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Internetauktion – Schadensersatz wegen ungerechtfertigter vorzeitiger Auktionsbeendigung


Auktion

Zusammenfassung:

Wer ohne gesetzlich dazu berechtigt zu sein ein Angebot aus einer Internetauktion entfernt, macht sich gegenüber dem zu diesem Zeitpunkt Höchstbietenden schadensersatzpflichtig, wenn er die Ware nicht an diesen übereignet. Der Höhe nach steht dem Ersteigerer dann der Marktwert der Ware zu. Im vorliegenden Fall hatte der Ersteigerer auf einen VW Passat 555,55 € geboten. Der Wert des Wagens betrug zum Auktionszeitpunkt ca. 5.250 €. Bei einem Höchstgebot von 1 € wurde die Auktion abgebrochen.


Bundesgerichtshof

Az: VIII ZR 42/14

Urteil vom 12.11.2014


Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 15. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen


Tatbestand

Der Beklagte stellte am Abend des 24. Mai 2012 einen gebrauchten VW Passat für zehn Tage zur Internetauktion bei eBay mit einem Startpreis von 1 € ein. Der Kläger nahm das Angebot wenige Minuten später an, wobei er ein Maximalgebot von 555,55 € festlegte. Nach rund sieben Stunden brach der Beklagte die Auktion ab. Zu dieser Zeit war der Kläger der einzige Bieter. Auf dessen Nachfrage teilte der Beklagte mit, dass er einen Käufer außerhalb der Auktion gefunden habe.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 5.249 € mit der Behauptung in Anspruch, dass das Fahrzeug 5.250 € wert gewesen sei. Die Klage hat vor dem Landgericht dem Grunde nach Erfolg gehabt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.


Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 15. Januar 2014 – 7 U 399/13, juris) hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt: Zwischen den Parteien sei ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen, wegen dessen Nichterfüllung der Beklagte Schadensersatz zu leisten habe. Die vom Beklagten erklärte Anfechtung greife nicht durch, weil kein Irrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 BGB vorgelegen habe. Der Kaufvertrag sei mangels verwerflicher Gesinnung des Klägers auch nicht sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB). Die beiderseitige Chance auf ein „Schnäppchen“ sei gerade typisch für eBay-Versteigerungen.

Auch ein Rechtsmissbrauch sei entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz (MMR 2009, 630), wonach ein „Schnäppchen“ nur ein solches sei, welches innerhalb einer realistischen Preisspanne liege, nicht gegeben. Der Käufer mache lediglich von einer Kaufmöglichkeit Gebrauch, die ihm der Verkäufer selbst eröffnet habe. Außerhalb der Verkaufsplattform eBay kämen Verträge mit einem derartigen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zwar niemals zustande. Durch die Nutzung von eBay werde ein solches Missverhältnis aber in Kauf genommen. Da der Verkäufer auch einen Mindestpreis eingeben könne, sei er gegenüber dem Käufer nicht schutzbedürftig.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 BGB dem Grunde nach zuerkannt.

1. a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag über das Fahrzeug zustande gekommen ist. Insbesondere hat es rechtsfehlerfrei und insoweit von der Revision nicht angegriffen festgestellt, dass der Beklagte die Internetauktion ohne berechtigten Grund vorzeitig abgebrochen hat und nicht zur Anfechtung seines Angebots wegen Irrtums nach §§ 119 ff. BGB berechtigt war.

b) Entgegen der Auffassung der Revision scheitert der Schadensersatzanspruch nicht daran, dass der mit dem Beklagten geschlossene Kaufvertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit nichtig wäre (§ 138 Abs. 1 BGB). Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot eines Bieters und dem (angenommenen) Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB. Es bedarf vielmehr zusätzlicher – zu einem etwaigen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hinzutretender – Umstände, aus denen bei einem Vertragsschluss im Rahmen einer Internetauktion auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters geschlossen werden kann (Senatsurteil vom 28. März 2012 – VIII ZR 244/10, NJW 2012, 2723 Rn. 20 f.).

Solche Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Zu Unrecht meint die Revision, die Begrenzung des Gebots auf 555,55 € mache deutlich, dass der Kläger nicht bereit gewesen sei, einen auch nur annähernd dem Marktpreis entsprechenden Preis zu bieten. Wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, erschließt sich nicht, weshalb ein (Höchst-)Gebot unterhalb des Markpreises sittlich zu missbilligen sein soll. Gibt der Bieter ein Maximalgebot ab, ist er nicht gehalten, dieses am mutmaßlichen Marktwert auszurichten. Wie der Senat bereits entschieden hat, macht es gerade den Reiz einer Internetauktion aus, den Auktionsgegenstand zu einem „Schnäppchenpreis“ zu erwerben, während umkehrt der Veräußerer die Chance wahrnimmt, durch den Mechanismus des Überbietens einen für ihn vorteilhaften Preis zu erzielen (Senatsurteil vom 28. März 2012 – VIII ZR 244/10, aaO).

2. Der Beklagte kann dem Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, auch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegenhalten. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige und umfassende Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles und muss auf besondere Ausnahmefälle beschränkt bleiben (BGH, Urteile vom 27. April 1977 – IV ZR 143/76, BGHZ 68, 299, 304; vom 7. Januar 1971 – II ZR 23/70, BGHZ 55, 274, 279 f.). Einen solchen Fall hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.

Die von der Revision angeführte Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz (Hinweisbeschluss vom 3. Juni 2009 – 5 U 429/09, MMR 2009, 630; ebenso bereits die Vorinstanz: LG Koblenz, NJW 2010, 159, 160 f.; siehe auch AG Dieburg, Urteil vom 4. Juli 2011 – 20 C 65/11, juris Rn. 28 ff.), der Käufer sei nicht schutzwürdig, weil er von dem nicht zu erwartenden vorzeitigen Abbruch der Auktion profitieren wolle und nicht damit rechnen könne, den Kaufgegenstand bei Fortgang der Auktion tatsächlich zu dem geringen Gebot zu erwerben, ist im Schrifttum zu Recht auf Ablehnung gestoßen (Oechsler, Jura 2012, 497, 500; Härting, Internetrecht, 5. Aufl., Rn. 546; Wenn, jurisPR-ITR 16/2009 Anm. 4; Höhne, jurisPR-ITR 9/2009 Anm. 5; siehe auch BeckOK BGB/Sutschet, Stand: 1. August 2014, § 242 Rn. 93). Auch die Rechtsprechung der Instanzgerichte hat in ähnlichen Fallgestaltungen keine unzulässige Rechtsausübung durch den Käufer angenommen (LG Detmold, Urteil vom 22. Februar 2012 – 10 S 163/11, juris Rn. 11 ff.; LG Berlin, Urteil vom 21. Mai 2012 – 52 S 140/11, juris Rn. 30 f.; AG Bremen, Urteil vom 5. Dezember 2012 – 23 C 0317/12, juris Rn. 14 ff.; AG Gummersbach, NJW-RR 2011, 133, 134). Denn es ist der Verkäufer, der das Risiko eines für ihn ungünstigen Auktionsverlaufs durch die Wahl eines niedrigen Startpreises unterhalb des Marktwerts ohne Einrichtung eines Mindestpreises eingegangen ist (zutreffend OLG Köln, MMR 2007, 446, 448 f., zum Fall einer regulär beendeten Internetauktion). Zudem hat der Beklagte in der hier gegebenen Fallgestaltung durch seinen freien Entschluss zum nicht gerechtfertigten Abbruch der Auktion die Ursache dafür gesetzt, dass sich das Risiko verwirklicht.


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