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Der Jauchegrube-Fall – Generalvorsatz im Strafrecht


Bundesgerichtshof

Az: 5 StR 77/60

Urteil vom 26.04.1960


Tenor

Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Schwurgerichts in Oldenburg (Oldb.) vom 27.November 1959 wird verworfen.

Die nach dem 27.November 1959 erlittene Untersuchungshaft wird, soweit sie drei Monate übersteigt, auf die Strafe angerechnet,

Die Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

– Von Rechts wegen –


Gründe

Die Verfahrensrüge geht fehl. Die Begründung, mit der das Schwurgericht den Beweisantrag auf Vernehmung eines Obergutachters abgelehnt hat, ist nach § 244 Abs.4 Satz 2 StPO zulässig und enthält keinen rechtlichen Fehler. Sie widerspricht auch nicht dem Inhalte der Urteilsgründe deshalb, weil diese zugunsten der Angeklagten von einer erheblich verminderten Zurechnungsfähigkeit ausgehen. Der Ausdruck, durch die Vernehmung des Sachverständigen Dr. Schwabe sei „das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen“, bedeutet nicht, es habe kein seelischer Ausnahmezustand der in § 51 StGB vorausgesetzten Art vorgelegen; das Schwurgericht wollte vielmehr in seinem Beschluß mit jenen Worten nur sagen, es stehe schon fest, daß dieser Zustand das Hemmungsvermögen der Angeklagten nicht, wie der Verteidiger durch das beantragte Obergutachten beweisen wollte, völlig ausgeschlossen habe.

Das Urteil hält auch der Sachbeschwerde stand.

Die Angriffe der Revision gegen die Feststellungen, aus denen das Schwurgericht einen bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten herleitet, sind nicht rechtlicher, sondern tatsächlicher Art und daher im Revisionsrechtszuge unbeachtlich (§ 337 StPO).

Der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt es auch, daß das Schwurgericht nicht versuchten, sondern vollendeten Totschlag annimmt.

Der Revision ist allerdings folgendes zuzugeben. Im Urteil steht, es liege „ein die ganze Tat durchziehender Generaldolus“ vor (UA S.19); der bedingte Tötungsvorsatz der Angeklagten habe ihr gesamtes Vorgehen beherrscht, „beginnend mit der Verhinderung des Schreiens der Gewürgten und endend mit der Versenkung ihres Opfers in die Jauchegrube“ (UA S.16). Es wäre unrichtig, wenn das Schwurgericht hiermit sagen wollte, die Angeklagte habe noch beim Beseitigen der bewußtlosen Frau B, von deren Tode sie fest überzeugt war (UA S.15), mit einem fortwirkenden bedingten Tötungsvorsatz gehandelt. Dieser war vielmehr durch jene Überzeugung der Angeklagten erledigt. Daran kann der unklare und rechtsgeschichtlich überholte Begriff eines „Generalvorsatzes“ nichts ändern. Es geht nicht an, mit seiner Hilfe den ursprünglichen Tötungsvorsatz auf spätere Handlungen auszudehnen, bei denen er tatsächlich nicht mehr bestand (vgl. Hellmuth Mayer JZ 1956,109).

Ob das Schwurgericht dies wirklich tun will, mag dahinstehen. Selbst wenn ein solcher Fehler in der rechtlichen Begründung des Schuldspruchs läge, träfe dieser bei dem festgestellten Sachverhalt zu. Wie das Schwurgericht rechtlich einwandfrei darlegt (UA S.14), hatte die Angeklagte den bedingten Tötungsvorsatz, als sie Frau B zwei Hände voll Sand in den Mund stopfte, um sie am Schreien zu hindern. Dadurch verursachte sie den Tod zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar. Denn die Folge war, daß Frau B schließlich regungslos dalag, von der Angeklagten für tot gehalten und deshalb von ihr in die Jauchegrube geworfen wurde. Zu diesem Vorgange, der den Tod unmittelbar bewirkte, wäre es ohne die früheren Handlungen, die die Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz ausgeführt hatte, nicht gekommen. Diese sind daher Ursache des Todes. Die Angeklagte hat ihn also mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt. Er ist zwar auf eine andere Weise eingetreten, als die Angeklagte es für möglich gehalten hatte. Diese Abweichung des wirklichen vom vorgestellten Ursachenablauf ist aber nur gering und rechtlich ohne Bedeutung.

Das ist für Fälle des direkten Tötungsvorsatzes schon wiederholt entschieden worden (RGSt 67,258; BGH vom 23.Oktober 1951 bei Dallinger MDR 1952,16; BGHSt 7,325, 329/330). Daß die Angeklagte bei ihrem Angriff nur mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hatte, ist jedenfalls im vorliegenden Falle kein Grund, etwas anderes anzunehmen. Denn der Unterschied zwischen beiden Arten des Vorsatzes hat mit der Ursächlichkeit nichts zu tun. Er ändert auch nichts daran, daß das Maß, in dem der wirkliche Ursachenablauf von der Vorstellung der Angeklagten abwich, gering und daher rechtlich bedeutungslos ist.

Den benannten Strafmilderungsgrund des § 213 StGB hat das Schwurgericht ohne Rechtsirrtum verneint. Es hat insbesondere mit Recht in der Bemerkung der Frau B, die Angeklagte solle „doch lieber zu Br“, ihrem früheren Freunde, „gehen“, keine schwere Beleidigung gefunden (UA S.22). Die Einwendungen, die die Revision in diesem Zusammenhange erhebt, sind unbegründet. Sie meint ferner, der neurotische Spannungszustand der Angeklagten rechtfertige es, mildernde Umstände allgemeiner Art, also einen unbenannten Strafmilderungsgrund nach § 213 StGB anzunehmen. Dieser Angriff zielt unzulässig nur darauf ab, das Ermessen des Tatrichters, der dies ausdrücklich abgelehnt hat (UA S.23 unten), durch ein anderes zu ersetzen.

Die Entscheidung entspricht dem Antrage der Bundesanwaltschaft.


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