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Internetkommentar über Dritten – Löschungsanspruch des Dritten

Oberlandesgericht Hamm

Az: I-3 U 196/10

Beschluss vom 03.08.2011


Der Senat weist nach Vorberatung darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers gegen das am 11.10.2010 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Senatsbeschluss bei einem noch festzusetzenden Berufungsstreitwert in Höhe von insgesamt 40.000,00 Euro zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

1.

Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Münster hat gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO keine Aussicht auf Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Entfernung bzw. Unterlassung der von ihm beanstandeten Äußerung des Nutzers „….“ vom 26.10.2008 (aktualisiert am 16.11.2008) auf der Homepage „………….“ sowie auf hiermit im Zusammenhang stehenden materiellen und immateriellen Schadensersatz aus den hierfür in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen der §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB, § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG, § 4 Abs. 1 BDSG.

Angesichts des Inhalts der anonym unter der Bezeichnung „….“ abgegebenen Äußerung ist im Rahmen der rechtlichen Bewertung zu unterstellen, dass es sich bei dem Verfasser der Äußerung auf der Grundlage der von der Beklagten zu 1) herausgegebenen Nutzungsbedingungen und dem zugehörigen Verhaltenskodex um einen – wohl ehemaligen – Patienten des Klägers handelt, der mit der Behandlung durch den Kläger unzufrieden war. Eine hiervon abweichende Identität des Verfassers vermag der Kläger nicht nachzuweisen, da ihm gegenüber dem Beklagten kein entsprechender Auskunftsanspruch zusteht. Einem solchen Auskunftsanspruch steht die eindeutige Wertung des Gesetzgebers in § 13 Abs. Satz 1 TMG entgegen, wonach ein Dienstanbieter – wie die Beklagte zu 1) – die Nutzung von Telemedien anonym oder unter pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Soweit der Kläger sein Auskunftsbegehren in erster Instanz auf § 13 Abs. 7 TMG gestützt hat, ist von ihm übersehen worden, dass diese Norm lediglich dem Nutzer – vorliegend also der sich hinter der Bezeichnung „….“ verbergenden Person – einen Anspruch auf Auskunft über die zu seiner Person oder zu seinem Pseudonym gespeicherten Daten gewährt. Ein Auskunftsanspruch des Klägers vermag ferner nicht damit begründet zu werden, dass der deutsche Gesetzgeber Art. 15 Abs. 2 der E-Commerce-Richtlinie (ECRL) nicht umgesetzt hat; abgesehen davon, dass die in Art. 15 Abs. 2 ECRL vorgesehene Ermächtigung des europäischen Richtliniengebers nur eine Möglichkeit und keine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten vorsieht, bestimmte Informationspflichten für Dienstanbieter zu bestimmen (vgl. Hartmann, Unterlassungsansprüche im Internet, S. 143), begründet Art. 15 Abs. 2 ECRL allenfalls einen Auskunftsanspruch der zuständigen Behörden. Mangels Vorliegens einer planwidrigen Lücke kann daher ein Auskunftsanspruch des Klägers auch nicht im Wege einer analogen Anwendung des § 809 BGB oder aus § 242 BGB hergeleitet werden.

Die für das Internet typische anonyme Nutzung entspricht zudem auch der grundrechtlichen Interessenlage, da eine Beschränkung der Meinungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugerechnet werden, mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar ist. Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde allgemein die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegen gewirkt werden (BGH, Urteil vom 23.06.2009 – VI ZR 196/08, MMR 2009, 608, 612). Es bedarf keiner näheren Ausführung des Senats dazu, dass die Gefahr des Eintritts negativer Auswirkungen insbesondere auch für denjenigen besteht, der sich als Patient aus dem Behandlungsbereich der Psychotherapie unter Angabe seiner persönlichen Daten zu erkennen gibt. Vorliegend kommt hinzu, dass der Kläger die Auffassung vertritt, dass ihm gegenüber dem anonymen Verfasser der Äußerung ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Pflichten aus dem Behandlungsvertrag zusteht, so dass die Preisgabe der Anonymität des Verfassers auch aus diesem Grund zu der in Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungsfreiheit in Widerspruch stünde.

Die im Streitfall vorzunehmende Abwägung zwischen dem demnach bestehenden Recht auf Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG und dem Inhalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass dem Recht der Kommunikationsfreiheit der Vorrang zu gewähren ist.

Das Landgericht hat hierbei die beanstandete Bewertung des Klägers zutreffend als Werturteil angesehen, welches im Rahmen des Rechts des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung lediglich die Sozialsphäre des Klägers tangiert. Die Bewertungen betreffen die berufliche Tätigkeit des Klägers, also einen Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein in Kontakt mit der Umwelt vollzieht, mag hierbei auch zwischen einem Psychotherapeuten und seinem Patienten ein besonderes Vertrauensverhältnis erforderlich sein, was der Senat durchaus nicht verkennt. Hierdurch wird aber – wie auch sonst bei der beruflichen Erbringung von Dienstleistungen höherer Art, die in der Regel nur infolge besonderen persönlichen Vertrauens übertragen werden – die zur Sozialsphäre des Persönlichkeitsrechts zu rechnende berufliche Tätigkeit noch nicht Teil der Privat- oder gar der Intim– und Geheimsphäre. Soweit die in der Bewertung erfolgte Einschätzung des Klägers auch persönliche Eigenschaften betreffen, werden sie dem Kläger erkennbar allein aufgrund seines Auftretens innerhalb seines beruflichen Wirkungskreises beigelegt, so dass die Bewertung auch insoweit ausschließlich der Sozialsphäre des Klägers zuzuordnen ist. Äußerungen, die lediglich die Sozialsphäre berühren, dürfen aber nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind.

Die beanstandete Bewertung stellt sich hierbei insgesamt als eine Meinungsäußerung dar, auch wenn sie einen Tatsachengehalt aufweist, mit dem sich die Meinungsäußerung vermengt. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG greift unabhängig davon ein, ob die Äußerung zugleich einen tatsächlichen Kern aufweist, denn der Schutzbereich des Grundrechts erstreckt sich auch auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (BVerfG, NJW 2008, 358, 359). Maßgeblich für die Abgrenzung, ob es sich um ein Werturteil oder um eine Tatsachenbehauptung handelt, ist das Verständnis eines durchschnittlichen und verständigen Empfängers der Äußerung. Bei Berufsbewertungsportalen wird dieser davon ausgehen, dass mangels objektiver Nachprüfbarkeit regelmäßig subjektive Werturteile der Bewertenden und keine Tatsachenbehauptungen vorliegen, da die Bewertenden mangels eigener fachlicher Kompetenz nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit für ihre Bewertungen erheben, sondern lediglich ihre persönliche Sicht der bewerteten Person und ihrer Eigenschaften darlegen (Schröder, Persönlichkeitsrechtsschutz bei Bewertungsportalen im Internet, Verwaltungsarchiv 2010, 205, 224). Die demzufolge als bloße Meinungsäußerung anzusehende Bewertung des Klägers stellt hierbei weder eine unsachliche Schmähkritik noch eine Formalbeleidigung oder einen Angriff auf die Menschenwürde des Klägers dar, da hierfür jedweder Anhaltspunkt fehlt.

Der Umstand, dass vorliegend – im Unterschied zu der das Lehrerbewertungsportal „Internetadresse“ betreffenden Entscheidung BGH, MMR 2009, 608 ff. – nicht nur registrierte Nutzer die Bewertung des Klägers auf der Homepage der Beklagten zu 1) einsehen können, führt ebenfalls zu keiner zugunsten des Klägers vorzunehmenden Abwägung seines Persönlichkeitsrechts mit dem Recht auf Meinungsäußerung. Das öffentliche Interesse an bestimmten Informationen variiert je nachdem, welcher Personenkreis überhaupt mit der Berufsausübung des Bewerteten in Kontakt kommen kann. Bei Personen, die – wie der Kläger – ihre beruflichen Dienstleistungen öffentlich gegenüber jedermann anbieten, wird man im Gegensatz zu Lehrern, deren berufliche Öffentlichkeit auf die Tätigkeit in bestimmten Klassen einer bestimmten Schule beschränkt ist, ein generelles öffentliches Interesse annehmen können, ihre Bewertung durch Dritte zu erfahren, um eine Markttransparenz zu schaffen, die der Öffentlichkeit bei der Wahl von potentiellen Vertragspartnern hilft (vgl. Schröder, a.a.O., S. 223).

Auch unter Berücksichtigung der als Abwägungsaspekt zugunsten des Klägers streitenden Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ergibt sich kein von der Entscheidung des Landgerichts abweichendes Abwägungsergebnis. Zwar erscheint es denkbar, dass bei Freiberuflern ein wirtschaftliches Risiko mit negativen Bewertungen verbunden sein mag, welches bis hin zur Existenzgefährdung reichen kann. Vorliegend hat der Kläger allerdings weder hinreichend dargelegt noch gar unter Beweis gestellt, dass ihm aufgrund der seit dem Jahre 2008 eingetragenen Bewertung ein relevanter wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, zumal der vom Kläger beanstandeten Negativbewertung mittlerweile fünf positive Bewertungen gegenüber stehen. Ein zugunsten des Klägers anzunehmendes Abwägungsergebnis folgt hierbei jedenfalls derzeit noch nicht aus dem Umstand, dass die Bewertung bereits drei Jahre zurück liegt. Da die beanstandete Äußerung mit dem genauen Datum verbunden ist, vermag ein verständiger Empfänger der Aussage in seine Bewertung des Textes mit einzubeziehen, dass der Beitrag bereits einige Zeit zurück liegt.

Nach alledem ist der Berufung des Klägers im Ergebnis der Erfolg zu versagen.

2.

Auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO liegen vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die grundgesetzlich relevanten Vorgaben und Abwägungskriterien zu dem rechtlichen Problemkreis bei Veröffentlichungen von anonymen Äußerungen in Berufsbewertungsportalen sind bereits in der zitierten Entscheidung des BGH zu dem Lehrerbewertungsportal „Internetadresse“ (MMR 2009, 608 ff.) aufgeführt worden. Unter Beachtung der in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze handelt es sich vorliegend um eine bloße Einzelfallentscheidung, da die vorzunehmende Abwägung für jede einzelne Fallkonstellation gesondert vorgenommen werden muss.

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