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Kapitalanlage – Verjährung Schadenersatzansprüche

LG Hannover – Az.: 8 O 104/17 – Urteil vom 13.07.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht des … gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen vermeintlich fehlerhafter Anlageberatung geltend.

Mit Beitrittserklärung vom 27.08.2007 (Anlage K 4, Anlagenband Klägerin) beteiligte sich der Zedent mit einem Betrag in Höhe von 10.000,00 € zzgl. 500,00 € Agio über eine Treuhandgesellschaft an dem geschlossenen Patentfonds … Die Treuhandgesellschaft bestätigte dem Zedenten die Annahme des auf mittelbaren Beitritt zur Fondsgesellschaft gerichteten Angebots mit Schreiben vom 07.09.2007 (Anlage K 9, Anlagenband Klägerin).

Der Zeichnung gingen zwei Gespräche des für die Beklagte tätigen Beraters … mit dem Zedenten am 23.08. sowie am 27.08.2007 voraus. Am Tag der Zeichnung unterschrieb der Zedent einen im Format DIN-A-4 gehaltenen „Persönlichen Beraterbogen“, der im unteren Drittel in einem umrandeten Kasten Hinweise auf „Risiken der Beteiligung“ enthält. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beraterbogen (Anlage B 1, Anlagenband Beklagte) Bezug genommen.

Der Zedent erhielt Ausschüttungen in Höhe von 700,00 €.

Die Klägerin ist der Ansicht, für die Entstehung der geltend gemachten Ansprüche komme es nicht auf die Zeichnung, sondern auf die Annahme durch die Treuhandgesellschaft an. Sie behauptet, der Zedent sei über die mit der Beteiligung verbundenen Risiken nicht aufgeklärt worden. Namentlich sei keine Aufklärung über die Möglichkeit eines (Total-)Verlustes, die eingeschränkte Fungibilität und die Gefahr, erhaltene Ausschüttungen zurückzahlen zu müssen, erfolgt. Zu den Weichkosten des Fonds habe sich der Berater nicht geäußert. Den Emissionsprospekt der streitgegenständlichen Beteiligung habe der Zedent nicht erhalten.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.800,00 € nebst Zinsen i. H. v. 4,2 % p. a. für den Zeitraum vom 25.09.2007 bis zur Rechtshängigkeit sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen – Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte von Herrn … aus der Beteiligung an der … GmbH & Co.KG (Nominaleinlage: 10.000,00 €; gezeichnet am 27.08.2007);

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der im Antrag zu 1. genannten Zug-um-Zug-Gegenleistung im Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Mit Rücksicht auf den seitens des Zedenten am 27.08.2007 erklärten Beitritt sei die 10-jährige Verjährungsfrist am 27.08.2017 abgelaufen. Auf die Annahme der Beitrittserklärung durch die Fondsgesellschaft komme es insoweit nicht an. Bezüglich der im Beraterbogen genannten Risiken seien etwaige Ansprüche kenntnisabhängig verjährt. Die Beklagte behauptet, der Zedent habe den Emissionsprospekt am 30.07.2007 erhalten. Offene Fragen seien sodann am 23.08.2007 erörtert worden.

Die Klageschrift ist am 07.09.2017 vorab per Fax bei Gericht eingegangen und der Beklagten am 16.10.2017 zugestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Etwaige Schadensersatzansprüche wegen vermeintlich fehlerhafter Anlageberatung sind verjährt bzw. ist eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht feststellbar.

1. Etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin waren bei Eingang der Klage bereits verjährt. Die 10-jährige Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 4 BGB hatte mit Zeichnung der Beteiligung durch den Zedenten zu laufen begonnen und war bei Eingang der Klage bei Gericht bereits abgelaufen.

Kapitalanlage - Verjährung Schadenersatzansprüche
(Symbolfoto: Von ktasimar/Shutterstock.com)

Schadensersatzansprüche, welche auf Beratungspflichtverletzungen gestützt werden, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entsteht ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Anlageberatung bereits mit dem Erwerb der Kapitalanlage, da der Anleger bei der gebotenen wertenden Betrachtung bereits durch den Erwerb der Kapitalanlage geschädigt ist (BGH, Urt. v. 26.02.2013, XI ZR 498/11, juris). Was dabei unter dem „Erwerb der Kapitalanlage zu verstehen ist, muss im Einzelfall im Hinblick auf den Erwerbsvorgang der konkreten Kapitalanlage ermittelt werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.08.2017, 19 U 35/17, juris, Rn. 3; LG Heilbronn, Urt. v. 22.03.2017, 6 O 278/16, juris, Rn. 22 m. w. N.). Im Falle der Beteiligung an einem geschlossenen Fonds wie dem streitgegenständlichen ist die Zeichnung der Beteiligung durch den Anleger maßgeblich (so auch OLG Frankfurt und LG Heilbronn, jew. aaO). Mit der Zeichnung gibt der Anlageinteressent eine gemäß § 145 BGB rechtsverbindliche Erklärung ab. Seit der Zeichnung durch den Zedenten am 27.08.2007 waren bei Eingang der Klage bei Gericht am 07.09.2017 bereits mehr als 10 Jahre vergangen. Die 10-Jahres-Frist des § 199 Abs. 4 BGB war bereits am 27.08.2017 abgelaufen. Die erst danach eingegangene Klage konnte die Verjährung nicht mehr hemmen.

2. Überdies bleibt der Klage der Erfolg auch aus anderen Gründen versagt.

a) Ansprüche im Zusammenhang mit den in den Beraterbogen enthaltenen Risikohinweisen sind gemäß §§ 195, 199 BGB kenntnisabhängig verjährt. Die kenntnisabhängige Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 199 Abs. 1 BGB. Dabei beginnt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für jeden einzelnen Beratungsfehler die kenntnisabhängige Verjährungsfrist gesondert zu laufen (BGH, Urt. v. 22.07.2010, Az. III ZR 203/09, juris Rdnr. 13).

Der Anspruch ist – unabhängig davon, ob man neben der Unterzeichnung der Beitrittserklärungen auch die Annahme seitens der Treuhandgesellschaft verlangt – bereits entstanden. Ein Schaden tritt in der Person eines Anlegers nicht erst mit dem Ausbleiben der Ausschüttungen oder dem Verlust des angelegten Kapitals ein, vielmehr ist ein Vermögensschaden des Anlegers, der sich bei zutreffender Information über die Risiken nicht an dem Anlagemodell beteiligt hätte, bereits dann anzunehmen, wenn die Anlage wegen der mit ihr verbundenen Risiken für die Zwecke des Anlegers nicht uneingeschränkt brauchbar ist (BGH, Urt. v. 08.03.2005, Az. XI ZR 170/04; BGH, Urt. v. 22.07.2010, Az. III ZR 203/09, juris Rdnr. 10).

Auch die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB maßgebliche Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände lag jeweils im Jahr der Zeichnung vor. Bereits aus den von dem Zedenten unterzeichneten persönlichen Beraterbogen (Anlage B 1) war ohne weiteres zu erkennen, dass mit der Anlage nicht unerhebliche Risiken verbunden waren. So wird namentlich auf die eingeschränkte Fungibilität der Beteiligung und unter dem Stichwort „Wirtschaftliche Risiken“ darauf hingewiesen, dass es zu einem Totalverlust der Einlage kommen kann. Danach konnte der Zedent ohne weiteres erkennen, dass es sich nicht um eine sichere, risikolose Anlage handelte. Sollte der Zedent die Hinweise in dem Beraterbogen nicht gelesen haben, wäre von einer grob fahrlässigen Unkenntnis auszugehen, da er eine naheliegende Informationsquelle in ungewöhnlich großer Nachlässigkeit nicht zur Kenntnis genommen und nicht beachtet hätte, was einem Anleger unter den gegebenen Umständen in einer vergleichbaren Situation in eigenen Angelegenheiten mühelos hätte einleuchten müssen (vgl. OLG Celle, Urt. v. 22.08.2013, Az. 11 U 3/13).

b) Über das Risiko, Ausschüttungen ggf. zurückzahlen zu müssen, sowie über die Weichkosten musste die Beklagte den Zedenten nicht aufklären.

aa) Über ein mögliches Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB und das damit verbundene Risiko, erhaltene Ausschüttungen ggf. zurückzahlen zu müssen, musste die Beklagte den Zedenten nicht aufklären. Die Haftung war vorliegend auf 0,1 % der Einlage begrenzt.

Die nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 04.12.2014, III ZR 82/14, juris) grundsätzlich bestehende Pflicht, den Anleger über ein mögliches Wiederaufleben der Haftung aufzuklären, bestand vorliegend nicht, weil die Wahrscheinlichkeit etwaiger Rückforderungen mit Rücksicht auf die Beschränkung auf 0,1 % der Beteiligung äußerst gering war (Vgl. OLG Celle, 11 U 97/15, Hinweisbeschluss v. 07.09.2015 zu einer Haftungsbeschränkung auf 1 %).

bb) Über die mit der Beteiligung verbundenen sogenannten „weichen Kosten“ musste der Zedent ebenfalls nicht aufgeklärt werden. Eine Aufklärung ist nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 21.03.2005, II ZR 140/03, juris) nur erforderlich, wenn ein deutliches Missverhältnis zwischen dem zu Investitionszwecken genutzten Teil und dem für Weichkosten verwendeten Teil der Anlegergelder besteht. Ein solches Missverhältnis ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 9.800,00 € festgesetzt.

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