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Kernsanierung eines Altbaus – Mieterhöhung

LG München I

Az.: 14 S 16973/11

Urteil vom 18.04.2012


Gründe:

I.

Zur Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 I Nr. 1 ZPO zunächst auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen.

Ergänzend und zusammenfassend ist Folgendes anzufügen:

Die Parteien streiten um die Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen der Klägerin.

Die Klägerin trat als Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Vermieterin in das Mietverhältnis mit dem Beklagten für die streitgegenständliche Wohnung ein. Gegenüber der ursprünglichen Vermieterin hatte sich die Klägerin verpflichtet, Wohnungsmieten innerhalb von jeweils 18 Monaten nicht um mehr als 10% (Kappungsgrenze) gem. § 558 BGB zu erhöhen. Eine Ausnahme wurde für den Fall vereinbart, dass die Erhöhung der Wohnungsmieten nicht ausreicht, um die Wohnungsmieten auf die zu diesem Zeitpunkt aktuelle ortsübliche Vergleichsmiete anzuheben, wobei maßgeblich der untere Schwellenwert gemäß Mietspiegel sein sollte.

Im Mietvertrag ist eine Wohnfläche für die streitgegenständliche Wohnung von „ca. 103 qm“ angegeben. Das Gebäude wurde in den 50er Jahren errichtet und in den Jahren 2007/2008 umfangreich saniert.

Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 23.07.2010 stufte die Wohnung als Baujahr 2008, Wohnungsgröße 105 m² mit den besonderen Merkmalen „zweites vollständiges Bad vorhanden“, „besonderer Boden“ und „durchschnittliche Lage“ ein.

Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 15.06.2011, dreifach berichtigt, wurde der Beklagte zur Erhöhung der Nettomiete nach Klageantrag verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung vom 08.08.2011, begründet mit Schriftsatz vom 19.10.2011. Die Berufung rügt die Anwendung des Mietspiegels 2009 für das am 23.07.2010 erklärte Mieterhöhungsverlangen. Des Weiteren sei es widersprüchlich, das Gebäude einerseits als Baujahr 2008 zu bewerten, hinsichtlich der Isolierung aber die Anforderungen der 50er Jahre, dem tatsächlichen Baujahr, anzusetzen. In den Jahren 2007 und 2008 habe lediglich eine Kernsanierung stattgefunden.

Die Klägerin beantragte die Zurückweisung der Berufung.

Hinsichtlich der Einordnung des Gebäudes in die Baualterskategorie trug die Klägerin vor, es könne nicht darauf ankommen, ob das Objekt vor der Modernisierung zum Wohnen noch geeignet war oder nicht. Maßgeblich sei allein, welchen Stand es nach der Sanierung hat. Als Baumaßnahmen seien insbesondere durchgeführt worden eine Fassadensanierung und Aufbringung eines Wärmedämmverbundsystems, Austausch der Fenster, Austausch der Wohnungs- und Hauseingangstüren und Erneuerung der Kellertüren und Zimmertüren, die Sanierung der Balkone mit Geländern und außenliegender Entwässerung, die Sanierung des Daches, wobei der bestehende Dachaufbau bis auf die Dachpappe demontiert worden sei, eine neue Walmdachkonstruktion mit Zwischensparrendämmung und Uginox Dacheindeckung sei erfolgt, die Kellerdecke sei gedämmt worden, ein Fernwärmeanschluss eingerichtet, das Einrohrsystem durch ein Zweirohrsystem ersetzt worden, Kalt- und Warmwasserleitungen seien komplett neu installiert worden, eine Entlüftung für Bäder und Küchen eingebaut worden sowie die gesamte Sanitärinstallation erneuert worden. Der Boden in den Wohnungen sei neu aufgebaut worden, in den Wänden und Decken seien die Lüftungs- und Heizkanäle im Flurbereich rückgebaut worden, der Ausbau der elektrischen Installation auf SWG-Standard sei erfolgt. Durch die Maßnahmen sei der Energieverbrauch um mehr als 60% reduziert worden, zumindest teilweise seien sogar die Zuschnitte von Wohnungen geändert worden. Die Dachdecke sei vor den Sanierungsmaßnahmen nicht ausreichend standsicher gewesen, weswegen Ersetzungen und Ertüchtigungen erforderlich gewesen seien. Während der Sanierungsarbeiten sei das Gebäude nicht bewohnbar gewesen.

Der Beklagte trug vor, das Haus sei jedenfalls vor den Maßnahmen zum Bewohnen noch geeignet gewesen, die Reduzierung des Energieverbrauchs wurde bestritten, Austausch der Fenster und Türen hätte keine Verbesserung gebracht, auch sei die Warmwasserversorgung nun schlechter.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2012.

Mit Schriftsätzen vom 20.02.2012 bzw. 19.03.2012 erteilten die Parteivertreter ihre Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren.

Mit Beschluss vom 27.03.2012 wurde Frist zur Einreichung von Schriftsätzen bis 30.04.2012 und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 18.04.2012 bestimmt.

II.

Die Berufung ist zulässig und erweist sich teilweise als begründet.

Ein Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung bestand nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

1) Das Mieterhöhungsverlangen ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Das Mieterhöhungsverlangen wurde mit dem zum Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens gültigen Mietspiegel gem. §§ 558 a II Nr. 1, 558 d BGB ausreichend begründet. Ferner sind sowohl die zweimonatige Überlegungsfrist, als auch die sich daran anschließende dreimonatige Klagefrist gewahrt worden.

2) Das Mieterhöhungsverlangen war nur begründet, soweit darin eine Erhöhung auf Euro 906,40 gefordert wurde.

Die Feststellung, ob die verlangte Miete die ortsübliche Miete übersteigt, erfordert im Prozess eine konkrete Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Sinne einer Einzelvergleichsmiete. Das Gericht hat die ortsübliche Vergleichsmiete in einem normativen Akt zu ermitteln. Hierbei kommt ihm ein Bewertungsspielraum nach § 287 ZPO zu, in dessen Rahmen es die freie Auswahl unter den ihm geeignet erscheinende Beweismitteln hat; es ist mithin weder an die vorprozessual zur Begründung des Erhöhungsverlangens vorgelegten Beweismittel noch an Beweisangebote der Parteien gebunden.

Das klägerische Mieterhöhungsverlangen vom 23.07.2010 bat um Zustimmung zur Erhöhung der Grundmiete ab dem 01.10.2010. Für ein solches Mieterhöhungsverlangen enthält der Mietspiegel für München 2011, dessen Stand der Datenerhebung der Januar 2010 ist, im Vergleich zum Mietspiegel für München 2009 das aktuellere Datenmaterial. Der Mietspiegel für München 2009 befindet sich auf dem Stand Oktober 2008; zudem handelt es sich um eine Fortschreibung. Demnach war für die Beurteilung der materiellen Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens der Mietspiegel für München 2011 anzuwenden.

Nach eigenem Klägervortrag hatte sich die Klägerin verpflichtet, die Mieten nicht um mehr als 10%, jedenfalls aber bis zum Erreichen des unteren Schwellenwertes nach dem Mietspiegel zu erhöhen. Die Auslegung dieser Vereinbarung, welche von einer Erhöhung „auf die zu diesem Zeitpunkt aktuelle ortsübliche Vergleichsmiete“ abstellt, ergibt, dass auch hinsichtlich des dort genannten Schwellenwertes derjenige des Mietspiegels gemeint ist, welcher die aktuelle ortsübliche Vergleichsmiete widerspiegelt. Dabei handelt es sich aber, obgleich das Mieterhöhungsverlangen mit dem Mietspiegel für München 2009 begründet war, um den Mietspiegel für München 2011.

Als Baujahrskategorie für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel war die Kategorie 1949-1966 anzusetzen. Aus dem Mietspiegel geht hervor, dass die Wohnung in die Baualtersklasse einzuordnen ist, in der das Gebäude erstellt wurde. Nur wenn ein vor einer Modernisierung zum Wohnen nicht mehr geeignetes Haus, vergleichbar einem Rohbau, vollständig saniert und modernisiert oder durch An- oder Umbau neuer Wohnraum geschaffen wurde (z. B. Dachgeschossausbau) ist in die Baualtersklasse einzuordnen, in der die Baumaßnahme erfolgte. Die von der Klageseite dargelegten Maßnahmen führen nicht zu einer Änderung der Baualtersklasse. Unstreitig war demnach die Wohnung noch zum Wohnen geeignet und wurde auch bewohnt. Die vorgenommene Generalsanierung führt nicht zur Änderung der Baualtersklasse. Die durchgeführten Verbesserungen und Veränderungen werden im Rahmen der Mietspiegelberechnung nur durch eine bessere Beschaffenheit und Ausstattung der Wohnung berücksichtigt (vgl. Mietspiegel von München 2011, Dokumentation S. 43). Die Baujahreskategorisierung des Münchner Mietspiegels soll auch nicht, wie die Klage mit ihrem Schriftsatz vom 08.02.2012 nahelegt, einen Anreiz für Modernisierungen von Wohnraum schaffen. Es handelt sich um statistisch erhobene Daten mit indikativer Wirkung für die ortsübliche Vergleichsmiete. Anreize für Modernisierung durch den Vermieter sollen die § 559 ff. BGB bieten. Ebenso wie etwa das Merkmal des einfachen Baus nach Tabelle 3.3 indikative Wirkung für einen bestimmten Gebäudezustand besitzt, indizieren auch die jeweiligen Baujahre eine bestimmte Beschaffenheit mit Auswirkung auf die Miethöhe. Der Mietspiegel ist ein statistisches Instrument, welcher auf den Beobachtungen der Mietspiegelersteller bei ihrer repräsentativen Befragung basiert. Es steht nicht im Belieben der Anwender, auch nicht der Gerichte, Tabellenwerte entgegen der eindeutigen Erläuterungen der Mietspiegelersteller anzuwenden. Hinsichtlich der Baujahrskategorie hätte das unstreitig in den 50er Jahren erbaute Haus vor der Modernisierung nicht mehr zum Wohnen geeignet sein dürfen. Nur dann liegen Maßnahmen vor, welche das Gebäude einem Neubau gleichstellen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Wohnungen im Rahmen der Modernisierung unbewohnbar wurden. Dies geschah erst durch die vom damaligen Vermieter vorgenommenen Maßnahmen.

Ausgehend von einem Grundpreis nach Tabelle 2 von 9,29 Euro, einem Abzug gem. Tabelle 3.2 von 0,85 Euro (vor 1978 gebauter freistehender Wohnblock) sowie Zuschlägen nach Tabelle von 3.7 und 3.9 von 0,59 Euro und 0,40 Euro ergibt sich damit ein Quadratmeterpreis als Mittelwert von 9,43 Euro. Unter Abzug des vollen unteren Spannwertes von 1,36 Euro gemäß der eingegangenen Selbstverpflichtung ergibt sich eine Quadratmetermiete als unterer Schwellenwert von 8,07 Euro.

Ausweislich des Mietvertrages wurde eine Wohnfläche von 103 m² vereinbart. Nachdem jedenfalls die Vereinbarung einer kleineren Wohnfläche nicht der Mieterschutzvorschrift des § 558 VI BGB widerspricht, war diese vereinbarte Wohnfläche auch der Mieterhöhung zugrunde zu legen. Der untere Schwellenwert der ortsüblichen Vergleichsmiete für die Wohnung betrug demnach Euro 831,21.

Unabhängig davon, ob es sich bei der Vereinbarung zwischen ursprünglicher Vermieterin und Erwerberin um einen Vertrag zugunsten Dritter handelt, wofür die als Anlage K 3 auszugsweise vorgelegte Kaufvertragskopie spricht, oder ob die Klägerin im Rahmen einer Selbstbindung nach § 242 BGB verpflichtet war, die dort genannten Mieterschutzbestimmungen bei Mieterhöhungen einzuhalten, war es ihr jedenfalls verwehrt, mit dem Mieterhöhungsverlangen eine Erhöhung um mehr als 10% zu verlangen. Nachdem der untere Schwellenwert der ortsüblichen Vergleichsmiete nur etwa 1% über der Ausgangsmiete lag, war die entsprechende Ausnahmebestimmung der Mieterschutzvereinbarung nicht einschlägig.

Bei Erhöhung der Nettomiete um 10% ergab sich eine neue Miete von 906,40 Euro bzw. 8,80 Euro/m². Diese Miete unterschreitet den Mittelwert der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel von München 2011 um 0,63 Euro. Zur Überzeugung der Kammer überschreitet diese Miete auch nicht die aktuelle ortsübliche Vergleichsmiete für die streitgegenständliche Wohnung. Vielmehr gelangt die Kammer in freier Schätzung unter Berücksichtigung von Läge und Ausstattung, gerade auch der genannten Modernisierungen, zu der Überzeugung, dass die ortsübliche Vergleichsmiete für die streitgegenständliche Wohnung mindestens 8,80 Euro/m² beträgt. Eine Erhöhung über diesen Betrag hinaus konnte die Klägerin aber aufgrund der eingegangenen Selbstverpflichtung nicht verlangen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 II Nr. 1 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

V.

Es liegen keine Zulassungsgründe im Sinne des § 543 II ZPO vor. Die Beurteilung, in welche Baualterskategorie des Mietspiegels von München 2011 ein generalsaniertes Haus einzuordnen ist, hat keinerlei über München hinausgehende Bedeutung. Nachdem auch kein anderes Gericht hierüber in der Berufungsinstanz zu entscheiden hat, ist eine Divergenz schon gar nicht denkbar.

VI.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 41 V GKG und ergibt sich aus dem Jahresbetrag des Erhöhungsbetrages.

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