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Kaufvertragsanfechtung bei Faksimiles

LG Bielefeld – Az.: 3 O 453/20 – Urteil vom 23.12.2022

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 5.498,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.01.2020 Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übertragung des Eigentums an den Faksimiles

Skizzenbuch Giorgio Martini, Exemplar 239/599 und

Leonardo Da Vinci, Exemplar 374/950

zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der in dem Antrag zu Ziffer 1) näher benannten Faksimiles seit dem 10.01.2020 in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 571,44 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Zusammenfassung

Kaufvertragsanfechtung bei Faksimiles
(Symbolfoto: Janaka Dharmasena /Shutterstock.com)

Hier handelt es sich um einen Rechtsstreit zwischen einer Klägerin und einer Beklagten wegen des Kaufs von Faksimiles. Die Klägerin behauptet, dass die Faksimiles minderwertig seien und die Vertriebsmitarbeiterin der Beklagten sie arglistig getäuscht habe, um den Verkauf zu tätigen. Die Klägerin fordert die Rückzahlung des Kaufpreises. Die Beklagte weist die Vorwürfe zurück und behauptet, dass die Faksimiles hochwertig seien. Das Gericht entscheidet, dass die Kaufverträge aufgrund einer arglistigen Täuschung durch die Vertriebsmitarbeiterin der Beklagten wirksam angefochten wurden. Das Gericht stützt seine Entscheidung auf die falschen Tatsachen, die die Vertriebsmitarbeiterin über die Qualität der Faksimiles dargestellt hatte. Die Klägerin erhält einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises.

Weiterführende Informationen

Was ist ein Faksimile?

Ein Faksimile ist eine originalgetreue Nachbildung oder Reproduktion einer Vorlage, oft im Falle historisch wertvoller Dokumente. Ein Faksimile soll Größe, Farben, Papier und Beschaffenheit des Originals so genau wie möglich wiedergeben. Der Begriff kommt aus dem Lateinischen: Fac simile = mach es ähnlich.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises aus zwischen den Parteien geschlossenen Kaufverträgen über Faksimiles in Anspruch.

Die Klägerin war früher Kunde der E. Unternehmensgruppe. Unter anderem hat die Klägerin vor etlichen Jahren die Brockhaus-Bibliothek erworben.

Die Klägerin kaufte bei einem Besuch durch die Vertriebsmitarbeiterin der Beklagten, die Zeugin K., im Rahmen eines Haustürgeschäfts von der Beklagten im Mai 2017 die Faksimiles „Skizzenbuch Giorgio Martini 599 nummerierte Exemplare Art.Nr.: 1720“ zu einem Kaufpreis von EUR 999,00 sowie „Leonardo da Vinci 950 nummerierte Exemplare Art.Nr.: 1719“ zu einem Kaufpreis in Höhe von EUR 4.499,00. Der Gesamtkaufpreis von 5.498,00 EUR ist vollständig gezahlt worden.

Im Rahmen der Käufe hat die Vertriebsmitarbeiterin der Beklagten der Klägerin u.a. die folgenden Erklärung (Anlage zur Klageerwiderung Bl. 92, 93 GA) zur Unterschrift vorgelegt (Hervorhebungen durch das Gericht):

„Die Bedeutung eines Faksimiles

Ein Faksimile ist die möglichst originalgetreue Nachbildung wertvoller Dokumente unserer Geschichte und Kultur.

Hintergrund eines Faksimiles

… Selbst mit heutigen technischen Möglichkeiten hergestelltes hochwertiges Papier ist unter Umwelteinflüssen wie Licht, Trockenheit, Feuchtigkeit oder Rauch nicht ewig haltbar.

Perfekte Faksimile-Editionen aber machen heute die Höhepunkte Jahrhundertealter Kunst Wissenschaftlern, Sammlern und Bibliophilen gleichermaßen zugänglich. Ein Faksimile ersetzt das Original für bestimmte Bereiche der Forschung und Bibliophilie vollwertig. Dabei streben die darauf spezialisierten Buchdruckereien den maximal möglichen Perfektionsgrad an, um das Faksimile dem Original so ähnlich wie möglich zu machen. Der Einsatz von altem Handwerkszeug und Techniken sorgt für eine möglichst originalgetreue Nachbildung. So stellen diese Kunstwerke damals wie heute ein Zeichen der Fertigungskünste ihrer Zeit dar. Die Museen sind dankbar, weil durch die Faksimilierung die Erhaltung solcher Kulturgüter finanziert werden kann. Es ist eine Vorarbeit von einigen Jahren erforderlich, um ein Werk erfolgreich nachzubilden.

…“

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 11.12.2019 forderte die Klägerin die Beklagte zur Rückzahlung der bezahlten Kaufpreise Zug-um-Zug gegen Rückgabe der streitgegenständlichen Faksimiles auf. Zugleich erklärten sie die Anfechtung der Kaufverträge.

Die Beklagte hat durch ihren Interessenvertreter mit Schreiben vom 09.01.2020 mitteilen lassen, dass eine Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht in Betracht komme.

Die Klägerin behauptet, die Vertriebsmitarbeiterin habe ihr gegenüber bei ihrem Besuch im Mai 2017 mitgeteilt, der Grund für den Besuch sei die von der Klägerin vom Verlag der E.-Gruppe erworbene Lexikothek. Sie wolle sich erkundigen, ob die Klägerin Interesse habe, ihre bestehende Sammlung zu verkaufen. Sie habe weiterhin erklärt, dass sie die Informationen über die Sammlung der Klägerin von E. erhalten habe und fragte, ob sie sich die bestehende Sammlung wenigstens einmal anschauen dürfte.

Die Mitarbeiterin habe sich sehr positiv über den Erhaltungszustand der Sammlung geäußert und erklärt, dass eine vollständige Sammlung sogar besonders hochwertig und selten sei. Nach Prüfung der Sammlung habe sie behauptet, dass tatsächlich mehrere Bücher fehlen würden. Angeblich solle die Klägerin damals — wann genau wurde nicht gesagt — diese letzten Bücher der Sammlung nicht gekauft haben. Die Mitarbeiterin der Beklagten habe der Klägerin darauffolgend mitgeteilt, dass nur mit diesen letzten Büchern die sogenannte Königssammlung vervollständigt werden könne. Die fehlenden Bücher seien die streitgegenständlichen Werke.

Die Klägerin behauptet weiter, die von der Beklagten an die Klägerin verkauften Faksimiles haben bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht einmal 10% des tatsächlichen Verkaufspreises gehabt.

Die von der Beklagten verkauften Faksimiles seien weder „dem Original so ähnlich wie möglich“, noch seien diese durch den „Einsatz von altem Handwerkszeug und Techniken“ hergestellt worden. Tatsächlich handele es sich bei den von der Beklagten verkauften Faksimiles um einfache Nachdrucke, deren Herstellung nicht besonders aufwendig sei. Die von der Beklagten an den Kläger verkauften Bücher seien mit hochwertigen Faksimiles nicht zu vergleichen.

Die Klägerin ist der Ansicht, bei dem streitgegenständlichen Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten über die Faksimiles handele es sich um ein Wuchergeschäft gemäß § 138 Abs. 2 BGB, sodass dieses nichtig sei. Bei der Wertermittlung sei auch der sogenannte Sekundärmarkt zu berücksichtigten.

Die Kaufverträge seien wirksam angefochten worden. Dies u.a. weil die Klägerin darüber getäuscht worden sei, dass es sich um besonders hochwertige, weil dem Original möglichst nahe kommende Faksimile handeln würde. Zudem weil die Vertriebsmitarbeiterin der Klägerin im Rahmen des Verkaufsgesprächs darüber getäuscht hätten, dass die Faksimile erforderlich seien, um die Sammlung zu vervollständigen, damit dieses für einen deutlich höheren Preis weiterverkauft werden könne.

Zudem sei der Kläger nicht ausreichend über sein Widerrufsrecht informiert worden.

Der Kläger beantragt, die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 5.499,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.01.2020 Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übertragung des Eigentums an den Faksimiles

Skizzenbuch Giorgio Martini, Exemplar 239/599 und

Leonardo Da Vinci, Exemplar 374/950

zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der in dem Antrag zu Ziffer 1) näher benannten Faksimiles seit dem 10.01.2020 in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 571,44 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die von ihr vertriebenen Faksimiles seien hochwertig.

Die Klägerin habe bereits vor Ablauf der Anfechtungsfrist von den nunmehr für die Anfechtung angeführten Tatsachen Kenntnis erlangt, sie ist der Ansicht, die Anfechtungsfrist sei daher am 11.12.2019 bereits abgelaufen gewesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten des Sachverständigen N.. Es wird insoweit auf die der Akte beiliegenden Gutachten Bezug genommen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 14.01.2022 und 23.12.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 5.498,00 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe der streitgegenständlichen Faksimiles nach wirksamer Anfechtung gemäß §§ 123, 142 BGB i.V.m. § 812 BGB. Die Klägerin hat entgegen ihrem eigenen Vortrag einer Kaufpreiszahlung von 4.998,00 EUR einen Zahlungsantrag i.H.v. 4.999,00 EUR gestellt, sodass die Klage in Höhe von 1 EUR unbegründet ist.

1. Die ursprünglich zwischen den Parteien geschlossenen Kaufverträge sind wirksam durch die Anfechtungserklärungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in dem Schreiben vom 11.12.2019 angefochten worden.

a) Der Klägerin steht ein Anfechtungsrecht nach § 123 BGB zu, da die Vertriebsmitarbeiterin der Beklagten diese bei Vertragsschluss arglistig getäuscht hat. Das Gericht geht davon aus, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Zeugin K. die betreffenden Verkaufsgespräche für die Beklagte geführt hat. Die Klägerin spricht im Rahmen der Klageschrift zwar von einem „Mitarbeiter“ erwidert aber auf den konkreten Vortrag der Beklagten diesbezüglich nicht mehr.

aa) Eine arglistige Täuschung erfordert die Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums durch Vorspiegelung falscher Tatsachen (BeckOK BGB/Wendtland, 62. Ed. 1.5.2022, BGB § 123 Rn. 7).

aaa)

Die Beklagte hat der Klägerin im Rahmen der Verkaufsgespräche durch ihre Vertriebsmitarbeiterin falsche Tatsachen hinsichtlich der Herstellung und Qualität der streitgegenständlichen Faksimiles vorgespiegelt:

So haben die Vertriebsmitarbeiter der Beklagten der Klägerin im Verkaufsgespräch u.a. die folgenden Erklärung zur Unterschrift vorgelegt (Hervorhebungen durch das Gericht):

„Die Bedeutung eines Faksimiles

Ein Faksimile ist die möglichst originalgetreue Nachbildung wertvoller Dokumente unserer Geschichte und Kultur.

Hintergrund eines Faksimiles

… Selbst mit heutigen technischen Möglichkeiten hergestelltes hochwertiges Papier ist unter Umwelteinflüssen wie Licht, Trockenheit, Feuchtigkeit oder Rauch nicht ewig haltbar.

Perfekte Faksimile-Editionen aber machen heute die Höhepunkte Jahrhundertealter Kunst Wissenschaftlern, Sammlern und Bibliophilen gleichermaßen zugänglich. Ein Faksimile ersetzt das Original für bestimmte Bereiche der Forschung und Bibliophilie vollwertig. Dabei streben die darauf spezialisierten Buchdruckereien den maximal möglichen Perfektionsgrad an, um das Faksimile dem Original so ähnlich wie möglich zu machen. Der Einsatz von altem Handwerkszeug und Techniken sorgt für eine möglichst originalgetreue Nachbildung. So stellen diese Kunstwerke damals wie heute ein Zeichen der Fertigungskünste ihrer Zeit dar. Die Museen sind dankbar, weil durch die Faksimilierung die Erhaltung solcher Kulturgüter finanziert werden kann. Es ist eine Vorarbeit von einigen Jahren erforderlich, um ein Werk erfolgreich nachzubilden.

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…“

(a)

Die im Rahmen der Verkaufsgespräche abgegebene Beschaffenheitserklärung ist vom Empfängerhorizont der Klägerin nur dahingehend zu verstehen, dass die Buchdruckereien um den maximal möglichen Perfektionsgrad der streitgegenständlichen Faksimile herzustellen, altes Handwerkszeug und alte Techniken benutzt haben, um eine möglichst originalgetreue Nachbildung zu gewährleisten. Die Faksimiles („Kunstwerke“) würden hierdurch damals wie heute ein Zeichen der Fertigungskünste ihrer Zeit darstellen.

Vom Empfängerhorizont ist zur Überzeugung des Gerichts daher zu erwarten, dass der wesentliche Teil der Bücher, also die Wiedergabe des Inhalts, der Schrift und der Zeichnungen mit historischem Handwerkzeug nachgebildet wird, da gerade diese Punkte maßgeblich den Ausdruck der Fertigungskünste der damaligen Zeit widerspiegeln dürften.

(b)

Diesem Anspruch werden die Faksimiles zur Überzeugen des Gerichts nicht gerecht. Das Gericht stützt seine Auffassung maßgeblich auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen N. in seinem in diesem Verfahren eingeholten Gutachten, sowie dem nach § 411a ZPO beigezogenen Gutachten aus dem Verfahren 3 O 105/20.

Hiernach verwendet die Beklagte für die Herstellung der Faksimile das sogenannte Offsetdruckverfahren. Hierbei handelt es sich um ein Massendruckverfahren zur Wiedergabe von Text und Abbildungen.

Das Gericht hat keine Bedenken, den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu folgen. Der Sachverständige geht von den richtigen Tatsachen aus und hat seine Schlussfolgerungen detailliert und nachvollziehbar begründet. Der Sachverständige verfügt persönlich über eine umfassende Sachkompetenz, die keinerlei Anlass zu Zweifeln bietet.

Das vom Sachverständigen festgestellte industrielle Massendruckverfahren ist nach Auffassung des Gerichts ersichtlich nicht geeignet, um Kunstwerke herzustellen, die ein Zeichen der Fertigungskünste ihrer Zeit darstellen sollen. Also Bücher und Schriften, die zur Lebenszeit von Giorgia Martini (15. Jahrhundert) und Leonardo Da Vinci (15. Jahrhundert) hergestellt wurden.

Bei der vorstehenden Bewertung ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin hier ein sehr hochpreisiges Kunstwerk des Sammlermarktes erwirbt, welches viele tausend Euro kostet. Aus diesem Grund ist die Darstellung der Herstellungsart der Faksimiles durch die Beklagte nicht als einfache marktschreierische Anpreisung, sondern als Beschreibung des Herstellungsprozesses des konkreten Werkes zu verstehen (vgl. auch(BeckOK BGB/Wendtland, 62. Ed. 1.5.2022, BGB § 123 Rn. 9). Andernfalls würde die Klägerin für den Erwerb zwei simpler Bücher einen Kaufpreis von insgesamt ca. 5.500,00 EUR zahlen. Die Frage der Herstellung des von der Beklagten selbst als „Kunstwerk“ bezeichneten Faksimiles dürfte demnach auch auf dem Sammlermarkt von erheblicher wertbildender Bedeutung sein, da selbstverständlich vor vielen hundert Jahren die Herstellung eines Buches – abseits der Buchbindung – erheblich versierterer und vor allem anderer Fertigungskünste bedurfte, als die Reproduktion mit einem modernen Massendruckverfahren.

(c)

Soweit die Beklagte auf den Beschluss des OLG Hamm aus dem Parallelverfahren I-2 U 84/22 verweist, ist die Entscheidung mit dem hier vorliegenden Fall zur Überzeugung des Gerichts nicht vergleichbar, da es in dem zugrunde liegenden Beschluss maßgeblich um den Wert und nicht die Herstellung des Faksimiles geht.

Soweit das OLG der Ansicht ist, einem Käufer sei der Wert des Faksimiles (ggf. übertragbar auf die Herstellungsart) egal, wenn dieser das Werk nicht auspacke und demnach verpackt zu seiner Sammlung stelle, teilt der in diesem Verfahren zuständige Einzelrichter diese Ansicht nicht. Gerade auf dem Sammlermarkt ist es nicht untypisch, dass originalverpackte Stücke am werthaltigsten und seltensten sind, sodass hieraus für sich jedenfalls nicht geschlossen werden kann, der Käufer/Sammler habe kein Interesse am Wert (oder eben der Beschaffenheit).

bbb)

Die Täuschung ist auch arglistig erfolgt. Hierzu reichen bereits objektiv unrichtige Angaben aus, aus denen auf den erforderlichen subjektiven Tatbestand geschlossen werden kann (BeckOK BGB/Wendtland, 62. Ed. 1.5.2022, BGB § 123 Rn. 17 unter Verweis auf BGH NJW-RR 2005, 1082 (1083); 1998, 904).

Die Beklagte geriert mit ihren Werkbeschreibungen in Kenntnis, dass allenfalls für einen Teil der Buchbindung historische Werkzeuge genutzt werden, dass die Faksimile als möglichst originalgetreue Nachbildungen mit den Fertigungskünsten ihrer Zeit entstanden seien. Dies ist – wie vorstehend ausgeführt – aber gerade nicht der Fall. Eine Arglist ist somit zu bejahen.

ccc)

Die Klägerin ist aufgrund der Ausführungen der Vertriebsmitarbeiter der Beklagten davon ausgegangen, sie habe ein entsprechend den Anpreisungen beschaffenes Faksimile/Kunstwerk erhalten. Dies war jedenfalls auch willensbildend für die Eingehung der entsprechend hohen Verbindlichkeit von ca. 5.500,00 EUR.

b)

Die Kaufverträge sind somit als von Anfang an (ex tunc) nichtig anzusehen, § 142 BGB. Die Zahlung der Klägerin erfolgte daher ohne Rechtsgrund. Die Beklagte ist demnach gemäß § 812 BGB zur Rückzahlung verpflichtet. Dies aufgrund des insoweit eingeschränkt gestellten Antrages nur Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der streitgegenständlichen Faksimile.

Soweit die Beklagte einwendet, die Anfechtungsfrist sei im Zeitpunkt der Anfechtungserklärung vom 11.12.2019 bereits abgelaufen, ist diese Einlassung rein pauschal gehalten und nicht bewiesen.

Die Voraussetzungen für das Erlöschen des Anfechtungsrechts nach Maßgabe von § 124 Abs. 1 oder Abs. 3 hat der Anfechtungsgegner darzulegen und im Falle des Bestreitens zu beweisen (OLG Hamm BeckRS 2013, 21260); er muss also insbes. behaupten und ggf. beweisen, ab wann der Anfechtungsberechtigte Kenntnis von der Täuschung hatte bzw. ab wann die Zwangslage beendet war (BGH NJW 1992, 2346 (2347 f.); BeckOK BGB/Wendtland, 63. Ed. 1.8.2022, BGB § 124 Rn. 8).

2.

Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 culpa in contrahendo (c.i.c.). Durch die arglistige Täuschung der Beklagten hat diese die Klägerin zum Vertragsschluss verführt, sodass diese berechtigt war, ihre Rechte durch Zuhilfenahme ihrer Prozessbevollmächtigten überprüfen zu lassen.

3.

Die Klage ist auch in Bezug auf das mit dem Klageantrag zu 2 geltend gemachte Feststellungsbegehren zulässig und begründet. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Regelung des § 756 ZPO. Spätestens aufgrund des Abweisungsantrages der Beklagten hat diese das im Klageantrag enthaltene Angebot des Klägers auf Zug um Zug Rückübereignung der streitgegenständlichen Faksimiles ernsthaft und endgültig abgelehnt.

4.

Die Zinsentscheidung folgt aus § 286, 288 BGB

II.

Eine Schriftsatznachlassfrist war der Beklagten in Bezug auf die nicht erfolgte Einlassung zu den Gutachten des Sachverständigen N. nicht zu gewähren. Diese sind der Beklagte ausweislich des EBs vom 08.08.2022 zugegangen. Die Tatsache, dass diese sie nicht rechtzeitig aus dem beA Postfach übertragen hat, liegt in ihrem Verantwortungsbereich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird auf 5.500,00 EUR festgesetzt.

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