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Kellerüberschwemmung aufgrund unzureichender Dimensionierung oder Reinigung der Kanalisation

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 2 U 44/08 – Urteil vom 30.08.2011

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 12.11.2008, Az. 17 O 220/07, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz für die Überflutung ihres Kellers nach einem starken Regen am Nachmittag des 26. August 2006.

Sie behauptet, der in der Nähe ihres Grundstücks in der Straße … in B… gelegene Gully sei nicht ausreichend dimensioniert gewesen für die Aufnahme heftigen Regens. Außerdem sei der Gully nicht ausreichend gewartet und gereinigt worden, sodass er am Schadenstag mit Sand zugesetzt gewesen sei.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Kellerüberschwemmung aufgrund unzureichender Dimensionierung oder Reinigung der Kanalisation
Symbolfoto: Von Margoe Edwards/Shutterstock.com

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass eine Amtspflichtverletzung nicht vorliege. Ein Regen wie der am 26. August 2006 im Wohnort der Klägerin niedergegangene trete statistisch nur alle 10 bis 15 Jahre auf. Dies ergebe sich aus dem als Urkunde verwertbaren amtlichen Gutachten des … Wetterdienstes vom 20.12.2006, das die Beklagte vorgelegt hatte. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Kanalisation so auszulegen, dass sie zur Aufnahme eines solchen Regens ausreichte. Die Beklagte hafte auch nicht nach den Vorschriften des HPflG, weil der behauptete Schaden nicht auf eine mechanische Einwirkung der Anlage als solcher, sondern allein darauf zurückzuführen sei, dass sie den angefallenen Niederschlag nicht fasste.

Mit der Berufung rügt die Klägerin eine Rechtsverletzung. Das Landgericht habe das amtliche Gutachten des … WD nicht als Urkunde verwertet, denn als solche erbringe das Gutachten nur den Beweis dafür, dass die darin enthaltene Stellungnahme durch den … WD abgegeben worden sei. Das Landgericht habe daher den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verletzt, indem es den Inhalt und die Schlussfolgerungen des Gutachtens verwertet habe. Das Landgericht habe das Gutachten im Übrigen auch inhaltlich fehlerhaft bewertet, indem es daraus die Feststellung entnommen habe, dass 30 bis 40 mm Niederschlag in 90 Minuten gefallen seien, obwohl das Gutachten es nur für „möglich“ gehalten habe, dass der Hauptteil der an der 2,5 km entfernten Messstation registrierten 43 mm Niederschlag in der Zeit zwischen 13:00 und 14:30 Uhr in H… niedergegangen sei. Aufgrund der von ihr vorgelegten Auskunft des … WD sei vielmehr davon auszugehen, dass es sich um ein Unwetter gehandelt habe, mit dem alle vier bis fünf Jahre zu rechnen sei, das also nicht ganz außergewöhnlich gewesen sei. Die Überschwemmung beruhe daher auf der unzureichenden Dimensionierung und der Verschmutzung des Gullys.

Die Klägerin als Berufungsklägerin beantragt, die Beklagte in Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 12. November 2008, Az. 17 O 220/07 zu verurteilen, an sie 4.253,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem 19.07.2007 zu zahlen.

Die Beklagte als Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit dessen Argumenten. Das Gutachten des …WD bestätige hinreichend deutlich, dass in H… mit Regenereignissen wie jenem vom 26. August 2006 im Mittel nur etwa einmal in 10 bis 15 Jahren gerechnet werden müsse. Das Landgericht habe das Gutachten des …WD verwerten dürfen, weil die Klägerin ihre gegenteiligen Behauptungen schon nicht ausreichend substanziiert habe. Soweit die Klägerin unter Berufung auf die Auskunft des …WD behaupte, dass ein solches Regenereignis im Mittel alle 4 bis 5 Jahre auftrete, lasse sie außer Acht, dass der …WD in der Auskunft Tageswerte angab, nicht aber Spitzenwerte in einem Zeitraum von 90 Minuten. Seit 1924 bestehe die Anlage und Vergleichbares sei seither nicht geschehen. Schließlich habe der Klägerin eine anderweitige Ersatzmöglichkeit offengestanden, weil das Wasser nach ihrem eigenen Vortrag nicht direkt von der Straße, sondern über das Grundstück des Nachbarn Herrn R… auf ihr Grundstück floss.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des vorbereitend geladenen Zeugen C… I… sowie aufgrund des Beweisbeschlusses vom 12. Oktober 2010 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der Sitzung vom 7. September 2010, Bl. 269 ff. d. A., sowie auf das Gutachten des … Wetterdienstes vom 1. Februar 2011, Bl. 306 bis 321 d. A.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). Sie hat in der Sache dann Erfolg, wenn die Klägerin aufgrund der zu treffenden Feststellungen gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in der geforderten Höhe hat.

1. Anspruch aus § 2 Abs. 1 HPflG

Das Landgericht hat einen Anspruch aus § 2 Abs. 1 HPflG mit zutreffender Begründung verneint. Das Regenwasser ist im vorliegenden Fall nicht von einer Rohrleitungsanlage ausgegangen, sondern soll gerade deshalb zu der Überschwemmung geführt haben, weil es nicht in die Kanalisation gelangt ist.

2. Amtshaftungsanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG

Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung einer Amtspflicht aus § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG, denn sie konnte nicht beweisen, dass die Ursache für die Überschwemmung ihres Kellers am 26. August 2006 eine unzureichende Dimensionierung oder Reinigung der Kanalisation durch die Beklagte war.

Die Beklagte ist und war zur streitgegenständlichen Zeit als Straßenbaulastträger verpflichtet, das auf der Straße anfallende Regenwasser zu entsorgen (§ 9 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 BbgStrG). Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 BbgStrG haben die Träger der Straßenbaulast nach ihrer Leistungsfähigkeit die Straßen in einem den regelmäßigen Verkehrsbedürfnissen genügenden Zustand zu bauen und zu unterhalten. Diese Verpflichtung obliegt ihnen als Amtspflicht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BbgStrG. Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 BbgStrG sind die technischen Bestimmungen und die anerkannten Regeln der Baukunst und Technik zu beachten. Zur Straßenbaulast gehört die ordnungsgemäße Entwässerung der Straßen (Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., Kap. 13 Nr. 28.1). Aus den allgemeinen Grundsätzen der Amtshaftung ergibt sich, dass der Träger der Straßenbaulast im Rahmen seiner hoheitlichen Aufgaben den Bürgern, die die Straße nutzen bzw. als Grundstücksanlieger von ihr betroffen werden, keine Schäden zufügen darf. Für Fehler bei Planung, Herstellung oder Betrieb von Straßen, die zu Schädigungen Dritter führen, haftet demnach der Straßenbaulastträger aus Amtshaftungsgrundsätzen. Es treffen ihn deshalb auch Schutzpflichten zu Gunsten der Anlieger.

Die Beklagte als Straßenbaulastträger hatte daher eine Kanalisation zu unterhalten, die ausreichend dimensioniert sein musste, die gewöhnlich anfallenden Niederschlagsmengen aufzunehmen. Sie war allerdings nicht verpflichtet, die Kanalisation so zu dimensionieren, dass diese in der Lage war, jede denkbare Niederschlagsmenge zu bewältigen (vgl. BGH NJW 1990, 1167 f). Wirtschaftliche Gründe zwingen jede Gemeinde dazu, das Fassungsvermögen einer Regenwasserkanalisation nicht so groß zu bemessen, dass es auch für ganz selten auftretende, außergewöhnlich heftige Regenfälle ausreicht. Insbesondere ist eine Dimensionierung im Hinblick auch auf katastrophenartige Unwetter, wie sie erfahrungsgemäß nur in sehr großen Zeitabständen vorkommen, nicht erforderlich (vgl. BGH a. a. O., BGHZ 115, 141, 147 f.; 140, 380).

Aus der ihr als Amtspflicht obliegenden Verkehrssicherungspflicht folgte auch die Pflicht der Beklagten, die Kanalisation von Verschmutzungen zu reinigen, damit diese ihre Funktion auch erfüllte.

Der Senat ist aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen I… und der vorgelegten Fotografien davon überzeugt, dass die Kanalisation in der Straße … in B… am 26. August 2006 zwischen 14:00 Uhr und 15:00 Uhr das Regenwasser nicht mehr aufnahm und das sich auf der Straße stauende Wasser deshalb über das Nachbargrundstück auf die Zufahrt zum Grundstück der Klägerin und durch ihre Garage in den Keller floss. Dies hat der Zeuge aus eigener Anschauung so geschildert. Der auf den vorgelegten Fotografien erkennbare Wasserfluss stimmt mit seiner Schilderung überein. Hieraus ergibt sich zunächst der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Kanalisation entweder nicht ausreichend dimensioniert oder nicht ausreichend gereinigt war, denn anderenfalls hätte die Kanalisation in der Lage sein müssen, die typischerweise zu erwartende Niederschlagsmenge – d. h. eine Regenmenge, die durchschnittlich alle vier bis fünf Jahre auftritt – aufzunehmen. Der Anscheinsbeweis ist allerdings erschüttert worden durch die Feststellung der Sachverständigen, dass es sich bei dem Niederschlagsereignis vom 26. August 2006 mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit um ein solches gehandelt haben kann, mit dem am Schadensort nur alle 13 Jahre zu rechnen ist. Damit ist es ernsthaft möglich, dass das Geschehen einen vom typischen Geschehensablauf abweichenden Verlauf genommen hat, dass nämlich die Niederschläge in einer Menge fielen, die so untypisch ist, dass die Kanalisation hierauf nicht ausgerichtet sein musste. Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises reicht es aus, dass eine solche ernsthafte Möglichkeit eines vom typischen Geschehensablauf abweichenden Verlaufs feststeht. Die Sachverständige Frau S… hat in ihrem schriftlichen Gutachten und der mündlichen Erläuterung überzeugend dargestellt, dass sich auf der Grundlage der durchgeführten Messungen der Niederschlagsmengen in den benachbarten Wetterstationen und der Berechnung der angeeichten Radarwerte die Feststellung treffen lässt, dass am 26. August 2006 in der fraglichen Zeit zwischen 14:00 und 15:00 Uhr MESZ Niederschläge im Umfang von bis zu 38,7 mm je Stunde gefallen sein können.Anhand der im System KOSTRA-…WD 2000 erfassten Werte lässt sich diesem Wert eine Auftretenswahrscheinlichkeit von ein Mal in 13 Jahren zuordnen (vgl. Seite 13 des Gutachtens). Damit hätte es sich um eine Regenmenge gehandelt, auf die die Kanalisation nicht ausgerichtet sein musste. Unerheblich ist, dass die Sachverständige nicht mit Sicherheit feststellen kann, welche Niederschlagsmenge am Schadensort am 26. August 2006 tatsächlich gefallen ist. Denn für die Erschütterung des Anscheinsbeweises reicht die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs aus.

Der von der Klägerin angebotene Beweis dafür, dass die Kanalisation auch nicht ausreichend dimensioniert war, um einen vier- bis fünfjährigen Berechnungsregen aufzunehmen, war nicht zu erheben, denn selbst wenn die Klägerin dies beweisen könnte, könnte sie doch die Ursächlichkeit der Unterdimensionierung für ihren Schaden nicht beweisen. Aufgrund des soeben besprochenen Sachverständigengutachtens bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass die Unterdimensionierung der Kanalisation Ursache für die Überflutung des Kellers der Klägerin war. Auch wenn die Kanalisation nicht ausreichend dimensioniert gewesen sein sollte für die Aufnahme des Berechnungsregens, wäre es ernsthaft möglich, dass das Wasser, das in den Keller der Klägerin drang, nur solches war, das aufgrund des außergewöhnlichen Niederschlagsereignisses anfiel und auch von einer ausreichend dimensionierten Kanalisation nicht hätte gefasst werden können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Insbesondere hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Die entscheidenden Rechtsfragen sind bereits höchstrichterlich geklärt.

 

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