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Insolvenzverfahren – Wirksamkeit einer Kündigung

ArbG Herne

Az: 2 Ca 350/10

Urteil vom 10.08.2010


1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Der Streitwert wird auf 3.600,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Kündigungen während eines Insolvenzverfahrens.

Der Kläger war bei Herrn … (im folgenden Insolvenzschuldner) als Berufskraftfahrer beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt betrug 1.800,00 €.

In zwei Vorverfahren aus dem Jahr 2009 machte der Kläger Lohnrückstände aus dem Arbeitsverhältnis geltend (3 Ca 2833/09 und 1 Ca 3522/09).

Am 22.12.2009 wurde über das Vermögen des Insolvenzschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom selben Tag zeigte er gegenüber dem Gericht an, dass das Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners ab sofort nicht mehr zur Insolvenzmasse gehört und Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren nicht verfolgt werden können. Dieses wurde vom zuständigen Amtsgericht Bochum als Insolvenzgericht am 19.01.2010 veröffentlicht.

Mit Schreiben vom 19.11.2009 kündigte der Insolvenzschuldner dem Kläger aufgrund finanzieller Schwierigkeiten zum 01.12.2009.

Mit Schreiben vom 21.01.2010 kündigte der Insolvenzschuldner dem Kläger erneut wegen finanzieller Schwierigkeiten zum 01.02.2010. Die zweite Kündigung ging am 23.02.2010 beim Kläger ein.

Der Kläger behauptet, er habe die Kündigung vom 29.11.2009 erst am 27.01.2010 erhalten. Er ist der Ansicht, dass der Beklagte einen früheren Zugang nachzuweisen hätte und dass das Arbeitsverhältnis bei Wahrung der Kündigungsfrist erst am 28.02.2010 sein Ende gefunden habe. Die Freigabe nach § 35 InsO beträfe Vermögensgegenstände und sei auf Dauerschulverhältnisse nicht anzuwenden.

Er beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung mit Datum vom 29.11.2009 nicht zum 01.12.2009 beendet wurde, sondern bis zum 28.02.2010 fortbestand und

2. festzustellen, dass die Kündigung des Beklagten vom 21.01.2010 rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet hat.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er bestreitet, dass dem Kläger die Kündigung vom 29.11.2009 erst am 27.01.2010 zuging. Er ist der Ansicht, dass die Klage unzulässig sei. Sie sei gegen den Insolvenzschuldner zu richten. Dem Beklagten würde die Passivlegitimation fehlen, da er nicht die Kündigung unterschrieben habe. Nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 2 InsO und dem Willen des Gesetzgebers beträfe die von ihm vorgenommene Freigabe des Geschäftsbetriebs des Insolvenzschuldners auch die Kündigung von Arbeitsverhältnissen.

Die gegen die Kündigung vom 29.11.2009 gerichtete Klage ging am 29.01.2010 beim Arbeitsgericht Herne ein. Die gegen die Kündigung vom 21.01.2010 gerichtete Klagerweiterung ging am 25.02.2010 beim Arbeitsgericht Herne ein.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze und ihre Anlagen sowie die Terminprotokolle ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Der zweite Klageantrag wird dahingehend ausgelegt, dass die Kündigung des Insolvenzschuldners vom 21.01.2010 angegriffen wird. Dieses entspricht zwar nicht dem Wortlaut des Klageantrags, jedoch liegt nur eine Kündigung des Insolvenzschuldners, und nicht des Beklagten, vom 21.01.2010 vor, die der Klageerweiterung vom 24.02.2010 in Kopie beigefügt war.

II.

Die Klage ist zulässig entgegen der Auffassung des Beklagten. Die Frage der Passivlegitimation betrifft die Begründetheit und nicht die Zulässigkeit der Klage.

III.

Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis, das zwischen dem Kläger und dem Insolvenzschuldner begründet wurde, zählte nicht zur Insolvenzmasse. Als am 22.12.2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffnet wurde und der Beklagte zum Insolvenzschuldner bestellt wurde, hat dieser mit Schreiben vom selben Tag gegenüber dem Amtsgericht Bochum als Insolvenzgericht angezeigt, dass das Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners ab sofort nicht mehr zur Insolvenzmasse gehört und Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren nicht verfolgt werden können. Ob eine derartige Erklärung als Freigabe oder Freizeichnung oder Abschüttelung bezeichnet werden sollte, kann hier dahinstehen (hierzu Eickmann in HK-InsO, 5. Auflage, § 35 Rdnr. 59). Eine derartige Erklärung ist nach § 35 Absatz 2 Satz 1 InsO zulässig und betrifft auch Arbeitsverhältnisse (ebenso Stiller, Wirkung der Negativerklärung gemäß § 35 Absatz 2 Satz 1 InsO auch bei Insolvenzeröffnung bestehender Arbeitsverhältnisse, ZInsO, 2010, 1374, das dort besprochene, nach Angaben des Verfassers dieselbe Rechtsansicht teilende Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 03.06.2010, 53 Ca 2104/10, war bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch nicht erhältlich). Eine Freigabe von Dauerschuldverhältnissen, wie Arbeitsverhältnissen, ist mit der Freigabemöglichkeit des § 35 Absatz 2 Satz 1 InsO nach dessen Wortlaut vereinbar. Es handelt sich – aus Sicht des Arbeitnehmers – um Ansprüche aus der selbständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners; diese sollen nach der Erklärung des Beklagten vom 22.12.2009 nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Auch Sinn und Zweck des § 35 Absatz 2 InsO sprechen für die Zulässigkeit einer derartigen Freigabe. Durch § 35 Absatz 2 InsO sollte gerade die Möglichkeit geschaffen werden, den Geschäftsbetrieb eines Selbständigen freizugeben und nicht in das Insolvenzverfahren einzubeziehen. Die Fortführung des Geschäftsbetriebs wäre jedoch nicht unerheblich erschwert, wenn nicht der Arbeitgeber (also der Insolvenzschuldner), sondern ein Dritter, nämlich der Insolvenzverwalter, über die Beendigung und den Fortbestand von Arbeitsverhältnissen entscheiden würde, die zum Geschäftsbetrieb zählen.

IV.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger (§ 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 46 Absatz 2 Satz 1 ArbGG).

V.

Der Streitwert entspricht zwei Bruttomonatsgehältern für die beiden angegriffenen Kündigungen. Das Verfahren wurde nicht mit dem Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgeltes nach § 42 Absatz 3 GKG bewertet, da nur ein befristeter Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 28.02.2010 geltend gemacht worden ist.

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