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Kfz-Diebstahl – Kaskoentschädigung

Oberlandesgericht Brandenburg

Az: 4 U 171/06

Urteil vom 27.06.2007


In dem Rechtsstreit hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 06.06.2007 für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 19.10.2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Versicherungsleistungen nach einem Kfz-Diebstahl geltend. Die Klägerin ist Eigentümerin des Fahrzeuges Ford Mondeo mit dem amtlichen Kennzeichen … 2200, welches bei der Beklagten unter Geltung der AKB bei einer Selbstbeteiligung von 150,00 Euro kaskoversichert ist. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Ersatz des ihr durch eine Entwendung des Fahrzeuges entstandenen Schadens.

Am 26.09.2005 wurde der Kilometerzähler des Pkw der Klägerin bei einer Laufleistung von 44.475 km ausgetauscht. Am 11.11.2005 wurde im Rahmen einer Hauptuntersuchung gemäß 29 StVO ein Kilometerstand von 10.071 km festgehalten.

Am 26.09.2005 erlitt das Fahrzeug einen Unfallschaden hinten links, dessen Reparaturkosten sich auf 2.746,81 Euro beliefen. Der Schaden wurde repariert, die Reparaturrechnung datiert auf den 28.10.2005.

Die Klägerin erstattete am 14. November 2005 bei der Sicherheitszentrale der Ford-Werke und bei der Polizei Anzeige wegen Diebstahls.

Die Beklagte übersandte der Klägerin nach deren Verlustmeldung einen Fragebogen, den die Klägerin am 16.11.2005 ausgefüllt und unterzeichnet hat. In dem Fragebogen gab die Klägerin die Laufleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Entwendung mit ca. 45.000 km an. Tatsächlich belief sich die Laufleistung auf ca. 54.000 km. Ferner gab die Klägerin nicht an, dass das Fahrzeug am 26.09.2005 einen inzwischen reparierten Unfallschaden aufwies, sondern setzte bei den entsprechenden Fragen Ziffer 11 und 12 jeweils einen schräg verlaufenden Strich (Streichung) ein.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin folgende Unterlagen und Schlüssel dem der Beklagten zugesandten Fragebogen beifügte:

Anschaffungsrechnung vom 15.07.2003,

Darlehensvertrag vom 26.10.2004,

Garantierechnung vom 04.01.2005 über 408,68 Euro,

Garantierechnung vom 04.01.2005 über 1.687,86 Euro,

Garantierechnung vom 07.11.2005 über 350,39 Euro,

Garantierechnung vom 25.09.2005 über 1.488,66 Euro,

Hauptuntersuchungsbescheinigung vom 11.11.2005,

Kopie Fahrzeugbrief,

Übersicht- und Wartungsnachweisheft,

einen Kaufbeleg vom 24.09.2005 von Toys R US über 172,90 Euro (Kindersitz) sowie zwei Fahrzeugschlüssel.

Streitig ist zwischen den Parteien, ob die Klägerin auch mit der Schadensmeldung eine Rechnung eingereicht hat, aus der sich die Unfallreparatur ergibt, und ob die Klägerin sämtliche drei Schlüssel oder lediglich zwei Schlüssel (so Vortrag der Beklagten) eingereicht hat.

Wegen der Feststellungen wird im Übrigen auf das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 19.10.2006 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und seine Entscheidung damit begründet, dass der Klägerin Obliegenheitsverstöße vorzuwerfen seien, die zur Leistungsfreiheit der Beklagten führten. Es hätte der Klägerin oblegen, in dem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Schadensmeldeformular zutreffende Angaben zur Laufleistung des Fahrzeuges sowie zu seinen Vorschäden zu machen.

Dies sei hinsichtlich der Laufleistung nicht geschehen, da die Klägerin den Kilometerstand mit ca. 45.000 anstelle der tatsächlich gelaufenen mehr als 54.000 km angegeben habe.

Zum anderen habe die Klägerin Angaben zu den Vorschäden des Fahrzeugs unterlassen, die ebenso wie die Laufleistung geeignet seien, die Wertbemessung durch den Versicherer zu beeinflussen.

Es könne dahingestellt bleiben, ob der Vortrag der Klägerin, sie habe der Schadensmeldung Unterlagen beigefügt, aus denen sich die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeuges sowie die kurz vor der Entwendung durchgeführte Reparatur hätten entnehmen lassen, als verspätet anzusehen sei. Denn im Fall der Verwendung von Schadensmeldeformularen genüge der Versicherungsnehmer jedenfalls dann seiner Aufklärungspflicht nicht, wenn er dort unzutreffende Angaben mache, die lediglich durch ein Studium der Anlagen als falsch erkannt werden könnten.

Auch habe keine Nachfrageobliegenheit des Versicherers bestanden. Vielmehr sei es Aufgabe des Versicherungsnehmers alle relevanten Gesichtspunkte von sich aus anzugeben.

Die Klägerin habe auch die Vorsatzvermutung gemäß § 6 Abs. 3 VVG nicht entkräften können. Sie habe keine Tatsachen vorgetragen, die den Vorsatz entfallen lassen würden oder zu der Annahme berechtigten, der Klägerin sei im Hinblick auf ihre Lage ein nur leichter Fehler unterlaufen. Dies gelte sowohl für das Argument des Zahlendrehers wie auch für das Vorbringen der Klägerin, die richtigen Angaben hätten sich bereits aus den Anlagen entnehmen lassen.

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung weiterhin das Ziel einer Stattgabe der Klage in voller Höhe. Sie begründet ihr Rechtsmittel damit, die Klägerin habe aufgrund eines schlichten Zahlendrehers in dem Fragebogen ca. 45.000 km statt der tatsächlichen Laufleistung von 54.000 km angegeben. Soweit die Klägerin hinsichtlich der Frage nach Beschädigungen und Mängeln des Kfz während der Besitzzeit einen Strich eingetragen habe, sei zu berücksichtigen, dass die mitgelieferten Unterlagen eine Reparaturrechnung vom 26.09.2005 enthalten habe, aus der hervorgegangen sei, dass das Fahrzeug repariert worden war. Aus den eingereichten Rechnungen vom 07.11.2005 (Kilometerstand 54.058 km) und vom 11.11.2005 (Kilometerstand 10.071 km) sei ersichtlich gewesen, dass der Klägerin bei der Angabe der Laufleistung ein Fehler unterlaufen sei.

Richtig sei zwar, dass grundsätzlich der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Schadensfalles verpflichtet sei, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens diene. Fordere der Versicherer den Versicherungsnehmer aber zur Beantwortung konkreter Fragen und zur Übersendung entsprechender Belege auf, so habe er den Versicherungsnehmer bei erkennbaren Unklarheiten und Widersprüchen zur Richtigstellung aufzufordern. Der Versicherer sei in einem solchen Fall nur dann von seiner Leistungspflicht befreit, wenn der Versicherungsnehmer seine Angaben trotz konkreter Nachfrage nicht weiter präzisiere.

Vorliegend ergebe sich eine Nachfrageobliegenheit der Beklagten jedenfalls aus dem Umstand, dass die von der Klägerin eingereichten Unterlagen in Widerspruch zu den Angaben in dem Formular gestanden hätten. Die Schadensformulare des Versicherers dienten keineswegs in erster Linie der Arbeitserleichterung des Versicherers. Es gehöre vielmehr gerade zum ureigenen Aufgabenbereich des Versicherers, die eigene Leistungsverpflichtung selbständig festzustellen.

Der Fragebogen und die vom Versicherungsnehmer eingereichten Unterlagen müssten als ein zusammenhängendes Dokument betrachtet werden. Dies führe dazu, dass die Beklagte aufgrund der aus den Unterlagen hervorgehenden Widersprüchlichkeiten der Klägerin die Gelegenheit zur Richtigstellung der Angaben hätte geben müssen.

Die Klägerin habe nicht vorsätzlich gehandelt. Zwar habe der Versicherungsnehmer die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG zu entkräften. Bei einem bloßen Versehen entfalle aber ein schweres Verschulden. Dieses müsse ein Versicherer grundsätzlich hinnehmen. Das Vorliegen eines Versehens liege insbesondere dann nahe, wenn die Angaben des Versicherungsnehmers mit den gleichzeitig überreichten richtigen Unterlagen nicht übereinstimme. Die Klägerin habe lediglich die Zahlen 4 und 5 vertauscht. Gegen ein vorsätzliches Vorgehen der Klägerin spreche, dass aus dem von ihr ausgefüllten Formular und den der Schadensanzeige beigefügten Unterlagen gerade deutlich werde, dass die Klägerin versucht habe, der Beklagten ein möglichst genaues Bild über den Schadensfall und den Zustand des Wagens zu geben. Auch hinsichtlich der Vorschäden des Wagens liege, wenn überhaupt, nur eine widersprüchliche Angabe seitens der Klägerin vor. Zwar habe die Klägerin einen Strich in dem vorgesehenen Antwortfeld eingetragen, allerdings habe sie zusammen mit den ausgefüllten Formularen der Beklagten auch eine Rechnung über die Reparatur des Wagens vom 26.09.2005 eingereicht. Auch hier hätte es der Beklagten oblegen, durch eine Nachfrage auf eine korrekte Antwort hinzuwirken.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2007 erklärt, sie habe dem von ihr ausgefüllten Schadensmeldeformular sämtliche Unterlagen beigefügt, die sie in einem Ordner in Bezug auf das Fahrzeug gesammelt hatte. Sie selbst habe von der Rechnung vom 28.10.2005 keine Kopie mehr in ihren Unterlagen gehabt und habe sich daher für die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Potsdam am 28.09.2006 eine neue Ausfertigung bei der Reparaturwerkstatt besorgen müssen.

Die Klägerin beantragt,

1. das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 24.000,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2005 zu zahlen.

2. hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts Potsdam zurückzuverweisen. Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreitet weiterhin die Aktivlegitimation der Klägerin. Sie trägt vor, die Klägerin habe mit der Schadensmeldung lediglich Unterlagen eingereicht, aus denen sich die tatsächliche Kilometerlaufleistung habe folgern lassen. Nicht eingereicht worden sei jedoch eine Reparaturrechnung, aufgrund derer auf den Unfallschaden vom 26.09.2005 hätte geschlossen werden können. Soweit die Klägerin erstmals im Verhandlungstermin am 28.09.2006 angegeben habe, dass Unterlagen bezüglich der Reparatur des Unfallschadens mit der Schadensmeldung übersandt worden seien, sei dies zum Einen unerheblich, da die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, Angaben zum Vorschaden in der Schadensanzeige selbst zu tätigen. Zum anderen sei der Vortrag verspätet und darüber hinaus unrichtig.

Die Rechnung bezüglich der Reparatur des Unfallschadens datiere unstreitig vom 28.10.2005 und nicht vom 26.09.2005. Selbst in der Berufungsbegründung werde seitens der Klägerin nicht mehr behauptet, diese Rechnung vom 28.10.2005 sei eingereicht worden.

Die Klägerin hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 18.06.2007 ausgeführt, dass die Klägerin bereits erstinstanzlich vorgetragen habe, dass sie die Rechnung über die Reparatur des Vorschadens beigefügt habe. Wenn in der Berufungsbegründung von einer Rechnung vom 26.09.2005 die Rede sei, handele es sich erkennbar um einen Irrtum. Denn grundsätzlich sei von einem Fallenlassen bisherigen Vortrages nur bei eindeutigen Anhaltspunkten auszugehen. Für diese Annahme genüge es nicht, dass seitens der Klägerin auf den Schriftsatz vom 16.02.2007 kein weiterer Vortrag erfolgt sei.

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II.

Die – zulässige – Berufung ist unbegründet.

1. Die Klage ist indes nicht bereits wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin unbegründet. Die Klägerin hat zwar im Rahmen der Finanzierung des Fahrzeugserwerbs bei der … Kreditbank zur Sicherung der Darlehensansprüche ihre Ansprüche aus der Fahrzeugversicherung an das Kreditinstitut abgetreten. Die … Bank hat die Klägerin jedoch mit Schreiben vom 26.04.2006 ermächtigt, die Ansprüche wegen des Schadensereignisses vom 14.11.2005 gegen den Fahrzeugversicherer im eigenen Namen geltend zu machen und Zahlung an sich zu verlangen.

Die Klägerin ist hierdurch ermächtigt, die Ansprüche gegen die Versicherung, soweit die Darlehensforderung noch offen ist, im Wege der gewillkürten Prozesstandschaft geltend zu machen. Soweit der Wert des Fahrzeuges über der Darlehensforderung liegt, klagt die Klägerin aus eigenem Recht. Die gewillkürte Prozesstandschaft ist zulässig, da die Klägerin ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Durchsetzung der Forderung gegen die Versicherung hat; denn soweit die Versicherung leistet, wird die Klägerin von ihrer Darlehensverbindlichkeit gegenüber der … Bank befreit.

2. Die Klägerin hat zudem das äußere Bild eines Diebstahls im Sinne von § 12 Abs. 1 I b AKB hinreichend dargelegt.

3. Die Beklagte ist schließlich auch nicht bereits von der Leistungspflicht gegenüber der Klägerin wegen deren falschen Angaben zur Laufleistung befreit.

Die Klägerin hat zwar in der Schadensmeldung unstreitig falsche Angaben zur Laufleistung gemacht, da sie anstatt ca. 54.000 km lediglich ca. 45.000 km angegeben hat. Grundsätzlich führen falsche Angaben des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer gem. §§ 7 I Abs. 2 Satz 3, V Abs. 4 AKB, 6 Abs. 3 Satz 1 VVG zur Leistungsfreiheit des Versicherers.

a) Die Beklagte kann sich indes nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB hier deshalb nicht auf die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit berufen, weil sie ihrerseits die ihr obliegende Nachfragepflicht nicht erfüllt hat und damit der Klägerin nicht die Möglichkeit gewährt hat, die Falschangabe richtig zu stellen.

Ergeben sich aus einer formularmäßig gestalteten Schadensanzeige Widersprüche oder offenkundige Unrichtigkeiten in den Angaben des Versicherungsnehmers, so obliegt es dem Versicherer dieser unklaren Mitteilung durch Nachfragen nachzugehen (BGH, v. 06.11.1996, IV ZR 215/95, juris Rn. 10; OLG Hamm, v 18.02.2000, 20 U 68/99, juris Rn. .14; OLG Karlsruhe, v. 06.02.2003,12 U 204/02, juris Rn. 12; LG Aachen, v. 13.05.2005, O 644/04, juris Rn. 22;).

Hier hat sich zwar aus der Schadensmeldung selbst nicht ergeben, dass die Angaben zur Laufleistung widersprüchlich oder falsch waren. Unter Berücksichtigung der unstreitig von der Klägerin der Schadensmeldung beigefügten Unterlagen ergab sich für die Beklagte jedoch, dass die Angaben zur Laufleistung nicht zutreffend sein konnten. Denn der Beklagten lag die Rechnung vom 26.09.2005 vor, aus der sich ergibt, dass bei einem Kilometerstand von 44.475 km der Tachometer (sog. „Kombiinstrument“) ausgetauscht worden ist. Ferner war der Beklagten die Hauptuntersuchungsbescheinigung vom 11.11.2005 zugeleitet worden, aus der sich ein Kilometerstand auf dem neuen Kilometerzähler von 10.071 km ergab. Darüber hinaus ergab sich aus der Rechnung vom 07.11.2005 sogar eindeutig ein Kilometerstand von 54.058 km. Daraus ließ sich bereits entnehmen, dass am 14.11.2005 die Laufleistung deutlich über 45.000 km, sogar über 54.000 km gelegen haben muss.

b) Eine Pflicht zur Nachfrage seitens der Versicherung besteht auch dann, wenn die Unrichtigkeit sich nicht aus der Schadensmeldung selbst, sondern erst aus anderen Quellen ergibt. So besteht eine Nachfrageobliegenheit auch dann, wenn die Versicherung bereits aufgrund eigener Recherchen weiß, dass die in der Schadensmeldung gemachten Angaben zur Laufleistung nicht zutreffen können (OLG Hamm, v. 18.02.2000, a.a.O., Rn. 14) oder wenn der Versicherungsnehmer Unfallschäden in der Schadensanzeige verneint, gleichzeitig aber zum Nachweis des Fahrzeugwertes ein Gutachten einreicht, in dem die Unfallschäden festgehalten sind (OLG Karlsruhe, a.a.O., juris Rn. 11). Entsprechend ist eine Nachfrageobliegenheit zu bejahen, wenn sich aus den eingereichten Rechnungen ergibt, dass die angegebene Laufleistung nicht zutreffen kann.

Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die Position zurückziehen, sie müsse sich auf die Angaben in der Schadenanzeige verlassen können und sei nicht verpflichtet, die eingereichten Anlagen auf mögliche Widersprüche zu sichten.

Ein Versicherungsverhältnis steht nämlich in besonderem Maße unter dem Schutz des Grundsatzes von Treu und Glauben, der für den Versicherer gegebenenfalls auch Hinweis- und Fürsorgepflichten beinhalten kann. Da ein Irrtum oder Missverständnis des Versicherungsnehmers, von dessen Redlichkeit zunächst auszugehen ist, möglich ist, ist der Versicherer verpflichtet, auf gegenlautende Informationen hinzuweisen, um so den Versicherungsnehmer zu einer Überprüfung zu veranlassen. Dies gilt insbesondere bei Angaben zur Laufleistung, die oft auf fehlerhaften Schätzungen des Versicherungsnehmers beruhen. Es widerspricht Treu und Glauben, den Versicherungsnehmer sehenden Auges ohne Warnung mit seinem Begehren nach Versicherungsschutz scheitern zu lassen (vgl.OLG Hamm, a.a.O., Rn. 16).

Die Beklagte hat unstreitig den Versicherungsschutz zumindest auch wegen falscher Angaben zur Laufleistung versagt und dies damit begründet, aus den eingereichten Anlagen ergebe sich, dass eine zu geringe Kilometerleistung im Schadensformular angegeben worden sei. Daraus folgt, dass die Beklagte durchaus wahrgenommen hat, dass die Angaben im Schadensformular nicht stimmen können. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte die Klägerin zumindest nochmals um Überprüfung der Angabe bitten müssen. Da sie dies nicht getan hat, ist es der Beklagten verwehrt, sich auf ihre Leistungsfreiheit wegen der falschen Angabe zur Laufleistung zu berufen.

4. Die Beklagte ist jedoch wegen falscher Angaben der Klägerin zu Vorschäden am Fahrzeug von der Leistungspflicht befreit.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das streitgegenständliche Fahrzeug am 26.09.2005 einen Unfallschaden erlitten hat. Der Schaden wurde behoben. Die Reparaturkosten betrugen ausweislich der Reparaturrechnung vom 28.10.2005 2.746, 81 Euro. Ebenfalls unstreitig hat die Klägerin in der Schadensmeldung diesen reparierten Vorschaden nicht angegeben.

a) Zwischen den Parteien ist jedoch streitig, ob die Klägerin mit der Schadensmeldung auch die diesen reparierten Unfallschaden betreffende Rechnung eingereicht hat. Die Klägerin hat Beweis für die von ihr behauptete Beifügung der Reparaturrechnung durch Vernehmung der Zeugin Sch… angeboten. Bei der Zeugin handelt es sich um die bei der Beklagten angestellte Schadenssachbearbeiterin. Diesem Beweisangebot ist jedoch nicht nachzugehen. Die Klägerin hat nicht substantiiert vorgetragen, welche Rechnung, aus der sich der reparierte Vorschaden ergeben hätte, mit der Schadensmeldung eingereicht worden sei. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, da unstreitig die Klägerin der Schadensmeldung nicht nur eine Rechnung, sondern eine Vielzahl von Rechnungen beigefügt hat.

Die Klägerin hat hierzu erstinstanzlich in der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2006 vorgetragen, dass „alle Unterlagen bezüglich der Reparatur des Vorschadens“ der Schadensmeldung beigefügt gewesen seien. Mit dieser Erklärung hat die Klägerin nicht klargestellt, welche Art von Unterlagen sie in Bezug auf die Reparatur beigefügt haben will. Die Erklärung wurde auch nicht etwa durch Einreichung der gemeinten Unterlagen konkretisiert. Denn die Klägerin hat im Termin die Kopie der Rechnung nicht vorgelegt, obgleich sie, wie sie in der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2006 erklärt hat, sich noch kurz vor der Verhandlung vor dem Landgericht Potsdam eine Kopie der Rechnung bei der Werkstatt besorgt haben will.

In der Berufungsbegründung hat die Klägerin vorgetragen, sie habe der Schadensmeldung die Reparaturrechnung vom 26.09.2005 beigefügt. Bei der Reparaturrechnung vom 26.09.2005 handelt es sich um eine Rechnung über den Austausch des Kombigerätes, die unstreitig der Schadensmeldung anlag. Die Reparaturrechnung vom 28.10.2005 wurde auch mit der Berufungsbegründung nicht zu den Akten gereicht. Die Klägerin hat damit in der Berufungsbegründung nicht vorgetragen, die Rechnung vom 28.10.2006 der Schadensmeldung beigefügt zu haben.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass von einem Fallenlassen des bisherigen Vortrages nur bei eindeutigen Anhaltspunkten ausgegangen werden könne. Denn zum einen hat die Klägerin auch vor Einreichen der Rechtsmittelbegründung zu keinem Zeitpunkt konkret vorgetragen, dass sie die Rechnung vom 28.10.2005 bei der Beklagten eingereicht habe. Zum anderen waren für den Senat aufgrund des Inhalts der Berufungsbegründung eindeutige Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Klägerin in der zweiten Instanz nicht behaupten wollte, der Beklagten die Rechnung vom 28.10.2005 zugesandt zu haben.

Ein Irrtum oder Übertragungsfehler seitens des Klägervertreters war auszuschließen, da in der Berufungserwiderung ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass die angegebenen Rechnungsdaten nicht passen. Die Beklagte hat hier ausgeführt: „Gegen die Angaben der Klägerin spricht bereits, dass in der Berufungsbegründung selbst auch nicht mehr behauptet wird, dass mit der Schadensanzeige eine Rechnung zum Unfallschaden eingereicht wurde. Denn diese „Rechnung“ datiert unstreitig vom 28.10.2005 und nicht vom 26.09.2005″. Auf diesen Vortrag, der sich explizit mit den Angaben der Klägerin auseinandersetzt, hat der Klägervertreter nicht reagiert, so dass davon ausgegangen werden musste, dass nicht behauptet werden soll, dass die Rechnung vom 28.10.2005 eingereicht worden sei.

Die Klägerin hat auch in der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2006 nicht behauptet, die Rechnung vom 28.10.2005 der Schadensmeldung beigefügt zu haben. Denn die Klägerin führte hierzu lediglich aus, sämtliche Unterlagen zum Pkw, die sie in einem Ordner gesammelt hatte, herausgenommen und der Schadensmeldung beigefügt zu haben. Auf die Frage, wieso sie sich sicher sei, dass auch die Rechnung vom 28.10.2005 dabei gewesen sei, antwortete sie, dass sie hinterher diese Rechnung nicht mehr in ihren Unterlagen gehabt habe.

Diese Angaben allein lassen jedoch nicht drauf schließen, dass die Klägerin tatsächlich die betreffende Rechnung beigefügt hat. Denn die Klägerin hat die Rechnung nicht bewusst beigefügt, sondern aus der Tatsache, dass hinterher die Rechnung nicht mehr im Ordner gewesen sein soll, darauf geschlossen, dass dem so gewesen sei. Da jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen wurden, dass sich die Rechnung vom 28.10.2005 vorher bei den übrigen Unterlagen, die unstreitig eingereicht wurden, befunden hat, kann der Schlussfolgerung der Klägerin lediglich die Qualität einer Vermutung beigemessen werden. Unter diesen Umständen stellte die Vernehmung der Zeugin Sch… einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar.

b) Die Klägerin hat die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG nicht entkräftet. Denn sie hat nicht hinreichend dargelegt, dass sie durch ihre Angaben in dem Schadensmeldeformular und das Einreichen sämtlicher relevanten Unterlagen der Beklagten ein genaues Bild über den Zustand des Wagens vermitteln wollte. Hier lag zudem das Unfallereignis ca. 2 Monate vor der Schadensmeldung. Die Rechnung wurde ca. 2 Wochen vor dem Diebstahl erstellt. Unter diesen Umständen hätte ein ordentlicher Versicherungsnehmer den Unfall nicht vergessen und deshalb schon die eindeutige Frage zu Ziffer 11 und 12 in dem Schadensmeldeformular nicht einfach gestrichen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Einlassung der Klägerin im Termin am 06.06.2007, aufgrund eines kurz vor dem Schadensfall erlittenen Bandscheibenvorfalls sei sie mit der Situation überfordert gewesen. Auch wenn ihr eine besondere psychische Belastungssituation zuzubilligen wäre, erklärt dies noch nicht, wie die Klägerin ein derartig markantes Ereignis wie den wenige Wochen vorher erlittenen Verkehrsunfall vergessen haben kann.

c) Die falsche Angabe der Klägerin zu den reparierten Vorschäden war für die Bearbeitung des Schadensfalles auch relevant.

Nach der Relevanzrechtsprechung tritt Leistungsfreiheit bei vorsätzlichen folgenlosen Obliegenheitsverletzungen nur ein, wenn die Falschangabe generell geeignet ist, die Interessen des Versicherers ernsthaft zugefährden, den Versicherungsnehmer schweres Verschulden trifft und er außerdem ausdrücklich darüber belehrt worden ist, dass Leistungsfreiheit auch dann eintritt, wenn dem Versicherer aus der Falschangabe kein Nachteil entstanden ist (BGH VersR 1984, 228).

Die Klägerin hat den entsprechenden Warnhinweis auf der letzten Seite des Schadensmeldeformulars erhalten.

Schließlich sind falsche Angaben über vorangegangene Unfallschäden auch geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes nach § 13 Abs. 1 AKB stellen die Unfallfreiheit und das Vorhandensein auch von bereits beseitigten Unfallschäden wesentliche Bewertungsfaktoren dar, da auch nach ordnungsgemäßen Reparaturen eine Wertminderung einzutreten pflegt (vgl.OLG Köln, v. 09.03.1999, 9 U 130/98, juris Rn. 7). Dass hier ausnahmsweise keine Wertminderung aufgrund der Besonderheiten der Reparatur eingetreten sein kann (s. z.B OLG Hamm, v 18.02.2000, 20 U 68/99, juris Rn. .14. zum Austausch eines Stoßfängers) wurde von der Klägerin nicht vorgetragen.

5. Da die Beklagte sich wegen Falschangaben zu Unfallschäden gegenüber der Klägerin auf Leistungsfreiheit berufen kann, kann dahingestellt bleiben, ob der Klägerin auch vorzuwerfen ist, dass sie nicht sämtliche Schlüssel bei der Beklagten eingereicht hat.

6. Es kommt daher auch nicht mehr darauf an, ob die Klägerin den Schaden der Höhe nach nicht schlüssig dargelegt hat.

III.

Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 ZPO ist nicht geboten, da die Voraussetzungen des § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht vorliegen. Das Gericht hat die Hinweis- und Aufklärungspflicht nicht verletzt, vielmehr wurden, wie die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.06.2007 selbst einräumt, der Klägerin die erforderlichen Hinweise erteilt. Auch wurde der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Die Klägerin wurde im Termin angehört. Eine Frist zur ergänzenden schriftlichen Stellungnahme zu den richterlichen Hinweisen wurde nicht beantragt (§ 139 Abs. 5 ZPO). Anhaltspunkte für einen Fall des § 156 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO wurden nicht vorgetragen.

Eine Zurückverweisung der Sache an eine andere Kammer des Landgerichts Potsdam war nicht geboten, da die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.000,00 Euro festgesetzt.

 

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