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Verbraucherinsolvenzverfahren und Prozeßkostenhilfe

Landgericht Kassel

Az: 3 T 165/99

Beschluß vom 07.04.1999

Vorinstanz: AG Kassel – Az.: 660 IK 2/99


Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Kassel vom 14.01.1999 wird als unzulässig verworfen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: 5.000,00 DM.

 

Gründe:

I.

Die mit mindestens 76.000,00 DM verschuldete und zahlungsunfähige Antragstellerin betreibt das Verbraucherinsolvenzverfahren über ihr Vermögen mit dem Ziel der Restschuldbefreiung. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht Kassel ihren Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig, weil ein Rechtsmittel gegen den die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ablehnenden Beschluß des Amtsgerichts nicht gegeben ist.

1.

Gemäß § 6 I InsO unterliegen die Entscheidungen des Insolvenzgerichts ausschließlich in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die InsO die sofortige Beschwerde vorsieht. Die Vorschrift ist zwingend. Hat das Amtsgericht in seiner Funktion als Insolvenzgericht entschieden, ist seine Entscheidung danach nur rechtsmittelfähig, wenn die InsO selbst ein Rechtsmittel vorsieht und dieses als sofortige Beschwerde ausgestaltet ist. Beide Voraussetzungen liegen, soweit der die Gewährung von Prozeßkostenhilfe ablehnende Beschluß des Insolvenzgerichts betroffen ist, in doppelter Hinsicht nicht vor. Weder handelt es sich bei dem Rechtsmittel des § 127 ZPO über einen in der InsO selbst festgeschriebenen Rechtsbehelf, noch ist er als sofortige Beschwerde ausgestaltet. Selbst wenn die Vorschriften über die Gewährung von Prozeßkostenhilfe (§§ 114 ff ZPO) im Insolvenzverfahren über die verweisende Norm des § 4 InsO Anwendung fänden, bliebe § 127 ZPO von dem Verweis folglich ausgenommen.

2.

Die Antragstellerin kann sich auch nicht auf einen Fall der greifbaren Gesetzeswidrigkeit berufen.

Zwar ist anerkannt (BGH NJW-RR 1990, 893; WM 1992, 2038), daß über die gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel hinaus Beschwerde eingelegt werden kann, wenn das erstinstanzliche Gericht eine Entscheidung trifft, die im Gesetz nicht vorgesehen ist. Der Beschwerdeführer darf nämlich nicht deshalb schlechter gestellt werden, weil es mangels Rechtsgrundlage für die erstinstanzliche Entscheidung auch an einer Rechtsmittelmöglichkeit mangelt.

Auch spricht im vorliegenden Fall vieles dafür, daß das Amtsgericht die Vorschriften über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (§§ 114 ff ZPO) zu Unrecht dem Grunde nach für anwendbar gehalten hat.

Denn der Verweis des § 4 InsO auf die Vorschriften der ZPO ist ausdrücklich auf die Vorschriften beschränkt, die das Insolvenzverfahren betreffen. Dieser Begriff ist doppeldeutig. Er bezeichnet zum einen die Abwicklung der Insolvenz insgesamt, zum anderen – enger – das dazu erforderliche formelle Verfahren. Der systematische Zusammenhang zwischen § 4 InsO und § 5 InsO und der in einigen Vorschriften der InsO enthaltene Einzelverweis auf Vorschriften der ZPO (vgl. z.B. §§ 36, 98 I 2 InsO) legt nahe, den Begriff in § 4 InsO im letztgenannten Sinne zu interpretieren und darin einen Verweis auf die allgemeinen Verfahrensvorschriften der §§ 128-252 ZPO zu sehen. Die Bestimmungen über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nach §§ 114 ff ZPO wären dann von vornherein nicht anwendbar.

Aber selbst wenn man in § 4 InsO einen allgemeinen Verweis auf die ZPO insgesamt sehen wollte, ließe dies nicht ohne weiteres auch die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zu. Die Vorschriften über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe sind nämlich auf ein Verfahren zugeschnitten, in dem sich mehrere Parteien mit konträren Ansichten gegenüberstehen. Sie basieren zudem auf dem Gedanken, daß infolge des in der ZPO geltenden Beibringungsgrundsatzes und der Dispositionsmaxime ein faires Verfahren die Waffengleichheit der Parteien voraussetzt. Diese Erwägungen können auf das Insolvenzverfahren aber nicht übertragen werden, weil es sich weder um ein kontradiktorisches Verfahren handelt noch – vor dem Hintergrund des Amtsermittlungsgrundsatzes – eine Waffengleichheit geschaffen werden muß.

Auch die nach §§ 114 ff ZPO erforderliche Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist auf das Insolvenzverfahren kaum übertragbar. Während die Prozeßkostenhilfe dem Antragsteller im originären Anwendungsbereich der ZPO lediglich die Durchsetzung eines schon vorhandenen Anspruchs ermöglicht, wäre die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe im Insolvenzverfahren eines masselosen Schuldners nach §§ 26, 54 InsO Voraussetzung der Erfolgsaussicht des Insolvenzverfahrens selbst, weil der Antrag auf Eröffnung des Verfahrens andernfalls mangels kostendeckender Masse abgewiesen würde.

Schließlich erklärt sich die Existenz der Vorschriften zur Verfahrenseröffnung und deren Ablehnung mangels Massse nur dann, wenn der Schuldner selbst die zur Durchführung des Insolvenzverfahrens erforderlichen Kosten aufbringen muß. Könnte die Hürde der vollständigen Masselosigkeit nämlich durch die Gewährung von Prozeßkostenhilfe, die dann konsequenterweise auch juristischen Personen gewährt werden müßte, übersprungen werden, liefen damit die Vorschriften über die Abweisung der Verfahrenseröffnung mangels ausreichender Masse leer. Jeder Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wäre positiv zu bescheiden, weil der Antragsteller entweder selbst eine die Kosten deckende Masse aufbrächte oder diese aus staatlichen Mitteln zu gewähren wäre. Das kann nicht Sinn des Gesetzes sein. Schon für die Konkurs- und die Vergleichsordnung wurde die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe daher allgemein ausgeschlossen (Kilger/K. Schmidt, §§ 115 VerglO Anm. 3; Kilger/K. Schmidt, § 72 KO Anm. 4). Die Kammer verkennt nicht, daß somit nur der Schuldner in den Genuß der Restschuldbefreiung gelangen kann, welcher zumindest die Massekosten aufbringt. Das ist zwar unbefriedigend, läßt sich nach der derzeitigen Gesetzeslage aber nicht vermeiden. Eine Änderung des Gesetzes in diesem Punkte wäre Sache des Gesetzgebers.

Daß dieser den Verweis des § 4 InsO jedoch gerade nicht als Verweis auf die Vorschriften über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe verstanden hat, zeigt die Gesetzeshistorie. In der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates heißt es insoweit nämlich ausdrücklich: “Dem Wunsch des Bundesrates nach Beibehaltung des Verwalters einerseits und finanzieller Entlastung des Schuldners andererseits könnte letztlich nur dadurch entsprochen werden, daß eine Prozeßkostenhilfe für Kleininsolvenzen eingeführt würde, die sämtliche Verfahrenskosten einschließlich der Kosten für Insolvenzverwalter und Treuhänder umfaßte. Diese Lösung würde aber die öffentlichen Haushalte erheblich stärker belasten als die Regelungen des Entwurfs.” (zitiert nach Hoffmann, Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung, S. 108). Daraufhin unterblieb die Aufnahme von Vorschriften über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe

Letztlich kann aber dahinstehen, ob § 4 InsO eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe enthält. Auf eine greifbare Gesetzwidrigkeit kann eine Beschwerde nämlich nur gestützt werden, wenn der Beschwerdeführer selbst von der Gesetzesverletzung betroffen ist. Auf eine zu Unrecht erfolgte Anwendung der Vorschriften über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe kann sich daher grundsätzlich nur der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse berufen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, daß das Amtsgericht Prozeßkostenhilfe im Ergebnis mangels Erfolgsaussicht versagt hat. Selbst wenn dem Amtsgericht dabei Fehler bei der Beurteilung der Erfolgsausichten des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterlaufen wären, würde dies für sich genommen nicht ausreichen, um eine greifbare Gesetzeswidrigkeit zu begründen.

Die Beschwerde war daher mit der gesetzlichen Kostenfolge zu verwerfen.

 

3.

Den Beschwerdewert hat die Kammer auf 5.000,00 DM festgesetzt, da mangels genauer Anhaltspunkte über die Masse im Zeitpunkt der Fälligkeit von Gerichts- und Treuhänderkosten (vgl. §§ 37, 54 GKG, Nr. 4110, 4120 KV, §§ 1 ff InsVV) keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Schätzung des Interesses der Antragstellerin bestanden.

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