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Irrtumsanfechtung – Ersteigerung eines Bildes in einer Internet-Live-Auktion

OLG Koblenz – Az.: 2 U 37/11 – Beschluss vom 24.06.2011

Der Senat erwägt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz – Einzelrichter – vom 09. Dezember 2010 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Der Klägerin wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 29. Juli 2011. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Im Einzelnen:

I.

Die Klägerin betreibt unter der Internetadresse www….[A].com ein Auktionsportal für Auktionatoren, die auf dieser Internetseite gegen Entgelt ihre Auktionskataloge für die von ihnen zu bestimmten Terminen durchgeführten klassischen Auktionen im Sinne der Versteigererverordnung präsentieren. Die Auktionshäuser können über diese Plattform auch Gebote von registrierten Benutzern der Internetseite der Klägerin auf elektronischem Wege entgegennehmen. Den Nutzern des von der Klägerin betriebenen Portals wird bei bestimmten Auktionshäusern, die diese Möglichkeit bereitstellen, die Teilnahme als sog. Live-Bieter über das Internet eröffnet. Dabei kann dann der Nutzer, ebenso wie ein im Saal anwesender Bieter, visuell und akustisch mittels eines Live-Videos aus dem Auktionssaal an der betreffenden Auktion teilnehmen und in Echtzeit während der laufenden Versteigerung mitbieten. Hierzu müssen sich die jeweiligen Benutzer zuvor bei dieser Plattform registriert haben. Zusätzlich ist es erforderlich, dass sich der jeweilige Nutzer auch für die Live-Auktion als sog. Live-Bieter anmeldet.

Der Beklagte ist alleiniger Inhaber eines Antiquariats. Gegenstand seiner Tätigkeit ist der Handel mit antiquarischen Büchern und Grafiken. Der Beklagte hatte sich auf der Plattform der Klägerin angemeldet und bereits an einer Vielzahl von Versteigerungen im Internet teilgenommen, bis zum streitgegenständlichen Ereignis jedoch nicht als Live-Bieter. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Auktionsarten besteht darin, dass beim Live-Bieten nach der vollständigen Anmeldung ein einziger Mausklick genügt, um ein rechtswirksames Gebot abzugeben, während bei den anderen Auktionen die Notwendigkeit besteht, mehrfach zu klicken. Im Rahmen einer solchen Versteigerung mit der Möglichkeit des Live-Bietens ist auf der betreffenden Seite ein Live-Video der betreffenden Auktion eingeblendet, um dem Teilnehmer am Computer die erwähnte optische und akustische Verfolgung der Auktion zu ermöglichen.

Am Nachmittag des 12.06.2010 nahm der Beklagte gegen 17.00 Uhr aufgrund seiner vorherigen Anmeldung als Live-Bieter an der öffentlichen Versteigerung des Auktionshauses …[B] teil. Zum Aufruf kam ein Bild des Malers Max Ernst mit dem Mindestgebot von 70.000,00 €, Katalog-Nr. 2134.

Der Beklagte hatte sich für diese Versteigerung deshalb angemeldet, weil er beabsichtigte, an zwei an diesem Tage später stattfindenden Versteigerungen als Bieter teilzunehmen, nämlich der Versteigerung von Grafiken von 18.15 Uhr bis 18.50 Uhr und an der Versteigerung von Büchern von 18.50 Uhr bis 19.20 Uhr. Die Mindestgebote für die in diesen beiden Versteigerungen zum Verkauf stehenden Bücher und Grafiken bewegten sich zwischen 100,00 € und 2.500,00 €.

Im Rahmen der geschilderten Auktion, betreffend das Werk des erwähnten Malers Max Ernst, welches zum Preis von 70.000,00 € zum Aufruf kam und bei dem Übergebote nur in Höhe von 10.000,00 € zugelassen waren, betrug das Meistgebot 140.000,00 €, als der Beklagte das entsprechende Feld anklickte, mit dem ein unmittelbar wirksames Gebot abgegeben wird. Es kam anschließend zur Erteilung des Zuschlags an den Beklagten zum Meistgebot von 150.000,00 €. Kurze Zeit später meldete sich der Beklagte daraufhin im Auktionshaus telefonisch und erklärte, das Ganze rückgängig machen zu wollen, wobei der Wortlaut im Einzelnen streitig ist.

Da seitens des Auktionshauses …[B] kein Einverständnis in eine Rückgängigmachung gegeben wurde, setzte sich der Beklagte nunmehr mit per Einschreiben gegen Rückschein versandtem Schreiben vom 23.06.2010 nochmals mit der Auktionshaus …[B] GmbH, der Betreiberin des Auktionshauses, in Verbindung. In diesem Schreiben erklärte er, dass er sich nicht bewusst gewesen sei, überhaupt eine Willenserklärung abgegeben zu haben, weshalb er sofort dort angerufen und den Sachverhalt unter entsprechender Erklärung einer Anfechtung aufgeklärt habe. Der Beklagte focht im besagten Schreiben seine entsprechende Willenserklärung ausdrücklich unter Nennung des § 119 BGB an (GA 17).

Irrtumsanfechtung - Ersteigerung eines Bildes in einer Internet-Live-Auktion
Symbolfoto: Von AnnaStills/Shutterstock.com

Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht vom Beklagten die Zahlung eines Aufgeldes in Höhe von 2.200,00 €, welches sich aus 22 v. H. der Zuschlagsdifferenz in Höhe von 10.000,00 € ergebe, sowie eine Provision für den Zuschlag als Live-Bieter in Höhe von 4.500,00 €, entsprechend 3 v. H. des Zuschlagsbetrages in Höhe von 150.000,00 € verlangt.

Die Klägerin hat auf Zahlung von 6.700,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie beantragt unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie 4.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Das Aufgeld von 2.200,00 € wird mit der Berufung nicht mehr geltend gemacht.

II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und einen Anspruch der Klägerin aus Vertrag gemäß § 281 BGB oder § 122 BGB verneint. Da der Beklagte wirksam den Vertrag wegen eines Erklärungsirrtums angefochten hat, kann die Klägerin  nur einen Vertrauensschaden nach § 122 BGB geltend machen. Das ist der Schaden, der dadurch entstanden ist, dass der Empfänger auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hat. Die von der Berufung beanstandete Formulierung des Landgerichts, der Empfänger der angefochtenen Willenserklärung sei so zu stellen, wie er stünde, wenn die betreffende Willenserklärung niemals abgegeben worden wäre, ist missverständlich. Das Landgericht ist aber zu Recht zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin einen solchen Vertrauensschaden nicht dargelegt hat, wobei im Berufungsverfahren das Aufgeld in Höhe von 2.200,00 € nicht mehr im Streit steht, sondern nur noch der Vertrauensschaden in Höhe einer 3-prozentigen Provision, ausgehend von dem Zuschlagspreis von 150.000,00 €.

Die Klägerin hat in erster Instanz aus abgetretenem Recht der Zedentin keinen Vertrauensschaden, sondern einen Schaden geltend gemacht, der auf das Erfüllungsinteresse gerichtet war. In der Klageschrift (S. 4, GA 5) hat die Klägerin einen Provisionsanspruch des Auktionators in Höhe von 3 % des Gebots von 150.000,00 € verfolgt, der in dem Verhältnis des Auktionators zu dem Beklagten begründet sein sollte. Dabei handelte es sich nicht um einen Vertrauensschaden, der auf das negative Interesse gerichtet war. Im Berufungsverfahren wird der Vortrag nunmehr dahingehend geändert, dass der Provisionsanspruch im Verhältnis zwischen Klägerin und Auktionator bestehen soll. Der Auktionator müsse an die Klägerin für die Bereitstellung des Live-Bietens-Programms eine 3-prozentige Provision zahlen. Dabei handele es sich um eine Kostenposition, welche die Klägerin aus abgetretenem Recht geltend mache.

Es mag offen bleiben, ob es sich bei diesem neuen Vortrag um eine unzulässige Klageänderung handelt. Dieser neue und von dem Beklagten bestrittene Vortrag ist jedenfalls verspätet (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Die Klägerin hätte bereits in erster Instanz entsprechend vortragen können, insbesondere nachdem die Kammer mit Verfügungen vom 31.08.2010 (GA 20) und 30.09.2010 (GA 70) darauf hingewiesen hat, dass der Vertrauensschaden nicht schlüssig dargestellt ist. Von einer diesbezüglichen Vereinbarung des Auktionshauses …[B] mit der Klägerin, d.h. einem Provisionsanspruch der Klägerin gegen das Auktionshaus …[B], war erstinstanzlich nicht die Rede. Auch ist nicht ersichtlich, dass diese  Provision von dem Auktionshaus an die Klägerin unabhängig von der Wirksamkeit des zugrunde liegenden, den Provisionsanspruch auslösenden Geschäfts zu zahlen sein soll.

Die Berufung hat aus den dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 4.500,00 € festzusetzen.

 

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