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Internetauktion – Schadensersatz wegen Nichterfüllung

 LG Bonn

Az: 1 O 307/04

Urteil vom 12.11.2004


In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Bonn für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.06.2004 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreit trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob sich der Beklagte am 15.04.2004 im Rahmen einer so genannten Internet-Auktion auf der Website der „E AG“ wirksamen zu dem Verkauf eines Pkw der Marke BMW 320 i Cabrio verpflichtet hat.

Die „E AG“ führt auf ihrer Website Online-Auktionen durch, an denen nur teilnehmen kann, wer sich zuvor bei E angemeldet hat und dabei die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmens anerkannt hat. Die AGB lauten auszugsweise wie folgt:

§ 9 Vertragsschluss

1. Indem ein Mitglied als Anbieter zwecks Durchführung einer Online-Auktion einen Artikel auf die E einstellt, gibt es ein verbindliches Angebot zum Vertragsschluss über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt der Anbieter eine Frist, binnen derer das Angebot durch ein Gebot angenommen werden kann (Laufzeit der Online-Auktion). Das Angebot richtet sich an den Bieter, der während der Laufzeit der Online-Auktion das höchste Gebot abgibt …
2. Der Bieter nimmt das Angebot durch Abgabe eines Gebots an. Das Gebot erlischt, wenn ein anderer Bieter während der Laufzeit der Online-Auktion ein höheres Gebot abgibt. Maßgeblich für die Messung der Laufzeit der Online-Auktion ist die offizielle E-Zeit. E gibt selbst keine Gebote ab und nimmt keine Gebote der Mitglieder entgegen.
3. Mit dem Ende der vom Anbieter bestimmten Laufzeit der Online-Auktion oder im Falle der vorzeitigen Beendigung durch den Anbieter kommt zwischen dem Anbieter und dem das höchste Gebot abgebenden Bieter ein Vertrag über den Erwerb des von dem Anbieter in die E-Website eingestellten Artikels zustande. …

Der Beklagte war Eigentümer eines Pkw der Marke BMW 320i Cabrio, Baujahr 1995, Kilometerstand 97.000. Am 12.04.2004 um 15:35:01 Uhr stellte er das Fahrzeug inklusive detaillierter Fahrzeugbeschreibung unter seinem Benutzernamen zwecks Durchführung einer Online-Auktion auf der E-Website im Rahmen einer Auktion ein. Er legte einen Startpreis von 1,00 EUR fest. Ein Mindestkaufpreis wurde nicht bestimmt. Die Auktion sollte nach drei Tagen, also am 15.04.2004 um 15:35:01 Uhr, enden.

Am 15.04.2004 um 15:34:14 Uhr gab der Kläger unter seinem Benutzernamen ein Gebot über 63,00 EUR auf den fraglichen BMW ab. Ein höheres Gebot wurde danach nicht mehr abgegeben. Die „E AG“ teilte dem Kläger nach Ablauf der Auktionszeit mit, er habe den Zuschlag erhalten und übermittelte hierbei die im Rahmen der Auktion vorbereitete Aufforderung des Beklagten, an diesen den Betrag von 63,00 EUR per Überweisung zu zahlen.

Im Verlauf der Auktion abgegebene höhere Gebote dritter Bieter waren zuvor zurückgenommen worden. Wegen der Einzelheiten dieser Gebotsrücknahmen wird auf die von den Parteien eingereichten listenmäßige Ausdrucke aus den E-Daten Bezug genommen (Bl. 4, 26 d. A.).

Der Kläger überwies im Anschluss 63,00 EUR an den Beklagten. Der Beklagte lehnte die Lieferung des Pkw zu dem Gebot des Klägers in dieser Höhe jedoch ab. Im Rahmen einer weiteren E-Auktion veräußerte er diesen am 07.05.2004 an einen dritten Käufer zum Preis von 8.950,00 EUR.

Unter dem 20.04.2004 ließ der Beklagte mit anwaltlichem Schreiben die Anfechtung des Kaufvertrages mit der Kläger erklären. Mit Schreiben vom 18.05.2004 erklärte dieser dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten gegenüber zunächst, er verfüge nicht über die notwendigen Mittel, einen eventuellen Schadensersatzanspruch durchzusetzen. Aus diesem Grunde erwart er die Rücküberweisung der bereits gezahlten 63,00 EUR. Diesem Begehren ist der Beklagte nicht nachgekommen.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage Ersatz des ihm durch die Weiterveräußerung des Pkw BMW entstandenen Schaden, den er – unwidersprochen – mit 8.500,00 EUR in Höhe des Wertes des Pkw beziffert.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 8.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.06.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte hält den Kaufvertrag für unwirksam. Es sei – was letztlich unstreitig ist – hinsichtlich des streitgegenständlichen Pkw bei einer verbleibenden Auktions-Laufzeit von 4 Stunden und 44 Minuten ein Gebot eines Dritten über 11.905,00 EUR abgegeben worden. Da er mit diesem Preis einverstanden gewesen sei, habe er den weiteren Verlauf der Versteigerung nicht verfolgt. Am 15.04.2004 habe er dann gegen 16.24 Uhr die dahingehende Mitteilung des Klägers erhalten, dieser habe den Wagen für 63,00 EUR ersteigert. Ihm sei dieses Gebot nicht bekannt gewesen. Hätte er die Rücknahme der früheren Gebote gekannt, hätte er die Versteigerung vorzeitig beendet. Ein Gebot über 63,00 EUR habe er zu keinem Zeitpunkt akzeptieren wollen.

Im Übrigen ist der Beklagte der Ansicht, der Kläger habe im Hinblick auf das Schreiben vom 18.05.2004 bereits auf jegliche Art von Anspruch verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die von ihnen vorgelegten Unterlagen, insbesondere die Ausdrucke aus den E-Daten (Bl. 4 ff., 22 ff., 44 ff. d.A.), verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 8.500,00 EUR aus §§ 280 Abs.1, 3, 281 Abs.1 Satz 1, Abs.2 BGB.

Zwischen den Parteien besteht ein Schuldverhältnis im Sinne des § 280 Abs.1 Satz 1 BGB. Die Parteien haben am 15.04.2004 um 15:35:01 Uhr einen wirksamen Kaufvertrag gemäß § 433 BGB geschlossen.

Dabei richtet sich die Beurteilung des Vertragsschluss nicht etwa nach § 156 BGB. Denn eine Online-Auktion bei dem Internet-Auktionshaus stelle keine Versteigerung in diesem Sinne dar. Versteigern bedeutet, innerhalb einer zeitlich und örtlich begrenzten Veranstaltung eine Mehrzahl von Personen aufzufordern, eine Sache in der Weise zu erwerben, dass diese Personen im gegenseitigen Wettbewerb, ausgehend von einem Mindestgebot, Vertragsangebote in Form des Überbietens dem Versteigerer gegenüber abgeben, der dann seinerseits das höchste Gebot annimmt (AG Kehl NJW 2003, 1060, 1061; Wilkens, Anm. z. LG Münster, Urt. v. 21.01.2000, DB 2000, 663, 667; Schalhorn DB 1972, 2453; vgl. auch BGH NJW 2002, 363, 364). Vorliegend fehlt es bereits an der Person des Auktionators.

Die Auktion endet vielmehr automatisch mit Ablauf des so genannten Angebotszeitraums und hängt nicht ab von einem etwaigen Handeln der „E AG“ (vgl. § 9 Abs. 3 der AGB). Als Zuschlag im Sinne des § 156 BGB könnte indessen allenfalls die Mitteilung von E an den Kläger gesehen werden, dieser habe den „Zuschlag“ erhalten. Diese per E-Mail erfolgte Benachrichtigung ist aber keine Annahmeerklärung. Sie ist lediglich als Information bezüglich eines bereits erfolgten Vertragsschlusses zu qualifizieren (vgl. BGH aaO.; Wilkens aaO). Dies ergibt sich schon aus § 9 Abs. 2 Satz 4 der AGB, worin festgehalten ist, dass E selbst weder Gebote abgibt, noch Gebote von Mitgliedern entgegen nimmt.

Ein Kaufvertrag ist zwischen den Parteien aber nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB wirksam zustande gekommen.

Die Präsentation des BMW auf der Website durch den Beklagten ist als Angebot zu qualifizieren. Es handelt sich dabei nicht um eine bloße invitatio ad offerendum, also um eine unverbindliche Aufforderung zur Abgabe von Angeboten. Bereits indem der Beklagte den Pkw zwecks Durchführung einer Online-Auktion bei E eingestellt hat, hat er eine verbindliche Willenserklärung, gerichtet auf den Abschluss eines Kaufvertrages, abgegeben. Das Einstellen des Artikels ist so zu verstehen, dass der Anbieter mit dem im Verlauf einer „Auktion“ Höchstbietenden einen Kaufvertrag über den jeweiligen Artikel abschließen will. Dies ergibt sich – allem voran – aus den AGB der „E AG“, denen der Beklagte, da die Nutzung der Teledienste der E-Website gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 der AGB eine Anmeldung als Mitglied voraussetzt, auch zugestimmt hat. Die Anmelden vollzieht sich durch die Eröffnung eines Mitgliedskontos unter Zustimmung zu besagten AGB, welche auch in elektronischer Form (online) wirksam vereinbart werden können, § 2 Abs.1 Satz 4 der AGB (LG Münster DB 2000, 663, 664; Taupitz/Kitter, Electronic Commerce – Probleme bei Rechtsgeschäften im Internet, JuS 1999, 839, 844).

Der Beklagte muss sich an den Bestimmungen der AGB im Verhältnis zum Kläger festhalten lassen, auch wenn er diese selbst nicht „gestellt“ hat i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Die in ihnen enthaltenen Regelungen sind maßgebliche Auslegungsgrundlage für die Willenserklärungen der Teilnehmer an Internet-Auktionen bei E. Insbesondere wenn Verständnislücken im Verlauf einer Internet-Auktion auftreten, können diese unter Rückgriff auf die durch Anerkennung der AGB begründeten wechselseitigen Erwartungen der Auktionsteilnehmer und deren gemeinsames Verständnis über die Funktionsweise der Online-Auktion geschlossen werden (BGH NJW 2002, 363, 364). Indem sich deswegen beide Parteien auch an § 9 der AGB zu orientieren haben, wonach ein Mitglied, indem es als Anbieter zwecks Durchführung einer Online-Auktion einen Artikel bei E einstellt, ein verbindliches Vertragsangebot über diesen Artikel abgibt, ist dieses Verständnis auch als Grundlage der Erklärungen des vorliegenden Vertragsschlusses vorauszusetzen.

Dieses Angebot war auch hinreichend bestimmt. Denn obwohl es sich nicht an eine konkret bezeichnete Person richtete (ad incertas personas), war zweifelsfrei erkennbar, dass der Beklagte mit demjenigen Auktionsteilnehmer einen Kaufvertrag abschließen wollte, der innerhalb des festgelegten Angebotszeitraums das Höchstgebot abgeben würde (vgl. § 9 Abs. 3 der AGB).

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Unerheblich ist dem gegenüber der Einwand des Beklagten, ein Gebot über nur 63,00 EUR habe er nicht annehmen wollen. Denn selbst für den Fall, dass sich der Beklagte bei Abgabe seiner Willenserklärung deren verbindlichen Charakters nicht bewusst gewesen sein sollte, etwa mangels hinreichenden Erklärungsbewusstseins, liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als verbindliches Angebot aufgefasst werden durfte (BGHZ 91, 324; 109, 171, 177; Palandt-Heinrichs Einf v § 116 Rn. 17). Ein für den Kläger nicht erkennbarer Vorbehalt auf Seiten des Beklagten, sich nicht binden zu wollen, ist gemäß § 116 BGB unbeachtlich.

Durch das online abgegebene Gebot des Klägers über 63,00 EUR hat dieser seinerseits eine auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung abgegeben und damit die Annahme erklärt. Somit ist zwischen den Parteien gemäß § 9 Abs. 3 der als Auslegungshilfe zugrunde liegenden AGB ein Kaufvertrag zustande gekommen. Bereits aus der Gebotsübersicht (Bl. 4, 26 d. A.) ergibt sich, dass das Gebot des Klägers das letzte und zugleich höchste war. Dem sich vor dem Hintergrund des § 9 Abs.2 Satz 2 AGB – danach erlischt ein Gebot, wenn ein anderer Bieter während der Laufzeit der Auktion ein höheres Gebot abgibt – stellenden Problem, ob ein niedrigeres Gebot wieder auflebt, wenn das höhere noch vor Auktionsende zurückgenommen wird, kommt daher vorliegend keine Bedeutung zu.

Der Kaufvertrag ist auch wirksam. Er ist insbesondere nicht wegen Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 Abs. 1, 2 BGB nichtig. Denn neben einem objektiv sittenwidrigen Handeln setzen der Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB sowie der des Wuchers gemäß § 138 Abs. 2 BGB zusätzlich ein subjektives Element voraus, etwa eine verwerfliche Gesinnung (Palandt-Heinrichs § 138 Rn. 34). Zwar dürfte beim Kauf eines Pkw im Wert von 8.500,00 EUR zu einem Preis von 63,00 EUR von einem besonders krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auszugehen sein. Für ein besonders grobes, die Sittenwidrigkeit begründendes Missverhältnis kann es dabei bereits ausreichen, dass der Wert der Leistung doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (Palandt-Heinrichs § 138 Rn. 34a).

Diese Bewertung geschieht indes nicht losgelöst von den konkreten Umstände des Einzelfalls und in Ansehung des Erfordernisses der Ausnutzung einer Schwäche des Vertragspartners (Palandt-Heinrichs § 138 Rn. 67 ff.). Gerade bei Internet-Auktionen wie der vorliegenden ist es deshalb nicht angebracht, allein auf das Verhältnis von Preis und Leistung abzustellen. Denn die Teilnehmer an einer solchen Auktion sind sich regelmäßig bewusst, dass die Ermittlung der Höhe der Gegenleistung von anderen Faktoren als allein dem üblichen Marktwert eines Artikels abhängt. Die Erwartung des Verkäufers, durch geschicktes Einstellen eines Artikels ein möglicherweise besonders gutes Geschäft zu machen, und dem gegenüber die Vorstellung des Bieters, im richtigen Moment zu einem besonders günstigen „Schnäppchen“ zu kommen, gehören geradezu zum Wesen einer derartigen Vertragsanbahnung. Dass bei der Wahl einer solchen Verkaufsplattform die Präsentation eines Artikels aber nur dann verbindlich sein soll, wenn auch ein „angemessener“ Preis erzielt wird, wird nach dem Vorstehenden deswegen nicht zu folgern sein. Mit einer solchen Sichtweise wäre überdies für sämtliche Internetversteigerungen die Problematik eröffnet, dass grundsätzlich Unsicherheit darüber bestehen würde, wann von einer die Verbindlichkeit des Rechtsgeschäfts begründenden Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung ausgegangen werden kann (Wilkens DB 2000, 663, 668).

Letztlich hat sich gerade der Beklagte, der sich nunmehr auf die Sittenwidrigkeit beruft, für den Weg der Online-Auktion entschieden, um auf diese Weise den Pkw auf unkomplizierte Weise zu veräußern. Er hat hierbei den Pkw zu einem extrem niedrigen Startpreis von 1,00 EUR angeboten mit der Folge, dass bereits zu diesem Preis die Annahme seines Verkaufsangebots wirksam erklärt werden konnte. Dass eine krasse Unangemessenheit der Gegenleistung in Form des letztgültigen Gebots – da, wie aufgezeigt, durch den elektronischen Verlauf der Auktion stets möglich – von vornherein zur Unwirksamkeit des Vertrags führen soll, ist schon vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich.

Der Kaufvertrag ist auch nicht wegen Anfechtung unwirksam geworden. Eine Anfechtung scheitert zwar nicht schon an der Frist des § 121 Abs.1 BGB, wonach in den Fällen der §§ 119, 120 BGB unverzüglich nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes gehandelt werden muss. Hier erfolgte die Anfechtung durch den Beklagten am 20.04.2004, also vier Tage nach Kenntnis des streitgegenständlichen Vertragsschluss vom 15.04.2004 und damit noch unverzüglich im Sinne der Norm.

Eine Anfechtung scheitert jedoch am Anfechtungsgrund. Der Beklagte hat nicht dargelegt, einem Erklärungs- oder Inhaltsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 BGB unterlegen zu sein. Er macht zwar geltend, ein Gebot über 63,00 EUR habe er „nie annehmen wollen“. Darin ist jedoch kein Fehler in der Erklärung oder ein Irrtum über deren Bedeutung oder Tragweite zu sehen. Denn es stand – wie bereits ausgeführt – dem Beklagten nicht zu, ein Gebot, das mindestens 1,00 EUR betragen hätte, anzunehmen oder abzulehnen. Er kann ferner nicht damit gehört werden, dass er – auch wenn dies im Bereich der §§ 119 ff. BGB ohne Belang ist -, wenn er mit einem so geringen Höchstbetrag gerechnet hätte, den Pkw nicht zu einem Startpreis von 1,00 EUR eingestellt hätte. Denn als er den streitgegenständlichen BMW am 05.05.2004 erneut unter einer anderen Artikelnummer bei E einstellte, geschah dies unter denselben Bedingungen und wiederum zu einem Startpreis von 1,00 EUR. Trotz Kenntnis der Sachlage und dem neuerlichen Risiko, wieder einem geringen Höchstgebot ausgeliefert zu sein, legte er auch diesmal keinen abweichenden Mindestbetrag fest.

Auch aus § 120 BGB ergibt sich kein relevanter Anfechtungsgrund. Danach kann eine Willenserklärung, welche durch eine zur Übermittlung verwendete Person oder Einrichtung unrichtig übermittelt worden ist, angefochten werden. Zwar fungiert E gemäß § 164 Abs. 3 BGB als Empfangsvertreter sowohl des Beklagten als auch des Klägers (BGH NJW 2002, 363, 364). Ein Fehler ist jedoch im Rahmen dieser Übermittlung nicht unterlaufen.

Nach alledem hat sich bei der vorliegenden Fallgestaltung in der Person des Beklagten allein das Risiko desjenigen realisiert, der die Möglichkeiten der Vertragsanbahnung durch eine Internet-Plattform nutzt und dabei ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen – wohl zur Steigerung der Attraktivität des eigenen Angebotes – einen extrem niedrigen Startpreis angesetzt hat. Dass er noch im Verlauf der Auktion ein deutlich höheres Gebot erhalten hatte und auf dessen Bestand bis zum Ablauf der Auktion vertraute, ist dabei allein seiner Risikosphäre zuzuordnen. Der Kläger jedenfalls – hiervon musste der Beklagte bei dem Einstellen des Artikels ausgehen – konnte seinerseits auf die Verbindlichkeit des ihm übermittelten Gebotsbetrags von 63,00 EUR vertrauen.

Der Kläger hat auch nicht wirksam auf seinen Anspruch aus dem Kaufvertrag verzichtet. Hierzu bedurfte es gemäß § 397 BGB eines gegenseitigen Vertrags, für dessen Bestehen nichts vorgetragen ist. Aber auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (venire contra factum proprium) ist er nicht gehindert, seine vertraglichen Ansprüche weiter zu verfolgen. Es fehlt bereits an einer ausdrücklichen Erklärung eines – vom Beklagten herangezogenen -Anspruchsverzichts. Denn der Kläger weist in seinem Schreiben vom 18.05.2004 lediglich auf die Tatsache hin, dass ihm die für die Rechtsverfolgung nötige finanzielle Mittel fehlten. Zum anderen ist die dem „Anspruchsverzicht“ zugrunde liegende Bedingung bislang nicht eingetreten. Denn allenfalls bei Rückerstattung des bereits gezahlten Kaufpreises sollte auf die Übereignung des streitgegenständlichen Pkw verzichtet werden. Eine Rücküberweisung hat nicht stattgefunden. Der Beklagte hat daher das „Verzichtsangebot“ des Klägers weder ausdrücklich noch konkludent angenommen. Gemäß §§ 146, 147 Abs. 2 BGB erlischt ein gegenüber einem Abwesenden gemachter Antrag, wenn er nicht rechtzeitig angenommen wird. Rechtzeitig ist eine Annahme nur, wenn der Antragende ihren Eingang unter regelmäßigen Umständen noch erwarten darf. Mit einer Annahme musste der Kläger aber Mitte Juni nicht mehr rechnen. Insofern kam es auf die Rücknahme seines Angebots, die er zusätzlich am 11.06.2004 erklärte, gar nicht mehr an.

Indem der Beklagte dem Kläger den Pkw nicht übereignet hat, hat er eine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB begangen. Denn er ist seiner Leistungspflicht aus dem Schuldverhältnis gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB nicht nachgekommen. Die Fristsetzung nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB ist wegen § 281 Abs. 2 entbehrlich, da der Beklagte mit Schreiben vom 20.04.2004 ernsthaft und endgültig die Erfüllungsverweigerung erklärt hat. Im Übrigen ist der gegenständliche Pkw mittlerweile an einen Dritten veräußert worden. Dem Kläger ist dadurch ein Schaden in Höhe von 8.500,00 EUR entstanden.

Nach unbestrittenem Vortrag hat der Pkw BMW zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses einen Marktwert i.H.v. 8.500,00 EUR gehabt. Dieser Wert steht dem Kläger aus dem Kaufvertrag zu und war deswegen Inhalt der dem Beklagten obliegenden Leistungspflicht im Sinne des positiven Interesses. Da der Kläger den Kaufpreis i.H.v. 63,00 EUR bereits überwiesen und nicht zurückerhalten hat, ist der genannten Betrag auch in voller Höhe als Schaden zu beanspruchen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 8.500,00 EURO

 

 

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