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Internetbenutzung (private) und fristlose Kündigung

LAG KÖLN

AZ.: 5 Sa 1049/03

Urteil vom 17.02.2004

Vorinstanz: Arbeitsgericht Köln, AZ.: 11 Ca 9948/02


Leitsatz:

1. Macht ein Arbeitnehmer innerhalb von 3 Wochen nach Zugang einer Kündigung eine Klage auf Weiterbeschäftigung anhängig, dann kann er in entsprechender Anwendung von § 6 KSchG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung beim Arbeitsgericht auch die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG geltend machen.
2. Die private Nutzung des Internet mit einem vom Arbeitgeber überlassenen PC durch den Arbeitnehmer rechtfertigt regelmäßig erst nach entsprechender Abmahnung eine Kündigung durch den Arbeitgeber.


In Sachen hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 18.12.2004 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.07.2003 – 11 Ca 9948/02 – geändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen vom 06.09.2002 und 17.10.2002 nicht beendet ist. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Nebenintervenienten trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, der im Zeitpunkt der Kündigung Jahre alt und verheiratet war, war bei der Beklagten seit dem 14.10.1994 als Hausarbeiter zu einem durchschnittlichen Bruttogehalt von 1.700,00 € monatlich beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich gemäß § 2 des Arbeitsvertrages nach dem MTArb II. Wegen einer unzulässigen Nutzung des Internets in der Arbeitszeit im Zeitraum vom 12.08.2002 bis zum 16.08.2002 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis zunächst schriftlich am 04.09.2002 mit Ablauf des 04.09.2002 außerordentlich gekündigt. Nach Anhörung des Personalrats gemäß § 79 Abs. 3 PersVG hat die Beklagte dem Kläger mit weiterem Schreiben vom 06.09.2002 erneut fristlos mit Ablauf des Tages der Zustellung des Kündigungsschreibens gekündigt und in diesem Schreiben erklärt, dass das Kündigungsschreiben vom 04.09.2002 gegenstandslos sei. Mit einem weiteren Schreiben vom 17.10.2002 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis ferner vorsorglich aus den gleichen Gründen ordentlich zum 31.03.2003 gekündigt. Der bei der Beklagten bestehende Personalrat hat Einwendungen gegen die fristlose und gegen die vorsorgliche ordentliche Kündigung nicht erhoben.
Der Kläger hat zunächst mit einer am 25.09.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageschrift, die der Beklagten am 04.10.2002 zugestellt worden ist, die Kündigung vom 04.09.2002 mit dem Antrag angegriffen, „festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 04.09.2002 nicht beendet ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht“. Ferner hat der Kläger unter Ziffer 2 dieser Klageschrift den Antrag angekündigt, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger „zu den vor Ausspruch der Kündigung bestehenden unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen“. Mit einem weiteren, beim Arbeitsgericht am 08.10.2002 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger sodann auch die Kündigung vom 06.09.2002 angegriffen. Den Feststellungsantrag hinsichtlich der Kündigung vom 04.09.2002 hat der Kläger im Gütetermin vom 24.10.2002 zurückgenommen, zugleich hat er in diesem Termin die Klage hinsichtlich der am 17.10.2002 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung erweitert.

Der Kläger hat beim Arbeitsgericht zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die wiederholte fristlose Kündigung mit Datum vom 06.09.2002 nicht beendet ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den vor Ausspruch der Kündigung bestehenden unveränderten Arbeitsbedingungen fortzubeschäftigen;
3. festzustellen, dass auch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 17.10.2002 unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet hat.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Kündigung damit begründet, dass der Kläger den im Betrieb der Beklagten für ihn zur Verfügung stehenden PC privat durch Zugang zum Internet in der Woche vom 12. bis 16.08.2002 während der Arbeitszeit genutzt hat. Dabei habe er das Internet während seiner Arbeitszeit für die Dauer von insgesamt 11,25 Stunden genutzt.
Darüber hinaus habe er in dieser Zeit überwiegend pornografische Dateien heruntergeladen und dadurch gegen die hinsichtlich der Nutzung des Internets bestehende Dienstvereinbarung verstoßen. Nach § 5 Abs.1 dieser am 14.12.2000 von den Betriebsparteien abgeschlossenen Dienstvereinbarung (DV) ist der Zugang zum Internet sowie die Nutzung der im Internet angebotenen Dienste während der individuellen Arbeitszeit nur gestattet, soweit dies für die Arbeit der übertragenen Aufgaben erforderlich ist. Außerhalb der Arbeitszeit ist die private Nutzung der gebührenfreien Internetdienste zugelassen, soweit dienstliche Belange nicht beeinträchtigt werden. Die private Nutzung ist „nicht gestattet, wenn sie geeignet ist, dem Ansehen der Bundesanstalt für Arbeit zu schaden“. § 5 Abs 4 der DV enthält zudem die ausdrückliche Regelung, dass (u.a.) Programme, die … sexistischen oder pornografischen Inhalt haben, nicht aufgerufen … werden dürfen.

Die Beklagte hat die Kündigung im Prozess darüber hinaus damit begründet, dass der Kläger während Zeiten seiner Arbeitsunfähigkeit vom 26.02. bis 09.04.2002 49 private Telefonate zum Preis von insgesamt 35,65 € und vom 21.08. bis 30.08.2002 zwölf private Telefonate zu insgesamt 33,17 € mit seinem Diensthandy geführt habe. Ferner habe er während seines Zeitguthabensausgleichs/Urlaub in der Zeit vom 18.07. bis 10.08.2002 21 private Telefonate zu insgesamt 10,32 € geführt.
Der Personalrat hat gegenüber der außerordentlichen Kündigung mit Datum vom 15.09.2002 erklärt, dass er „keine Bedenken“ erhebt. Der hilfsweisen ordentlichen Kündigung zum 31.03.2003 hat der Personalrat mit Schreiben vom 14.10.2002 zugestimmt (Blatt 44 GA).

Das Arbeitsgericht hat durch ein am 09.07.2003 verkündetes Urteil die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe die am 06.09.2002 ausgesprochene außerordentliche Kündigung nicht fristgerecht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung, §§ 4, 13 KSchG, angegriffen.
Gegen das dem Kläger am 25.08.2003 zugestellte Urteil hat dieser schriftlich am 25.09.2003 beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt, die er schriftlich am 22.10.2003 begründet hat.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei davon auszugehen, dass der Kläger mit dem ursprünglich gestellten erweiterten Feststellungsantrag und dem Weiterbeschäftigungsantrag, welche beide fristgerecht am 08.10.2003 beim Arbeitsgericht eingegangen sind, die Unwirksamkeit der nachfolgenden Kündigungen bereits geltend gemacht habe.

Hinsichtlich der Kündigungsbegründung verweist der Kläger darauf, dass er zwar die Dienstvereinbarung zur Kenntnis genommen habe, diese sei jedoch für einen einfachen Hausarbeiter wie dem Kläger im Hinblick auf die Bedeutung des „korrekten“ Internetzugangs nicht hinreichend deutlich, insbesondere fehle es an einer Darstellung von Konsequenzen bei nicht korrekter Nutzung des Internets, was etwa durch den deutlichen einfachen Hinweis hätte geschehen können: „Wer Pornoseiten aufruft, fliegt raus“. Im Übrigen bestreitet der Kläger, dass er pornografischen Inhalte aufgerufen hat, und trägt vor, er habe nur „Ablichtungen unbekleideter Frauen“ angesehen. Dabei habe er weitergearbeitet, die gewählten Bilddarstellungen seien lediglich als eine Art „Spindbild“ im Hintergrund aufgerufen worden.
Ferner werde die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats bestritten. Es sei nicht erkennbar, wie, wann und in welcher Besetzung der Personalrat angehört worden sei.

Der Kläger beantragt,
1. unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln, Az 11 Ca 9948/02, vom 09.07.2003, zugegangen am 25.08.2003, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die wiederholte fristlose Kündigung mit Datum vom 06.09.2002 nicht beendet ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den vor Ausspruch der Kündigung bestehenden unveränderten Arbeitsbedingungen fortzubeschäftigen;
3. festzustellen, dass auch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 17.10.2002 unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet hat.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Mit der Berufungsbegründung verteidigt sie die angefochtene Entscheidung und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Entgegen der Auffassung des Klägers liege in der von ihm erhobenen ursprünglichen Feststellungsklage kein Antrag nach § 256 ZPO, weil es an der eindeutigen Erkennbarkeit des Begehrens des Klägers fehle, nicht nur eine Klage nach § 4 KSchG, sondern auch eine solche nach § 256 ZPO zu erheben. Der ursprünglich gestellte, auch nach Rücknahme der ursprünglichen Feststellungsklage aufrechterhaltene Weiterbeschäftigungsantrag hänge eng mit dem Kündigungsschutzantrag zusammen, einen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage habe der Kläger mangels Vorliegens der entsprechenden Voraussetzungen nicht gestellt.

In der Sache selbst sei davon auszugehen, dass die Darstellung des Klägers, er habe sich die aufgerufenen Seiten nicht angeschaut, sie seien nur eine Art „Spindbild“ während der von ihm verrichteten Arbeit im Hintergrund gewesen, es habe sich nicht um Seiten pornografischen Inhalts gehandelt, als Schutzbehauptung zu werten. Dass es sich in der Tat um Pornodarstellungen handele, ergebe sich aus den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 24.06.2003 im Einzelnen geschilderten Internetadressen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung des Klägers ist in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden, sie ist damit zulässig.
Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Das Arbeitsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten unter dem 06.09.2002 ausgesprochene Kündigung rechtswirksam geworden ist. Die Kündigungen der Beklagten vom 06.09.2002 sowie die ordentliche Kündigung vom 17.10.2002 sind mangels Vorliegen eines wichtigen Grundes bzw. eines für die soziale Rechtfertigung der Kündigung hinreichenden verhaltensbedingten Grundes rechtsunwirksam.

1. Die Kündigung vom 06.09.2002, die dem Kläger am 07.09.2002 zugestellt worden ist, ist nicht gemäß § 7 KSchG in Verbindung mit §§ 4, 13 KSchG rechtswirksam geworden. Zwar hat der Kläger diese Kündigung erst mit einem am 08.10.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz angegriffen, somit nicht innerhalb der Frist von drei Wochen nach Ausspruch der Kündigung, §§ 4, 13 KSchG. Das Arbeitsgericht hat jedoch verkannt, dass dem Kläger im vorliegenden Fall die verlängerte Anrufungsfrist des § 6 KSchG zu Gute kommt. Nach § 6 kann der Arbeitnehmer, der innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 KSchG bezeichneten Gründe im Klagewege geltend gemacht hat, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliegt, in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz auch die Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 und 3 KSchG geltend machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die in der Kommentarliteratur überwiegend Anerkennung gefunden hat, ist § 6 KSchG analog anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer aus der Unwirksamkeit der Kündigung folgende Lohnansprüche geltend macht und deshalb eine Leistungsklage erhoben hat (BAG AP Nr. 3 zu § 5 KSchG; BAGT EzA § 13 KSchG n. F. Nr. 1). Entsprechendes gilt nach überwiegender Meinung und nach Auffassung des Berufungsgerichts auch dann, wenn der Arbeitnehmer im Wege der Leistungsklage seine Weiterbeschäftigung für einen Zeitraum nach Zugang der außerordentlichen Kündigung gerichtlich innerhalb von drei Wochen geltend gemacht hat (so: ErfK-Ascheid, 3. Aufl., § 6 KSchG, Rdnr. 6; Herschel/Löwisch, Kommentar zum KSchG, Rn. 5; Stahlhacke/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rz. 1821).

Im vorliegenden Fall ergibt sich die fristwahrende Wirkung der vom Kläger erhobenen ersten, am 25.09.2002 und somit auch im Hinblick auf die Kündigung vom 07.09.2002 noch rechtzeitigen Klage allerdings nicht bereits daraus, dass der Kläger darin einen allgemeinen Feststellungsantrag gestellt hätte, der auch die in diesem Klageantrag nicht unmittelbar erwähnte Kündigung vom 04.09.2002 erfassen würde. Abgesehen davon, dass der Kläger den Feststellungsantrag zu 1) bezüglich der Kündigung vom 04.09.2002 insgesamt im Gütetermin vom 24.10.2002 zurückgenommen hat, so dass eine etwaige fristwahrende Wirkung dieses Antrags dadurch entfallen wäre, enthält dieser Antrag mit dem Zusatz „… sondern fortbesteht“ keine eigenständige Feststellungsklage nach § 256 ZPO. Eine allgemeine Feststellungsklage, die neben der Klage nach § 4 KSchG erhoben werden soll, ist in einem solchen Zusatz nur dann zu sehen, wenn dies eindeutig aus dem Klagevorbringen erkennbar wird (ErfK-Ascheid, § 4 KSchG, Rn. 86; BAG vom 16.03.1994, EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 49). Formuliert der Arbeitnehmer wie im vorliegenden Fall nur floskelhaft die Folgen einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage und befasst sich die Antragsbegründung ausschließlich mit der Frage, ob eine ganz bestimmte, vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung wirksam ist, so ist in der Regel nicht von einer selbstständigen allgemeinen Feststellungsklage auszugehen. So liegt es im vorliegenden Fall hinsichtlich der mit der Klageschrift vom 20.09.2002 angegriffenen Kündigung. Die Antragsbegründung befasst sich insoweit ausschließlich mit der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 04.09.2002 und enthält keinerlei Anhaltspunkte für das Bestehen eines Feststellungsinteresses für einen allgemeinen Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO.

Etwas anderes ergibt sich indessen – wegen § 6 KSchG – im Hinblick auf den vom Kläger gestellten und nicht zurückgenommenen Weiterbeschäftigungsantrag zu Ziffer 2) der Klageschrift vom 20.09.2002. Zwar steht die Geltendmachung dieses Weiterbeschäftigungsanspruchs im Zusammenhang mit dem Angriff auf eine ganz bestimmte Kündigung. Dies steht jedoch einer entsprechenden Anwendung des § 6 auf den vorliegenden Fall, in dem dem Arbeitnehmer eine weitere Kündigung zugeht, die er nicht innerhalb der Dreiwochenfrist angegriffen hat, nicht entgegen (a. M. APS/Ascheid, § 6 KSchG, Rn. 21; KR-Friedrich, 6. Auflage, § 6 KSchG Rn. 29 e). Zweck des § 6 ist es, den häufig nicht rechtskundigen Arbeitnehmer nach Möglichkeit vor einem Verlust des Kündigungsschutzes aus formalen Gründen zu schützen, wenn er nur durch rechtzeitige Anrufung des Gerichts seinen Willen, die Wirksamkeit der Kündigung zu bekämpfen, genügend klar zum Ausdruck bringt (Hueck/von Hoyningen/Huene, 12. Auflage, § 6 KSchG Rn. 6). Dies läst seine entsprechende Anwendung auch in dem Fall gerechtfertigt erscheinen, in dem der Wille des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis ohne Rücksicht auf die ausgesprochene fristlose Kündigung vom 06.09.2002 auch in Zukunft weiterhin fortzusetzen, hinreichend klar zum Ausdruck kommt.

2. Für die außerordentliche und fristgerechte Kündigung der Beklagten fehlt es an einem rechtfertigenden wichtigen Grund gemäß § 54 MTArb, erst recht fehlt es an einer sozialen Rechtfertigung der Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen gemäß § 1 Abs. 2 KSchG.

Die Kündigung kann insbesondere nicht erfolgreich darauf gestützt werden, dass der Kläger entgegen der bestehenden Dienstvereinbarung das Internet während der Arbeitszeit – nach Behauptung der Beklagten an insgesamt fünf Tagen in der Zeit vom 12.08.2002 bis 16.08.2002 im Umfang von 11,25 Stunden – zu privaten Zwecken genutzt hat. Dieses von der Beklagten behauptete, vom Kläger jedenfalls zum Teil – nämlich hinsichtlich des Umfangs der Nutzung – bestrittene Verhalten des Klägers rechtfertigt eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung nicht ohne entsprechende vorherige Abmahnung. Die Dienstvereinbarung regelt in § 5 zwar ausdrücklich die Zulässigkeit der „privaten Nutzung gebührenfreier Internetdienste“ und die „private Nutzung des Mail-Funktionen“, enthält jedoch keine ausdrückliche Verbotsregelung für eine an sich mögliche Internetnutzung während der Arbeitszeit, insbesondere sind in der Dienstvereinbarung insoweit keine bestimmten Sanktionen vorgesehen. Wird daher wie im vorliegenden Fall von dem Arbeitnehmer der Zugang zum Internet privat entgegen der Dienstvereinbarung auch während der Dienstzeit genutzt, ohne dass andere schwerwiegende Interessen des Arbeitgebers dadurch beeinträchtigt werden, so kann ein solches Verhalten des Arbeitnehmers in aller Regel eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung des Arbeitgebers ohne entsprechende vorherige Abmahnung nicht rechtfertigen. Dass der Kläger infolge der Nutzung des Internets während der Arbeitszeit andere ihm obliegende Aufgaben vernachlässigt und die in seinem Arbeitsplan (Blatt 165, 166 d. A.) im Einzelnen vorgesehenen Arbeiten, hinsichtlich derer zum großen Teil genaue zeitliche Vorgaben von der Beklagten gemacht worden waren, nicht verrichtet hat, hat die Beklagte nicht – jedenfalls nicht konkret und substantiiert – vorgetragen. In der Regel ist die private Nutzung betrieblicher Datenverarbeitungsanlagen sowie das private Telefonieren von einem Dienstanschluss nicht ohne ein ausdrückliches Verbot oder eine vorausgegangene einschlägige Abmahnung geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen (vgl. LAG Köln vom 02.07.1998 – 6 Sa 42/98 – LAGE § 1 KSchG verhaltensbedingte Kündigung Nr. 66; KR-Fischermeier, 6. Auflage, § 626 BGB, Rdnr. 445).

Soweit zum Teil in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird, jedenfalls beim Herunterladen und geordneten Speichern umfangreicher pornografischer Dateien ohne Genehmigung sei der Ausspruch einer Abmahnung entbehrlich (Arbeitsgericht Frankfurt vom 02.01.2002 – 2 Ca 5340/01 – NZA 2002, 1093), kann sich die Beklagte hierauf ebenfalls nicht berufen. Zwar hat die Beklagte einzelne vom Kläger aufgerufene Internetseiten benannt, der Kläger hat jedoch bestritten, dass es sich hier um solche pornografischen Inhalts gehandelt hat, hinsichtlich derer § 5 Abs. 4 DV ein ausdrückliches Verbot für das Aufrufen, Erstellen, Speichern, Weitergeben oder Ausdrucken enthält. Angesichts des Bestreitens des Klägers hätte die Beklagte nähere Darlegungen zu dem Inhalt der vom Kläger aufgerufenen Seiten machen müssen, um ihre Behauptung, es habe sich um solche „pornografischen Inhalts“ gehandelt, zu substantiieren und zu konkretisieren. Da der Inhalt dieser Seiten nicht gerichtsbekannt ist, bedurfte es insoweit weiterer Darlegungen. Soweit die Beklagte in der Berufungsverhandlung darauf hat hinweisen lassen, dass die aktenmäßige Aufbereitung der entsprechenden Internetseiten mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand und erheblichen Kosten verbunden wäre, vermag dies die Beklagte von der ihr obliegenden Darlegungslast nicht zu entbinden.
Auch der Vortrag der Beklagten, dass der Kläger von seinem Handy Privatgespräche zum Teil während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit zum Teil während der Urlaubszeit geführt hat, rechtfertigt ohne entsprechende vorherige Abmahnung die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung nicht. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass ein Teil der Vorwürfe sich auf Zeiträume nach Ausspruch der im vorliegenden Prozess angegriffenen Kündigungen bezieht. Soweit es sich um private Telefonate vor Ausspruch der Kündigung handelt, sind nach dem Vortrag der Beklagten im ganzen Jahr 2002 insgesamt „Telefonate mit dienstlich nicht zuzuordnenden Rufnummern“ vom Kläger geführt worden, die in der Zeit vom 02.01.2002 bis 15.08.2002 eine Summe von 89,68 € umfassen und für die Zeiten von Urlaub bzw. Arbeitsunfähigkeit weitere Beträge von 10,32 € und 33,17 €. Dem Vorbringen der Beklagten lässt sich mangels näherer Darlegung nicht entnehmen, dass es sich insoweit – in Relation zu den insgesamt vom Kläger getätigten Telefonaten mit seinem Diensthandy – um Privatgespräche in erheblichem Umfang gehandelt hat. Auch ist mangels entsprechender substantiierter Darlegung der Beklagten nicht ersichtlich, dass durch die von ihr behauptete Nutzung von „dienstlich nicht zuzuordnenden Rufnummern“ in erheblichem Umfang – abgesehen von den entstandenen Kosten – dienstliche Belange berührt worden sind. Unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und im Hinblick auf den bereits ca. achtjährigen Bestand des Arbeitsverhältnisses im Kündigungszeitpunkt erscheint es daher nach Auffassung der Kammer der Beklagten zumutbar, an Stelle einer Kündigung lediglich eine Abmahnung wegen der Privattelefonate auszusprechen sowie dem Kläger die Privattelefonate in Rechnung zu stellen.

Da hiernach das Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen nicht beendet worden ist, ist die Beklagte entsprechend dem von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch (BAG SP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) zur Weiterbeschäftigung zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 ZPO, 101 Abs. 1 ZPO.
Im Hinblick auf die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht behandelte Frage der entsprechenden Anwendung des § 6 KSchG bei einem Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung hat die Kammer die Revision zugelassen, weil nach ihrer Auffassung diese Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist, § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

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