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Kfz-Haftpflichtversicherung und Benzinklausel

Landgericht Köln

Az: 24 S 42/06

Urteil vom 29.03.2007


Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 11.05.2006 (Az. 264 C 510/05) wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten sowohl eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung für seinen PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XXX als auch eine Privathaftpflichtversicherung, in deren Bedingungen die sog. „Kleine Benzinklausel“ enthalten war. Die Parteien streiten darüber, ob für einen Schaden, den der Kläger am 9.10.03 auf der H Straße an dem Motorroller der Zeugin Q verursacht hat, die Privathaftpflicht- oder die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung eintrittspflichtig ist.

Nach dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers habe er sein Auto rückwärts in eine Parklücke gesetzt. Er habe den Motor abgestellt, den Wagen verlassen und diesen abgeschlossen. Sodann habe er bemerkt, dass sein PKW zu nah an dem Motorroller gestanden habe. Er habe befürchtet, dass ein Passant sich zwischen Roller und PKW hindurch zwängen könnte oder aber, dass der Fahrer des Rollers beim Versuch aufzusteigen, gegen den PKW stoßen könnte. Deshalb habe er den Roller etwas versetzen wollen, um den Abstand zu vergrößern. Dabei sei das Fahrzeug umgefallen und beschädigt worden. Da der Vorgang nichts mit dem Gebrauch eines Kfz zu tun habe, sei die Privathaftpflichtversicherung eintrittspflichtig, meint der Kläger, und seine Rückstufung im Schadensfreiheitsrabatt daher zu Unrecht erfolgt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, der Kläger habe den Roller der Zeugin Q versetzt, bevor er den Parkvorgang abgeschlossen hatte, um ein ungehindertes Einparken erst zu ermöglichen. Daher handele es sich um einen Schaden, der beim Gebrauch des Kfz entstanden sei.

Das Amtsgericht hat nach Vernehmung der Zeugen Q, U und P1 die Klage durch Urteil vom 11.05.2006 abgewiesen. Zwar stehe nach der Beweisaufnahme nicht eindeutig fest, ob der Kläger den Roller vor Beendigung des Parkvorgangs umgesetzt habe oder ob dies erst nach dem Abstellen und Abschließen des Fahrzeugs erfolgt sei. Dies könne jedoch auch dahinstehen, da in beiden Fällen der Schaden letztlich das Ergebnis des Einparkvorgangs sei und deshalb dem Gebrauch / Betrieb des PKW zugeordnet werden könne. Die Regulierung im Rahmen des Kfz-Haftpflichtvertrages sei daher nicht zu beanstanden.

Auf die weiteren Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Mit seiner Berufung macht der Kläger die Verletzung materiellen Rechts geltend. Zu Unrecht habe das Amtsgericht angenommen, der Schaden sei auch dann noch „beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entstanden, wenn dieses bereits geparkt, ausgeschaltet und abgeschlossen gewesen sei. Denn in diesem Fall werde der Schaden nicht mehr durch das Kfz verursacht, sondern durch den Fahrer in seiner Eigenschaft als Fußgänger. Ein Zusammenhang zum Gebrauch des PKW liege nicht mehr vor. Hierzu trägt der Kläger nunmehr vor, sich schon auf dem Weg zu einem nahe gelegenen Internet-Cafe befunden zu haben, als er bemerkt habe, dass der Roller zu nahe am Auto gestanden habe.

Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass es sich bei dem Vorfall am 9.10.03, bei dem der Kraftroller der Frau Q beschädigt worden ist, um einen Haftpflichtschaden handelt und nicht um einen Versicherungsfall im Rahmen der Krafthaftpflichtversicherung.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt dazu vor, dass das Wegschieben des Motorrollers – egal ob es vor oder nach Beendigung des Einparkvorgangs erfolgt ist – dazu diente, mit dem eigenen Kfz einen gesicherten Parkplatz zu haben. Überdies ist die Beklagte der Ansicht, dass die Berufung bereits unzulässig sei, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteige.

II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Die Zulässigkeit der Berufung scheitert nicht an § 511 II Nr. 1 ZPO. Denn entgegen der Ansicht der Beklagten ist bei der Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nicht nur der Mehraufwand zu berücksichtigen, der bis zur Vertragsbeendigung mit der Beklagten angefallen ist. Vielmehr muss auch beachtet werden, dass die erreichte Schadensfreiheitsklasse beim Wechsel zu einem anderen Versicherer auf diesen neuen Vertrag übertragen werden, also zum neuen Versicherer „mitgenommen“ werden kann. Auf diese Weise summiert sich der „Verlust“, den der Kläger durch die Rückstufung in der Schadensfreiheitsklasse erlitten hat, auch nach Beendigung des Vertrages mit der Beklagten weiter auf.

Maßgeblich ist insoweit die Differenz zwischen dem Beitrag, den der Kläger bei der neuen Versicherung tatsächlich gezahlt hat und dem Betrag, den der Kläger hätte zahlen müssen, wenn die Rückstufung nicht erfolgt wäre. Hierzu hat der Kläger unbestritten vorgetragen, dass ein Betrag von 600 € überstiegen wird.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch auf die begehrte Feststellung steht dem Kläger nicht zu. Entgegen der Ansicht der Berufung ist der Schaden an dem Motorroller der Zeugin Q „durch den Gebrauch“ des versicherten Kraftfahrzeugs im Sinne des § 10 Abs. 1 AKB entstanden.

Der Begriff des Gebrauchs hat in der Kfz-Haftpflichtversicherung und der Privathaftpflichtversicherung eine identische Bedeutung, um einerseits eine Doppelversicherung zu vermeiden und andererseits möglichst lückenlosen Deckungsschutz zu gewährleisten (Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 17. Auflage, § 10 Rn. 78). Bei der danach vorzunehmenden Abgrenzung kommt es darauf an, ob der Schaden beim fahrzeugtypischen Gebrauch entstanden ist oder nicht. Durch den Gebrauch des versicherten Fahrzeugs ist der Schaden eingetreten, wenn er mit dem versicherten Wagnis in engem Ursachenzusammenhang steht. Das versicherte Fahrzeug muss an der Entstehung des Schadens schon oder noch beteiligt, d.h. aktuell, unmittelbar, zeit- und ortsnah dazu eingesetzt gewesen sein. (BGH VersR 1977, 418; VersR 1980, 1039; VersR 1995, 90). Es muss ein adäquater Ursachenzusammenhang zwischen Schadenseintritt und Gebrauch des Fahrzeugs bestehen (Feyock/Jacobsen, Kraftfahrtversicherung, 2. Auflage, § 10 AKB Rn. 5).

Ein solcher adäquater Ursachenzusammenhang zum Gebrauch des PKW ist vorliegend gegeben. Dies gilt unabhängig davon, ob man dem Vortrag des Klägers folgt und davon ausgeht, dass der Roller erst nach Beendigung des Einparkvorgangs und Verschließen des Wagens umgesetzt worden ist, nachdem sich der Kläger schon vom Auto ein wenig entfernt hatte, oder ob man entsprechend dem Beklagtenvortrag – annimmt, dass das Versetzen schon vor Beendigung des Einparkens vorgenommen worden ist. Das Amtsgericht konnte die Frage, welcher Vortrag zutreffend ist, daher berechtigterweise offen lassen. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass der Schaden jedenfalls dann durch den Gebrauch des Kfz verursacht worden ist, wenn der Kläger den Roller vor Beendigung des Einparkvorgangs weggesetzt hat, um die Parklücke zu vergrößern. Umstritten ist lediglich, ob der erforderliche Ursachenzusammenhang auch dann noch gegeben ist, wenn der Roller erst umgesetzt worden ist, nachdem der Kläger sein Fahrzeug bereits geparkt, abgeschaltet und abgeschlossen hatte. Nach An.sicht der Kammer ist diese Frage zu bejahen. Denn nach gefestigter Rechtsprechung ist der Begriff des Gebrauchs weit zu verstehen und geht über den Begriff des „Betriebs“ nach dem StVG noch hinaus. Voraussetzung ist nicht, dass das Fahrzeug bewegt wird. Nötig ist, dass sich eine typische, vom Gebrauch des Kfz ausgehende Gefahr realisiert.

So gehört zum Gebrauch eines Kfz auch das Be- und Entladen des Fahrzeugs (BGH VersR 1977, 418; VersR 1979, 956; Stiefel/Hofmann, a.a.O., § 10 Rn. 65 m.w.N.), die Durchführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten, wie z.B. Schweißarbeiten an dem Wagen (BGH NZV 1989, 110), die Beseitigung von Hindernissen, um die Fahrt fortsetzen zu können (Stiefel/Hofmann, a.a.O., § 10 Rn. 72; dazu LG Düsseldorf, VersR 2001,1018) sowie das Verschieben von anderen Fahrzeugen, um ein- oder ausparken zu können (OLG Hamm VersR 1992,1475 = NJW-RR 1993, 994).

Gemeinsam bei jenen Tätigkeiten ist jeweils, dass die Schäden in einem besonderen Ursachenzusammenhang zu dem beteiligten Kfz stehen. Es geht um typische Fahrerhandlungen, also Handlungen, die in den gesetzlichen oder durch Verkehrsauffassung bestimmten Aufgabenkreis eines Kraftfahrers fallen und im Zusammenhang mit einer bestimmten Fahrt geschehen. Der besondere Ursachenzusammenhang zum Kfz fehlt hingegen, wenn es um Dinge geht, die jedem anderen auch passieren könnten, ohne dass ein Kraftfahrzeug gebraucht wird oder gebraucht werden soll (dazu etwa LG Kassel VersR 1977, 856; Stiefel/Hofmann, a.a.O. § 10 Rn. 71).

Im vorliegenden Fall ist dieser erforderliche adäquate Ursachenzusammenhang gegeben. Es besteht zwar die Besonderheit, dass der Kläger -nach seinem Vortrag – nicht versucht hat, das Fahrzeug wegzuschieben, um sofort ausparken zu können oder aber die Lücke groß genug zu machen, um den Wagen erst hineinsetzen zu können. Vielmehr-hatte er nach seiner Darstellung den Wagen bereits in der vorhandenen Lücke untergebracht. Dennoch bestand auch in dieser Situation noch ein besonderer Ursachenzusammenhang zwischen dem Gebrauch des Autos und dem Umsetzen des Rollers. Denn der Kläger hat selbst vorgetragen, dass er den Roller verschoben hat, um Gefahren von seinem KFZ abzuwenden. Die Gefahr sah der Kläger darin, dass sich jemand zwischen Roller und seinem Fahrzeug durchdrängen könnte oder dass die Fahrerin des Rollers selbst beim Aufsteigen gegen sein Auto stoßen könnte. Dies befürchtete der Kläger insbesondere deshalb, weil der Abstand zwischen Auto und Roller für eine Parksituation unnatürlich gering war. Nach Aussage des vom Amtsgericht vernommenen Zeugen U soll er nur ca. 15 cm betragen haben. Letztlich diente das Verhalten des Klägers damit dazu, den eingenommenen Parkplatz endgültig zu sichern, indem ein Hindernis beseitigt wird.

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Das Umsetzen des Rollers geschah auch noch in aktuellem, unmittelbarem, zeit- und ortsnahem Zusammenhang mit dem Einparkvorgang. Es sollte den Parkvorgang endgültig abschließen, indem ein genügender Abstand des Fahrzeugs nach allen vier Seiten hergestellt wurde.

Die Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts nicht erforderlich ist. Die Entscheidung berührt einen Einzelfall und bewegt sich in den durch die Rechtsprechung vorgezeichneten Bahnen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr.10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 1000,- €.

 

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