen die Antragsteller allerdings in Schleswig-Holstein noch Tagesausflüge unternehmen. Nach § 2 der Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein – SARS-CoV-2-BekämpfV – in der Fassung vom 2. April 2020 sind demgegenüber Reisen aus touristischem Anlass in das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein untersagt. Dies gilt auch für Reisen, die zu Freizeitzwecken, zu Fortbildungszwecken oder zur Entgegennahme von vermeidbaren oder aufschiebbaren Maßnahmen der medizinischen Versorgung, Vorsorge oder Rehabilitation unternommen werden. Die Einschränkung der Reisetätigkeit dient der Begrenzung der Ausbreitung des Virus, da gerade Reisen dazu geführt haben, dass sich das Virus in sehr schneller Zeit umfassend verbreiten konnte.

Den Einwohnern Schleswig-Holsteins soll weiter erlaubt sein, nach draußen zu gehen, um etwa spazieren zu gehen oder Sport an der frischen Luft zu betreiben, wenn dabei die notwendigen Abstände eingehalten werden. Der Verordnungsgeber hat darauf verzichtet, die Einwohner insoweit auf die unmittelbare häusliche Umgebung zu verweisen, sodass rechtlich auch längere Tagesreisen innerhalb Schleswig-Holsteins erlaubt sind, wenn auch häufig freiwillig darauf verzichtet wird. Längere Tagesreisen werden allerdings durch fehlende Versorgungsmöglichkeiten wie Gaststätten und Toiletten faktisch begrenzt. Der auswärtige Aufenthalt wird nur kurzzeitig sein und es werden in der Regel Kontakte zur örtlichen Bevölkerung etwa zum Einkaufen gemieden. Der Verordnungsgeber kann darauf vertrauen, dass insoweit mit den noch bestehenden Möglichkeiten vernünftig umgegangen wird und Verhaltensweisen, wie sie die Antragsteller geschildert haben, etwa die tägliche Anreise zu demselben entfernten Ort nicht vorkommen. Im Gegensatz zu einem Tagesausflug ist der Aufenthalt in einer Nebenwohnung nicht nur sehr kurzfristig. Ein solcher Aufenthalt führt häufig dazu, dass Kontakte zur örtlichen Bevölkerung wie etwa beim Einkaufen gesucht werden. Es besteht demnach ein sachlicher Grund dafür, einen kurzzeitigen Aufenthalt jedenfalls nicht rechtlich zu verbieten, jedoch einen in der Regel längeren Aufenthalt zu untersagen.

Die hier streitigen Anordnungen durften aller Voraussicht nach in Form der Allgemeinverfügung (§ 106 Abs. 2 LVwG) ergehen, weil es sich um die Regelung eines Einzelfalls für einen bestimmten Personenkreis, mithin um eine konkret-generelle Regelung handelt. Ihr Regelungsgehalt bezieht sich ausschließlich auf die infektionsschutzrechtlich notwendige Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2, das sich seit Februar 2020 epidemisch in Deutschland verbreitet und mithilfe der Regelungen in der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung an einer raschen Ausbreitung gehindert werden soll, weshalb der zeitliche Geltungsbereich der Allgemeinverfügung zunächst bis 19. April 2020 befristet ist.

Ausnahmetatbestände sind nicht ersichtlich.

Da im vorläufigen Rechtschutzverfahren nicht die offensichtliche Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung festgestellt werden kann – ein vorläufiges Rechtschutzverfahren ist nicht dazu geeignet, Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung abschließend zu klären –, sind in einer weitergehenden Interessenabwägung die Folgen gegenüberzustellen, die im Hinblick auf das öffentliche Interesse in dem Fall einträten, dass dem Antrag stattgegeben wird, der Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren indes erfolglos bleibt, und zum anderen die Auswirkungen auf den Betroffenen für den Fall der Ablehnung seines Antrags.

Gemessen an diesen Maßstäben überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung des sich aus der Allgemeinverfügung ergebenden Anreiseverbots das private Aufschubinteresse zum Zwecke der Anreise an den Ort der Nebenwohnung.

Vorliegend streiten auf Seiten des öffentlichen Interesses überragende Gründe der Abwehr von Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung und der Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der ärztlichen, insbesondere krankenhausärztlicher (Intensiv-)Versorgung für die Bevölkerung. Es geht insbesondere auch darum, für die Bevölkerung eine ausreichende Anzahl von Behandlungsplätzen zur Verfügung stellen zu können und die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Es muss vermieden werden, dass – wie in Italien – das medizinische Personal darüber entscheiden muss, beatmungspflichtige Angehörige bestimmter Bevölkerungsgruppen wegen eines Mangels an Geräten und Personal von der intensivmedizinischen Behandlung mit Beatmungsgeräten auszuschließen und sie dem wahrscheinlichen, ansonsten vermeidbaren Tod zu überlassen. Hierbei ist nicht allein in den Blick zu nehmen, dass die Antragsteller selbst möglicherweise (derzeit) nicht infiziert sind und daher kein Ansteckungsrisiko für andere ausgeht. Die aktuelle Infektionsgefahr ist bekanntermaßen insbesondere dadurch extrem risikobehaftet, dass bislang unentdeckt infizierte Personen sich im öffentlichen Raum bewegen und andere unwissentlich infizieren. Alltagskontakten etwa beim Einkaufen oder auf der Straße werden auch nach aller Lebenswahrscheinlichkeit Personen wie die Antragsteller ausgesetzt sein, sodass allein dadurch eine potentielle Erhöhung des Infektionsrisikos durch jede weitere hier nicht nur kurzzeitig aufhältliche Person anzunehmen ist.

Es ist bei einer noch immer im Raum stehenden unbedingt zu begrenzenden exponentiellen Ausbreitung zu befürchten, dass weder in ausreichendem Maß die in absehbarer Zeit notwendig werdenden Intensivbetten noch das ausreichende Pflegepersonal flächendeckend zur Verfügung stehen. Die Sicherung der Leistungskapazität medizinischer Versorgung hängt mithin ebenfalls davon ab, dass sich nicht eine weitere große Anzahl auswärtig ansässiger Personen im Gebiet des Antragsgegners aufhält. Es ist davon auszugehen, dass sich bereits eine nicht unbeachtliche Anzahl von Zweitwohnungsbesitzern hier aufhalten, da jedenfalls seit der geänderten Allgemeinverfügung ein Verbleib der bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der neuen Allgemeinverfügung hier aufhältlichen auswärtigen Personen möglich ist. Die Anreise einer ebenfalls nicht unerheblichen Anzahl weiterer Personen könnte zu einer erheblichen Verschärfung der Lage beitragen.

Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse setzt ein im Rahmen der Folgenabwägung überwiegendes privates Interesse voraus, dass im Einzelfall Umstände vorliegen, die so gewichtig sind, dass entgegen der gesetzgeberischen Anordnung in §§ 28 Abs. 3, 16 Abs. 8 IfSG eine vorläufige Aussetzung der Vollziehung angezeigt ist.

Die von den Antragstellern geltend gemachten Belange wiegen zwar schwer, insbesondere deshalb, weil es sich auch um tiefgreifende Grundrechtseingriffe handelt und die Eingriffe für einen bestimmten Zeitraum irreversibel sind. Die Allgemeinverfügung mutet den Betroffenen – wie auch den Antragstellern – für einen begrenzten Zeitraum eine bislang in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beispiellose Beschränkung grundrechtlich geschützter Freiheiten zu. Die Beschränkungen treffen die Antragsteller allerdings im Gegensatz zu anderen von den derzeitigen einschränkenden Regelungen Betroffenen nicht wirtschaftlich existenziell. Infektionslagen wie die derzeit bestehende sind unter der Geltung des Grundgesetzes bisher nicht vorgekommen (VG Bremen, Beschluss vom 26. März 2020 – 5 V 553/20 –, Rn. 33, juris; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 03. April 2020 – 1 B 35/20 –, Rn. 13, juris). Mit den von ihm durch die Allgemeinverfügung getroffenen Maßnahmen kommt der Antragsgegner seiner grundrechtlichen Pflicht zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nach. Der Verlangsamung der Ansteckungsrate durch Vermeidung von sozialen Kontakten und des zusätzlichen Aufenthaltes einer Vielzahl von Menschen mit einer Nebenwohnung ist bei der Abwägung entscheidende Bedeutung beizumessen, auch um eine Überlastung und einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems, wie dies bereits in anderen europäischen Ländern festzustellen ist, zu verhindern und Leben und Gesundheit der Bevölkerung wirksam zu schützen. Vor diesem Hintergrund müssen die grundrechtlich geschützten Freiheiten der Antragsteller für einen begrenzten Zeitraum zurückstehen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 iVm § 52 Abs. 2 GKG festgesetzt.

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