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Kinderfotoveröffentlichung in sozialen Medien – Einwilligung beider Elternteile

OLG Düsseldorf – Az.: 1 UF 74/21 – Beschluss vom 20.07.2021

I. Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Düsseldorf vom 28.04.2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Beschwerdewert: 2.000 €.

Gründe:

I.

Die Kindeseltern sind getrennt lebende Eheleute. Die elterliche Sorge für ihre 2010 geborenen Töchter L. und N. steht ihnen gemeinsam zu. Die Mädchen leben bei der Kindesmutter und haben mit dem Kindesvater regelmäßig Umgang. Die Lebensgefährtin des Kindesvaters, die einen Friseursalon betreibt (im Folgenden: Lebensgefährtin), hat Fotos der Kinder aufgenommen. Diese hat sie in ihren Facebook-Account und bei Instagram eingestellt und zur Werbung für ihr Friseurgewerbe verbreitet. Die Kindesmutter war davon nicht in Kenntnis gesetzt worden. Der Kindesvater hat der Verbreitung der Bilder in den sozialen Medien zugestimmt. Mit Schreiben und E-Mail vom 18.03.2021 hat die Kindesmutter die Lebensgefährtin aufgefordert, die Fotos unverzüglich, spätestens bis zum 21.03.2021, von allen Plattformen zu entfernen und eine beigefügte Unterlassungserklärung bis zum 25.03.2021 unterzeichnet an die Kindesmutter zurückzusenden. Die Fotos wurden zunächst nicht entfernt. Vielmehr stellte die Lebensgefährtin weitere Fotos der Kinder in ihre Social-Media-Accounts ein. Die Kindesmutter forderte den Kindesvater auf, dem Vorgehen gegen die Lebensgefährtin zuzustimmen, was dieser mit Schreiben vom 24.03.2021 ablehnte.

Das Amtsgericht hat der Kindesmutter auf deren Antrag nach mündlicher Erörterung mit der Kindesmutter und deren Verfahrensbevollmächtigten sowie der bestellten Verfahrensbeiständin mit der angefochtenen einstweiligen Anordnung vom 28.04.2021 das Sorgerecht für die beiden Kinder für die außergerichtliche und gerichtliche Auseinandersetzung mit der Lebensgefährtin wegen der unerlaubten Veröffentlichung und gewerblichen Verbreitung von Bildern der Kinder im Internet und in den sozialen Netzwerken übertragen und zur Begründung auf §§ 1628 BGB, 22 KunstUrhG verwiesen.

Die Veröffentlichung der Fotos sei ohne die erforderliche Zustimmung der Kindesmutter erfolgt. Eine etwaige Zustimmung der Kinder könne die gebotene Zustimmung der beiden sorgeberechtigten Kindeseltern nicht ersetzen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Kindesvaters, mit der er die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückweisung des Antrags der Kindesmutter begehrt. Der Kindesvater rügt die Verletzung seines rechtlichen Gehörs. Die Ladung zum Termin vor dem Amtsgericht habe er wegen Urlaubsabwesenheit erst nachträglich erhalten. In der Sache gehe es der Kindesmutter nicht um das Kindeswohl, sondern um einen „Kleinkrieg“ mit der Lebensgefährtin. Sie versuche, auf dem Rücken der Kinder Machtspiele auszuüben. Die Fotos zeigten eine Normalität – die Kinder beim Haareschneiden -, ohne in irgendeiner Art und Weise deren Persönlichkeit zu verletzen. Die angefochtene einstweilige Anordnung führe dazu, dass die Lebensgefährtin von den Kindern bis zu deren Volljährigkeit keine Bilder mehr veröffentlichen dürfe, selbst wenn die Kinder erneut zustimmten, was lebensfremd wäre und nicht dem heutigen Umgang mit Fotos in sozialen Medien entspreche. Wegen des Streits um die Veröffentlichung befänden sich die OLG Düsseldorf: Kindesmutter, Beschwerde, Kindeswohl,  Kinder in einem Loyalitätskonflikt. Die Kindesmutter ihrerseits habe ohne seine, des Kindesvaters, Einwilligung Fotos der Kinder in sozialen Netzwerken veröffentlicht, ebenso die Großmutter mütterlicherseits.

Die Kindesmutter tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt – ebenso wie die Verfahrensbeiständin – die einstweilige Anordnung des Amtsgerichts.

Nach Erlass der angefochtenen Entscheidung hat die Lebensgefährtin die Fotos der Kinder von ihrer Webseite und aus den sozialen Medien entfernt.

II. Die zulässige, insbesondere gemäß § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG statthafte Beschwerde des Kindesvaters ist unbegründet. Das Amtsgericht hat auf der Grundlage eines nicht zu beanstandenden Verfahrens zutreffend gemäß §§ 1628 BGB, 49 Abs. 1 FamFG im Wege der einstweiligen Anordnung die Entscheidung über die außergerichtliche und gerichtliche Auseinandersetzung mit der Lebensgefährtin wegen der Verbreitung von Bildern der Kinder im Internet und in den sozialen Netzwerken der Kindesmutter übertragen. Das Beschwerdevorbringen des Kindesvaters gibt keinen Anlass zu einer abweichenden

Entscheidung.

Kinderfotoveröffentlichung in sozialen Medien - Einwilligung beider Elternteile
(Symbolfoto: Von Maisevich Alexey/Shutterstock.com)

1. Das Amtsgericht hat die angefochtene einstweilige Anordnung zu Recht auf § 1628 BGB gestützt. Denn die Entscheidung über das rechtliche Vorgehen gegen eine unberechtigte Veröffentlichung von Fotos des Kindes im Internet betrifft eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind (vgl. OLG Oldenburg, FamRZ 2018, 1517; AG Stolzenau, FamRZ 2018, 35; Johannsen/Henrich/Althammer/Rake, Familienrecht, 7. Auflage, § 1687 Rn. 13 mwN).

Das öffentliche Teilen der Bilder bei Facebook und bei Instagram und ihre Einstellung auf der Webseite, um deren rechtliche Abwehr es geht, hat schwer abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder (zu dieser Voraussetzung für die Anwendung des § 1628 BGB: BGH, FamRZ 2017, 1057, Rn. 20). Das ergibt sich aus der Tragweite der Verbreitung von Fotos in digitalen sozialen Medien unter Berücksichtigung der hiervon betroffenen Privatsphäre der Kinder und des gebotenen Schutzes ihrer Persönlichkeit. Der Personenkreis, dem die Fotos auf diese Weise zugänglich gemacht werden, ist unbegrenzt. Ihre Weiterverbreitung ist kaum kontrollierbar. Eine verlässliche Löschung der Bilder ist nicht möglich (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 02.11.2016, JAmt 2017, 27, 30). Die Kinder werden mit diesen Abbildungen aus ihrer Kindheitszeit potenziell für immer seitens eines unbeschränkten Personenkreises konfrontiert sein. Das tangiert spürbar die Integrität ihrer Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre. Damit ist die Erheblichkeitsschwelle des § 1628 BGB erreicht.

2. Die Entscheidung ist gemäß §§ 1628, 1697a BGB der Kindesmutter zu übertragen.

a) Entscheidungsmaßstab im Rahmen des § 1628 BGB ist allein das Kindeswohl. Die Entscheidungsbefugnis ist demjenigen Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Kindeswohl am besten entspricht (Amend-Traut in: Beck OGK/BGB, Stand: 01.05.2021, § 1628 Rn. 59).

b) Unter Gesichtspunkten des Kindeswohls gibt den Ausschlag für die Kindesmutter, dass diese im Gegensatz zum Kindesvater die Gewähr für eine Verhinderung der weiteren Verbreitung von Fotos durch die Lebensgefährtin und damit – bezogen auf diese konkrete Angelegenheit – für eine dem Gesetz entsprechende Wahrnehmung der Belange der Kinder bietet. Denn dem Kindeswohl entspricht ein Umgang mit der Verbreitung von Kinderbildern in digitalen sozialen Medien, der die insoweit einschlägigen – vornehmlich den Schutz der Persönlichkeit des Kindes bezweckenden – gesetzlichen Einwilligungserfordernisse respektiert. Daran hat es der Kindesvater fehlen lassen, indem er es ausdrücklich abgelehnt hat, an der Unterbindung der ohne die erforderliche  Einwilligung auch der Kindesmutter ins Werk gesetzten Verbreitung der Kinderfotos durch die Lebensgefährtin mitzuwirken. Die Kindesmutter hat rechtliche Schritte gegen die Lebensgefährtin veranlasst, ist jedoch an ihrer Durchsetzung ohne Mitwirkung des Kindesvaters rechtlich gehindert, wenn ihr nicht die Entscheidungsbefugnis übertragen wird.

Das Erfordernis einer Einwilligung auch der Kindesmutter in die Veröffentlichung der Fotos ergibt sich zum einen aus der Norm des § 22 KunstUrhG. Diese knüpft die Rechtmäßigkeit der Verbreitung eines Bildes des Kindes jedenfalls an die Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile (vgl. BGH, NJW 2005, 56, 57; Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Auflage, § 22 KunstUrhG Rn. 18).

Zum anderen folgt das Einwilligungserfordernis aus Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DSGVO. Die Verwendung von Fotografien unterfällt den Gewährleistungen der DSGVO (MünchKommBGB/Rixecker, BGB, 8. Auflage, Anhang zu § 12 Rn. 156). Der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DSGVO erfordert die Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern als Träger der elterlichen Verantwortung (vgl. Kühling/Buchner, DSGVO BDSG, 3. Auflage, Art. 8 DSGVO Rn. 20).

Unerheblich ist der Vortrag des Kindesvaters, die Kindesmutter habe ihrerseits ohne seine, des Kindesvaters, Einwilligung Fotos der Kinder in sozialen Netzwerken veröffentlicht und solche Veröffentlichungen durch die Großmutter mütterlicherseits zugelassen. Denn es kommt für die Entscheidung nach § 1628 BGB allein auf die konkrete Angelegenheit an, für die die Entscheidungsübertragung begehrt wird, hier also ausschließlich auf die Verbreitung von Bildern der Kinder durch die Lebensgefährtin und die deswegen zu führende Auseinandersetzung. Maßgeblich ist mithin allein die konkrete rechtswidrige Bildverbreitung, für die die Entscheidungsübertragung begehrt wird. Ob ein Elternteil in einem anderen Fall eine unrechtmäßige Verbreitung eines Fotos des Kindes veranlasst oder zugelassen hat, spielt dagegen keine Rolle. Nur durch die Entscheidungsübertragung auf den Elternteil, dessen Einwilligungsrecht in concreto missachtet worden ist, kann nämlich im Sinne der Kinder sichergestellt werden, dass diese Missachtung rechtliche Konsequenzen hat und eine Fortsetzung der rechtswidrigen Verwendung der Kinderfotos unterbleibt. Würde man dagegen im konkreten Einzelfalleine Entscheidungsübertragung auf den übergangenen Elternteil unter Verweis auf dessen pflichtwidriges Verhalten in einer anderen vergleichbaren Angelegenheit ablehnen, bliebe die Rechtswidrigkeit der konkret betroffenen Bildverbreitung folgenlos. Dies widerspräche dem Kindeswohl, dessen Schutz das Erfordernis der Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile dient.

Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Kinder in die Bildveröffentlichung einwilligen. Eine solche Einwilligung würde nämlich nichts daran ändern, dass die erforderliche Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile in die Bildverbreitung fehlt.

3. Für die Entscheidungsübertragung besteht ein Rechtsschutzbedürfnis auch in Ansehung des Umstandes, dass die Lebensgefährtin die Fotos der Kinder nach Erlass der angefochtenen Entscheidung von ihrer Webseite und aus den sozialen Medien entfernt hat. Denn es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Lebensgefährtin nicht mehr über die entsprechenden Bilddateien verfügt und es künftig nicht doch wieder zu einer Auseinandersetzung über die verfahrensgegenständliche Bildveröffentlichung kommen wird. Zum effektiven Schutz der Kinder vor einer weiteren Verbreitung der Bilder ist die Entscheidungsübertragung daher noch immer geboten.

4. Insoweit besteht auch ein dringendes Regelungsbedürfnis im Sinne des § 49 Abs. 1 FamFG. Es bedarf der sofortigen Einräumung einer Handlungsbefugnis der Kindesmutter, da es jederzeit zu einer wiederholten Verbreitung der Bilder kommen kann.

5. Schließlich ist auch das Verfahren des Amtsgerichts nicht zu beanstanden. Eine persönliche Anhörung des Kindesvaters war gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht geboten, weil es maßgeblich auf das Faktum der Bildveröffentlichung ohne Zustimmung der Kindesmutter ankommt und diesbezüglich von einer persönlichen Anhörung des Kindesvaters keine entscheidungserheblichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Seine Würdigung der Sach- und Rechtslage hat der Kindesvater umfassend schriftsätzlich vortragen lassen.

Gemäß § 159 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FamFG konnte auch von einer Kindesanhörung abgesehen werden. Denn entscheidend sind nicht die Neigungen, die Bindungen oder der Wille der Kinder. Den Ausschlag gibt vielmehr die Rechtswidrigkeit der Bildverbreitung mangels Zustimmung der Kindesmutter.

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III. Von einer mündlichen Verhandlung hat der Senat gemäß § 51 Abs. 2 Satz 2 FamFG abgesehen. Weitere persönliche Anhörungen waren aus den unter Punkt II.5. aufgeführten Gründen nicht erforderlich.

IV. Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 51 Abs. 4, 84 FamFG.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 40 Abs. 1, 41, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

Die Rechtsbeschwerde findet nicht statt, § 70 Abs. 4 FamFG.

 

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