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Kaufvertrag über Geige – Sachmangel bei Vorhandensein eines Wolftons

LG Dortmund – Az.: 12 O 40/17 – Urteil vom 30.11.2017

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückabwicklung eines Vertrages über den Kauf einer Violine in Anspruch.

Die Klägerin ist Orchestermusikerin in verschiedenen Orchestern. Der Beklagte ist Konzertmeister der E Philharmoniker. Beide Parteien sind Violinisten.

Im Jahre 2015 suchte die Klägerin für ihre musisch begabte 11-jährige Tochter eine Geige. Von der Ehefrau des Beklagten erfuhr sie, dass der Beklagte eine ihm gehörende Curt-Jung-Geige verkaufen wolle. Diese Curt-Jung-Geige, Violine No. 97 mit Zettel-Inschrift: „Curt Jung Berlin 1951“ stellte der Beklagte der Klägerin zunächst zum „Testen“ zur Verfügung. Das Instrument wurde sodann von der Klägerin, von ihrer Tochter und von dem Konzertmeister des Kammerorchesters, dem damals sowohl die Klägerin als auch die Ehefrau des Beklagten angehörten, gespielt. Die Geige erwies sich dabei für die Klägerin als klanglich überzeugend.

Am 14.10.2015 – etwa 14 Tage nach Aushändigung der Geige an die Klägerin – einigten sich die Parteien auf einen Kauf des Instruments durch die Klägerin zu einem Kaufpreis von 10.000,00 Euro. Die Einigung der Parteien erfolgte

Kaufvertrag über Geige – Sachmangel bei Vorhandensein eines Wolftons
(Symbolfoto: VGstockstudio /Shutterstock.com)

mündlich. Ein schriftlicher Kaufvertrag wurde von ihnen nicht geschlossen. Der Kaufpreis ist gezahlt.

In der Folgezeit rügte die Klägerin gegenüber dem Beklagten, dass die an sie verkaufte Violine mangelhaft sei, weil sie einen sogenannten „Wolfton“ auf dem Ton „H“ der G-Saite aufweise, der sich in einem stotternden Bullern äußere. Die Klägerin bat den Beklagten deshalb um Rückabwicklung des Kaufvertrages. Der Beklagte lehnte dies ab. Er stellte der Klägerin allerdings am 09.01.2016 aus seinem Bestand eine Collin Mezin Geige zwecks Prüfung zur Verfügung, ob sie als Ersatzinstrument in Betracht kommen könnte.

Mit Schreiben vom 01.02.2016 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass für sie die Collin Mezin Geige als Äquivalent für die Curt Jung Geige nicht in Betracht komme. Sie komme deshalb auf das Angebot des Beklagten zurück, dass er die Curt Jung Geige verkaufe und die Klägerin bis zum Verkauf die Collin Mezin Geige geliehen erhalte. Sie bat den Beklagten, dies als Vereinbarung zu formulieren. Der Beklagte war hiermit nicht einverstanden und forderte die Klägerin zur Rückgabe der Collin Mezin Geige auf.

Mit vorgerichtlichem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.08.2016 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Sie forderte den Beklagten auf, den Kaufpreis von 10.000,00 Euro bis zum 05.09.2016 zurückzuerstatten, Zug um Zug gegen Herausgabe der Curt Jung Geige. Der Beklagte wies dies mit Schreiben vom 02.09.2016 zurück.

Die Klägerin behauptet, dass die streitgegenständliche Violine einen sogenannten „Wolfton“ von erheblichem Ausmaß auf dem Ton „H“ der G-Saite aufweise. Dieser Ton breche und sei nicht zu benutzen. Aufgrund dieses Wolftons – so meint die Klägerin – sei das Instrument mit einem erheblichen Mangel behaftet. Der Wolfton sei an der Violine bereits von Anfang an vorhanden gewesen, mindestens aber zum Zeitpunkt der Übergabe des Instruments an die Klägerin. Dies sei dem Beklagten auch schon bei Vertragsschluss bekannt gewesen. Der Beklagte habe der Klägerin diesen Mangel arglistig verschwiegen.

Der Wolfton müsse zwangsläufig bereits bei Vertragsschluss an dem Instrument vorhanden gewesen sein, weil er konstruktionsbedingt auftrete und als Fehler des Geigenbauers gelte. Der Wolfton könne bei einer Geige – anders als vielleicht bei einem Cello oder einem Bass – nicht durch einen Wolftöter oder Schwingungstilger behoben werden. Eine Nachbesserung des Mangels sei in keiner Weise möglich. Zudem könnten Nachbesserungsversuche mit irreversiblen klanglichen Einbußen einhergehen. Vor diesem Hintergrund habe die Klägerin – was unstreitig ist – von einem Nachbesserungsverlangen Abstand genommen.

Die Klägerin behauptet ferner, dass ihr von der Ehefrau des Beklagten vor Vertragsschluss erläutert worden sei, dass diese die Geige während ihres Studiums bespielt habe. Auf den später in einem Telefonat gegen Ende des Monats Oktober 2015 erklärten Vorhalt betreffend den Wolfton habe die Ehefrau des Beklagten eingeräumt, dass sowohl sie als auch der Beklagte den „Wolf“ gekannt hätten. Sie sei damit aber beim Bespielen der Geige während ihres Studiums ganz gut zurechtgekommen. Auch der Beklagte habe der Klägerin noch anlässlich eines am 10.12.2015 geführten Telefonats erklärt, dass er von dem „Wolf“ gewusst habe. Dies werde er aber im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung genauso wie seine Ehefrau abstreiten. In dem Telefonat habe der Beklagte der Klägerin im Übrigen vorgeworfen, mehr als empfindlich auf einen „Wolf“ zu reagieren. Er und seine Ehefrau würden beide auf einem Instrument spielen, das einen „Wolf“ habe. Beide könnten damit gut umgehen, was auch für andere Kollegen gelte.

Die Klägerin behauptet ergänzend, dass der Wolfton während der 14-tägigen Prüfung des Instruments durch sie, ihre Tochter und den hinzugezogenen Konzertmeister nicht aufgefallen sei. Der Wolfton sei erst nach Abschluss des Kaufvertrages von dem Geigenlehrer der Tochter der Klägerin „entdeckt“ worden. Da sie dem Beklagten vertraut habe, habe sie keinen Anlass für die Annahme gehabt, dass das Instrument einen Wolfton haben könnte. Bei einer gewöhnlichen Nutzung einer Geige müsse man nicht zwangsläufig auf einen Wolfton aufmerksam werden.

Zudem behauptet die Klägerin, dass sich der Beklagte nach Erhebung der Mängelrüge dazu bereit erklärt habe, die Geige zurückzunehmen und anderweitig zu verkaufen. Die unstreitig an sie übergebene Collin Mezin Geige könne sie solange übernehmen, bis er die andere Geige verkauft habe. Die Klägerin könne dann endgültig und abschließend entscheiden, ob sie eine Geige aus seinem Bestand nehmen wolle oder aber sich für das Geld entscheide, wenn er die Curt Jung Geige verkauft habe.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.09.2016 Zug um Zug gegen Herausgabe der Violine No. 97 mit Zettel-Inschrift: „Curt Jung Berlin 1951“, Lack: Hellgelb, Maße: 35,5/20,7/11,4/16,7 cm zu zahlen;

2. den Beklagten weiter zu verurteilen, die außergerichtlichen Gebühren der Klägerin in Höhe von 887,03 Euro zu zahlen;

3. festzustellen, dass sich der Beklagte bezüglich der Annahme der zu 1. bezeichneten Violine in Verzug befindet.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass es sich bei der streitgegenständlichen Curt Jung Geige lediglich um ein Zweitinstrument gehandelt habe, das weder von ihm, noch von seiner Ehefrau bespielt worden sei. Es sei auch zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Klägerin erklärt worden, dass die Ehefrau des Beklagten die Violine während ihres Studiums genutzt habe.

Der Beklagte bestreitet, dass die Geige zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses einen Wolfton aufwies. Insofern beruft er sich darauf, dass der Wolfton schon deshalb damals nicht vorhanden gewesen sein könne, weil der Klägerin bzw. dem von ihr hinzugezogenen Geigenexperten dieser Ton während der Prüfung des Instruments zwingend hätte auffallen müssen. Das Vorbringen der Klägerin sei insoweit bereits widersprüchlich. Jedenfalls aber hätten weder er noch seine Ehefrau bei Vertragsschluss Kenntnis von einem solchen Wolfton gehabt, der überdies auch gar keinen Mangel im gewährleistungsrechtlichen Sinne darstelle.

Es sei auch nicht zwangsläufig so, dass ein Wolfton allein aufgrund eines Konstruktionsfehlers auftrete. Tatsächlich könne er viele Ursache haben. Der Wolfton könne durch Faktoren wie z.B. eine zu alte oder abgespielte Besaitung, schlecht angepasste Stege, Stimmstöcke, zu schwache Bassbalken, Saitenhalter oder Feinstimmer beeinflusst werden.

Der Beklagte behauptet weiter, dass er der Klägerin nach erfolgter Mängelrüge angeboten habe, den Mangel auf seine Kosten durch einen ihm bekannten Geigenbauer beseitigen zu lassen. Da die Klägerin dies kategorisch abgelehnt habe, habe er ihr ohne Anerkennung einer Rechtspflicht angeboten, die streitgegenständliche Geige gegen die der Klägerin zur Verfügung gestellte Collin Mezin Geige auszutauschen. Er habe der Klägerin dagegen nicht angeboten, die Curt Jung Geige für sie zu verkaufen. Vielmehr habe er sich lediglich dazu bereit erklärt, im Bekanntenkreis nachzufragen, ob dort Interesse an einem Erwerb des Instruments bestehe. Entsprechende Zusagen habe er zu keinem Zeitpunkt getätigt.

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Der Beklagte ist zudem der Ansicht, dass die Klage schon deshalb unbegründet sei, weil ihm die Klägerin – was unstreitig ist – keine Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben habe. Er behauptet, dass eine Nachbesserung möglich sei und nimmt insofern Bezug auf einen von ihm vorgelegten Artikel des Geigenbauers T1 (Bl. 58 ff. d.A.).

Die Parteien haben jeweils schriftliche Stellungnahmen von Geigenbauern vorgelegt, um ihren Vortrag zu den Ursachen und Auswirkungen des Wolftons sowie zur Frage der Nachbesserungsmöglichkeiten zu substantiieren. Insoweit wird Bezug genommen auf die vom Kläger zur Gerichtsakte gereichten Ausarbeitungen der Geigenbauer C1 (Bl. 26 d.A.), T2 (Bl. 27 d.A.) sowie auf die vom Beklagten vorgelegten Darstellungen der Geigenbauer L1 (Bl. 52 d.A.), L2 (Bl. 53 d.A.) und N1 (Bl. 56 d.A.).

Das Gericht hat die Parteien persönlich angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen G1 aus X. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung sowie der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 04.07.2017 (Bl. 66 ff. d.A.) und auf das bei der Akte befindliche Sachverständigengutachten vom 29.08.2017 Bezug genommen.

Durch Beschluss vom 10.10.2017 hat das Gericht mit ausdrücklicher Zustimmung beider Parteien angeordnet, dass im schriftlichen Verfahren entschieden werden soll. Gleichzeitig ist den Parteien eine dem Schluss der mündlichen Verhandlung entsprechende Schriftsatzfrist bis zum 09.11.2017 gesetzt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Klägerin stehen gegen den Beklagten die von ihr mit der Klage verfolgten Ansprüche aus keinem rechtlichen Grund zu.

1. Die Klägerin ist nicht dazu berechtigt, von dem Beklagten gemäß den §§ 346 Abs. 1, 434, 437 Nr. 2, 323 BGB die Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrages zu verlangen.

Es fehlt bereits an dem hierfür erforderlichen Rücktrittsgrund.

a) Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass die streitgegenständliche Violine zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit einem Sachmangel behaftet war.

Zwar steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass die Violine den von der Klägerin behaupteten ausgeprägten Wolfton aufweist. Denn dies hat der vom Gericht beauftragte Sachverständige G1 in seinem Gutachten vom 29.08.2017 so festgestellt.

Jedoch begründet dieser Wolfton – falls er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits vorhanden gewesen sein sollte – keinen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB. Da die Parteien keine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen haben, war insoweit maßgeblich, ob sich die an die Klägerin verkaufte Geige für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Der Verkauf des Instruments erfolgte zum Zwecke der künftigen Nutzung durch die musisch begabte Tochter der Klägerin. Es muss also als für diesen Zweck geeignet anzusehen sein. Genau dies ist nach den Feststellungen des Sachverständigen G1 der Fall. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass sich das Instrument für die gewöhnliche Verwendung eigne. Es fehle auch nicht an einer Beschaffenheit, die bei vergleichbaren Musikinstrumenten dieser Art üblich ist. Denn Wolftöne könnten bei neuen und alten Instrumenten und auch bei einfachen und sehr kostspieligen Geigen auftreten.

Zwar hat der Sachverständige ergänzend ausgeführt, dass die streitgegenständliche Geige in ihrem derzeitigen Zustand „im Prinzip“ nicht so bespielt werden könne, dass sich aus dem Wolfton keine nachteiligen Folgen für das Klangbild ergäben. Die schlechte Ansprache der betreffenden Töne sei deutlich zu hören. Wenn aber nach den Feststellungen des Sachverständigen davon auszugehen ist, dass eine solche Beschaffenheit einer Geige üblich ist und häufiger vorkommt, vermag das Vorliegen des beeinträchtigten Klangbildes allein keinen Mangel im Sinne des § 434 BGB zu begründen.

b) Aber selbst wenn davon auszugehen sein sollte, dass der heute an dem Instrument vorhandene Wolfton als kaufrechtlicher Mangel zu qualifizieren ist, so würde auch dies dem von der Klägerin erklärten Rücktritt nicht zur Wirksamkeit verhelfen.

Denn die Klägerin hat auch nicht bewiesen, dass der Wolfton bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an der Geige vorhanden war. Der Sachverständige vermochte dies nicht mit erforderlichen Sicherheit zu bestätigen. Zwar hat der Sachverständige ergänzend darauf hingewiesen, dass es kaum möglich erscheine, dass der Wolfton so eine ausgeprägte Form, in der er sich jetzt präsentiere, in der kurzen Zeit nach Vertragsschluss bis zur Begutachtung angenommen habe. Andererseits hat er aber auch ausgeführt, dass Komponenten, die für den Klang zwingend notwendig seien, wie Steg, Stimmstock, Bassbalken, Länge und Gewicht des Saitenhalters sowie auch das Klima verbunden mit der Luftfeuchtigkeit einen Wolfton begünstigen könnten. Vor diesem Hintergrund verbleiben für das Gericht – wie offensichtlich auch für den Sachverständigen – hinreichend Zweifel bezüglich des Vorhandenseins des Wolftons zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs.

c) Unabhängig davon, ob die beiden vorgenannten Voraussetzungen des Rücktritts erfüllt sind oder nicht, wäre es der Klägerin jedenfalls deshalb verwehrt, die begehrte Rückabwicklung des Kaufvertrages zu verlangen, weil sie dem Beklagten entgegen der entsprechenden Vorgabe aus § 323 Abs. 1 BGB keine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin dem Beklagten vor Abgabe der Rücktrittserklärung keine Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben hat.

Die Klägerin hat dazu selbst vorgetragen, dass sie hiervon abgesehen habe, weil der dargelegte Mangel nicht nachbesserungsfähig sei. Hiermit dringt sie aber nicht durch. Denn nach den Feststellungen des Sachverständigen G1 besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass der Mangel im Wege der Nachbesserung beseitigt werden könnte. Er hat dazu ausgeführt, dass ein Funktionieren der Nachbesserung zwar nicht garantiert sei. Jedoch sei es in vielen Fällen möglich gewesen, den Wolfton zu bändigen und zu einem erträglichen Maß zu bringen, wenn diesbezüglich bei Geigen auch oft mehrere Versuche benötigt würden.

Die danach verbleibenden Unsicherheiten, ob eine Nachbesserung erfolgreich verlaufen wird oder nicht, schließen das Nachbesserungsrecht des Beklagten nicht aus. Die Vornahme eines Nachbesserungsversuchs, der vom Beklagten ausdrücklich angeboten worden ist, wird hierdurch nicht unzumutbar. Dies gilt umso mehr deshalb, weil nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht das Risiko besteht, dass im Rahmen der Nachbesserung ein irreparabler Zustand an dem Instrument geschaffen werden könnte, sofern die Arbeiten von einem Geigenbaumeister vorgenommen werden. Der Klägerin war danach zuzumuten, dem Beklagten einen Nachbesserungsversuch zu gestatten und danach zu testen, ob das Instrument nun doch für die gewünschten Zwecke einsetzbar ist. Auch dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Klägerin einen nicht gänzlich beseitigten Wolfton bis zum einem gewissen Ausmaß hinzunehmen gehabt hätte, weil das Vorhandensein eines Wolftons der üblichen und zu erwartenden Beschaffenheit einer Geige entspricht.

Soweit die Klägerin diesbezüglich eingewendet hat, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen eben keine Gewähr für eine vollständige Beseitigung des Wolftons bestehe, führt dies zu keiner anderen Einschätzung. Denn der Sachverständige hat jedenfalls „sicher“ festgestellt, dass viele Instrumente Schwierigkeiten in der Ansprache hätten, die sich aber in enger Zusammenarbeit mit dem Geigenbauer stark verbessern oder gar eliminieren ließen. Danach verbleibt es dabei, dass die Möglichkeit einer hinreichenden Nachbesserung bestehen bleibt. Dabei war auch nicht dem Beweisangebot der Klägerin zu folgen, den Geigenbauer T1 als sachverständigen Zeugen zu der Frage zu vernehmen, ob bei dem streitgegenständlichen Instrument die Beseitigung des Wolftons unmöglich ist und ob der Nachbesserungsversuch stets mit einer irreparablen Veränderung des Klangvolumens der Geige einhergehe. Zum einen wurden durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen genau diese Fragen bereits hinreichend beantwortet. Zum anderen hätte eine solche Beurteilung der Unmöglichkeit der Nachbesserung ohnehin erst getroffen werden können, nachdem dem Beklagten der ihm zustehende Nachbesserungsversuch eingeräumt worden wäre.

Es war der Klägerin auch nicht wegen eines arglistigen Verschweigens des Mangels durch den Beklagten unzumutbar, die Nachbesserung zu gestatten. Dabei kann die zwischen den Parteien streitige Frage, ob dem Beklagten das Vorhandensein des Wolftons bei Vertragsschluss bekannt war, dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, bestand für ihn diesbezüglich keine Offenbarungspflicht. Dies folgt daraus, dass – wie bereits ausgeführt wurde – Wolftöne bei Geigen häufig auftreten und damit als übliches Beschaffenheitsmerkmal anzusehen sind. Auf solche üblichen Beschaffenheitsmerkmale muss aber nicht hingewiesen werden. Anders könnte es sich zwar dann verhalten, wenn davon auszugehen sein sollte, dass der Wolfton derart ausgeprägt war, dass er den üblichen Beschaffenheitsvorgaben nicht mehr gerecht werden konnte. Auch hieraus könnte aber im vorliegenden Fall keine Offenbarungspflicht des Beklagten hergeleitet werden, da selbst auf der Grundlage des streitigen Vorbringens der Klägerin nicht davon ausgegangen werden kann, dass dem Beklagten diese besondere Ausprägung des Wolftons bekannt gewesen sein muss. Denn die Klägerin stützt die behauptete Arglist allein auf die behauptete Äußerung des Beklagten und dessen Ehefrau, dass die Ehefrau des Beklagten die Geige während des Studiums bespielt habe und damals mit dem Wolfton ganz gut zurechtgekommen sei. Die Klägerin trägt dagegen keine Umstände vor, die darauf schließen lassen könnten, dass der Beklagte Kenntnis vom aktuellen Ausmaß des Wolftons bei Vertragsschluss gehabt haben könnte. Allein hieraus hätte sich aber – wie bereits aufgezeigt wurde – eine Offenbarungspflicht ergeben können. Dabei war zudem ergänzend zu berücksichtigen, dass dem Beklagten bekannt war, dass der Klägerin das Instrument vor Vertragsschluss bereits knapp zwei Wochen lang zum „Testen“ zur Verfügung gestanden hatte. Vor diesem Hintergrund durfte sich der Beklagte darauf verlassen, dass die Klägerin das Instrument hinreichend geprüft hatte, um beurteilen zu können, ob es sich für den gewünschten Zweck eignet oder nicht. Denn er konnte nicht damit rechnen, dass der Klägerin als geübte Konzertviolinistin bei dem Test des Instruments ein dem Beklagten eventuell bekannter Wolfton verborgen geblieben sein könnte. Auch fußend auf diesem Umstand ist ein arglistiges Verhalten des Beklagten nicht feststellbar. Denn Arglist kann nur dann vorliegen, wenn der Verkäufer weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und er bei Aufklärung den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätte (BGH, Beschluss vom 08.12.2006, Az. V ZR 249/05, abgedruckt in NJW 2007, 835 m.w.N.).

d) Etwaige Gewährleistungsansprüche der Klägerin wegen des behaupteten Mangels wären überdies gemäß § 442 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, weil der Klägerin der Mangel – sollte er tatsächlich bestehen – infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben wäre.

Eine grobfahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 442 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Käufer die ihm obliegende Sorgfalt in besonders schwerem Maße vernachlässigt hat. Zu erwarten ist von ihm dabei ein Mindestmaß an Information und Aufmerksamkeit. Dabei sind aber insbesondere auch eine besondere Sachkunde des Käufers sowie die Verkehrssitte zu berücksichtigen (vgl. Palandt/Weidenkaff, 76. Auflage 2017, § 442 Rn. 10 ff.).

Ausgehend von diesen Maßstäben ist vorliegend von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin im Hinblick auf den Wolfton auszugehen. Denn die Klägerin hat unstreitig das Instrument selbst getestet. Dabei konnte sie zurückgreifen auf ihre besondere Fachkunde als erfahrene Orchesterviolinistin. Wenn ihr trotz dieser Fachkunde beim Bespielen der Geige zu Testzwecken der Wolfton verborgen geblieben sein sollte, so könnte dies nach verständiger Würdigung nur auf eine mangelnde Sorgfalt bei der Prüfung des Instruments zurückzuführen sein. Denn der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass das Vorhandsein des Wolftons einer geübten Violinistin beim Probespiel mit der Geige zwingend hätte auffallen müssen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass bei dem streitgegenständlichen Instrument gleich mehrere Wolftöne hintereinander bestünden, die bereits in der ersten Lage auffällig seien. So wie sich die Situation derzeit darstelle, hätte der Wolfton auch bei oberflächlichem Bespielen zwingend erkannt werden müssen. Der Wolfton befinde sich bereits auf der leeren, also nicht gegriffenen „A“ Saite. Von dort aus erstrecke er sich über das „H“ fast bis zum „D“, womit er „mitten im Zentrum“ gelegen sei. Auch aus Sicht des Gerichts erweist es sich als überzeugend, dass die Klägerin bei dieser Sachlage und bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt den Wolfton zwingend hätte erkennen müssen. Auch wenn grundsätzlich von einem Käufer eine Untersuchung der Kaufsache nicht verlangt werden kann, unterlag der hier streitgegenständliche Kaufvertrag für beide Parteien der Erwartung, dass das Instrument in der zweiwöchigen „Testphase“ vor Vertragsschluss von der Klägerin als geübte Violinistin eingehend geprüft worden war. Es entspricht insoweit insbesondere auch der Verkehrssitte, dass ein hochwertiges und hochpreisiges Musikinstrument von einem fachkundigen Käufer gerade sorgfältig darauf geprüft wird, ob der Käufer mit dem Bespielen des Instruments zurechtkommt. Wird der Käufer den daraus für ihn folgenden Untersuchungsobliegenheiten nicht gerecht, so kann dies als fahrlässiges Verhalten und bei den vorliegend gegebenen Besonderheiten der Eindeutigkeit des Wolftons sogar als grob fahrlässiges Verhalten zu qualifizieren sein.

Dabei hat das Gericht auch berücksichtigt, dass der Sachverständige nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen konnte, ob der Wolfton in der jetzt gegebenen Ausprägung bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestanden hat. Denn selbst wenn er weniger ausgeprägt gewesen sein sollte, würde auch dies an der Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis nichts ändern. Falls aber der Wolfton zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tatsächlich kaum bemerkbar gewesen sein sollte, so wäre er dann jedenfalls in keiner Weise als Mangel qualifizierbar, so dass dann die Hilfserwägung der grob fahrlässigen Unkenntnis keinesfalls streitentscheidend sein könnte. Denn dann würde in jedem Falle die Einschätzung des Sachverständigen durchgreifen, dass das Vorhandensein eines Wolftons üblich und vom Käufer zu erwarten ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es auch nicht der von der Klägerin als Beweis angebotenen Vernehmung des Zeugen Y der Behauptung, dass dieser Zeuge als Konzertmeister den Wolfton beim Testen des Instruments auch nicht festgestellt habe.

Die Anwendbarkeit des § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB ist auch nicht gemäß § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da aus den bereits aufgezeigten Gründen ein arglistiges Verschweigen des klägerseits behaupteten Mangels durch den Beklagten nicht feststellbar ist.

e) Auch der Einwand der Klägerin, dass das Gutachten wenig zur Lösung des vorliegenden Falles beitrage, weil der Sachverständige eine Reihe von Fragen lediglich ausweichend, unzureichend und unpräzise beantwortet habe, geht ins Leere. Das Gericht erachtet die Feststellungen des Sachverständigen als überzeugend und nachvollziehbar. Sie sind auch hinreichend substanzreich, um hierauf eine gerichtliche Beurteilung stützen zu können. Insoweit kann auf die Ausführungen oben zu den einzelnen Streitpunkten Bezug genommen werden. Der Sachverständige hat sich in seinem Gutachten auch mit den von den Parteien vorgelegten privatsachverständigen Stellungnahmen auseinandergesetzt und zutreffend darauf hingewiesen, dass sich hieraus im Kern die gleiche Einschätzung ergebe wie in seinem Gutachten. Die Klägerin hat auch selbst nicht konkret Gesichtspunkte aufgezeigt, die durch eine ausführlichere Stellungnahme des Sachverständigen noch als klärungsbedürftig angesehen werden. Vor diesem Hintergrund bedurfte es keiner ergänzenden Anhörung des Sachverständigen, die von der Klägerin auch nicht beantragt worden ist.

2. Soweit die Klägerin ferner behauptet, dass der Beklagte auf ihre Mängelrüge zugesagt habe, die Curt Jung Geige für sie anderweitig zu veräußern, wobei sie sich überlegen könne, ob sie den Kaufpreis zurückerstattet bekommen oder die Collin Mezin Geige als Ersatzinstrument annehmen wolle, kann sie auch hieraus keine Ansprüche gegen den Beklagten herleiten.

Schon nach dem eigenen streitigen Vorbringen der Klägerin kann die behauptete Erklärung des Beklagten nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Beklagte hiermit verbindlich zusagen wollte, der Klägerin den Kaufpreis zurückzuerstatten, falls sie dies wünschen sollte. Denn die Klägerin hat dazu selbst vorgetragen, dass der Beklagte erklärt habe, dass die Klägerin sich auch für das Geld entscheiden könne, wenn der Beklagte die Curt Jung Geige verkauft habe. Diese Erklärung kann nur so verstanden werden, dass die Kaufpreisrückerstattung unter der Bedingung stehen sollte, dass dem Beklagten der Weiterverkauf der Violine tatsächlich gelingen werde. Diese Bedingung ist aber nicht eingetreten. Dass die Klägerin selbst nicht von einer verbindlichen Einigung über eine Rückabwicklung des Kaufvertrages ausging, wird im Übrigen daraus ersichtlich, dass sie dem Beklagten mit Schreiben vom 01.02.2016 mitgeteilt hat, dass sie die Curt Jung Geige nicht gegen die Collin Mezin Geige eintauschen werde, weshalb sie jetzt auf das Angebot des Beklagten zurückkomme, dass er die Curt Jung Geige verkaufe und sie solange die Geige von Mezin geliehen bekomme. Auf der Grundlage dieser Darlegung würde es an einer rechtzeitigen Annahme des behaupteten Angebots des Beklagten fehlen, da es der Annahme an der von § 147 BGB vorausgesetzten Unverzüglichkeit fehlen würde. Überdies hat die Klägerin in dem betreffenden Schreiben den Beklagten abschließend darum gebeten, einen Vertragstext über diese Modalitäten aufzusetzen. Einer solchen Bitte hätte es nicht bedurft, wenn die Klägerin tatsächlich zu diesem Zeitpunkt bereits davon ausgegangen sein wollte, dass eine verbindliche Einigung über die Rückabwicklung des Kaufvertrages bereits bestand. Im Übrigen würde es an einem hinreichenden Beweisantritt der Klägerin zu der von ihr behaupteten Erklärung des Beklagten fehlen.

Soweit die Klägerin diesbezüglich allein ihren Vater als Zeugen benannt hat, der das betreffende Telefonat der Parteien zufällig mitgehört habe, wäre diesem Beweisantritt selbst dann nicht zu folgen, wenn das Vorbringen der Klägerin anders zu würdigen sein sollte als oben dargestellt. Denn dann müsste – mangels anderweitiger Darlegung durch die Klägerin – davon ausgegangen werden, dass der Zeuge nur die Äußerungen der Klägerin während des Telefonats wahrgenommen hat. Wenn dies aber der Fall war, so kann nicht angenommen werden, dass er Angaben zu Erklärungen des Beklagten während des Telefonats machen kann. Sollte hingegen die Klägerin das Mikrofon des Telefons betätigt und auf „laut“ gestellt haben, so wären die Angaben des Zeugen zu den Erklärungen des Beklagten während des Telefonats nicht verwertbar, da es dann an dem für die Verwertbarkeit der Aussage erforderlichen Hinweis über den weiteren Zuhörer fehlen würde.

3. Da der Klägerin nach alledem kein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages zusteht, ist sie auch nicht dazu berechtigt, den Beklagten auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und auf Zahlung von Zinsen in Anspruch zu nehmen sowie die Feststellung zu verlangen, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Violine im Verzug befindet.

Die Klage hatte danach insgesamt der Abweisung zu unterliegen.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

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