Landgericht Bonn
Az: 10 O 115/09
Urteil vom 31.07.2009
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.733,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2009 zu zahlen. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.04.2009 freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger in Höhe von 75% und die Beklagte in Höhe von 25%. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Leistung aus einer mit ihr abgeschlossenen Kaskoversicherung. Zwischen den beiden Parteien war am 25.11.2008, seit dem nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 17.07.2009 unstreitig, der Tarif „G“ vereinbart, der u.a. in der Vollkaskoversicherung eine Selbstbeteiligung von 300,00 € vorsieht (vgl. Anlage ..-2). In den dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen heißt es unter Ziffer A.2.17.1 der AKB: „Kein Versicherungsschutz besteht für Schäden, die Sie oder der Fahrer vorsätzlich herbeiführen. Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Ist der Tarif G vereinbart, verzichten wir im Schadensfall Ihnen gegenüber auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls. Von diesem Verzicht ausgenommen sind: … die Herbeiführung des Versicherungsfalles infolge Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel.“
Der Kläger fuhr mit seinem Freund, dem Zeugen y, am Abend des ##.##.2008 zu einer Erstsemesterfete von ihrem Heimatort N nach C, wo sie gegen neun oder halb zehn Uhr abends eintrafen. Besondere Pläne hinsichtlich des nach Hause Kommens von der Feier gab es nicht. Der Kläger als auch der Zeuge y nahmen auf der Party alkoholische Getränke zu sich. Der Kläger als auch der Zeuge y waren am späteren Abend erheblich alkoholisiert. Der Zeuge y weckte den Kläger am späteren Abend, als der Kläger im Auto schlief, und fragte ihn, ob er ihn, den Kläger, nach Hause fahren solle. Der Kläger übergab den Zeugen y die Autoschlüssel, setzte sich daraufhin auf den Beifahrersitz, schnallte sich an, während der Zeuge y das Fahrzeug startete und losfuhr. Der Kläger nickte daraufhin ein. Die weiteren Einzelheiten des Verlaufs des Abends sind zwischen den Parteien umstritten.
Der Pkw des Klägers wurde am ##.##.2008 um #.## Uhr im Rahmen eines Unfalls, den der Zeuge y, als er den Wagen des Klägers steuerte, verursachte, total beschädigt. Grund für den Unfall war, dass der Zeuge y in einer Rechtskurve die Kontrolle über das Fahrzeug verlor und dadurch in den Grüngürtel der Autobahnauffahrt O auf der A# fuhr.
Das Fahrzeug wurde durch die Abschleppfirma T in L geborgen und auf das Betriebsgelände der Firma T verbracht, wodurch dem Kläger Kosten i.H.v. 690,20 € entstanden sind (vgl. Anlage K3).
Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Entschädigungsleistung i.H.v. 6.932,78 €, die sich wie folgt zusammensetzt (vgl. Anlage K5):
Wiederbeschaffungswert unter Berücksichtigung eines 2,4%igen MWSt-Anteils
8.642,58 €
./. Restwert brutto 2.100,00 €
Zzgl. Abschleppkosten 690,20 €
./. Selbstbeteiligung 300,00 €
Ergebnis 6.932,78 €
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 03.02.2009 die Ansprüche des Klägers unter Hinweis auf eine vermeintliche Alkoholisierung des Zeugen y ab. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers forderte die Klägerin außergerichtlich mit weiterem Schreiben vom 18.02.2009 vergeblich zur Zahlung bis zum 05.03.2009 auf.
Der Kläger behauptet, dass er im Laufe des späteren Abends des ##.##.2008 zunächst alleine von der Party zu seinem Auto gegangen sei, weil er müde gewesen sei. Zu einem späteren Zeitpunkt habe dann der Zeuge y ans Fenster des Autos geklopft. Ihm sei eine etwaige Alkoholisierung des Zeugen y zu diesem Zeitpunkt nicht erkennbar gewesen. Er habe dem Zeugen y nach dessen Frage, ob er heimfahren solle, die Autoschlüssel nicht bewusst überlassen, da er durch den Zeugen y aus dem Tiefschlaf geholt worden sei und in dieser Situation nicht sonderlich ansprechbar gewesen sei.
Der Kläger beantragt mit der der Beklagten am 16.04.2009 zugestellten Klage, die Beklage zu verurteilen, an den Kläger 6.932,78 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2009 zu zahlen und den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 603,93 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, dass der Kläger am späteren Abend gemeinsam mit dem Zeugen y beschlossen habe, zum Auto zu gehen, so dass der Kläger hätte wissen müssen, dass der Zeuge y erheblich alkoholisiert gewesen sei. Der Kläger habe auch später bei der Übergabe des Schlüssels erkennen können, dass der Zeuge y fahruntüchtig gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen y. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2009 (Bl. 62 ff. d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1.733,20 € aus § 1 VVG n.F. i.V. mit dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrag. Auf den vorliegenden Fall findet das VVG n.F. Anwendung, da der Versicherungsvertrag zwischen den Parteien nach dem Inkrafttreten des VVG n.F. geschlossen worden ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 EGVVG).
Ein Versicherungsfall lag hier unstreitig darin, dass der Pkw des Klägers infolge eines Unfalls total beschädigt wurde.
Die Beklagte ist gem. § 81 Abs. 2 VVG n.F. i.V.m. Ziffer A.2.17 der AKB teilweise von ihrer Leistungspflicht befreit, da der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Insoweit stellt die Kammer auf ein schuldhaftes Verhalten des Klägers und nicht auf ein etwaiges Verschulden des Zeugen y ab, da dieser nicht Repräsentant des Klägers war, so dass dessen Verhalten nicht dem Kläger als Versicherungsnehmer zuzurechnen ist.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, d.h. in hohem Grade, außer Acht lässt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste. Sie setzt eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung und damit ein auch in subjektiver Hinsicht gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden voraus (vgl. BGH VerR 1989, 469 mwN).
Der Kläger hat dem Zeugen y, der erheblich alkoholisiert war, die Schlüssel zu seinem Pkw übergeben, damit dieser beide nach Hause fuhr. Der Zeuge y steuerte sodann im erheblich alkoholisierten Zustand das Fahrzeug und verursachte alkoholbedingt den Unfall mit dem Pkw. In der Übergabe eines Schlüssels an eine stark alkoholisierte Person, damit diese den Wagen führe, liegt ein objektiv besonders grober Verstoß gegen die dem Versicherungsnehmer obliegenden Sorgfaltspflichten, welcher hier zu einem Versicherungsfall geführt hat.
Das darüber hinaus für die Annahme grober Fahrlässigkeit in subjektiver Hinsicht erforderliche unentschuldbare Verhalten des Versicherungsnehmers ist ebenfalls gegeben. Dass sich ein unter starker Alkoholeinwirkung stehender Kraftfahrer nicht mehr ans Steuer seines Fahrzeugs setzen darf, und dass er durch ein Fahren in fahruntüchtigem Zustand andere Verkehrsteilnehmer, sich selbst und sein Fahrzeug einer unverantwortlichen Gefährdung aussetzt, ist heute derart Allgemeingut, dass unbedenklich davon ausgegangen werden kann, dass bei fast jedem Kraftfahrer die Hemmschwelle für ein Fahren trotz alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit stark heraufgesetzt ist (vgl. BGH VersR 1989, Seite 469). Dabei kann hier dahinstehen, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Übergabe der Schlüssel an den Zeugen y bzw. des Antritts der Fahrt hätte erkennen können, dass der Zeuge y nicht fahrtüchtig war bzw. der Kläger in seiner Wahrnehmung infolge von Schlaftrunkenheit oder eigener Alkoholisierung eingeschränkt war. Denn es reicht für die Annahme des subjektiven Verschuldens aus, dass der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des eigenen Alkoholgenusses zurechnungsfähig war, sich durch den Konsum alkoholischer Getränke in den vorübergehenden Zustand der Alkoholisierung versetzt hat und hierbei keine Vorkehrungen getroffen hat, zu vermeiden, selbst alkoholisiert zu fahren oder von einem alkoholisierten Dritten gefahren zu werden (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. vom 31.03.2008, Az.: 4 U 140/07 mwN).
Der Kläger musste hier damit rechnen, dass entweder er oder der Zeuge y nach der Feier mit dem Fahrzeug noch fahren würden, um zurück von C nach N zu gelangen. Gleichwohl nahmen sowohl er als auch der Zeuge y mit gegenseitiger Kenntnis viel Alkohol zu sich, was nach der eigenen Angabe des Klägers als auch nach der Aussage des Zeugen y zur Überzeugung des Gerichts feststeht (§ 286 ZPO). Der Kläger hat persönlich erklärt, dass er zusammen mit dem Zeugen y auf der Party war und dort auch mitbekommen hat, dass der Zeuge y alkoholische Getränke zu sich genommen hat. Der Zeuge y hat glaubhaft bekundet, dass er zusammen mit dem Kläger auf dessen Erstsemesterparty gefeiert und in diesem Zusammenhang etliche Bier, d.h. ca. 15 bis 20, mit dem Kläger zusammen getrunken hat. Er hat nachvollziehbar geschildert, dass meistens der Kläger, dessen Erstsemesterparty es war, an die Theke gegangen sei und Bier für sie beide mitgebracht habe. Gerade wegen der sich steigernden alkoholbedingten Enthemmung musste der Kläger aber damit rechnen, dass wegen der Notwendigkeit des nach Hause Kommens entweder er selbst oder der Zeuge y sich an das Steuer des Fahrzeugs setzten würde, um nach Hause zu fahren, was später dann auch tatsächlich eintrat. Es handelte sich somit um eine von vorneherein mögliche und vorhersehbare Fahrt. Vor diesem Hintergrund hätte dafür Veranlassung bestanden, dass entweder der Kläger oder der Zeuge y auf der Party keinen Alkohol zu sich nimmt oder der Kläger Vorkehrungen dafür trifft, die eine spätere Fahrt durch ihn oder den Zeugen y mit dem Fahrzeug unmöglich machen würden. Hierzu hätte spätestens zu dem Zeitpunkt Veranlassung bestanden, als er feststellte, dass sich der Alkoholkonsum nicht auf einige wenige Getränke beschränken würde. Derartige Vorkehrungen hat der Kläger nicht getroffen. Der Kläger gab im Rahmen seiner persönlichen Anhörung gem. § 141 ZPO zu, dass es hinsichtlich des nach Hause Kommens von der Feier keinen Plan gab. Der Zeuge y hat insoweit bestätigt, dass vor der Party nicht geklärt gewesen sei, wie man nach Hause zurückgelangen würde. Auch habe es keinerlei Absprache gegeben, dass einer nichts trinken solle, weil er zurückfahren solle.
Die Kammer bewertet das grob schuldhafte Verhalten auf Seiten des Klägers als ein Verhalten im oberen Bereich grober Fahrlässigkeit, welches die Beklagte dazu berechtigt, die Versicherungsleistung in Höhe von 75% zu kürzen, so dass der Kläger von der Beklagten 25% der geltend gemachten Entschädigungsleistung in Höhe von 6.932,78 €, d.h. 1.733,20 €, verlangen kann. Insoweit wird berücksichtigt, dass gerade beim Konsum von Alkohol im Zusammenhang mit dem Führen eines Pkw im Verkehr ein hohes Unfallrisiko mit hohem Ausmaß an Schäden besteht und dies auch für den pflichtgemäß Handelnden erkennbar ist. Gegen eine Erstreckung des Leistungskürzungsrechts der Beklagten auf 100% spricht hingegen, dass dieser Fall die Besonderheit aufweist, dass nicht der Kläger selbst im alkoholisierten Zustand den Wagen gefahren hat, sondern er die Fahrt mit seinem Pkw dem Zeugen y durch Schlüsselübergabe ermöglicht hat, nachdem der Zeuge y ihn gefragt hatte, ob er nach Hause fahren solle. Dieses Verhalten des Klägers weist nicht ein derartiges Gewicht einer Pflichtverletzung auf, die eine Leistungskürzung zu 100% rechtfertigen würde.
Eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls seitens des Klägers scheidet hingegen aus, da die Beklagte dem Kläger nicht nachweisen konnte, dass der Kläger willentlich und wissentlich den streitgegenständlichen alkoholbedingten Unfall durch den Zeugen y hat herbeiführen wollen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte bei dem Tarif „G“ gem. A.2.17 der AKB auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls verzichtet. Die Beklagte verzichtet nämlich auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls nicht in dem Fall der „Herbeiführung des Versicherungsfalls infolge Genusses alkoholischer Getränke“ (vgl. Rückausnahme A.2.17 der AKB). Diese Rückausnahme greift hier ein, da der vorliegende Versicherungsfall als ein Fall der „Herbeiführung des Versicherungsfalls infolge Genusses alkoholischer Getränke“ zu qualifizieren ist. Der Unfall wurde aufgrund des Genusses von Alkohol verursacht. Der Kläger hat den Unfall derart herbeigeführt, dass er dem Zeugen y die Trunkenheitsfahrt durch die Übergabe des Schlüssels ermöglicht hat. Die Pflichtverletzung des Klägers stellt insoweit ein Verhalten dar, welches adäquat kausal zu der Trunkenheitsfahrt mit anschließendem Unfall geführt hat. Die Klausel in den Versicherungsbedingungen ist keinerlei Begrenzung dahingehend zu entnehmen, dass lediglich die Fälle erfasst sein sollen, in denen der Kläger selbst oder ein Repräsentant das Fahrzeug im alkoholisierten Zustand gefahren hat.
2. Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen hinsichtlich des Hauptanspruchs ist gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB begründet.
3. Der Kläger hat desweiteren gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten i.H.v. 229,55 € gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 257 BGB. Grundlage für die Berechnung ist ein Gegenstandswert i.H.v. 1.733,20 €, der zu vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 229,55 € (172,90 € (1,3 Geschäftsgebühr), zzgl. 20,00 €, zzgl. 19% Umsatzsteuer) führt. Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 S. 2, 708 Nr. 11, 711 S. 2 ZPO.
Streitwert: 6.932,78 Euro.