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Kanalwasserrückstau – Haftung der Gemeinde

Landgericht Coburg

Az.:12 O 207/02

Urteil vom 10.07.2002


In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatzes hat der Einzelrichter der 1. Zivilkammer des Landgerichts Coburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2002 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen

von den Gerichtskosten

die Klägerin zu 1) 93 %

der Kläger zu 2) 7 %

von den außergerichtlichen Kosten

der Klägerin zu 1): diese selbst 100 %

des Klägers zu 2): dieser selbst 100 %

der Beklagten: die Klägerin zu 1) 93 %

der Kläger zu 2) 7 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen die Klägerin zu 1) durch Erbringung von Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger zu 2) kann die Vollstreckung durch Erbringung von Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.

Tatbestand:

Die Kläger machen Ansprüche wegen Amtspflichtverletzung geltend.

Die Klägerin ist Eigentümerin der Anwesen … und … in …, der Kläger zu 2) ist Mieter des Anwesens ….

Die Beklagte betreibt zur Abwasserbeseitigung gemäß Satzung vom 14.12.1994 eine Entwässerungsanlage als öffentliche Einrichtung (Anlage B 4).

Am 16.09.2000 kam es zu einem Rückstau in dem gemeindlichen Kanalnetz, wobei die Rückstauebene die Straßenoberkante nicht überschritt. Aufgrund des Rückstaus kam es in der Folgezeit zu einem Wassereintritt in die Wohnhäuser … und …, wobei in beiden Anwesen keine Rückstausicherungen gegeben waren.

Die Kläger führen aus, dass der aus den 60er Jahren stammende Kanal für die anfallenden Brauchwassermengen nicht mehr ausreiche und im Hinblick auf zwischenzeitlich entstandene Neubausiedelungen unterdimensioniert sei. Darüber hinaus bestehe in technischer Sicht die Möglichkeit, den Kanal in periodischen Abständen mit Videokameras zu untersuchen. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nicht nachgekommen, da ansonsten Fremdkörper im Kanalnetz frühzeitig entsorgt worden wären.

Die Klägerin zu 1) behauptet, dass ihr ein Schaden in Höhe von 31.045,– EUR, der Kläger zu 2) behauptet, dass ihm ein Schaden in Höhe von 2.413,– EUR entstanden sei.

Die Kläger beantragen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 31.045,– EUR nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 06.12.2001 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2) 2.413,– EUR nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 06.12.2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist zunächst darauf, dass der Schmutzwasserkanal ausreichend dimensioniert sei. Soweit am 16.09.2000 ein Fremdkörper im Kanal gefunden worden sei, sei es auch möglich, dass dieser durch den an diesem Tag herrschenden Regen erst an die Fundstelle geschwemmt worden sei. Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Grundstückseigentümer selbst verpflichtet sei, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um sein Anwesen gegen einen Rückstau bis zur Rückstauebene, d. h. bis zur Straßenoberkante zu sichern. In diesem Sinne sei auch § 9 Abs. 5 der Entwässerungssatzung der Beklagten vom 14.12.1994 zu verstehen. Der eingetretene Schaden liege daher jedenfalls außerhalb des Schutzbereiches der Pflichten der Beklagten.

Hinsichtlich des übrigen Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.

Den Klägern steht kein Anspruch aus § 2 Abs. 1 HPfiG zu. In Betracht kommt insoweit nur die Wirkungshaftung des § 2 Abs. 1 Satz 1 HPflG. In der Rechtsprechung ist es jedoch anerkannt, dass die Gefährdungshaftung gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 HPflG sich nicht auf Schäden erstreckt, die in einem an die gemeindliche Kanalisation angeschlossenen Haus in Folge eines Rückstaues entstehen (vgl. BGHZ 88, 85).

Da die geltend gemachten Schadenspositionen im streitgegenständlichen Fall unstrittig auf einen Rückstau zurück zuführen sind, kommt ein Anspruch aus HPfIG somit nicht in Betracht.

2.

Die Kläger können keinen Anspruch gem. § 839 BGB i. V. m. Artikel 34 GG oder einen Anspruch aus dem auf den Anschluss an die gemeindliche Kanalisation beruhenden öffentlichen rechtlichen Schuldverhältnis (entsprechend §§ 276, 278 BGB) geltend machen.

Im streitgegenständlichen Fall kann dabei dahingestellt bleiben, ob der Beklagten eine objektive Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob das Kanalnetz zum Schadenszeitpunkt im Bereich der Anwesen der Kläger unterdimensioniert und deshalb nicht in der Lage gewesen ist bei stärkeren Regen das anfallende Wasser aufzunehmen und weiterzuleiten. Es ist auch nicht erheblich, ob die Beklagte auch verpflichtet gewesen ist, durch Untersuchungen mit einer Videokamera in periodischen Abständen sicher zu stellen, dass der Kanal frei von Fremdkörpern ist. Dahingestellt kann auch bleiben, ob diese Fremdkörper bei Durchführung dieser Untersuchungen überhaupt rechtzeitig erkannt und entsorgt worden wären.

Der Wassereintritt, ist im streitgegenständlichen Fall nicht dadurch verursacht worden, dass infolge o. g. etwaiger Umstände Wasser von außen, d. h. nicht über die Anschlußkanäle, in die Häuser der Klägerin zu 1) eingedrungen ist. Es handelt sich vielmehr unstrittig um einen Rückstauschaden. Dabei besteht die Besonderheit, dass der Grundstückseigentümer selbst verpflichtet ist, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um sein Anwesen gegen einen Rückstau bis zur Rückstauebene, d. h. hier zur Straßenoberkante zu sichern. Jeder Grundstückseigentümer und jeder Anschlussnehmer muss damit rechnen, dass von Zeit zu Zeit auf seine Leitungen mindestens ein Druck einwirken kann, der bis zur Oberkante der Straße reicht. Nichts anderes gilt dabei für einen Nutzer der Entwässerungsanlage, also auch für einen Grundstücksmieter.

Der unstrittige Schadenshergang rechtfertigt den Rückschluss, dass keine Vorkehrungen gegen den Rückstau getroffen worden sind. Es ist auch unstrittig, dass insbesondere Rückstausicherungen nicht gegeben waren. In rechtlicher Hinsicht hat dies die Konsequenz, dass der eingetretene Schaden außerhalb des Schutzbereiches der möglicherweise von der Beklagten verletzten Pflichten lag. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob eine Unterdimensionierung oder ob eine mangelhafte Überwachung des Kanalnetzes vorgelegen hat. Bei beiden denkbaren Sachverhaltsvarianten ist der Schaden jedenfalls auf eine fehlende Vorkehrung gegen Rückstau zurückzuführen. Die Kläger konnten im vorliegenden Fall nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen, vor Rückstauschäden bewahrt zu bleiben, die bei normalen durch die üblichen Sicherungsvorkehrungen auszugleichenden Druckverhältnisse entstehen würden. Dies gilt umso mehr, als die Kläger vorgetragen haben, dass bereits zum Jahreswechsel 1997/1998 ein Wassereintritt zu beobachten war.

Dieser Rechtsgedanke gilt dabei unabhängig von einer etwaigen Regelung der Verantwortlichkeit für Sicherungsmaßnahmen gegen Rückstauschäden durch eine Gemeindesatzung . Im Übrigen bestehen aber auch keine Bedenken gegen die Wirksamkeit von Art. 9 V der vorgelegten Satzung, da der Sachverhalt ausreichend klar und bestimmt geregelt ist.

Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass ein Grundstückseigentümer verpflichtet ist, geeignete Vorkehrung zu treffen, um sein Anwesen gegen einen Rückstau bis zur Rückstauebene zu sichern und daher eine Amtspflichtverletzung im streitgegenständlichen Fall sowohl gegenüber der Klägerin zu 1), als auch dem Kläger zu 2) nicht vorliegt (vgl. auch BGH NVwZ 1998, 1215).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 100, 709 ZPO.

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