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Insolvenzverfahren: Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

Az. 1 UF 187/02

Beschluss vom 21.01.2003

Vorinstanz: AG Seligenstadt – Az.: 2 F 218/00 S


In der Familiensache hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 21.01.2003 beschlossen:

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre Berufung gegen das am 27.6.2002 verkündete Verbundurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Seligenstadt wird zurückgewiesen.

Dem Antragsgegner wird zur Verteidigung gegen die Berufung Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwältin X. in Y. beigeordnet.

Gründe

Mit dem angefochtenen Verbundurteil ist die Ehe der Parteien geschieden, die Folgesachen Sorgerecht und Versorgungsausgleich geregelt und der Antragsteller zur Zahlung von monatlich 115,91 EUR Krankenvorsorgeunterhalt ab Rechtskraft der Scheidung verurteilt worden. Die weitergehende, auf insgesamt 1.200,– DM Elementarunterhalt und 315,89 DM Krankenvorsorgeunterhalt gerichtete Klage hat das Amtsgericht mangels Leistungsfähigkeit des Antragstellers abgewiesen.

Gegen Letzteres richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin, mit der sie die Feststellung des Amtsgerichts zur Höhe des verfügbaren Einkommens des Antragstellers angreift.

Die von ihr hierfür beantragte Prozesskostenhilfe kann ihr mangels hinreichender Erfolgsaussicht ihrer Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) nicht bewilligt werden.

Die Antragsgegnerin möchte dem festgestellten Einkommen des Antragstellers aus seiner Vergütung als Berufssoldat bei der Bundeswehr weitere 200,– DM hinzurechnen, und zwar aus dem Gesichtspunkt einer fiktiven Verzinsung eines früher erzielten Verkaufserlöses aus der Veräußerung einer Eigentumswohnung. Bei verzinslicher Anlage und unter Berücksichtigung einer fiktiven Versteuerung von rund einem Drittel ergäbe dies den angegebenen Betrag. Eine entsprechende Hinzurechnung sei bereits in verschiedenen Vorverfahren betreffend Kindes- und Trennungsunterhalt der Parteien erfolgt.

Damit kann sie keinen Erfolg haben. Inzwischen ist, wie belegt und auch unstreitig, über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet worden, betrieben von der Volksbank Rheinböllen wegen einer überschuldeten Immobilie der Parteien. Soweit die Antragsgegnerin gegen die Berücksichtigungsfähigkeit dieses Umstandes einwendet, der Antragsteller habe den wirtschaftlichen Niedergang bewusst herbeigeführt, um ihre Unterhaltsansprüche zu verkürzen, kann sie damit aller Voraussicht nach nicht durchdringen. Es handelt sich um eine Vermutung ohne verifizierbare Anhaltspunkte.

Aus der zur Unterakte UE des erstinstanzlichen Verfahrens, dort Blatt 54, gereichten Bestätigung der Besoldungsstelle des Antragsstellers, der Wehrbereichsverwaltung Süd, vom 18.4.2002 ist ersichtlich, dass durch Beschluss des Amtsgerichts F. vom 9.3.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt XYZ. in F. zum Treuhänder bestimmt worden ist. Diesem gegenüber hat die Wehrbereichsverwaltung mit dem genannten Schreiben die pfändbaren Bestandteile der Vergütung des Antragstellers unter Berücksichtigung von drei unterhaltsberechtigten Personen (Ehefrau und 2 Kinder) mit 117,– EUR festgestellt und führt sie seither an den Treuhänder ab. Unter diesen Umständen hätten etwa noch vorhandene Bestandteile aus dem früher erzielten Hauserlös keine Auswirkungen auf die Höhe des für Unterhaltszwecke verfügbaren Einkommens des Antragstellers, da sie in die Insolvenzmasse fielen. Der Antragsteller könnte ein derartiges etwa noch vorhandenes Vermögen nur dann für sich und damit auch für die Unterhaltsgläubiger verwenden, wenn es ihm gelänge, dieses gegen gesetzliche Vorschriften vor dem Treuhänder zu verbergen. Ein derartiges Verhalten kann ihm nicht angesonnen werden, sodass es darauf, ob noch etwaige Teile dieses Vermögens vorhanden sind oder bei sparsamer Verwendung noch als fiktiv vorhanden angesehen werden müssten, nicht ankommt.

Aus denselben Erwägungen heraus können fiktive Einkommenserhöhungen aus der Durchführung des steuerlichen Realsplittings und Eintragung eines Freibetrages in der Lohnsteuerkarte entgegen der Beurteilung des Amtsgerichts nicht einkommenserhöhend angesetzt werden. Denn eine entsprechende Erhöhung hätte, wie von dem deswegen um Stellungnahme gebetenen Treuhänder ausdrücklich bestätigt, lediglich eine Erhöhung des an ihn abzuführenden Betrages zur Folge und keine Auswirkungen auf die Höhe des pfändungsfreien und damit für Unterhaltszwecke verfügbaren Betrages. Dieser beträgt nach § 850 c ZPO bei drei unterhaltsberechtigten Personen monatlich (930,– Grundfreibetrag plus 350,– + 195,– + 195,– =) 1.670,– EUR. Dass der als pfändbar abgeführte Betrag von 117,– EUR monatlich nicht deckungsgleich ist mit dem Differenzbetrag zwischen dem vom Amtsgericht unbeanstandet festgestellten Einkommen von monatlich (3.852,– DM =) 1.969,– EUR und dem Pfändungsfreibetrag von 1.670,– EUR, der 299,– EUR monatlich beträgt, erklärt sich daraus, dass der Arbeitgeber für die Bestimmung des pfändbaren Betrages nur das laufende monatliche Einkommen berücksichtigt ohne Einbeziehung jahresbezogener Sonderzuwendungen. Die daraus resultierenden Mehrbeträge sind nämlich gesondert zu bewerten und gemäss § 850 a ZPO zur Hälfte unpfändbar. Dies hat allerdings zur Folge, dass der Antragsteller damit rechnen muss, in den Monaten, in denen die jahresbezogenen Sonderzuwendungen fließen, höhere Beträge als die erwähnten 117,– EUR monatlich als Abzug an den Treuhänder hinzunehmen.

Für Ehegattenunterhalt verfügbar ist demnach nur der Differenzbetrag zwischen dem pfändungsfreien Betrag – nach Abzug weiterer berücksichtigungsfähiger Belastungen – und dem großen Selbstbehalt, den der Antragsteller gegenüber dem Anspruch auf Ehegattenunterhalt verteidigen kann. Insoweit haben die Parteien, vom Amtsgericht zutreffend gewürdigt und mit der Berufung auch nicht angegriffen, vereinbart, dass von dem Nettoeinkommen des Antragstellers der Kindesunterhalt ohne Rücksicht auf Rangverhältnisse auch im Mangelfall vorab abgezogen werden soll und der Ehefrau die Differenz zwischen dem verbleibenden Einkommens und dem großen Selbstbehalt zustehen soll (Niederschrift vor dem Amtsgericht vom 28.5.2002, Bl. 56 UE). Vernachlässigt man den Umstand, dass sich der an den Treuhänder abzuführende Betrag aus den vorbezeichneten Gründen bei korrekter Handhabe in den Monaten mit Jahressonderzuwendungen noch erhöhen müsste, verbleibt damit für Unterhaltszwecke gegenüber der Antragsgegnerin vor Berücksichtigung sonstiger Belastungen ein Betrag von rund 250,– EUR, der sich aus nachfolgender Berechnung ergibt:

Nettoeinkommen durchschnittlich 3.852,00 DM =1.969,00 EUR abzüglich Pfändung 117,00 EUR verbleiben 1.852,00 EUR abzüglich eigener Selbstbehalt 1.000,00 EUR abzüglich Kindesunterhalt 1.118,00 DM = 572,00 EUR verbleiben 250,00 EUR.

Nach Abzug der weiterhin vom Amtsgericht zutreffend berücksichtigten Belastungspositionen verbleibt nicht mehr als der ihr zugesprochene Beitrag zur Krankenversicherung, dessen Vorrang die Parteien ebenfalls vereinbart haben. Bei den genannten Beträgen handelt es sich um Grundsteuer und Wohngebäudeversicherung (18,72 und 26,89 DM), die der Antragsteller nach wie vor für die gemeinsame Immobilie bedient und deren Weiterführung sinnvoll und gerechtfertigt ist. Weiterhin berücksichtigt worden ist eine Zahlung an die DBV Winterthur Versicherung in Höhe von 78,23 DM, alles zusammen 123,84 DM = 63,00 EUR. Bei der genannten Versicherung handelt es sich, wie aus den erstinstanzlichen Unterlagen ersichtlich, um Kranken- und Pflegeversicherung (Bl. 42 der Unterakte UE) sowie Berufsunfähigkeits- und Diensthaftpflichtversicherung (Bl. 34 der beigezogenen Beiakte 2 F 603/00 AG Seligenstadt). Diese Aufwendungen sind notwendig und können auch nicht beitragsfrei gestellt werden.

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