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Übersicht:
- ✔ Kurz und knapp
- Jederzeitige Kündigung: OLG Frankfurt klärt Rechte bei Leihverträgen
- ✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Frankfurt
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Rückgabe von Leihgegenständen
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Frankfurt
✔ Kurz und knapp
- Der Kläger kann als Verleiher das Fahrzeug nach § 604 Abs. 3 BGB jederzeit vom Entleiher (Beklagte) herausverlangen.
- Die Parteien haben einen Leihvertrag im Sinne von § 598 BGB geschlossen.
- Ist die Leihdauer weder bestimmt noch aus dem Zweck zu entnehmen, kann der Verleiher jederzeit die Rückgabe verlangen (§ 604 Abs. 3 BGB).
- Die Beklagte als Entleiherin trug die Beweislast für eine vereinbarte feste Leihdauer oder einen vereinbarten Leihzweck, die gegen § 604 Abs. 3 BGB sprechen.
- Die Beklagte ist ihrer Beweislast nicht nachgekommen.
- Dem Kläger als Verleiher steht unabhängig von seiner möglichen Eigentümerstellung ein Herausgabeanspruch gegen die Beklagte zu.
- Der Herausgabeantrag auf „sämtliche Schlüssel“ ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Jederzeitige Kündigung: OLG Frankfurt klärt Rechte bei Leihverträgen
Leihverträge sind in unserem Rechtssystem ein wichtiger Baustein, der es Privatpersonen und Unternehmen ermöglicht, Sachen vorübergehend zu nutzen, ohne sie selbst erwerben zu müssen. Diese vertraglichen Vereinbarungen regeln die rechtlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer der Verleiher einem Entleiher den vorübergehenden Gebrauch einer Sache überlässt.
Ein zentraler Aspekt ist hierbei die Frage, wie lange das Nutzungsrecht des Entleihers besteht und wann der Verleiher die Rückgabe der Sache verlangen kann. Grundsätzlich sieht das Gesetz eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit des Verleihers vor, sofern keine feste Laufzeit oder ein bestimmter Verwendungszweck vereinbart wurde. In der Praxis gibt es jedoch eine Vielzahl an Konstellationen, in denen Gerichte diese Rechtslage näher beleuchten müssen.
Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt befasst sich eingehend mit dieser Problematik und soll im Folgenden zusammengefasst und eingeordnet werden.
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✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Frankfurt
Rückgabe eines Fahrzeugs nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
Der vorliegende Fall behandelt die rechtliche Auseinandersetzung zwischen einem Kläger und seiner ehemaligen nichtehelichen Lebensgefährtin, der Beklagten. Im Mittelpunkt steht die Rückgabe eines Fahrzeugs, das der Kläger der Beklagten unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatte. Die Beklagte behauptete, es sei vereinbart worden, dass sie das Fahrzeug dauerhaft behalten dürfe. Der Kläger forderte jedoch nach Beendigung der Beziehung die Rückgabe des Fahrzeugs, was die Beklagte verweigerte. Der rechtliche Konflikt entstand, weil keine feste Dauer der Leihe vereinbart worden war. Das rechtliche Problem lag in der Klärung, ob der Kläger das Fahrzeug jederzeit zurückfordern konnte oder ob die Beklagte ein dauerhaftes Nutzungsrecht hatte.
Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden
Das Landgericht Wiesbaden urteilte zugunsten des Klägers und bestätigte das Versäumnisurteil vom 24. November 2022. Das Gericht entschied, dass der Kläger gemäß § 604 Abs. 3 BGB das Fahrzeug jederzeit zurückfordern könne, da keine feste Dauer der Leihe vereinbart worden war. Die Beklagte konnte keinen Beweis für eine abweichende Vereinbarung erbringen. Das Gericht befand zudem, dass der Kläger nicht beweisen musste, Eigentümer des Fahrzeugs zu sein, da dies für den Herausgabeanspruch unerheblich sei. Das Urteil verpflichtete die Beklagte, das Fahrzeug und alle zugehörigen Schlüssel an den Kläger herauszugeben.
Berufungsverfahren und Zurückweisung durch das OLG Frankfurt
Die Beklagte legte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts ein und argumentierte, dass der Kläger nicht bewiesen habe, Eigentümer des Fahrzeugs zu sein, und dass das Fahrzeug ihr dauerhaft zur Verfügung gestellt worden sei. Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG Frankfurt) wies die Berufung jedoch als offensichtlich unbegründet zurück. Das OLG bestätigte die Auffassung des Landgerichts, dass der Kläger das Fahrzeug gemäß § 604 Abs. 3 BGB zurückverlangen konnte. Das Gericht stellte klar, dass die Darlegungs- und Beweislast für eine abweichende Vereinbarung bei der Beklagten lag, diese jedoch keinen entsprechenden Nachweis erbracht hatte.
Weitere Einwände und deren rechtliche Bewertung
Die Beklagte hatte außerdem vorgebracht, der Klageantrag sei zu unbestimmt, insbesondere im Hinblick auf die Herausgabe „sämtlicher Schlüssel“. Das OLG Frankfurt wies diesen Einwand zurück und betonte, dass der Antrag hinreichend bestimmt sei. Alle im Besitz der Beklagten befindlichen Schlüssel seien herauszugeben, was keine Unsicherheit für die Zwangsvollstreckung des Urteils verursache. Auch der Einwand, dass das Fahrzeug möglicherweise finanziert sei, wurde als irrelevant erachtet, da dies keinen Einfluss auf den Herausgabeanspruch des Klägers habe. Die Berufung hatte somit keine Aussicht auf Erfolg, und das Urteil des Landgerichts Wiesbaden wurde bestätigt.
Zusammenfassung der rechtlichen Aspekte
Der Fall illustriert die rechtlichen Grundsätze zur jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit eines Leihvertrages gemäß § 604 Abs. 3 BGB. Wichtig ist die Feststellung, dass bei fehlender Vereinbarung über die Leihdauer der Verleiher die Leihsache jederzeit zurückfordern kann. Die Beweislast für eine abweichende Vereinbarung liegt beim Entleiher. Das OLG Frankfurt bestätigte, dass der Eigentumsnachweis des Klägers unerheblich war, solange der Kläger als Verleiher des Fahrzeugs auftrat. Der Fall zeigt auch, dass die Bestimmtheit eines Klageantrags im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausreichend konkretisiert sein muss, um eine effektive Zwangsvollstreckung zu ermöglichen.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Urteil bekräftigt den Grundsatz, dass bei einem Leihvertrag ohne vereinbarte Leihdauer der Verleiher gemäß § 604 Abs. 3 BGB die Sache jederzeit zurückfordern kann. Die Beweislast für eine abweichende Vereinbarung trägt der Entleiher. Für den Herausgabeanspruch ist der Eigentumsnachweis des Verleihers unerheblich. Der Fall verdeutlicht die Bedeutung klarer vertraglicher Regelungen bei der Überlassung von Gegenständen, insbesondere im Kontext persönlicher Beziehungen, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Rückgabe von Leihgegenständen
Was passiert, wenn bei einem Leihvertrag keine feste Leihdauer vereinbart wurde?
Wenn bei einem Leihvertrag keine feste Leihdauer vereinbart wurde, greifen die gesetzlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Gemäß § 604 Abs. 3 BGB kann der Verleiher die geliehene Sache jederzeit zurückfordern, wenn die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck der Leihe zu entnehmen ist. Dies bedeutet, dass der Entleiher verpflichtet ist, die Sache auf Verlangen des Verleihers zurückzugeben, ohne dass eine Kündigungsfrist eingehalten werden muss.
Die Darlegungs- und Beweislast für eine fest vereinbarte Leihdauer oder einen bestimmten Zweck der Leihe trägt der Entleiher. Kann der Entleiher nicht nachweisen, dass eine bestimmte Leihdauer oder ein bestimmter Zweck vereinbart wurde, bleibt es bei der jederzeitigen Rückforderungsmöglichkeit des Verleihers.
Für den Entleiher bedeutet dies, dass er die geliehene Sache stets in einem Zustand halten muss, der eine sofortige Rückgabe ermöglicht. Der Entleiher haftet für Schäden, die durch nicht vertragsgemäßen Gebrauch entstehen, während der Verleiher nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haftet.
Ein praktisches Beispiel: Wenn jemand ein Auto ohne feste Leihdauer ausleiht, kann der Verleiher das Auto jederzeit zurückfordern. Der Entleiher muss das Auto dann unverzüglich zurückgeben, unabhängig davon, wie lange er es bereits genutzt hat oder wie lange er es noch nutzen wollte.
Wichtig ist auch, dass die Rückforderung nicht zur Unzeit erfolgen darf. Dies bedeutet, dass der Verleiher die Rückgabe nicht zu einem Zeitpunkt verlangen darf, der für den Entleiher unzumutbar wäre, es sei denn, es liegt ein wichtiger Grund vor.
Zusammengefasst: Ohne feste Leihdauer kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern, und der Entleiher muss diese unverzüglich zurückgeben. Die Beweislast für eine vereinbarte Leihdauer oder einen bestimmten Zweck liegt beim Entleiher.
Relevanz: 10
Wer trägt die Beweislast, wenn der Entleiher behauptet, es sei eine abweichende Vereinbarung zur Leihdauer getroffen worden?
Die Beweislast trägt der Entleiher, wenn er behauptet, es sei eine abweichende Vereinbarung zur Leihdauer getroffen worden. Gemäß § 604 Abs. 3 BGB kann der Verleiher die Leihsache jederzeit zurückfordern, sofern keine feste Leihdauer vereinbart wurde. Der Entleiher muss nachweisen, dass eine abweichende Vereinbarung zur Leihdauer oder ein bestimmter Zweck der Leihe getroffen wurde, um die jederzeitige Rückforderung auszuschließen.
Die Darlegungs- und Beweislast liegt somit beim Entleiher. Er muss konkrete Tatsachen vortragen und beweisen, die eine abweichende Vereinbarung belegen. Dies kann durch schriftliche Vereinbarungen, Zeugenaussagen oder andere Beweismittel geschehen. Kann der Entleiher dies nicht nachweisen, bleibt es bei der gesetzlichen Regelung, dass der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern kann.
Ein praktisches Beispiel: Wenn jemand behauptet, ein Fahrrad für ein Jahr ausgeliehen zu haben, muss er dies durch entsprechende Beweise belegen. Gelingt ihm dies nicht, kann der Verleiher das Fahrrad jederzeit zurückfordern.
Die Beweislastverteilung im Zivilprozess folgt dem Grundsatz, dass jede Partei die für sie günstigen Tatsachen beweisen muss. Dies bedeutet, dass derjenige, der sich auf eine abweichende Vereinbarung beruft, diese auch nachweisen muss.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 604 Abs. 3 BGB: Dieser Paragraph regelt die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit des Verleihers bei einem Leihvertrag, wenn keine feste Leihdauer oder kein bestimmter Zweck vereinbart wurde. Im vorliegenden Fall konnte der Kläger das Fahrzeug jederzeit zurückfordern, da keine konkrete Leihdauer festgelegt war.
- § 598 BGB: Dieser Paragraph definiert den Leihvertrag als die unentgeltliche Überlassung einer Sache zum Gebrauch. Im konkreten Fall ist entscheidend, dass es sich um einen Leihvertrag handelte, da der Kläger das Fahrzeug unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatte.
- § 253 Abs. 2 Nr. 2 BGB: Dieser Paragraph schreibt vor, dass ein Klageantrag hinreichend bestimmt sein muss, um den Streitgegenstand klar zu definieren. Das OLG Frankfurt bestätigte, dass der Antrag auf Herausgabe „sämtlicher Schlüssel“ ausreichend bestimmt war, da er alle im Besitz der Beklagten befindlichen Schlüssel umfasst.
- § 314 ZPO: Dieser Paragraph regelt die Bindungswirkung des Tatbestands im Urteil für das Berufungsgericht. Im vorliegenden Fall war der Senat an die
⬇ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Frankfurt
OLG Frankfurt – Az.: 26 U 69/22 – Beschluss vom 23.05.2023
In dem Rechtsstreit weist der Senat auf seine Absicht hin, die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Dezember 2022 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Die Beklagte hat Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 5. Juni 2023.
Gründe
I.
Der Senat ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen einer Beschlussentscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen. Insbesondere erachtet er die Berufung als offensichtlich unbegründet (1 und 2) und hält eine mündliche Verhandlung nicht für geboten (3).
1. Der Kläger verlangt die Rückgabe eines Fahrzeugs.
Die Beklagte war die nichteheliche Lebensgefährtin des Klägers. Dieser stellte der Beklagten das in Rede stehende Fahrzeug unentgeltlich zur Verfügung. Das Fahrzeug hat einen Zeitwert von € 15.800,00. Mit Anwaltsschreiben vom 23. Juli 2022 verlangte der Kläger das Fahrzeug zurück (Anlage K2).
Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Personenkraftwagen der Marke A (3 Türer) mit dem amtlichen Kennzeichen …, Fahrgestellnummer …, nebst sämtlichen Schlüsseln an den Kläger herauszugeben (1), der Beklagten eine Frist zur Herausgabe von zwei Wochen nach Rechtskraft des Urteils zu setzen (2) und die Beklagte zu verurteilen, nach fruchtlosem Ablauf der Frist € 15.800,00 „nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz“ seit Fristablauf an den Kläger zu zahlen (3).
Wegen der Säumnis der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24. November 2022 erging am selben Tag gegen die Beklagte ein antragsgemäßes Versäumnisurteil (Bl. 40 f. d. A.). Gegen dieses Versäumnisurteil legte die Beklagte fristgemäß Einspruch ein.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug zuletzt beantragt, das Versäumnisurteil vom 24. November 2022 aufrecht zu erhalten.
Die Beklagte hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, das Versäumnisurteil vom 24. November 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, es sei zwischen den Parteien vereinbart worden, dass sie das Fahrzeug dauerhaft erhalte. Zweck der Leihe sei „die Mobilität der Beklagten im Hinblick auf die Notwendigkeit von familiären Besorgungen gewesen“.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Mit dem angegriffenen Urteil vom 22. Dezember 2022 hat das Landgericht das Versäumnisurteil vom 24. November 2022 aufrechterhalten.
Zur Begründung hat das Landgericht u. a. ausgeführt, der Kläger könne das Fahrzeug gemäß § 604 Abs. 3 BGB herausverlangen. Die Parteien hätten unstreitig einen Leihvertrag gemäß § 598 BGB geschlossen, indem der Kläger der Beklagten das Fahrzeug unentgeltlich zur Verfügung gestellt habe. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien keine konkrete Dauer der Leihe vereinbart hätten und folglich der Kläger gemäß § 604 Abs. 3 BGB jederzeit die Herausgabe verlangen könne. Die Beweislast für eine die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit des § 604 Abs. 3 BGB ausschließende Leihdauer oder einen vereinbarten Zweck trage der Entleiher, hier also die Beklagte. Für ihre Behauptung, die Leihe sei „als dauerhaft vereinbart worden und der Zweck der Leihe sei mit Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht entfallen“, habe die Beklage keinen Beweis angetreten.
Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf das angegriffene Urteil vom 22. Dezember 2022 (Bl. 63 ff. d. A.) verwiesen.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 27. Dezember 2022 (Bl. 67 d. A.) zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem hier am 30. Dezember 2022 eingegangenen Anwaltsschriftsatz vom selben Tage Berufung eingelegt (Bl. 70 f. d. A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27. März 2023 (Bl. 80 d. A.) mit Anwaltsschriftsatz vom 21. März 2023 begründet, der hier per beA am 22. März 2023 eingegangen ist (Bl. 82 ff. d. A.).
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter.
Sie rügt in erster Linie, dass das Landgericht verkannt habe, dass der Kläger nicht bewiesen habe, dass er Eigentümer des Fahrzeugs sei. Ihm fehle daher die Aktivlegitimation. Die Klage hätte daher – so die Beklagte weiter – bereits aus diesem Grund abgewiesen werden müssen.
Zudem habe die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vorgebracht, dass ihr das Fahrzeug dauerhaft zur Verfügung gestellt worden sei. Dies habe den Hintergrund gehabt, dass die Beklagte und der Kläger in früheren Jahren eine Unterhaltsvereinbarung getroffen hätten. Diese habe zwar nicht zwingend vorgesehen, dass auch der Gebrauch eines Kraftfahrzeugs dazugehöre, habe aber festgehalten, dass die Beklagte auch berufstätig sein solle. Den entsprechenden Arbeitsplatz habe der Kläger der Beklagten „zumindest formal“ zur Verfügung gestellt. Schon aus tatsächlichen Gründen sei es für die Beklagte daher notwendig gewesen, ein Kraftfahrzeug zu besitzen. Die Gebrauchsüberlassung sei auf Dauer angelegt gewesen. Eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit sei nicht vereinbart gewesen.
Zudem sei der Klageantrag zu 1 zu unbestimmt, soweit darin von „sämtlichen Schlüsseln“ gesprochen werde.
Darüber hinaus sei der Vortrag zum Klageantrag zu 2 unschlüssig, da der Kläger lediglich vorgebracht habe, dass das Fahrzeug einen Zeitwert von „ca. € 15.8000,00“ habe. Eine „circa-Angabe“ erfüllt nicht die Voraussetzungen für einen schlüssigen Vortrag zu einem bestimmten Zahlungsanspruch. Außerdem habe die Beklagte bereits im Rahmen ihrer Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass ihr unbekannt sei, ob das Fahrzeug ggf. „finanziert“ worden sei. In diesem Fall wäre der Kläger – so die Beklagte weiter – für einen etwaigen Zahlungsanspruch nicht aktivlegitimiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 21. März 2023 Bezug genommen (Bl. 82 ff. d. A.).
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 22. Dezember 2022, Aktenzeichen 7 O 149/22, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
2. Die zulässige Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (vgl. § 513 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat das Versäumnisurteil vom 24. November 2022 nämlich zu Recht aufrechterhalten.
Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger das Fahrzeug nach § 604 Abs. 3 BGB herausverlangen kann. Die Parteien haben einen Leihvertrag im Sinne des § 598 BGB geschlossen, indem der Kläger der Beklagten das Fahrzeug unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat.
Ist die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck zu entnehmen, so kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern (§ 604 Abs. 3 BGB).
Die Darlegungs- und Beweislast für eine die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit des § 604 Abs. 3 BGB ausschließende fest vereinbarte Leihdauer (§ 604 Abs. 1 BGB) oder einen vereinbarten Zweck (§ 604 Abs. 2 BGB) trägt der Entleiher (vgl. etwa LG Göttingen, Urteil vom 09.12.1993 – 8 O 314/93 -, MDR 1994, 248; LG Köln, Urteil vom 06.03.2020 – 19 O 166/19 -, BeckRS 2020, 27414; Colling in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger (Hrsg.), jurisPK-BGB, 9. Aufl, 2020, § 604, Rdnr. 28; Graf v. Westphalen, in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 604, Rdnr. 3; Häublein, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2023, § 604, Rdnr. 5; Weidenkaff, in: Grüneberg, BGB, § 604, Rdnr. 3).
Die Beklagte ist insoweit jedoch – wie vom Landgericht zutreffend festgestellt – beweisfällig geblieben.
Der Einwand der Beklagten, ihre diesbezügliche Behauptung sei durch den Kläger im ersten Rechtszug doch gar nicht bestritten worden, geht fehl.
Der Senat muss vielmehr davon ausgehen, dass zwischen den Parteien streitig ist, ob die Parteien eine fest vereinbarte Leihdauer oder einen vereinbarten Zweck vereinbart haben (§ 314 ZPO). Der Tatbestand des Ersturteils liefert nach § 314 ZPO nämlich den Beweis für das mündliche Vorbringen einer Partei im erstinstanzlichen Verfahren (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.1995 – V ZR 179/94 -, WM 1996, 89, 90; Urteil vom 02.02.1999 – VI ZR 25/98 -, BGHZ 140, 335, 339; Versäumnisurteil vom 15.06.2000 – III ZR 305/98 -, WM 2000, 1548, 1549; Urteil vom 28.06.2005 – XI ZR 3/04 -, juris). Diese Beweiswirkung erstreckt sich auch darauf, ob eine bestimmte Behauptung bestritten ist oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 17.05.2000 – VII ZR 216/99 -, WM 2000, 1871, 1872; Urteil vom 28.06.2005 – XI ZR 3/04 -, juris; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.05.2016 – 8 U 159/14 -, juris; Urteil vom 27.01.2023 – 26 U 29/22 -, juris). Daher ist eine im Tatbestand des angefochtenen Urteils als unstreitig dargestellte Tatsache selbst dann, wenn sie in den erstinstanzlichen Schriftsätzen tatsächlich umstritten war, als unstreitig und als für das Berufungsgericht bindend anzusehen, wenn der Tatbestand nicht berichtigt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24.06.2010 – III ZR 277/09 -, juris; Senat, Beschluss vom 26.11.2020 – 26 U 64/20 -, juris; Urteil vom 10.12.2020 – 26 U 29/19 -, juris; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.05.2016 – 8 U 159/14 -, juris; Urteil vom 05.10.2018 – 8 U 203/17 -, NJOZ 2019, 901, 903; OLG Braunschweig, Urteil vom 19.05.2022 – 9 U 12/21 -, juris). Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall. So liegt es hier.
Auch die weiteren Einwände der Beklagten in Bezug auf das Herausgabeverlangen des Klägers tragen keine andere rechtliche Beurteilung. Ihr Einwand, dem Kläger fehle die Aktivlegitimation, weil er nicht bewiesen habe, dass er Eigentümer des Fahrzeugs sei, ist nicht stichhaltig. Es ist für den Ausgang des Rechtsstreits vollkommen irrelevant, ob der Kläger nicht nur Verleiher im Sinne des § 598 BGB, sondern zudem auch noch Eigentümer des Fahrzeugs ist. Das Herausgabeverlangen des Klägers ist – wie gezeigt – schon nach § 604 Abs. 3 BGB begründet. Im Übrigen kann der Entleiher dem Rückgabeverlangen des Verleihers ohnehin nicht entgegenhalten, dass ein Dritter Eigentümer der Leihsache ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 15.07.2011 – V ZR 21/11 -, NJW-RR 2011, 1578, 1579; Mansel, in: Jauernig, BGB, 18. Aufl. 2021, § 604, Rdnr. 3; Weidenkaff, in: Grüneberg, BGB, § 604, Rdnr. 3).
Soweit die Beklagte die Ansicht ist, der Klageantrag zu 1 sei zu unbestimmt, soweit darin von „sämtlichen Schlüsseln“ gesprochen werde, trifft dies nicht zu.
Ein Antrag auf Herausgabe von Gegenständen ist im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 BGB bestimmt, wenn er diese konkret bezeichnet. Die Beschreibung muss einerseits so genau sein, dass das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf die Beklagte abgewälzt wird und dass eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwartet werden kann. Andererseits führt nicht jede mögliche Unsicherheit bei der Zwangsvollstreckung zur Unbestimmtheit des Klageantrags. Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Streitgegenstands in einem Klageantrag zu stellen sind, hängt von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalls ab. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags sind danach in Abwägung des zu schützenden Interesses der Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können, sowie ihres Interesses an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 206/14 -, NJW 2016, 317, 317 f.; Urteil vom 13.10.2015 – VI ZR 271/14 -, NJW 2016, 1094, 1095).
Nach diesen Maßstäben ist der Herausgabeantrag des Klägers auch noch insoweit hinreichend bestimmt, als darin von „sämtlichen Schlüsseln“ gesprochen wird. Aus der Verwendung des Plurals wird deutlich, dass der Kläger davon ausgeht, dass die Beklagte über mehrere Schlüssel verfügt. Alle im Besitz der Beklagten befindlichen Schlüssel sind auf der Basis des Tenors des Landgerichts herauszugeben, so dass auf Seiten der Beklagten keine Zweifel über den Umfang der Herausgabeverpflichtung aufkommen können. Insofern kann eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwartet werden (in diesem Sinne auch BGH, Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 206/14 -, NJW 2016, 317, 318, für die prima facie vergleichbare Verurteilung des (dortigen) Beklagten, an den (dortigen) Kläger „sämtliche Tonbandaufnahmen“ herauszugeben, „auf denen die Stimme des Klägers zu hören ist und die in den Jahren 2001 und 2002 vom Beklagten aufgenommen wurden“).
Der Einwand der Beklagten, der Vortrag des Klägers zum Klageantrag zu 2 sei unschlüssig, da dieser lediglich vorgebracht habe, dass das Fahrzeug einen Zeitwert von „ca. € 15.8000,00“ habe, liegt neben der Sache, da das Landgericht im unstreitigen Teil des Sachverhalts festgestellt hat, dass das Fahrzeug einen Zeitwert von € 15.800,00 hat. Auch an diese nach dem Tatbestand zwischen den Parteien unstreitige Feststellung ist der Senat gebunden (§ 314 ZPO).
Soweit die Beklagte einwendet, sie habe bereits im Rahmen ihrer Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass ihr unbekannt sei, ob das Fahrzeug ggf. „finanziert“ worden sei, verkennt sie, dass diese Frage im Rahmen des § 259 ZPO ohne jede Bedeutung ist. Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage nach § 259 ZPO ist allein die Besorgnis nicht rechtzeitiger Leistung, also im Streitfall die nach dem bisherigen Prozessverhalten auf der Hand liegende Besorgnis, dass die Beklagte den Herausgabeanspruch des Klägers aus § 604 Abs. 3 BGB nicht rechtzeitig erfüllen wird.
Auch der Hinweis der Beklagten auf die Entscheidung des OLG München in dem Verfahren 15 U 5245/07 (Endurteil vom 23.04.2008, BeckRS 2008, 9857) geht fehl. Diese Entscheidung befasst sich zuvörderst mit der Frage, ob § 281 BGB auf eine Herausgabeklage aus § 985 BGB Anwendung findet. Darum geht es hier jedoch nicht. Im Übrigen unterliegt es keinem Zweifel, dass ein obligatorischer Herausgabegläubiger insbesondere bei Ungewissheit über die Erfolgsaussichten der Vollstreckung des Herausgabeanspruchs ein Interesse an der Möglichkeit eines rechtssicheren Übergangs zum Schadensersatz hat (vgl. BGH, Urteil vom 18.3.2016 – V ZR 89/15 -, NJW 2016, 3235, 3237). § 281 BGB gilt auch für vertragliche Herausgabeansprüche (vgl. etwa Stadler, in: Jauernig, BGB, 18. Aufl. 2021, § 281, Rdnr. 2). Damit kann – wie von § 255 Abs. 1 ZPO vorausgesetzt – der Kläger für den Fall, dass die Beklagte nicht vor dem Ablauf der Frist den erhobenen Herausgabeanspruch befriedigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordern.
3. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Die Beurteilung, dass eine Berufung offensichtlich unbegründet ist, setzt nicht voraus, dass ihre Unbegründetheit auf der Hand liegt; sie kann auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.09.1990 – 2 BvE 2/90 -, BVerfGE 82, 316, 319 f.; Senat, Beschluss vom 26.11.2021 – 26 U 65/21 -, juris; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.04.2018 – 8 U 108/17 -, juris; Beschluss vom 26.11.2018 – 8 U 168/17 -, juris; Beschluss vom 25.11.2013 – 18 U 1/13 -, juris).
Nach der Funktion des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO ist eine erneute mündliche Verhandlung nur dann geboten, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts auf eine umfassend neue rechtliche Würdigung gestützt wird und diese mit den Parteivertretern im schriftlichen Verfahren nicht sachgerecht erörtert werden kann (vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 02.03.2012 – I-20 U 228/11 -, VersR 2013, 604; OLG Koblenz, Beschluss vom 16.02.2012 – 10 U 817/11 -, juris; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.11.2013 – 18 U 1/13 -, juris; Wöstmann, in: Saenger (Hrsg.), ZPO, 9. Aufl. 2021, § 522, Rdnr. 12.1). Eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hingegen reicht nicht, um eine mündliche Verhandlung als geboten anzusehen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.04.2018 – 8 U 108/17 -, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 16.02.2012 – 10 U 817/11 -, juris; Wöstmann, in: Saenger (Hrsg.), ZPO, 9. Aufl. 2021, § 522, Rdnr. 12.1). Im vorliegenden Fall ist eine Erörterung der Sach- und Rechtslage im schriftlichen Verfahren ohne weiteres möglich.
Nach alledem rät der Senat der Beklagten, zur Vermeidung weiterer unnötiger Kosten der Berufung eine Zurücknahme derselben ernsthaft in Betracht zu ziehen. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Neuem Sachvortrag setzt die Zivilprozessordnung enge Grenzen.
II.
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf € 15.800,00 festzusetzen. Der Antrag zu 3 erhöht den Streitwert nicht, da dieser Antrag und der Antrag zu 1 wirtschaftlich identisch sind. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Beklagte entweder die Sache herausgeben oder nach fruchtlosem Fristablauf Schadensersatz leisten, nicht aber zugleich beiden Begehren nachkommen muss (in Bezug auf die Rechtsmittelbeschwer so auch BGH, Beschluss vom 28.09.2017 – V ZB 63/16 -, NJW-RR 2018, 331, 332). Auch dem Antrag auf Fristsetzung kommt kein eigenständiger Wert zu (vgl. wiederum BGH, Beschluss vom 28.09.2017 – V ZB 63/16 -, NJW-RR 2018, 331, 332).