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Kinderbetreuung: Geld hierfür nach zerbrochener Liebesbeziehung?

LANDESARBEITSGERICHT KÖLN

Az.: 11 Sa 28/02

Verkündet am: 07.06.2002

Vorinstanz: ArbG Bonn – Az.: 1 Ca 97/01


In dem Rechtsstreit hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 07.06.2002 für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.11.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn -1 Ca 97/01 -wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

TATBESTAND

(abgekürzt gem. § 69 Abs.2 ArbGG)

Die Parteien – nämlich die Klägerin, die einen Reitstall betreibt und der beklagte Arzt – streiten um Vergütungsansprüche für die Zeit von April 1997 bis November 1999 in Höhe von 156.800,– DM netto, die die Klägerin zu haben glaubt, weil sie in dieser Zeit die Kinder des Beklagten betreut habe; hierüber hätten die Parteien einen Arbeitsvertrag geschlossen. Der Beklagte hat den Abschluß eines Arbeitsvertrages und eine Betreuungstätigkeit der Klägerin, die über den Rahmen von Gefälligkeit und Gastfreundschaft hinausgegangen sei, bestritten; zudem hätten die Parteien am 08. 03. 2000 eine Ausgleichsvereinbarung getroffen (Bl. 54). Hilfsweise hat sich der Beklagte auf Verjährung berufen. Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Vernehmung des Zeugen F abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Begründung verweist das Gericht auf die Gründe des den Parteien bekannten Beschlusses vom 24. 05. 2002, der den Prozeßkostenhilfeantrag der Klägerin zur Durchführung der Berufung mangels hinreichender Erfolgsaussichten zurückgewiesen hat. Die Gegenvorstellung der Klägerin gibt allenfalls noch Anlaß zu folgenden Ergänzungen:

Nach wie vor ist die Behauptung der Klägerin, ihrer Betreuungstätigkeit von April 1997 bis November 1999 liege der Abschluß eines Arbeitsvertrages zugrunde, ohne jede Substantiierung, weil verschwiegen wird, wann und wo ein solcher mündlicher Vertrag geschlossen worden sein soll und welche Erklärungen der Beteiligten im Sinne einer arbeitsvertraglichen Abmachung ausgelegt werden sollen. Eine solche Substantiierung ist im vorliegenden Fall unverzichtbar, weil anders als in üblichen faktischen Arbeitsverhältnissen dem Verhalten der Parteien keine konkludente Erklärung auf Abschluß eines entgeltlichen Vertrages entnommen werden kann: Bei einer Kinderbetreuung handelt es sich eben nicht um eine Dienstleistung, die „den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist“ (§ 612 Abs.l BGB). Sie kommt auch im Rahmen von Nachbarschaftshilfe oder unter guten Bekannten vor. Der Gedanke an ein Gefälligkeitsverhältnis liegt besonders nahe, nachdem im heutigen Termin klargestellt worden ist, daß die Parteien einmal eine Liebesbeziehung verband. In einer solchen Beziehung sind Gefälligkeiten auch umfänglicherer Art gut denkbar – sei es aufgrund irgendwelcher Zukunftserwartungen oder ohne jede Erwartung; das gilt umso mehr, wenn die Beziehung auch berufliche Kontakte einschließt, die sich von den Dienstleistungen der fraglichen Art nicht klar abgrenzen lassen -so wie hier die Erteilung von Reitunterricht Zusammenhangstätigkeiten nahelegt.

Weitestgehende Substantiierung der behaupteten, zum Vertragsschluß führenden Erklärungen war auch deshalb erforderlich, weil starke Indizien gegen einen Vertragswillen beider Parteien sprechen. So kommt es im Arbeitsleben praktisch nicht vor, daß ein Arbeitnehmer über zweieinhalb Jahre seine Tätigkeit fortsetzt, ohne je einen Pfennig an Vergütung gesehen zu haben. Weitere Indizien gegen einen Vertragswillen liegen in der formellen Handhabung der Beziehung: So hat es unstreitig keine Anmeldung der Klägerin bei einem Sozial-Versicherer gegeben, keine Arbeitspapiere, keine Abführung öffentlicher Abgaben; arbeitsrechtliche Sozialleistungen wie Urlaub und ähnliches sind nie gewährt worden. Vor diesem Hintergrund ist die bloße Behauptung, die Parteien hätten irgendwann und irgendwo mit Erklärungen unbekannten Wortlauts einen Arbeitsvertrag verabredet, unzureichend.

Zum Verjährungseinwand ist die Klägerin eine schlüssige Stellungnahme schuldig geblieben. Ihre Behauptung, die Parteien hätten seit 1999 in ständigen Verhandlungen gestanden, steht dem Verjährungseinwand nicht entgegen. Denn die Tatsache, daß der Gläubiger mit dem Schuldner verhandelt, genügt für sich genommen nicht, um eine Verjährungshemmung i.S.v. § 202 BGB herbeizuführen (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 202 Rn. 8); eine Unterbrechung nach § 208 BGB kommt hierdurch nur zustande, wenn das Verhalten des Schuldners das Bewußtsein vom Bestehen der Schuld unzweideutig zum Ausdruck bringt (Palandt/Heinrichs a.a.O., § 208 Rn. 3). Eine substantiierte Schilderung solchen Verhaltens ist nicht vorhanden.

Nach wie vor ist ein substantiierter Vortrag zur vertraglichen Aufhebung der Vereinbarung vom 08. 03. 2000, der auch beweisbar wäre, nicht vorhanden. Zwar mag die Substantiierung in der Gegenvorstellung der Klägerin verbessert worden sein. Aber abgesehen davon, daß dieser Vortrag als Teil der Berufungsbegründung verspätet ist, weil er das Gericht nur drei Tage vor dem Berufungstermin erreicht hat, erfolgt er mit dem Eingeständnis, daß er nicht beweisbar ist. Die Klägerin versucht zwar einen Indizienbeweis zu führen; sie übersieht dabei aber, daß dieser – selbst wenn er gelänge – keinesfalls den Wortlaut der Erklärung beweisen kann, den der Beklagte nach nunmehriger Behauptung der Klägerin abgegeben haben soll. Das aber ist unverzichtbar. Denn auch gegen diesen Aufhebungsvertrag sprechen starke Indizien:

So spricht die Lebenserfahrung dafür, daß Parteien, die derart zerstritten sind, daß sie ihren „Friedensschluß“ förmlich und unter Hinzuziehung eines juristischen Vermittlers beurkunden, den mühsam erreichten Zustand nicht durch bloße mündliche Äußerungen tilgen wollen, ohne den Wunsch zu haben, die neuerliche Vereinbarung ebenfalls zu beurkunden – was einem Vertrags-Schluß nach § 154 Abs.2 BGB zumindest vermutungsweise entgegenstünde: Wer dem anderen so mißtraut, daß er einen Vergleich schriftlich haben will, mißtraut ihm auch so, daß er der Urkunde eine zweite entgegenhalten will, mit der die Aufhebung der beurkundeten Vereinbarung bewiesen werden kann. Schon nach allgemeiner Regel bedarf der „actus contrarius“ im Zweifel der gleichen Form wie die Ausgangshandlung. Der Zeuge H kann zum Wortlaut der angeblichen Aufhebungsvereinbarung nichts aus eigener Wahrnehmung bekunden.

Der Arbeitsvertrag vom 15. 02. 2000, auf den sich die Klägerin bezieht, kann eine Indizwirkung zugunsten einer einvernehmlichen Beseitigung der Ausgleichsklausel vom 08. 03. 2000 allenfalls dann entfalten, wenn die bestrittene Behauptung der Klägerin zuträfe, er sei zurückdatiert. Diese wenig wahrscheinliche, durch kein Motiv begründete Rückdatierung kann die Klägerin nicht durch die Aussage des Zeugen ^ beweisen: Das „pro-forma-Arbeitsverhältnis“, das der Beklagte ihm, dem Zeugen gegenüber bestätigt haben soll, kann sehr wohl das durch den vorliegenden Arbeitsvertrag am 15. 02. 2000 begründete sein. Die Aussage des Zeugen deutet keineswegs auf ein noch zu begründendes Arbeitsverhältnis; sie berichtet davon, daß nach Bekundung des Beklagten eine -wann auch immer erzielte – Verständigung darauf vorgelegen hat, ein Arbeitsverhältnis „pro forma“ einzugehen.

Nur am Rande sei erwähnt, daß auch die Schlüssigkeit des klägerischen Vortrage in diesem Punkt zweifelhaft ist: Hätten die Parteien ihr Schuldverhältnis durch einen Arbeitsvertrag ersetzt, stellt sich die Frage nach einer Schuldumschaffung und damit danach, ob die Klägerin nicht aus diesem Arbeitsvertrag unter Berücksichtigung seiner Konditionen vorgehen müßte. Das aber soll hier offenbleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Weil der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.


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