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Internetauktion – Widerruf und Unternehmereigenschaft

Landgericht Hof

Az.: 22 S 28/03

Verkündet am 29.08.2003

Vorinstanz: AG Hof – Az.: 14 C 1425/02


Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Hof erlässt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08. August 2003 folgendes Endurteil:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts Hof vom 17. März 2003 (Az.: 14 C 1425/02) aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist für den Beklagten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann eine Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Hof (§ 54 0 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Berufungskläger beantragt:

I. Das Urteil des Amtsgerichts Hof, Az. : 14 C 25/02, vom 17.03.2 003 wird aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Berufungsbeklagte beantragt: Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.

1. Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsgeschäft handelt es sich um einen Kaufvertrag. Eine Versteigerung im Sinne des § 156 BGB scheidet aus, weil auf das Gebot der Klägerin kein Zuschlag erfolgt ist. Ein Vertrag ist nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB zustande gekommen. Das online abgegebene Höchstgebot der Klägerin ist eine wirksame, auf den Abschluss eines Kaufvertrages mit dem Beklagten gerichtete Willenserklärung. Die Annahme durch den Beklagten liegt in der von ihm eingerichteten Angebotsseite für die Versteigerung seines Notebooks mit der ausdrücklichen Erklärung, er nehme bereits zu diesem Zeitpunkt das höchste, wirksam abgegebene Kaufangebot an (so auch BGH in NJW 2002 S. 363 ff.).

2. Der Klägerin steht jedoch kein Recht zum Widerruf des am 19. Mai 2003 zustande gekommenen Kaufvertrages gemäß § 355 Abs. 1 BGB zu. Zur Überzeugung der Kammer ist nicht nachgewiesen, dass es sich bei dem Beklagten um einen Unternehmer im Sinne des § 14 BGB handelt.

Der Begriff des Unternehmers basiert auf drei Elementen: persönliche Kriterien, funktionale Kriterien und sachliche Kriterien.

a) Unternehmer sind nicht nur juristische Personen oder rechtsfähige Personengesellschaften im Sinne des § 14 Abs. 2 BGB, sondern auch natürliche Personen. Dazu gehören vor allem Einzelhandelskaufleute, Angehörige der freien Berufe, Künstler, Wissenschaftlicher, Landwirte, Bauunternehmer, Werbeagenturen oder Autovermieter. Es werden alle Formen von Dienstleistungen erfasst, so lange sie nur von einer natürlichen Person erbracht werden (Münchner Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 14 BGB, RdNr.5).

b) Die funktionalen Kriterien eines Unternehmensbegriffes sind hier jedoch nicht erfüllt. Der Unternehmensbegriff im bürgerlichen Recht setzt eine gewerbliche und selbständige berufliche Tätigkeit voraus. Diese Definition entspricht im Kern den vielfältigen Vorgaben der Verbraucherrichtlinien (Münchner Kommentar, § 14 BGB Nr. 10). Eine gewerbliche Tätigkeit ist eine planvolle, auf gewisse Dauer angelegte, selbständige und wirtschaftliche Tätigkeit, die nach außen hervortritt.

Ein planvolles und dauerhaftes Tätigwerden stellt eine Tätigkeit nach Plan auf gewisse Dauer am Markt dar, die einen gewissen organisatorischen Mindestaufwand erfordert. Der Unternehmerbegriff ist hier vom Verbraucherbegriff dahingehend abzugrenzen, dass der Unternehmer sich im Gegensatz zum Verbraucher in einer wirtschaftlich stärkeren Position befindet, die es auszugleichen gilt. Ein wirtschaftliches Ungleichgewicht ‚resultiert im Regelfall aus der planmäßigen Ausrichtung auf eine Vielzahl von Geschäften. Dabei ist gelegentliches Tätigwerden nicht mit gewerblich gleichzusetzen (Münchner Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 14 BGB RdNr. 13). Im vorliegenden Fall wurde lediglich dargelegt, dass der Beklagte eine Vielzahl von Rechtsgeschäften über die Firma e-bay tätigt. Damit ist jedoch noch nicht dargetan, dass es sich hier um eine planmäßige Ausrichtung auf eine Vielzahl von Geschäften handelt. Der Beklagte ist Student an der Wirtschaftsfachhochschule in Hof. In Kreisen der jüngeren Bevölkerung ist es verbreitet, seine Rechtsgeschäfte über das Internet zu tätigen. So werden Käufe und Verkäufe von privaten Gegenständen, beispielsweise von Studienunterlagen und Studienliteratur sowie Gegenständen des täglichen Bedarfs über dieses Medium getätigt. Auch unter dem Aspekt, dass der Beklagte nicht nur Verkäufe, sondern auch Käufe über das Internet getätigt hat, kann nicht schon davon gesprochen werden, dass es sich hierbei um eine planvolle Tätigkeit handelt. Eine planvolle Tätigkeit liegt dann vor, wenn der Beklagte Gegenstände stetig ankauft, um sie über das Internet weiter zu vertreiben. Allein aus der Anzahl der Rechtsgeschäfte kann eine solche planvolle Tätigkeit nicht abgeleitet werden. Es kann zum Beispiel durch den Beklagten lediglich Studienliteratur verkauft werden bzw. Gegenstände, die zu seinem Studierbedarf zählen. Darunter ist im weitesten Sinne auch das verkaufte Notebook zu sehen. Weder aus der Anzahl der getätigten Rechtsgeschäfte noch aus dem hiesigen Kaufgegenstand kann auf ein planvolles und dauerhaftes Tätigwerden geschlossen werden. Es besteht ebenso die Möglichkeit, dass hier lediglich private Rechtsgeschäfte über das Internet abgewickelt werden.

Die Klägerin, die sich auf §§ 355 Abs. 1, 312 b Abs. 1 BGB beruft, ist hinsichtlich der Unternehmereigenschaft beweispflichtig. Aus der von ihr dargelegten Anzahl der Rechtsgeschäfte läßt sich noch nicht schließen, mit welchem Inhalt die Rechtsgeschäfte abgeschlossen, d.h. welche Gegenstände hier vertrieben worden sind. Hierzu wurde nichts vorgetragen. Aus der Vielzahl der Rechtsgeschäfte kann eben nicht auf den Gegenstand der jeweiligen Rechtsgeschäfte geschlossen werden. Der Beklagte kann seine Einkäufe, wie eine andere natürliche Person im Geschäft, über das Internet tätigen und Gegenstände, die er nicht mehr benötigt, dort wieder veräußern, wie eine andere natürliche Person über Zeitungsanzeigen. Aus der bislang vorgetragenen Handlungsweise des Beklagten ist eine unternehmerische Tätigkeit daher nicht abzuleiten.

Eine mittelbare Ableitung der Unternehmereigenschaft für § 312 b BGB aus dem Unternehmensbegriff des HGB ist nicht veranlasst. Der Gesetzgeber ging bei der Einführung des Unternehmerbegriffs in das BGB von dem Unternehmerbegriff der §§ 24, 24 a AGBG aus (Münchner Kommentar zum BGB, 4. Aufl., vor §§ 13, 14 BGB RdNr. 49). Nachdem keine gesetzliche Regelung zum Verhältnis zwischen § 1 HGB und § 14 BGB erfolgte, hat der Gesetzgeber wohl zugrunde gelegt, dass sich § 1 HGB und § 14 BGB strikt trennen lassen (Münchner Kommentar, a.a.O., RdNr. 50). Eine Überschneidung der Begriffe liegt zwar vor. Es kann deswegen allerdings nur aus der Anzahl der abgeschlossenen Rechtsgeschäfte nicht auf eine nach außen gerichtete Geschäftsfähigkeit geschlossen werden, mit der eigene Erwerbszwecke verfolgt werden. Über den Inhalt der Rechtsgeschäfte des Beklagten ist, wie bereits ausgeführt, hier nichts bekannt.

Nachdem es sich bei dem Beklagten nicht um einen Unternehmer handelt, steht der Klägerin auch kein Recht zum Widerruf gemäß § 355 Abs. 1 BGB zu.

Auch aus den Vorschriften des Kaufvertragsrechts steht der Klägerin kein Rücktrittsrecht im Sinne des § 437 Nr. 2 BGB zu. Selbst wenn man unterstellt, dass das Notebook mit einem Mangel behaftet war, so hätte die Klägerin gemäß § 437 Nr. 1 BGB zunächst Nacherfüllung mit einer Nachfristsetzung (§ 323 BGB) verlangen müssen. Erst dann wäre ein Rücktritt gemäß § 437 Nr. 2 BGB möglich gewesen. Eine solche Vorgehensweise seitens der Klägerin ist nicht gegeben.

Nach alledem kann die Klägerin nicht Rückabwicklung des Vertrages verlangen. Daher ist ihr Klagebegehren unbegründet.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 543 ZPO nicht vorliegen. Grundsätzliche Bedeutung gemäß § 543 Abs. II Nr. 1 ZPO hat die Sache nur dann, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (Beschluss des BGH vom 01. Oktober 2002 in NJW 2003 S. 65 ff). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin hinsichtlich des Unternehmensbegriffs nicht die notwendigen Tatsachen dargelegt, die für die Bejahung des Unternehmensbegriffs erforderlich sind. Es werden keine Angaben zu dem Inhalt der im Internet seitens des Beklagten getätigten Rechtsgeschäfte gemacht. Damit liegt keine grundsätzliche Bedeutung der Sache vor.

 

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