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Kaufvertrag über Solaranlage – Fälligkeitszeitpunkt für Inbetriebnahme und Netzanschluss

LG Hamburg – Az.: 328 O 231/18 – Urteil vom 18.04.2019

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 142.911,86 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3.4.2018 Zug-um-Zug gegen Rückübereignung einer Photovoltaikanlage in D- … B., …, mit einer Leistung von 80,6 kWp zu zahlen.

2.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.305,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.8.2018 zu zahlen.

3.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit Übernahme der Photovoltaikanlage gemäß Tenor zu 1. in Annahmeverzug befindet.

4.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

6.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt nach Rücktritt von einem Kaufvertrag über eine Photovoltaikanlage Rückzahlung des Kaufpreises.

Am 9.8./15.8.2016 schlossen die Parteien einen „Kaufvertrag über den Erwerb einer Photovoltaikanlage als Alleineigentum“, die auf Dachflächen einer Junghennenfabrik in … B. noch errichtet werden sollte. Der Kaufpreis betrug 142.911,86 €. Gemäß § 4 Abs. 1 des Vertrages verpflichtete sich die Beklagte, „die Anlage nach den anerkannten Regeln der Technik am angegebenen Standort zu errichten, an das öffentliche Stromversorgungsnetz anzuschließen und in Betrieb zu nehmen.“ In § 13 Abs. 1 findet sich die Regelung, dass die „technische Fertigstellung“ der Anlage bis zum 30.9.2016 geplant ist. Grundlage des Vertrages war ein Exposé bzw. eine Informationsbroschüre der Beklagten (Anlage K5). Dort ist auf Seite 4 die technische Inbetriebnahme für September 2016 und eine Anlagenabnahme sowie die Herstellung des Netzanschlusses durch den Energieversorgungsträger für Oktober 2016 ausgewiesen. Die Beklagte hielt diese Termine nicht ein. Mit Schreiben vom 23.10.2017 (Anlage K6) forderte die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten die Beklagte auf, „ihren vertraglichen Verpflichtungen vollständig und gewissenhaft nachzukommen und insbesondere die PV-Anlage ordnungsgemäß in Betrieb zu nehmen“. Der Beklagten wurde hierzu eine Frist bis zum 2.11.2017 gesetzt. Die Beklagte reagierte ihrerseits mit Schreiben vom 26.10.2017 (Anlage K7) und begründete die Verzögerung und bot gleichzeitig eine finanzielle Kompensation gegenüber der Klägerin an. Unter dem 15.3.2018 trat die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben (Anlage K8) von dem streitgegenständlichen Kaufvertrag wegen der fehlenden Fertigstellung der Anlage zurück. Die Beklagte reagierte durch Schreiben ihrer Anwälte vom 3.4.2018 (Anlage K9) und wies darauf hin, dass die Anlage zwischenzeitlich fertiggestellt werden konnte und der Netzanschluss unmittelbar bevorstehe. Der Trafo sei bestellt und bezahlt und werde Anfang Mai 2018 geliefert, so dass der Netzgang noch im Mai 2018 erfolgen könne. Mit weiterem Schreiben der Beklagtenvertreter vom 10.4.2018 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass unter dem 21.3.2017 bereits eine Anzeige der Inbetriebnahme gemäß § 5 Nr. 21 EEG erfolgt sei, der Netzanschlussnutzungsvertrag am 24.8./18.9.2017 geschlossen und die Bundesnetzagentur am 24.1.2018 den Eingang der Meldung zur Inbetriebnahme bestätigt habe (Anlage K11). Erneut wurde darauf hingewiesen, dass unmittelbar nach der Lieferung und dem Einbau des Trafos ein Netzanschluss im Mai 2018 erfolgen könne.

Die Klägerin beantragt,

1.

die Beklagte dazu zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 142.911,86 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3.4.2018 Zug-um-Zug gegen Rückübereignung einer Photovoltaikanlage in D- … B., …, mit einer Leistung von 80,6 kWp zu bezahlen.

2.

Daneben die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.305,40 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, dass der Rücktritt unberechtigt sei. Die Fristsetzung durch die Klägervertreter am 23.10.2017 sei unzureichend, da die Klägerin allein die technische Inbetriebnahme bzw. die technische Fertigstellung der Anlage angemahnt habe. Die Anlage sei zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits technisch fertiggestellt gewesen. Das ergebe sich bereits aus der Anzeige der Inbetriebnahme einer Erzeugungsanlage gemäß § 5 Nr. 21 EEG vom 21.3.2017 (Teil der Anlage K11).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt das Gericht Bezug auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien.

Entscheidungsgründe

Kaufvertrag über Solaranlage - Fälligkeitszeitpunkt für Inbetriebnahme und Netzanschluss
(Symbolfoto: Von zstock/Shutterstock.com)

Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 323 Abs. 1, Abs. 4 in Verbindung mit § 346 BGB Anspruch auf Zahlung von 142.911,86 € Zug-um-Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an der streitgegenständlichen Photovoltaikanlage.

1.

Die Beklagte hat zum Zeitpunkt des erklärten Rücktritts am 15.3.2018 eine fällige Leistung nicht vertragsgemäß erbracht.

Die Beklagte war gemäß § 271 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Photovoltaikanlage bis Ende Oktober 2016 fertigzustellen, in Betrieb zu nehmen und für den Netzanschluss Sorge zu tragen.

Die entsprechende Leistungspflicht ergibt sich aus § 4 Abs. 1 des Kaufvertrages (Anlage K1).

Im Hinblick auf die Leistungszeit haben die Parteien im Kaufvertrag selbst einen Fertigstellungszeitpunkt nur für die rein technische Fertigstellung der Photovoltaikanlage geregelt, und zwar den 30.9.2016. Für die Inbetriebnahme und den Anschluss an das öffentliche Stromversorgungsnetz haben die Parteien ausdrücklich keine Leistungszeit im Vertrag vorgesehen. Im Hinblick auf die Bestimmung des Fälligkeitszeitpunktes kann auf das Exposé der Beklagten gemäß Anlage K5 zurückgegriffen werden. Dort hat sie selbst die Anlagenabnahme und den Netzanschluss durch den Energieversorgungsträger bis Ende Oktober 2016 vorgesehen. Es kann dahinstehen, ob über diese Angabe im Exposé eine in den Kaufvertrag einbezogene Regelung der Parteien angenommen werden kann. Wenn nicht, ergibt sich andernfalls ein entsprechender Fälligkeitszeitpunkt „aus den Umständen“, vgl. § 271 Abs. 1 BGB.

2.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Anlage mangels Netzanschluss bis zum Zeitpunkt der Mahnung und Nachfristsetzung des Klägervertreters vom 23.10.2017 noch nicht vollends fertiggestellt und in Betrieb genommen worden war. Dabei kann dahinstehen, ob die rein technische Fertigstellung bereits im März 2017 erfolgt ist. Denn gemäß § 4 Abs. 1 des Kaufvertrages schuldet die Beklagte nicht nur die technische Fertigstellung, sondern auch die Herstellung des Netzanschlusses einschließlich der umfassenden Inbetriebnahme der Anlage.

3.

Gemäß § 323 Abs. 1 BGB hat die Klägerin durch das anwaltliche Schreiben vom 23.10.2017 erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung bestimmt. Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass die Erklärung des Klägervertreters im Hinblick auf den konkreten Leistungsinhalt auslegungsbedürftig ist. Jedoch ergibt diese Auslegung, dass der Klägervertreter mit seiner Erklärung die Gesamtfertigstellung im Sinne des § 4 Abs. 1 des Kaufvertrages (Anlage K1) einschließlich der Herstellung des Netzanschlusses gemeint hat.

Der Klägervertreter fordert in diesem Schreiben die Beklagte auf, ihren vertraglichen Verpflichtungen „vollständig“ nachzukommen. Konkret wird die Beklagte aufgefordert, die Anlage „ordnungsgemäß in Betrieb zu nehmen“. Der Klägervertreter nimmt damit aus Sicht des Gerichts Bezug auf die Regelung in § 4 Abs. 1 des Kaufvertrages, die die Errichtung der Anlage, den Anschluss an das öffentliche Stromversorgungsnetz und die Inbetriebnahme als letzten Akt voraussetzt.

Die rein „technische Fertigstellung“ und die isolierte „Inbetriebnahme“ gemäß § 5 Nr. 21 EEG waren damit ersichtlich nicht angemahnt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aus Sicht der Klägerin die rein technische Fertigstellung der Anlage ohne jede Bedeutung ist. Die Anlage kann erst dann die versprochene Rendite generieren, wenn die Anlage auch ans Netz angeschlossen ist. Zur Inbetriebnahme gehört damit auch aus Sicht eines objektiven Empfängers gemäß des Schreibens die Herstellung des Netzanschlusses, wie sie in § 4 Abs. 1 des Vertrages geregelt ist. Auch die Beklagte ging offensichtlich nach Erhalt des Schreibens des Klägervertreters nicht davon aus, dass dieser allein die technische Fertigstellung der Anlage oder die spezialgesetzlich geregelte „Inbetriebnahme einer Erzeugungsanlage“ gemäß § 5 Nr. 21 EEG gemeint hat. Das Reaktionsschreiben der Beklagten vom 26.10.2017 geht auf diesen Punkt überhaupt nicht ein. Es wäre zu erwarten gewesen, dass die Beklagte dem Klägervertreter auf die bereits erfolgte technische Fertigstellung und Inbetriebnahme im Sinne von § 5 Nr. 21 EEG hingewiesen hätte, wenn dieses Verständnis bei der Beklagten vorgeherrscht hätte. Stattdessen erklärt die Beklagte die entstandenen Verzögerungen und unterbreitete der Klägerin ein Kompensationsangebot.

Es kann dahinstehen, ob die durch den Klägervertreter gesetzte Frist bis zum 2.10.2017 angemessen im Sinne von § 323 Abs. 1 BGB war. Denn bis zum erklärten Rücktritt am 18.3.2018 war eine angemessene Frist seit langem abgelaufen.

4.

Zum Zeitpunkt des am 18.3.2018 erklärten Rücktritts war die Leistung trotz Nachfristsetzung der Klägerin noch nicht fertiggestellt. In dem Schreiben der Beklagtenvertreter vom 3.4. und 10.4.2018 (Anlage K9 und K11) weisen diese für die Beklagte darauf hin, dass die Lieferung und der Einbau des notwendigen Trafos noch im Mai 2018 erfolgen werde und im Anschluss daran der Netzanschluss möglich sei.

5.

Gemäß §§ 323 Abs. 4, 346 BGB kann die Klägerin von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückübertragung der Anlage beanspruchen.

II.

Gemäß § 280 BGB hat die Klägerin Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

III.

Die Beklagte befindet sich aufgrund des Angebots der Klägerin in dem Rücktrittsschreiben vom 18.3.2018 mit der Annahme der Rückübertragung der Photovoltaikanlage in Verzug.

IV.

Die Beklagte hat gemäß § 288 Abs. 1 BGB nur Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz. Ein Anspruch gemäß § 288 Abs. 2 BGB auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz kommt mangels Entgeltforderung und aufgrund der Beteiligung der Klägerin als Verbraucherin nicht in Betracht.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging nach § 709 ZPO.

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