Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Komplexe Haftungsfragen bei Verkehrsunfällen: Ein Fallbeispiel aufgedeckt
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Sorgfaltspflichten haben Autofahrer gegenüber älteren Fußgängern im Straßenverkehr?
- Wie wirkt sich die Deliktsunfähigkeit eines Unfallopfers auf die Haftung des Autofahrers aus?
- Welche Rolle spielt die Gefährdungshaftung bei Unfällen mit Fußgängern?
- Welche Kostenübernahmepflichten bestehen bei Behandlungskosten nach einem Verkehrsunfall?
- Was bedeutet die Unabwendbarkeit eines Ereignisses im Verkehrsrecht?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Schweinfurt
- Datum: 11.10.2021
- Aktenzeichen: 23 O 1051/20
- Verfahrensart: Zivilverfahren um Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall
- Rechtsbereiche: Straßenverkehrsrecht, Schadensersatzrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Die Krankenversichererin der verstorbenen Versicherungsnehmerin. Sie fordert Schadensersatz für die Behandlungskosten nach einem Verkehrsunfall, bei dem die Versicherungsnehmerin verletzt wurde.
- Beklagte: Die Fahrerin des Fahrzeugs und die Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs. Sie argumentieren, dass die Versicherungsnehmerin den Unfall durch ihr Verhalten mitverursacht habe.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Versicherungsnehmerin der Klägerin, eine 84-jährige, schwer demente Frau, wurde beim Überqueren einer Straße von einem Renault Twingo erfasst und schwer verletzt. Die Klägerin verlangt Erstattung der Kosten, die bei der Unfallbehandlung entstanden sind.
- Kern des Rechtsstreits: Ob die Beklagten für den Unfall haften müssen und ob der Versicherungsnehmerin ein Mitverschulden angelastet werden kann.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Beklagten sind gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 29.032,42 Euro nebst Zinsen an die Klägerin verpflichtet. Die Beklagten haben außerdem die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Begründung: Die Beklagten haften verschuldensunabhängig aufgrund der Gefährdungshaftung im Straßenverkehr. Wegen der Demenzerkrankung der Versicherungsnehmerin kann ihr kein Mitverschulden angelastet werden. Außerdem trägt das Krankenhausabrechnungsrisiko der Schadenverursacher.
- Folgen: Die Beklagten müssen den geforderten Schadensersatz samt Zinsen zahlen. Sie können keine Abzüge wegen eines etwaigen Mitverschuldens der Versicherungsnehmerin geltend machen, da diese deliktsunfähig war. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Komplexe Haftungsfragen bei Verkehrsunfällen: Ein Fallbeispiel aufgedeckt
Bei Verkehrsunfällen stehen oft komplexe Haftungsfragen im Raum, insbesondere wenn es um die Kfz-Halterhaftung geht. Diese rechtlichen Aspekte betreffen sowohl die Fahrer als auch die Halter eines Fahrzeugs, wenn es zu einem Unfall kommt. In Fällen, in denen Fußgänger, insbesondere solche mit Demenz, in einen Verkehrsunfall verwickelt sind, stellt sich die Frage der Verantwortung neu. Unfallrechtliche Regelungen müssen daher nicht nur im Hinblick auf die Fahrerhaftung, sondern auch auf die spezifischen Umstände des Unfalles und die Verletzlichkeit der Fußgänger betrachtet werden.
Die Klärung von Schadensersatzansprüchen und die Evaluierung des Haftungsanteils spielen eine zentrale Rolle. Die damit verbundenen, verkehrsrechtlichen Aspekte erfordern oftmals eine differenzierte Analyse, um die rechtliche Verantwortung im Kontext der Verkehrssicherheit zu bestimmen. Im Folgenden wird ein konkreter Fall beleuchtet, der diese Fragestellungen anschaulich verdeutlichen wird.
Der Fall vor Gericht
Unfallhaftung trotz Demenz: Gericht spricht Krankenkasse vollen Schadensersatz zu

Das Landgericht Schweinfurt hat einen bedeutsamen Fall zur Haftung bei Verkehrsunfällen mit dementen Fußgängern entschieden. Eine 84-jährige demente Frau wurde beim Überqueren der S1-Straße in G. von einem Renault Twingo erfasst und schwer verletzt. Die gesetzliche Krankenversicherung der Geschädigten forderte daraufhin Schadensersatz von der Fahrerin und deren Haftpflichtversicherung.
Unfallhergang und Verletzungsfolgen
Der Unfall ereignete sich am 5. Oktober 2017 gegen 17:35 Uhr im Bereich einer Straßeneinmündung. Die Renault-Fahrerin erfasste die Fußgängerin, als diese die Fahrbahn überquerte. Die 84-Jährige erlitt durch den Zusammenstoß ein Polytrauma mit Frakturen des rechten Beckenrings, der linken Schädelkalotte sowie beidseitigen Rippenserienfrakturen. Nach stationärer Behandlung wurde sie palliativ in ein Pflegeheim verlegt, wo sie im November 2017 verstarb.
Streit um Haftungsumfang
Die Krankenversicherung machte Behandlungskosten in Höhe von rund 29.330 Euro geltend. Die Versicherung zahlte zunächst nur die Hälfte der Kosten mit der Begründung, die Fußgängerin habe den Unfall zu mindestens 50 Prozent selbst verschuldet. Sie sei auf die Fahrbahn getreten, ohne auf den bevorrechtigten Pkw zu achten, obwohl sich etwa 30 Meter entfernt ein Fußgängerüberweg befunden habe.
Sachverständigengutachten belegt Vermeidbarkeit
Ein unfallanalytisches Gutachten ergab, dass der Zusammenstoß bei einer Geschwindigkeit von mindestens 26 km/h erfolgte. Nach Einschätzung der Sachverständigen hätte die Fahrerin den Unfall durch eine geringere Annäherungsgeschwindigkeit oder eine abwartend vorsichtige Fahrweise verhindern können. Die Gutachterin führte aus, der Unfall sei entweder auf überhöhte Geschwindigkeit, verzögerte Reaktion oder unzureichende Bremsung zurückzuführen.
Vollumfängliche Haftung der Beklagten
Das Gericht entschied, dass die Fahrerin und ihre Versicherung den vollen Schadensersatz leisten müssen. Ein Mitverschulden der dementen Fußgängerin lehnte das Gericht aufgrund ihrer krankheitsbedingten Deliktsunfähigkeit ab. Das Straßenverkehrsgesetz sehe bei Unfällen mit Fußgängern keine Haftungsbefreiung wegen eines unabwendbaren Ereignisses vor. Zudem müssten Autofahrer gemäß § 3 StVO gegenüber älteren Menschen besondere Vorsicht walten lassen – unabhängig davon, ob diese erkennbar hilfsbedürftig sind.
Die Beklagten wurden zur Zahlung von rund 29.032 Euro nebst Zinsen verurteilt. Auch die strittigen Krankenhausabrechnungen müssen sie in voller Höhe übernehmen, da etwaige Abrechnungsfehler in ihre Risikosphäre fallen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stellt klar, dass bei Unfällen mit Fußgängern der Fahrzeughalter sich nicht auf ein Unabwendbares Ereignis berufen kann. Besonders wichtig ist die Feststellung, dass dementen Personen kein Mitverschulden angelastet werden kann, wenn sie aufgrund ihrer Erkrankung deliktsunfähig sind. Zudem müssen Geschädigte nicht für überhöhte oder falsche Krankenhausabrechnungen haften – dieses Risiko trägt der Unfallverursacher.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie als Autofahrer einen Unfall mit einem Fußgänger haben, müssen Sie grundsätzlich für die entstehenden Kosten aufkommen – auch wenn der Fußgänger sich möglicherweise falsch verhalten hat. Dies gilt besonders bei Unfällen mit älteren oder kranken Menschen, denen kein Mitverschulden zugerechnet werden kann, wenn sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Verfassung nicht in der Lage sind, die Verkehrssituation richtig einzuschätzen. Als Geschädigter müssen Sie sich keine Sorgen machen, falls das Krankenhaus zu hohe Kosten abrechnet – diese Last trägt der Unfallverursacher bzw. dessen Versicherung.
Unfall mit Fußgänger? Wir helfen Ihnen.
Gerade Unfälle mit Fußgängern werfen oft komplexe Fragen auf, insbesondere wenn gesundheitliche Einschränkungen eine Rolle spielen. Die Haftungsfragen sind nicht immer eindeutig, und die Durchsetzung Ihrer Rechte kann sich als schwierig erweisen. Sichern Sie sich im Zweifelsfall professionelle Unterstützung, um Ihre Ansprüche optimal geltend zu machen und unnötige finanzielle Belastungen zu vermeiden. Wir stehen Ihnen mit unserer Expertise zur Seite und helfen Ihnen, Klarheit in Ihrer individuellen Situation zu gewinnen.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Sorgfaltspflichten haben Autofahrer gegenüber älteren Fußgängern im Straßenverkehr?
Autofahrer haben gegenüber älteren Fußgängern im Straßenverkehr besondere Sorgfaltspflichten zu beachten. Diese ergeben sich aus § 3 Abs. 2a der Straßenverkehrsordnung (StVO), der seit 1980 in Kraft ist.
Erhöhte Sorgfaltspflicht
Als Autofahrer müssen Sie gegenüber älteren Menschen eine erhöhte Pflicht zur Rücksichtnahme walten lassen. Dies bedeutet konkret, dass Sie jede Gefährdung ausschließen müssen. In der Praxis heißt das für Sie:
- Vermindern Sie Ihre Fahrgeschwindigkeit
- Seien Sie bremsbereit
- Beobachten Sie den gesamten Verkehrsraum aufmerksam
Beachten Sie, dass der sonst gültige Vertrauensgrundsatz bei älteren Fußgängern nur eingeschränkt gilt.
Erkennen von älteren Fußgängern
Als Autofahrer müssen Sie ältere Menschen anhand äußerlich erkennbarer Merkmale als zur geschützten Personengruppe zugehörig erkennen können. Eine fixe Altersgrenze gibt es hierbei nicht. Wenn Sie einen Fußgänger mit Gehhilfen oder anderen Anzeichen für ein höheres Alter sehen, sollten Sie besonders vorsichtig sein.
Besondere Verkehrssituationen
In bestimmten Verkehrssituationen müssen Sie als Autofahrer besonders aufmerksam sein:
- Beim Überqueren einer größeren mehrspurigen Straße durch ältere Menschen
- In komplexen Verkehrslagen, die ältere Menschen möglicherweise überfordern könnten
In solchen Fällen wird von Ihnen das Äußerste an Sorgfalt verlangt, um eine Gefährdung auszuschließen.
Praktische Verhaltensregeln
Um Ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen, sollten Sie als Autofahrer:
- Augenkontakt zur Verständigung aufnehmen
- Keine Gehwege zuparken
- Ausreichend Sicherheitsabstand zu Fußgängern halten
- Bremsbereit sein, da ältere Menschen oft langsamer sind
Bedenken Sie, dass ältere Menschen häufig Schwierigkeiten haben, Abstände und Geschwindigkeiten richtig einzuschätzen. Zudem lassen Hör- und Sehvermögen oft nach.
Rechtliche Konsequenzen
Bei Nichtbeachtung dieser erhöhten Sorgfaltspflichten können Sie als Autofahrer im Falle eines Unfalls mit einem älteren Fußgänger haftbar gemacht werden. Selbst wenn der ältere Fußgänger die Straße nicht an einer dafür vorgesehenen Stelle überquert, kann es zu einer Haftungsverteilung kommen.
Wenn Sie diese Sorgfaltspflichten beachten, tragen Sie wesentlich zur Sicherheit älterer Menschen im Straßenverkehr bei und minimieren gleichzeitig Ihr eigenes Haftungsrisiko.
Wie wirkt sich die Deliktsunfähigkeit eines Unfallopfers auf die Haftung des Autofahrers aus?
Die Deliktsunfähigkeit eines Unfallopfers hat keinen mindernden Einfluss auf die Haftung des Autofahrers. Der Fahrzeughalter haftet aufgrund der Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeugs nach § 7 StVG grundsätzlich verschuldensunabhängig.
Grundsatz der Halterhaftung
Bei einem Unfall mit einem deliktsunfähigen Fußgänger greift die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters. Diese Haftung besteht allein aufgrund der Tatsache, dass durch das Halten eines Kraftfahrzeugs eine Gefahrenquelle geschaffen wird.
Besonderheiten bei deliktsunfähigen Unfallopfern
Einem deliktsunfähigen Unfallopfer kann kein Mitverschulden angelastet werden. Dies gilt insbesondere für:
- Kinder unter 7 Jahren
- Menschen mit schwerer Demenz
- Personen in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit
Wegfall der Haftung nur in Ausnahmefällen
Ein vollständiger Wegfall der Halterhaftung kommt nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht. Dafür müsste der Unfall auch für einen „Idealfahrer“ bei überobligatorisch vorsichtiger Fahrweise unabwendbar gewesen sein. Selbst bei einem grob verkehrswidrigen Verhalten des deliktsunfähigen Fußgängers bleibt die Halterhaftung in der Regel bestehen.
Welche Rolle spielt die Gefährdungshaftung bei Unfällen mit Fußgängern?
Die Gefährdungshaftung nach § 7 StVG verpflichtet Sie als Fahrzeughalter zur Haftung bei Unfällen mit Fußgängern, auch wenn Sie kein Verschulden trifft. Diese Haftung entsteht allein durch das Betreiben eines Kraftfahrzeugs als potenzielle Gefahrenquelle im öffentlichen Straßenverkehr.
Grundprinzip der Gefährdungshaftung
Bei einem Unfall zwischen Kraftfahrzeug und Fußgänger besteht ein ungleiches Kräfteverhältnis mit sehr unterschiedlichem Gefahrenpotenzial. Als Fahrzeughalter haften Sie daher für Personen- und Sachschäden, die durch den Betrieb Ihres Fahrzeugs entstehen – selbst wenn das Fahrzeug nur im öffentlichen Raum parkt.
Grenzen der Haftung
Eine vollständige Befreiung von der Haftung ist nur in absoluten Ausnahmefällen möglich. Dies wäre der Fall, wenn:
- Der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wurde
- Selbst ein „Idealfahrer“ den Unfall bei überobligatorisch vorsichtiger Fahrweise nicht hätte verhindern können
Haftungsverteilung bei Mitverschulden
Wenn ein Fußgänger den Unfall mitverschuldet, etwa durch plötzliches Betreten der Fahrbahn, kann es zu einer Haftungsverteilung kommen. Die Betriebsgefahr Ihres Fahrzeugs führt jedoch dazu, dass Sie als Halter in der Regel mindestens einen Teil des Schadens tragen müssen. Selbst bei erheblichem Verschulden des Fußgängers, beispielsweise beim Überqueren einer roten Ampel, bleibt meist eine Mithaftung von 20-40% bestehen.
Welche Kostenübernahmepflichten bestehen bei Behandlungskosten nach einem Verkehrsunfall?
Bei einem Verkehrsunfall mit Personenschaden stellt sich für die Beteiligten oft die Frage nach der Kostenübernahme für die medizinische Behandlung. Grundsätzlich muss der Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung für alle notwendigen Heilbehandlungskosten des Geschädigten aufkommen. Dies umfasst Kosten für ärztliche Behandlungen, Physiotherapie, Medikamente, Hilfsmittel und gegebenenfalls auch stationäre Aufenthalte.
Rolle der Krankenversicherung
In der Praxis übernimmt zunächst die Krankenversicherung des Geschädigten die anfallenden Behandlungskosten. Wenn Sie als Unfallopfer gesetzlich krankenversichert sind, werden Ihre Behandlungskosten also vorerst von Ihrer Krankenkasse getragen. Die Krankenkasse hat dann einen gesetzlichen Regressanspruch gegen den Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung. Das bedeutet, sie kann die von ihr übernommenen Kosten vom Schädiger zurückfordern.
Zusätzliche Kosten für den Geschädigten
Trotz der Kostenübernahme durch die Krankenversicherung können für Sie als Geschädigten weitere Kosten entstehen:
- Zuzahlungen für Medikamente oder stationäre Aufenthalte
- Fahrkosten zu Arztbesuchen oder Therapien
- Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente
Diese Zusatzkosten können Sie in der Regel direkt beim Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung geltend machen.
Besonderheiten bei Privatversicherten
Wenn Sie privat krankenversichert sind, müssen Sie die Behandlungskosten zunächst selbst begleichen und können diese dann vom Unfallverursacher zurückfordern. In diesem Fall ist es besonders wichtig, dass Sie alle Rechnungen und Belege sorgfältig aufbewahren.
Arbeitsunfälle und Wegeunfälle
Bei Unfällen, die sich auf dem Weg zur Arbeit oder während der Arbeitszeit ereignen, kommt die gesetzliche Unfallversicherung für die Behandlungskosten auf. Auch in diesem Fall geht der Anspruch auf Kostenerstattung anschließend auf den Versicherungsträger über.
Wichtig zu beachten ist, dass die Kostenübernahme durch die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers nur dann erfolgt, wenn dieser auch tatsächlich die Schuld oder zumindest eine Teilschuld am Unfall trägt. Bei geteilter Schuld werden die Kosten entsprechend dem Verschuldensanteil aufgeteilt.
Wenn Sie in einen Verkehrsunfall verwickelt wurden und Personenschäden erlitten haben, sollten Sie alle medizinischen Behandlungen und damit verbundenen Kosten sorgfältig dokumentieren. Dies erleichtert die spätere Geltendmachung Ihrer Ansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers.
Was bedeutet die Unabwendbarkeit eines Ereignisses im Verkehrsrecht?
Ein unabwendbares Ereignis im Verkehrsrecht liegt vor, wenn ein Unfall selbst durch äußerste mögliche Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen wäre. Dies bedeutet jedoch nicht die absolute Unvermeidbarkeit eines Unfalls, sondern ein schadenstiftendes Ereignis, das auch bei Einhaltung aller Verkehrsvorschriften nicht verhindert werden konnte.
Voraussetzungen der Unabwendbarkeit
Die Unabwendbarkeit setzt voraus, dass sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt beachtet haben. Als Maßstab gilt dabei das Verhalten eines „Idealfahrers“, der sich durch umsichtige, vorausschauende und reaktionsschnelle Fahrweise auszeichnet.
Praktische Beispiele
Typische Fälle eines unabwendbaren Ereignisses sind:
- Eine auf der Straße liegende Piccoloflasche wird vom Bus aufgewirbelt und beschädigt ein anderes Fahrzeug
- Ein vom vorausfahrenden Fahrzeug hochgeschleuderter Stein trifft die Frontscheibe des nachfolgenden Autos
- Ein völlig unvorhersehbares Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer, dem auch ein Idealfahrer nicht mehr ausweichen könnte
Rechtliche Bedeutung
Die Unabwendbarkeit eines Ereignisses hat erhebliche rechtliche Konsequenzen: Sie schließt die Ersatzpflicht nach § 17 Abs. 3 StVG aus. Dabei trägt derjenige die Beweislast, der sich auf die Unabwendbarkeit beruft. Für die Haftung gegenüber Dritten wurde der Begriff des unabwendbaren Ereignisses in § 7 StVG durch den engeren Begriff der „höheren Gewalt“ ersetzt.
Ein unabwendbares Ereignis liegt nicht vor, wenn der Unfall durch einen Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs oder ein Versagen seiner Vorrichtungen verursacht wurde. Auch eine zunächst vermeidbare Gefahrenlage wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nunmehr ideal verhält.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Deliktsunfähigkeit
Die Deliktsunfähigkeit bezeichnet einen Zustand, in dem eine Person aufgrund geistiger Einschränkungen rechtlich nicht für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden kann. Nach § 827 BGB sind Personen, die sich in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, für einen von ihnen verursachten Schaden nicht verantwortlich. Bei einer Demenzerkrankung im fortgeschrittenen Stadium kann eine solche Deliktsunfähigkeit vorliegen. Dies bedeutet, dass diese Personen nicht für Schäden haften müssen, die sie verursachen.
Kfz-Halterhaftung
Die Kfz-Halterhaftung ist eine gesetzliche Gefährdungshaftung nach § 7 StVG, die unabhängig von einem Verschulden besteht. Der Halter eines Kraftfahrzeugs – also derjenige, der das Auto auf eigene Rechnung nutzt und die Verfügungsgewalt darüber hat – muss für Schäden aufkommen, die durch den Betrieb des Fahrzeugs entstehen. Diese Haftung besteht auch dann, wenn den Fahrer kein Verschulden trifft. Ein typisches Beispiel ist ein Unfall aufgrund von Glatteis trotz angepasster Fahrweise.
Mitverschulden
Das Mitverschulden beschreibt nach § 254 BGB die Beteiligung des Geschädigten an der Entstehung seines eigenen Schadens. Wenn beispielsweise ein Fußgänger unachtsam die Straße überquert und dabei von einem Auto erfasst wird, kann sein Verhalten zu einer Minderung des Schadensersatzanspruchs führen. Die Schadensersatzpflicht wird dann entsprechend dem Grad des Mitverschuldens zwischen Schädiger und Geschädigtem aufgeteilt.
Schadensersatzanspruch
Der Schadensersatzanspruch ist das gesetzliche Recht, einen erlittenen Schaden vom Verursacher ersetzt zu bekommen. Die rechtliche Grundlage findet sich in §§ 249 ff. BGB. Der Anspruch kann materielle Schäden (z.B. Behandlungskosten, Verdienstausfall) und immaterielle Schäden (Schmerzensgeld) umfassen. Voraussetzung ist grundsätzlich ein schuldhaftes Handeln des Schädigers, bei der Gefährdungshaftung im Straßenverkehr genügt jedoch die Verursachung.
Unabwendbares Ereignis
Ein unabwendbares Ereignis im Straßenverkehrsrecht liegt vor, wenn der Fahrzeugführer auch bei höchstmöglicher Sorgfalt und Aufmerksamkeit den Unfall nicht hätte vermeiden können (§ 17 Abs. 3 StVG). Es muss nachgewiesen werden, dass selbst ein „Idealfahrer“ den Unfall nicht hätte verhindern können. Beispiel: Ein Kind läuft plötzlich hinter einem geparkten Fahrzeug hervor, sodass auch bei vorschriftsmäßiger Geschwindigkeit nicht mehr rechtzeitig gebremst werden kann.
Verkehrssicherheit
Die Verkehrssicherheit umfasst alle Maßnahmen und Verhaltensweisen, die dazu dienen, Unfälle im Straßenverkehr zu vermeiden. Nach § 1 StVO erfordert die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme. Dies bedeutet eine erhöhte Sorgfaltspflicht gegenüber schwächeren Verkehrsteilnehmern wie Fußgängern, besonders wenn diese erkennbar älter oder in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz):
Nach § 7 Abs. 1 StVG haftet der Halter eines Kraftfahrzeugs für Schäden, die beim Betrieb des Fahrzeugs entstehen, unabhängig von einem Verschulden. Diese sogenannte Gefährdungshaftung beruht auf der besonderen Gefährlichkeit, die von einem Kraftfahrzeug im Straßenverkehr ausgeht. Ein Ausschluss der Haftung ist nur unter engen Voraussetzungen möglich, etwa wenn höhere Gewalt vorliegt.
Im vorliegenden Fall ist die Haftung der Fahrzeughalterin und ihrer Versicherung aus der Gefährdungshaftung eindeutig gegeben, da der Unfall durch den Betrieb des Fahrzeugs verursacht wurde und ein Haftungsausschluss wegen „unabwendbarer Ereignisse“ rechtlich ausgeschlossen ist. - § 17 Abs. 3 StVG (Straßenverkehrsgesetz):
§ 17 Abs. 3 StVG regelt, dass ein Haftungsausschluss für unabwendbare Ereignisse nur bei Unfällen zwischen Kraftfahrzeugen gilt. Für Unfälle mit Fußgängern wurde diese Regelung 2002 abgeschafft. Somit bleibt bei einem Unfall mit einem Fußgänger die Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters bestehen, auch wenn der Unfall für den Fahrer unvermeidbar war.
Im konkreten Fall wurde ein Haftungsausschluss der Beklagten aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses ausgeschlossen, da der Gesetzgeber diese Möglichkeit für Fußgängerunfälle ausdrücklich nicht mehr vorsieht. - § 116 SGB X (Sozialgesetzbuch Zehntes Buch):
§ 116 SGB X regelt den Forderungsübergang bei Sozialleistungen. Erstattet eine Sozialversicherung, wie hier die Krankenversicherung, Kosten für die Behandlung eines Versicherten, gehen die Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen den Unfallverursacher auf die Sozialversicherung über.
Im Fall hat die Klägerin als Krankenversicherung die Behandlungskosten der geschädigten Versicherten getragen und ist somit berechtigt, diese Ansprüche im eigenen Namen gegen die Beklagten geltend zu machen. - § 249 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch):
§ 249 BGB bestimmt, dass der Schadensersatz den Zustand wiederherstellen muss, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Bei Personenschäden umfasst dies insbesondere die Kosten für Heilbehandlungen, Transport und ärztliche Versorgung.
Die Klägerin hat die Kosten für die Krankenhausbehandlung der geschädigten Versicherten übernommen. Nach § 249 BGB hat sie Anspruch auf vollständige Erstattung dieser Aufwendungen durch die Beklagten. - § 828 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch):
§ 828 Abs. 2 BGB stellt klar, dass Personen mit bestimmten geistigen oder psychischen Einschränkungen deliktsunfähig sein können. In diesem Fall haftet die geschädigte Person nicht für mitverschuldende Handlungen.
Die geschädigte Fußgängerin war aufgrund ihrer fortgeschrittenen Demenz deliktsunfähig. Somit konnte ihr kein Mitverschulden angelastet werden, und die Beklagten haften vollständig für den entstandenen Schaden.
Das vorliegende Urteil
LG Schweinfurt – Az.: 23 O 1051/20 – Endurteil vom 11.10.2021
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz