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Kein ein Urlaub(-sanspruch) während eines Insolenzverfahrens "aus dringenden betrieblichen Gründen" verwehrt werden?

Arbeitsgericht Frankfurt am Main

Az.: 1 Ga 171/00

Verkündet am 16.10.2000


In dem einstweiligen Verfügungsverfahren hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kammer 1 auf die mündliche Verhandlung vom 16.10.2000 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt; dem Kläger ab 16. Oktober 2000 bis zum 31. Oktober 2000 Erholungsurlaub zu gewähren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 2.500,00 festgesetzt.

Tatbestand

Der Verfügungskläger (Kläger) verlangt von der Verfügungsbeklagten (Beklagte) die Gewährung von Urlaub im Wege der einstweiligen Verfügung.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Anlagenbuchhalter zu einer Monatsvergütung von ca. DM 5.000,– beschäftigt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 18. September 2000 ist das Vermögen der Beklagten unter vorläufige Verwaltung gestellt und zum vorläufigen Insolvenzverwalter der Betriebswirt X bestellt worden. Auf den in Fotokopie eingereichten Beschluss des Amtsgerichts wird ergänzend verwiesen.

Mit Schreiben vom 26. September 2000 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis mit der Beklagte zum 31. Oktober 2000 und beantragte, ihm seinen Resturlaub in der Zeit vom 05. bis 31. Oktober 2000 zu gewähren.

Die Beklagte lehnte dies ab mit der Begründung, wegen des vorläufigen Insolvenzverfahrens könne sie auf die Arbeit des Klägers nicht verzichten. Auf das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 27. September 2000 wird ergänzend Bezug genommen (BI. 7 d. A.).

Der Kläger behauptet unwidersprochen, er trete am 01. November 2000 eine neue Stelle an und habe deswegen ab Mitte Oktober einen Englischkurs (Einzelunterricht) gebucht, der ihm die für die neue Arbeitsstelle erforderlichen Sprachkenntnisse vermitteln soll.

Der Kläger meint, für ihre Weigerung, den beantragten Urlaub zu gewähren, könne die Beklagte sich nicht auf dringende betriebliche Gründe berufen. Er habe der Beklagten die für die Inventur erforderlichen Daten in einer Excel-Tabelle angeliefert. Es sei jetzt lediglich der Bestand mit den Daten zu vergleichen. Für etwaige Korrekturen könne die Beklagte auf andere Mitarbeiter zurückgreifen, die in der Lage seien, solche Korrekturen systemgerecht vorzunehmen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 16. bis zum 31. Oktober 2000 Erholungsurlaub zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Sie hält daran fest, dass sie die Arbeitskraft des Klägers während der Kündigungsfrist noch benötigt. Durch ihren Terminsvertreter hat sich die Beklagte dahin eingelassen, dass es derzeit so aussehe, als ob das Insolvenzverfahren wohl zum 01. November 2000 eröffnet werden wird. Die Inventur, für die der Kläger als Anlagenbuchhalter benötigt wird, stehe noch bevor. Ein Datum hierfür sei noch nicht bekannt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den weiteren Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Anlagen, insbesondere auch auf die „Eidesstattliche Versicherung“ des Klägers vom 02. Oktober 2000 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag des Klägers auf Erlass der von ihm begehrten einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund zur Seite. Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, dass der Kläger einen Urlaubsanspruch hat, der sogar über den jetzt noch geltend gemachten Umfang hinaus geht. Soweit der Kläger beantragt hat, ihm Urlaub jedenfalls für die Zeit vom 16. bis zum 31. Oktober 2000, d.h. bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu gewähren, ist sein Verlangen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrIG gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift sind bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Gründe, die danach dem Urlaubswunsch des Klägers entgegenstehen, sind von der Beklagten nicht schlüssig dargelegt. Außer Streit ist zwischen den Parteien, dass Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer dem Urlaubswunsch des Klägers nicht entgegenstehen. Soweit die Beklagte für die Verweigerung des beantragten Urlaubs dringende betriebliche Belange ins Feld führt, hat sie ihr Leistungsverweigerungsrecht nicht schlüssig dargelegt. Ihre Behauptung, sie benötige die Arbeitskraft des Klägers, ist unsubstantiiert. Selbst in der mündlichen Verhandlung war die Beklagte nicht in der Lage, den Zeitpunkt näher zu konkretisieren, zu dem sie die Arbeit des Klägers benötigt. Sie hat vielmehr erklären lassen, ein Zeitpunkt für die Inventur, an der der Kläger sich beteiligen müsse, stehe noch nicht fest.

Unter Berücksichtigung der eher vagen Einlassung der Beklagten zu den angeblich dringenden betrieblichen Gründen; die dem Urlaubswunsch des Klägers entgegenstehen sollen, gebührt den vom Kläger eidesstattlich versicherten Gründen für die Realisierung des Urlaubs noch während der Kündigungsfrist der Vorrang. Der Verfügungsgrund ergibt sich daraus, dass der Kläger seinen Anspruch, den er mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verfolgt, im ordentlichen Klageverfahren nicht mehr durchsetzen könnte.

Als in dem Rechtsstreit unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten zu tragen, § 91 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes im Urteil in Höhe eines halben Monatsverdienstes des Klägers beruht auf §§ 61 Abs. 1, ArbGG, 3 ZPO.

 

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