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Kindertagesstätten-Betreuungsvertrag – Kündigung durch Einrichtungsträger

Kündigung von Kindertagesstätten-Betreuungsverträgen: Ein Blick auf die Verpflichtungen und Rechte

In einer Welt, in der die Rolle der Kindertagesstätten für die Erziehung und Entwicklung von Kindern immer wichtiger wird, sind die Regeln und Bedingungen, die die Beziehungen zwischen den Eltern, den Betreuer*innen und den Einrichtungsträgern regeln, von großer Bedeutung. Ein zentraler Punkt, der immer wieder zu Diskussionen und rechtlichen Auseinandersetzungen führt, ist die Frage, unter welchen Umständen und Bedingungen ein Kindertagesstätten-Betreuungsvertrag gekündigt werden kann.

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Die Rolle des Betreuungsvertrags

Ein Betreuungsvertrag für eine Kindertagesstätte ist nicht nur ein formales Dokument. Er ist eine rechtliche Verpflichtung, die die Wahrnehmung von primär den Personensorgeberechtigten obliegenden Erziehungs-, Betreuungs- und Versorgungsleistungen für den Zeitraum, in dem sich das zu betreuende Kind in der Obhut der Kindertagesstätte befindet, regelt. Der Vertrag ist in erster Linie im Interesse der Eltern des zu betreuenden Kindes abgeschlossen und nicht hauptsächlich auf die Verfolgung der Interessen des zu betreuenden Kindes ausgerichtet.

Die Verpflichtungen der Kindertagesstätten und die Erwartungen der Eltern

Die Kindertagesstätte hat die Aufgabe, die individuellen Fähigkeiten, Neigungen und emotionalen Kräfte der Kinder zu fördern und ihnen Sicherheit und Geborgenheit zu bieten. Dafür ist eine Kontinuität des personellen und räumlichen Umfeldes nötig. Kinder brauchen verlässliche und vertrauensvolle Beziehungen, die ihnen die Sicherheit geben, die sie brauchen, um neugierig die Welt erforschen zu können. Darüber hinaus haben Kindertagesstätten einen Bildungsauftrag, der die Vorbereitung der Kinder auf die Grundschule, einschließlich der Feststellung des Sprachstands und der Durchführung von Sprachförderkursen, umfasst.

Die Bedingungen für eine Kündigung des Betreuungsvertrags

Die Kündigung eines Betreuungsvertrags ist eine komplexe Angelegenheit, die mehrere Faktoren berücksichtigen muss. In erster Linie müssen die Interessen des Kindes und der Eltern berücksichtigt werden. Lange Kündigungsfristen und/oder ein Kündigungsrecht nur zu bestimmten Zeitpunkten, in denen ohnehin wegen Ferien oder Schließzeiten eine Betreuung nicht stattfindet, sind Beispiele für Bedingungen, die den Übergang für das Kind erleichtern können.

Die Notwendigkeit der Begründung einer Kündigung durch den Träger

Eine Besonderheit bei der Kündigung eines Betreuungsvertrags ist die Notwendigkeit für den Träger der Kindertagesstätte, seine Kündigung zu begründen. Diese Regelung dient dazu, willkürliche Kündigungen durch den Träger zu verhindern. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Begründung einer Kündigung durch den Träger die negativen Auswirkungen einer kurzfristigen Kündigung auf das Kind nicht aufwiegen kann.

Insgesamt zeigt sich, dass die Kündigung eines Betreuungsvertrags für eine Kindertagesstätte ein komplexes Thema ist, das sorgfältige Überlegungen und eine genaue Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen erfordert.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 4 U 26/21 – Urteil vom 26.03.2021

1. Auf die Berufung der Verfügungskläger zu 1 und zu 2 wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 23.12.2020, Az. 4 O 309/20, teilweise abgeändert:

Die Verfügungsbeklagte wird vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet,

a) die Betreuung der Verfügungskläger zu 3 und zu 4 in der Kindertagesstätte … (“(X)“), … in …, OT …, über den 31.12.2020 hinaus vorzunehmen und

b) aus der mit Schreiben vom 3.11.2020 ausgesprochenen Kündigung der Betreuungsverträge betreffend die Verfügungskläger zu 3 und zu 4 keine Rechte herzuleiten.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungskläger zu 1 und zu 2 haben bis 2 Wochen nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Gericht der Hauptsache Klage zu erheben; nach fruchtlosem Ablauf der Frist wird auf Antrag die vorstehend unter Ziffer 1 dargestellte einstweilige Verfügung aufgehoben.

3. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden wie folgt verteilt:

a) die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten die Verfügungskläger zu 1 und zu 2 zu 50 % und die Verfügungsbeklagte zu 50 %,

b) die außergerichtlichen Kosten der Verfügungskläger zu 1 und 2 trägt die Verfügungsbeklagte,

c) die außergerichtlichen Kosten der Verfügungskläger zu 3 und zu 4 tragen diese selbst.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Kündigung Kindertagesstätten-Vertrag durch Träger
(Symbolfoto: ChiccoDodiFC/Shutterstock.com)

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über die Weiterbetreuung der Verfügungskläger zu 3 und 4, der Kinder der Verfügungskläger zu 1 und 2, in der Kindertagesstätte … („KiTa (X)“), deren Träger die Verfügungsbeklagte ist, über den 31.12.2020 hinaus.

Die Verfügungskläger haben die Auffassung vertreten, die zum 31.12.2020 ausgesprochenen Kündigungen der Betreuungsverträge seien unwirksam. Eine Kündigung habe unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten nur aus wichtigem Grund ausgesprochen werden können, ein solcher liege indes nicht vor und sei in der Kündigungserklärung auch nur pauschal angegeben worden. Überdies hätte es einer vorherigen Abmahnung bedurft.

Die Verfügungsbeklagte berief sich auf das nach § 6 Abs. 1 des jeweiligen Betreuungsvertrages bestehende jederzeitige Kündigungsrecht und wandte gegen ihre Inanspruchnahme des Weiteren im Wesentlichen ein, das Verhältnis der Beteiligten sei keineswegs so ungestört und unbeeinträchtigt, wie klägerseits behauptet. Vielmehr hätten die Antragsteller ständig das Betreuungskonzept der Kindertagesstätte die Qualifikation der Erzieherinnen und der Leiterin der Kindertagesstätte sowie den Umgang mit den Kindern in Frage gestellt, regelmäßig den Vorwurf erhoben, die Kinder würden sich zuwenig an der frischen Luft aufhalten; das ständige Nörgeln sei so präsent gewesen, dass es zu einer Belastung der Betreuungsverhältnisse geführt habe und sich die Erzieherinnen/ Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätte schließlich geweigert hätten, unter diesen Bedingungen weiter zu arbeiten. Hieraus resultiere auch ein wichtiger Grund für die Kündigung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird mit der folgenden Ergänzung auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO):

§ 6 der Betreuungsverträge hat folgenden Wortlaut:

„§ 6 KÜNDIGUNG

(1) Die Eltern/Personensorgeberechtigten und der Träger können den Vertrag mit einer Frist von 1 Monat zum Monatsende kündigen. Für die Wahrung der Kündigungsfrist kommt es auf den Tag des Eingangs der Kündigung an.

(2) Der Betreuungsvertrag kann vom Träger fristlos gekündigt werden, wenn die Eltern/Personensorgeberechtigten trotz Mahnung ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen oder die in diesem Vertrag enthaltenen Grundsätze, Bestimmungen und Regelungen wiederholt nicht beachtet haben.

(3) Die Kündigung bedarf der Schriftform. Wird die Kündigung durch den Träger ausgesprochen, ist sie schriftlich zu begründen.“

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag sei gemäß §§ 935, 940 ZPO zulässig, aber unbegründet. Ein Verfügungsanspruch stehe den Verfügungsklägern nicht zur Seite, denn die Betreuungsvertragsverhältnisse seien durch die Kündigungen vom 3.11.2020 wirksam zum 31.12.2020 beendet worden. Die in § 6 der Betreuungsverträge enthaltene Regelung, wonach jede Vertragspartei das Betreuungsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende kündigen könne, sei nicht als überraschende Klausel i.S.d. § 305c BGB unwirksam, denn die Einräumung eines ordentlichen Kündigungsrechts sei mit dem Leitbild des Vertrages nicht unvereinbar und eine Kenntnisnahme aufgrund der Anordnung in § 6 des 6 Paragraphen umfassenden Vertrages oberhalb der Unterschriftenzeile zu erwarten gewesen. Auch führe die Kündigungsklausel nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Personensorgeberechtigten (§ 307 Abs. 1 BGB). Als Vertrag mit vorwiegend dienstvertraglichem Charakter und unbestimmter Dauer – die Einschulung, mit der die Betreuung notwendigerweise ende, stelle kein mit dem Betreuungsverhältnis verbundenes Ziel dar – könne gemäß § 621 Nr. 3 BGB spätestens zum 15. eines jeden Monats zum Schluss des Kalendermonats gekündigt werden; diese Frist sei mit der getroffenen Regelung noch verlängert worden.

Das Recht zur ordentlichen Kündigung sei auch nicht wegen einer im Interesse des Kindeswohls anzustrebenden, möglichst stabilen, Betreuungsorganisation unangemessen. Die Belange des Kindeswohls rechtfertigten keine Einschränkung des Kündigungsrechts auf Kündigungen aus wichtigem Grund, sondern seien durch die Pflicht zur Begründung einer durch den Träger der Kindertagesstätte ausgesprochenen Kündigung gewahrt, die eine Abwägung der wechselseitigen Interessen erfordere.

Eine willkürliche Kündigung hätten die Verfügungskläger nicht glaubhaft gemacht. Die Verfügungsbeklagte habe die Kündigung mit unvereinbaren Vorstellungen begründet; dem seien die Verfügungskläger mit ihrem Vorbringen, mit dem Konzept der Einrichtung einverstanden zu sein, schon nicht hinreichend entgegengetreten. Im Verhandlungstermin habe die Verfügungsbeklagte konkrete Vorfälle benannt, etwa eine herabwürdigende Äußerung der Verfügungsklägerin zu 2 und die Bezeichnung der Kindertagesstätte als „Blackbox“ durch den Verfügungskläger zu 1, die deutlich gemacht hätten, dass eine sachbezogene Zusammenarbeit zum Wohl der betreuten Kinder in der Einrichtung nicht mehr erfolge. Ein erneuter Wechsel der Kindertagesstätte sei für den Verfügungskläger zu 3 nicht ideal, zum Wohl des Kindes aber unter Umständen sogar geboten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Verfügungskläger, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren unter Erweiterung um einen weiteren Hilfsantrag weiterverfolgen.

Sie halten daran fest, dass ein ordentliches Kündigungsrecht nicht bestanden habe, jedenfalls hätten die Betreuungsverträge nach Treu und Glauben bzw. aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung nur mit einem wichtigen Grund gekündigt werden dürfen. Es sei zu berücksichtigen, dass der Verfügungskläger zu 3 bereits zuvor aufgrund einer von der Beklagten zu verantwortenden Verletzung (Verbrennungen) die Kindertagesstätte gewechselt habe, und dass  die Folgen einer ordentlichen Kündigung sie härter träfen als den Träger der Einrichtung. Die Kündigung sei nicht hinreichend begründet. Beweis für das behauptete Verhalten – die Deutung des Begriffs „Blackbox“ sei ohnehin nicht herabwürdigend und ein ständiges Nörgeln habe es ebenfalls nicht gegeben – habe die Verfügungsbeklagte nicht angetreten. Die Kündigung habe sie überrascht, denn sie hätten – was unstreitig ist – keine Abmahnung erhalten.

Ein Rechtschutzbedürfnis bestehe weiterhin, wenngleich der Verfügungskläger zu 3 – was als solches unstreitig ist – seit dem 01.02.2021 für 3 Tage die Woche eine Kindertagesstätte in der Stadt … besucht er spreche weiterhin von seiner alten KiTa und seinen Freunden dort, die neue Einrichtung arbeite nicht mit externen Vereinen zusammen. Die Verfügungsklägerin zu 4 sei ohne Betreuung zuhause.

Die Verfügungskläger beantragen, das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 23.12.2020 abzuändern und

1. die Verfügungsbeklagte vorläufig zu verpflichten, die Betreuung der Verfügungskläger zu 3 und 4 in der Kindertagesstätte „(X)“, …, in …, OT …, über den 31.12.2020 hinaus vorzunehmen und vorläufig aus der Kündigung der Betreuungsverträge keine Rechtswirksamkeit der Kündigung herzuleiten,

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hilfsweise,

2. durch eine in das freie Ermessen des Gerichts gestellte einstweilige Anordnung vorläufig über den 31.12.2020 hinaus die Fortführung der Kinderbetreuung der Verfügungskläger zu 3 und 4 in der Kindertagesstätte „(X)“, …, in …, OT …, zu gebieten,

höchst hilfsweise,

3. vorläufig festzustellen, dass die Kündigung insoweit unwirksam ist, insoweit  die Verfügungsbeklagte erklärt, dass in sämtlichen Einrichtungen des Trägers keine Aufnahme erfolgen soll.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und den Verfügungsklägern eine Frist zur Klageerhebung zu bestimmen.

Sie verteidigt mit näheren Ausführungen die angefochtene Entscheidung und trägt überdies vor, es sei davon auszugehen, dass der Verfügungskläger zu 3 sich in der neuen Kindestagesstätte gut eingewöhnt und neue soziale Kontakte geknüpft habe; eine Fortsetzung des Betreuungsverhältnisses in der Kindertagesstätte … führe dazu, erneut eine Veränderung der sozialen Umfeldsituation für den Verfügungskläger zu 3 vorzunehmen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat sie nur mit dem Hauptantrag der Verfügungskläger zu 1 und 2 Erfolg. Die Berufung der Verfügungskläger zu 3 und 4 ist hingegen unbegründet.

Gemäß § 935 ZPO sind einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Verfügungen sind nach § 940 ZPO auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung gleich welcher Art setzt demnach einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus (Huber in Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl., § 935 Rn. 4).

Sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund liegt nur in Bezug auf die Verfügungskläger zu 1 und 2 vor (dazu unter Ziffern 2. und 3.). Den Verfügungsklägern zu 3 und 4 steht ein Verfügungsanspruch nicht zu, sie sind nicht aktivlegitimiert.

1.

Den Verfügungsklägern zu 3 und 4 steht ein eigener Anspruch aus dem ihre Betreuung betreffenden, mit der Verfügungsbeklagten geschlossenen Betreuungsvertrag vom 14.05.2019 (Bl. 15 f.0 Bl. 177f d.A.) bzw. von 20.01.2020 (Bl. 17f. d.A.) nicht zu; an dieser bereits im Senatstermin vom 17.03.2021 geäußerten Sichtweise hält der Senat fest.

Aus den mit der Verfügungsbeklagten geschlossenen Betreuungsverträgen hergeleitete Ansprüche stehen zweifellos die Verfügungskläger zu 1 und 2 zu, denn sie sind Vertragspartner des jeweiligen Betreuungsvertrages. Die Verfügungskläger zu 1 und 2 haben den jeweiligen Betreuungsvertrag nicht stellvertretend – auch nicht gleichzeitig – für ihre Kinder, die Verfügungskläger zu 3 und 4, abgeschlossen; hierfür gibt schon der klare Wortlaut nichts her.

Die Aktivlegitimation der Verfügungskläger zu 3 und 4 ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages zugunsten Dritter (§ 328 BGB). Ein echter Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 328 Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Anders als ein ärztlicher Behandlungsvertrag, den privatversicherte Eltern zugunsten ihres zu behandelnden Kindes abschließen und dessen einziger Zweck die ärztliche Behandlung des kindlichen Patienten ist, ist der mit einem Träger einer Kindertagesstätte abgeschlossener Betreuungsvertrag nicht hauptsächlich auf die Verfolgung der Interessen des zu betreuenden Kindes ausgerichtet. Der Kindertagesstätten-Betreuungsvertrag wird in erster Linie im Interesse der personensorgeberechtigten Eltern des zu betreuenden Kindes abgeschlossen; er beinhaltet die Wahrnehmung von primär den Personensorgeberechtigten obliegenden Erziehungs-, Betreuungs- und Versorgungsleistungen für den Zeitraum, in dem sich das zu betreuende Kind in der Obhut der Kindertagesstätte befindet.

2.

Die Verfügungskläger zu 1 und 2 können demgegenüber einen Verfügungsanspruch auf Weiterbetreuung der Verfügungskläger zu 3 und 4 aus den mit der Verfügungsbeklagten geschlossenen Betreuungsverträgen vom 14.05.2019 bzw. 20.01.2020 herleiten.

Die mit Schreiben vom 03.11.2020 ausgesprochenen Kündigungen der jeweiligen Betreuungsverträge zum 31.12.2020 sind unwirksam. Der Verfügungsbeklagten stand weder ein gesetzliches jederzeitiges Kündigungsrecht zu, noch konnte sie sich auf das in § 6 der Betreuungsverträge geregelte vertragliche Kündigungsrecht stützen, und auch die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB liegen nicht vor.

a) Die zwischen den Verfügungsklägern zu 1 und 2 sowie der Verfügungsbeklagten geschlossenen Betreuungsverträge sind keine Dienstverhältnisse i.S.d. § 627 Abs. 1 BGB, die jederzeit gekündigt werden können. Bei den Betreuungsverträgen handelt es sich zwar um Dienstverträge (§ 611 BGB); die Voraussetzungen des § 627 Abs. 1 BGB liegen aber nicht vor.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob Dienste höherer Art geschuldet sind (vom BGH offengelassen für eine Kinderkrippenbetreuung: Urteil vom 18.02.2016 – III ZR 126/15 – Rdnr. 24). Denn die Betreuungsverträge sind zum einen als dauernde Dienstverhältnisse mit festen Bezügen zu qualifizieren. Das ist ungeachtet des Umstandes anzunehmen, dass die auf Grundlage der geschlossenen Betreuungsverträge vereinbarte Betreuung der Verfügungskläger zu 3 und 4 in der Kindertagesstätte „(X)“ spätestens mit Schuleintritt endet, weil dort nur eine Betreuung bis zum Schuleintritt angeboten wird (vgl. KiTa-Konzept Bl. 42 d.A.), denn bis zum Erreichen dieses Zeitpunktes liefe der Vertrag regelmäßig über mehrere Jahre. Der Begriff des dauernden Dienstverhältnisses setzt auch weder eine soziale und wirtschaftliche Abhängigkeit des Verpflichteten noch voraus, dass hierdurch die Arbeitskraft des Dienstverpflichteten vollständig oder überwiegend in Anspruch genommen wird (BGH a.a.O. Rdnr. 27). Die regelmäßige monatliche Betreuungsvergütung von zuletzt 201,83 € für den Verfügungskläger zu 3 – der Elternbeitrag für die noch nicht 2 Jahre alte Verfügungsklägerin zu 4 dürfte wegen des besseren Betreuungsschlüssels für Krippenkinder noch höher liegen – stellt einen von vornherein festgelegten Betrag dar, der einen Umfang erreicht, welcher (mit) die Grundlage des wirtschaftlichen Daseins der Kindertagesstätte bilden kann.

Zum Anderen scheitert eine Anwendbarkeit des § 627 Abs. 2 BGB daran, dass es an dem Merkmal einer Dienstleistung, die „auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegt“, fehlt. Dieses in § 627 Abs. 1 BGB vorausgesetzte „besondere Vertrauen“ ist nicht nur ein solches in die fachliche Qualität der versprochenen Dienstleistung. Das auch ohne Vorliegens eines wichtigen Grundes bestehende Kündigungsrecht nach § 627 BGB soll nur in Frage kommen, „wenn eine ganz bestimmte Leistung den Gegenstand des Vertrages bildet, deren Ausführung eine besondere persönliche Beziehung zwischen dem Dienstnehmer und dem Dienstgeber voraussetzt“ (Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich 2. Bd. Protokolle E § 566 (G 626 – 628) S. 913) es muss sich um Dienste höherer Art handeln, die aufgrund besonderen Vertrauens nicht nur in die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern auch zu der Person selbst übertragen zu werden pflegen (so BGH, Urteil vom 18.10.1984 – IX ZR 14/84 – Rdnr. 13). Ein solches Vertrauensverhältnis zu einer natürlichen Person ist bei einem Betreuungsverhältnis betreffend die Betreuung eines Kindes in einer insgesamt 84 Kinder vom Krippenalter bis zur Einschulung betreuenden Kindertagesstätte nicht anzunehmen.

b) Die von der Verfügungsbeklagten zum 31.12.2020 ausgesprochene Kündigung lässt sich auch nicht auf das in § 6 Abs. 1 der Betreuungsverträge geregelte vertragliche Kündigungsrecht stützen; diese Kündigungsklausel hält der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht stand.

(1) Die Bestimmung unterliegt der Inhaltskontrolle. Sie stellt eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB dar. Eine solche liegt nach der Legaldefinition in § 305 Abs. 1 BGB vor, wenn die Vertragsbedingung, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt, für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist, auch wenn sie in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nur diejenigen Vertragsbedingungen nicht, die zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Ein solches individuelles Aushandeln der unbestritten in den Betreuungsverträgen vorformulierten Kündigungsregelung behauptet die Verfügungsbeklagte nicht.

(2) Die Regelung in § 6 Abs. 1 des Betreuungsvertrages ist allerdings – wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht als überraschende Klausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden.

Ob eine Klausel überraschend ist, beurteilt sich in der Regel nach den Erkenntnismöglichkeiten des typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden; daher scheidet eine Anwendung des § 305c BGB aus, wenn eine ohne Weiteres zu verstehende Klausel drucktechnisch so angeordnet ist, dass eine Kenntnisnahme durch den Kunden zu erwarten ist. Die Prüfung hat – wie stets bei der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen – unter Anlegung der kundenfeindlichsten Auslegung (§ 305c Abs. 2 BGB) zu erfolgen; die in § 6 Abs. 1 der Betreuungsverträge getroffene Regelung ist mithin dahin auszulegen, dass damit (auch) dem Dienstverpflichteten ein ordentliches Kündigungsrecht eingeräumt wird. Ob die Einräumung eines solchen Kündigungsrechts wegen ihres Inhaltes objektiv ungewöhnlich ist, bedarf an dieser Stelle keiner Klärung. Denn zu dem empirischen Tatbestandsmerkmal „ungewöhnlich“ muss als zweite, normative Voraussetzung hinzukommen, dass der andere Teil mit der Klausel „nicht zu rechnen braucht“. Hieran fehlt es.

Die Kündigungsregelung ist auf Seite 2 des zweiseitigen Betreuungsvertrages in Abs. 1 Satz 1 eines eigenen, mit in Fettdruck gehaltener Überschrift „Kündigung“ bezeichneten Paragraphen abgedruckt; die Regelung „§ 6 Kündigung“ befindet sich überdies unmittelbar oberhalb der Unterschriftenzeilen. Vor diesem Hintergrund entfällt – so bereits zu Recht das Landgericht – auch und gerade nach dem äußeren Erscheinungsbild der Vertragsklausel das Überraschungsmoment.

(3) Die Kündigungsregelung in § 6 Abs. 1 der Betreuungsverträge ist jedoch gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB unwirksam, da sie die Vertragspartner der Verwenderin, hier die Verfügungskläger zu 1 und 2 unangemessen benachteiligt.

(a) Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob die formularmäßige Einräumung eines ordentlichen Kündigungsrechts für den Träger einer (kommunalen) Kindertagesstätte als solche zu beanstanden ist. Allein darin liegt jedenfalls keine Abweichung von den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Denn das Gesetz selbst geht davon aus, dass sich bei langfristigen Dienstverträgen der Dienstverpflichtete nach Ablauf von fünf Jahren vom Vertrag lösen kann, auch wenn die Voraussetzungen des § 626 BGB nicht vorliegen (§ 624 BGB).

(b) Die Zuerkennung des Rechts zur ordentlichen Kündigung eines Kindertagesstätten-Betreuungsvertrages durch den Träger mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Monats stellt aber entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Verfügungsbeklagten einen Verstoß gegen das Verbot der den Vertragszweck gefährdenden Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, dar (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

(aa) Ein Dienstvertrag von bestimmter Dauer ist nach der gesetzlichen Regelung in § 620 Abs. 1, Abs. 2 BGB nicht ordentlich kündbar. Einen solchen Dienstvertrag von bestimmter Dauer, nämlich bis zum Schuleintritt des zu betreuenden Kindes, – und nicht, wie das Landgericht angenommen hat, ein unbefristetes Dienstverhältnis i.S.d. § 621 BGB – haben die Vertragsparteien mit den in Rede stehenden Betreuungsverträgen abgeschlossen.

Eine ausdrückliche kalendermäßige oder zeitliche Befristung enthalten die Betreuungs-verträge vom 15.04.2019 und 20.01.2020 nicht. Derer bedarf es aber auch nicht. Ist die Dauer des Dienstverhältnisses nicht nach dem Kalender bestimmt, kann sich die Vertragsdauer dennoch, gegebenenfalls nach Auslegung des Vertrages gemäß §§ 133, 157 BGB, aus der Beschaffenheit oder dem Zweck der Dienste ergeben, wenn anzunehmen ist, dass die Parteien diese Dauer vereinbaren wollten (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.2019 – III ZR 37/18 – Rdnr. 19).

So liegt der Fall hier.

Nach den Interessen beider Vertragsparteien und dem von ihnen verfolgten Zweck ist davon auszugehen, dass die Kindertagesstätten-Betreuungsverträge solange laufen, bis die Verfügungskläger zu 3 und 4 die Kindertagesstätte mit Schuleintritt verlassen (vgl. für den Privatschulvertrag BGH, Urteil vom 17.01.2008 – III ZR 74/07 – Rdnr. 11 für den Schulvertrag mit einer privaten Grundschule OLG Dresden, Urteil vom 29.03.2000 – 8 U 477/00 – OLG-Report 2003, 76f a.A. AG München Urteil vom 14.04.2011 – 222 C 8644/11 -).

Die in der Trägerschaft der beklagten Kommune stehende Kindertagesstätte „(X)“ bietet eine Betreuung der Kinder vom Krippenalter bis zum Schuleintritt an. Es steht daher außer Frage, dass der Betreuungsvertrag mit dem Schuleintritt des betreuten Kindes endet, ohne dass es einer Kündigung einer der Vertragsparteien bedarf. Auch das den Inhalt der Betreuungsaufgaben und -ziele konkretisierende Kita-Konzept ist darauf ausgerichtet, die Kinder bis zum Schuleintritt entsprechend ihres Alters und Entwicklungsstandes in ihrem Spieldrang, ihrer kindlichen Neugier und Bildungsfähigkeit, aber auch in ihren individuellen Begabungen, Neigungen und emotionalen Kräften zu fördern und ihnen Geborgenheit zu geben. Diese kindgerechte Förderung und den kindlichen Bedürfnissen entsprechende Geborgenheit erfordert eine Kontinuität des personellen und räumlichen Umfeldes; Kinder brauchen verlässliche und vertrauensvolle Beziehungen, die ihnen die Sicherheit geben, die sie brauchen, um neugierig die Welt erforschen zu können.

Hinzu kommt, dass den Verfügungsklägern nicht nur nach § 3 Abs. 2 des brandenburgischen Kindertagesstättengesetzes (im Folgenden: KitaG) ein Rechtsanspruch auf Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung in Kindertagesstätten vom ersten Lebensjahr bis zur Versetzung in die fünfte Schuljahrgangsstufe, im Alter bis zur Einschulung mit einer Mindestbetreuungszeit von sechs Stunden (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KitaG), zusteht; § 3 Abs. 1 Satz 5 KitaG erklärt ausdrücklich, dass der eigenständige Bildungs- und Erziehungsauftrag der Kindertagesstätten die Vorbereitung der Kinder in geeigneter Form auf die Grundschule einschließt. Dass das KitaG in erster Linie den öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Kindertagesbetreuung regelt, ändert – entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten – nichts daran, dass die im KitaG normierten Pflichten und Aufgaben bei der Auslegung der – im Wege des Privatrechts – mit den Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten abzuschließenden Betreuungsverträge heranzuziehen und zu berücksichtigen sind. Dies gilt in erster Linie deshalb, weil das KitaG über die Statuierung eines öffentlich-rechtlichen Rechtsanspruchs auf Kindertagesbetreuung hinausgeht und die den Kindertagesstätten auferlegten  Aufgaben auch inhaltlich konkretisiert. So werden in § 3 Abs. 2 Ziffern 1 bis 8 KitaG eine Vielzahl von durch die Kindertagesstätten zu bewältigenden Aufgaben, Lern- und Erziehungszielen aufgelistet und auch die in § 3 Abs. 1 Satz 5 KitaG ausdrücklich in den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Kindertagesstätten einbezogene Verpflichtung zur Vorbereitung der Kinder auf die Grundschule gibt vor, wie der öffentlich-rechtliche Betreuungsanspruch inhaltlich auszugestalten ist. Dass diese gesetzlichen Vorgaben auch Inhalt und Zweck des konkreten Betreuungsverhältnisses mitbestimmen, ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass jede Kindertagesstätte gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 KitaG eine pädagogische Konzeption zu erarbeiten hat, in der die Umsetzung dieser gesetzlich vorgegebenen Ziele und Aufgaben sowie beschrieben wird, wie die Grundsätze elementarer Bildung Berücksichtigung finden; diese pädagogische Konzeption soll die Art und Weise wiedergeben, in der die Kindertagesstätte die ihr gesetzlich vorgegebenen Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsaufgaben umsetzt.

Beschreibt das KitaG an mehreren Stellen neben der Betreuung und Versorgung die alters- und entwicklungsadäquate Erziehung und Bildung als eines der von Kindertagesstätten zu erfüllenden Ziele und gibt ausdrücklich vor, dass der Erziehungs- und Bildungsauftrag von Kindertagesstätten die Vorbereitung der Kinder auf die Grundschule inklusive der Berechtigung und Verpflichtung der Kindertagesstätte, dass sie berechtigt und verpflichtet sind, vor der Einschulung den Sprachstand festzustellen und, soweit erforderlich, Sprachförderkurse durchzuführen, einschließt, wird deutlich, dass bei Inanspruchnahme des Rechtsanspruches auf Betreuung in einer Kindertagesstätte durch die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten diese Betreuung vom Gesetzgeber als auf Dauer, bis zur Einschulung des Kindes, angelegt angesehen wird.

Dieses gesetzgeberische Ziel sowie das gleichermaßen auf die Betreuung der Kinder bis zum Schuleintritt angelegte Konzept der Kindertagesstätte „(X)“ einerseits und die oben beschriebenen kindlichen Bedürfnisse nach verlässlichen Beziehungen andererseits prägen Art und Zweck der mit den Betreuungsverträgen vom 14.05.2019 und 20.01.2020 vereinbarten Betreuungsleistungen derart, dass diese Betreuungsverhältnisse rechtlich nur als bis zum Schuleintritt der betreuten Kinder laufende Verträge qualifiziert werden können.

Dies gilt um so mehr, wenn man berücksichtigt, dass der Schuleintritt in der Entwicklung eines Kindes eine mit einem Schul- oder Ausbildungsabschluss vergleichbare Zäsur darstellt, auch wenn er – anders als etwa die Abiturprüfung – keine (Abschluss)Prüfung erfordert. Denn mit dem Schuleintritt endet die Phase der Bewältigung sozialer Integration und der Ablöseprozesse, der Stabilisierung motorischer Fähigkeiten und der sehr spielerisch angelegten Schritte, sich mit kulturellen Fähigkeiten vertraut zu machen. Mit Übergang vom Kindergartenkind zum Schulkind stehen andere Lernziele im Vordergrund, werden Lernziele anders gewichtet; nunmehr geht es neben der Herausbildung von fein- und grobmotorischen Fähigkeiten, der Entwicklung von sozialer Integrationsfähigkeit, von Mut, Selbstbewusstsein und Motivation auch um das Lesen und Schreiben, das Rechnen und die Erfassung von Wissensbeständen, eben um unsere Kulturtechniken und gesellschaftlichen Sicherungsmechanismen (Elbing, Handlungsfeld Schule, 1999, S. 33 f., zit. nach Iwers-Stelljes, 2004, „Schulbeginn: Entwicklung, Herausforderungen und Unterstützung“, Das Kita-Handbuch).

(bb) Handelt es sich danach bei den streitgegenständlichen Kita-Betreuungsverträgen um Dienstverträge von bestimmter Dauer, kann die Einräumung eines Rechts zur ordentlichen Kündigung von vornherein nur aus der besonderen Natur des Vertragsverhältnisses gerechtfertigt werden, wie es der Bundesgerichtshof etwa für einen Privatschulvertrag bejaht hat (BGH, Urteil vom 17.01.2008 – III ZR 74/07). Eine vergleichbare Rechtfertigung, die sich für den Träger einer Privatschule insbesondere daraus ergibt, dass dieser nach Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG ein Recht zur freien Schülerwahl hat mit der Folge, dass ihm auch ein Recht zuzugestehen ist, sich von Schülern wieder trennen zu können, kann die Verfügungsbeklagte als kommunale Trägerin einer Kindertagesstätte jedoch nicht für sich in Anspruch nehmen.

In seiner Entscheidung, ob und welche Kinder er in die Tagesstätte aufnimmt, ist der kommunale Träger einer Kindertagsstätte, der wie die Verfügungsbeklagte kein spezifisches Betreuungs- und Erziehungskonzept verfolgt, auch nicht so frei, wie dies ein privater Träger einer Kindertagsstätte mit einem besonderen Konzept (etwa eine Waldorf-Kindertagesstätte oder ein Waldkindergarten) sein mag, so dass ihm – als Konsequenz aus einem Recht zur freien Wahl der aufzunehmenden Kinder – auch nicht deshalb aufgrund der Natur des Vertragsverhältnisses ein Recht zuzubilligen ist, sich von Kindern wieder trennen zu können.

cc) Selbst wenn man gleichwohl annehmen wollte, dass aus der Natur eines Kita-Betreuungsvertrages auch für den Träger einer kommunalen Kindertagesstätte ein Recht zur ordentlichen Kündigung hergeleitet werden könnte, verstößt die in § 6 Abs. 1 der streitgegenständlichen Betreuungsverträge getroffene Regelung, wonach auch der Träger den Vertrag mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende kündigen kann, jedenfalls gegen das Verbot von den Vertragszweck gefährdenden Einschränkungen wesentlicher Rechte und Pflichten.

Eltern bzw. Personensorgeberechtigte dürfen nämlich erwarten, dass bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Betreuungsvertrages, aber auch den Möglichkeiten, sich von einem geschlossenen Betreuungsvertrag wieder zu lösen, neben ihrem eigenen Interesse an einer die Bedürfnisse ihres Kindes nach Sicherheit und verlässlichen Beziehungen ausgerichteten Betreuung auch die mit einer Kündigung verbundene Notwendigkeit der Suche nach einer anderen, zur Aufnahme des Kindes bereiten Kindertagesstätte sowie der Organisation der Eingewöhnungszeit in der neuen Kindertagesstätte Berücksichtigung finden. Diesen schützenswerten Belangen wird eine Regelung nicht gerecht, aufgrund derer im ungünstigsten Fall die Betreuungszeit einen Monat und einen Tag nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung endet. Insbesondere bei Berufstätigkeit beider Eltern bzw. Sorgeberechtigten oder bei berufstätigen Alleinerziehenden erfordert die Suche nach einer neuen aufnahmebereiten Kindertagesstätte und die Planung der Eingewöhnungszeit für das Kind einen erheblichen Organisations- und Zeitaufwand.

Der Wechsel einer Kindertagesstätte stellt für ein Kind, gleichgültig ob im frühkindlichen Alter oder im „Vorschulalter“, ohnehin eine erhebliche Beeinträchtigung dar; das Kind verliert hierdurch sein persönliches Umfeld und ggf. – so auch hier – seine Freunde. Die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung eines Betreuungsvertrages muss das Interesse des betreuten Kindes an Sicherheit und verlässlichen Beziehungen, und das ebenso schützenswerte Interesse der Eltern bzw. Sorgeberechtigten an einer an diesem Interesse ausgerichteten Betreuung ihres Kindes angemessen berücksichtigen, etwa dadurch, dass weiträumige Kündigungsfristen gelten, die es ermöglichen, das Kind behutsam auf die neue Situation vorzubereiten, und/oder ein Kündigungsrecht nur zu bestimmten Zeitpunkten gestattet ist, in denen ohnehin wegen mehrwöchiger Ferien oder Schließzeiten eine Betreuung in der Kindertagesstätte regelmäßig nicht stattfindet. Die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende berücksichtigt diese Belange nicht.

Es ist auch kein mindestens gleichwertiges Interesse des Trägers der Kindertagesstätte daran zu erkennen, den Betreuungsvertrag jederzeit mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende kündigen zu können. Ein solches lässt sich insbesondere nicht daraus herleiten, dass auch den Eltern bzw. Personensorgeberechtigten ein ordentliches Kündigungsrecht mit denselben Fristen eingeräumt wird.

Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die Klausel die Kündigungsmöglichkeit des Trägers der Kindertagesstätte dahin einschränkt, dass dieser anders als die Eltern oder Personensorgeberechtigten seine Kündigung begründen muss. Diese Regelung dient lediglich der Verhinderung willkürlicher Kündigungen durch den Träger, kann jedoch die in der Kürze der Frist liegende Vertragszweckgefährdung in keiner Weise aufwiegen.

c) Die Betreuungsverträge vom 14.05.2019 bzw. 20.01.2020 sind schließlich auch nicht wirksam gemäß § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigen Grund gekündigt worden.

Wie jedes Dienstverhältnis konnten die Betreuungsverträge aus wichtigem Grund gekündigt werden. Dies setzt allerdings das Vorliegen eines wichtigen Grundes, die Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB und grundsätzlich, jedenfalls wenn – wie hier – ein Verhalten des Vertragspartners in Rede steht, eine vorherige Abmahnung voraus.

Im vorliegenden Verfahren kann offen bleiben, ob den am 03.11.2020 ausgesprochenen Kündigungen ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zugrunde lag. Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung ist dann anzunehmen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Beweispflichtig für das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist, worauf die Verfügungskläger zutreffend verweisen, der Kündigende – hier also die Verfügungsbeklagte. Diese hat über die in den Kündigungsscheiben vom 03.11.2020 genannten Erwägungen hinaus schriftsätzlich sowie bei den Anhörungen durch das Landgericht sowie im Senatstermin vom 17.03.2021 im Wesentlichen vorgetragen, die Verfügungskläger zu 1 und zu 2 hätten ständig das Betreuungskonzept der Kita in Frage sowie die Qualifikation der Erzieher und der Leitung der Einrichtung in Abrede gestellt, und regelmäßig, insbesondere bei der Abholung der Kinder Vorwürfe erhoben mit der Folge, dass die Erzieherinnen/Mitarbeiterinnen sich geweigert hätten, unter diesen Bedingungen weiterzuarbeiten.

Einer näheren Aufklärung der konkreten Vorfälle und deren Glaubhaftmachung bedurfte es nicht, denn die von der Verfügungsbeklagten behaupteten Verhaltensweisen und Äußerungen der Verfügungskläger zu 1 und 2 als wahr und – etwa wegen Häufigkeit, Vehemenz und/oder Grundlosigkeit der Vorwürfe, deren Erhebung zu Unzeit, einer unsachlichen, verletzenden Wortwahl – zur Bejahung eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB ausreichend unterstellt, fehlt es jedenfalls an der  zur Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund erforderlichen Abmahnung.

Eine Abmahnung ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie keinen Erfolg verspricht, unzumutbar oder das Vertrauensverhältnis so schwerwiegend gestört ist, dass eine sofortige Beendigung des Vertrages gerechtfertigt erscheint.

Dass eine Abmahnung vorliegend entbehrlich gewesen sein sollte, vermag der Senat auch in Anbetracht der Einwände des Beklagtenvertreters im Termin vom 17.03.2021 nicht zu erkennen. Der Senat hat durchaus berücksichtigt, dass der Kündigungserklärung am 03.11.2020 nach dem Vorbringen der Verfügungsbeklagten mehrere Gespräche vorausgingen, an denen die Verfügungsklägerseite beteiligt war. Gerade bei einem fortwährenden, wiederholt zu beanstandenden Verhalten, wie es die Verfügungsbeklagte hier geltend macht, hätte Anlass bestanden, den Verfügungsklägern zu 1 und 2 mit einer Abmahnung vor Augen zu führen, dass ihr Verhalten nicht hingenommen werden kann und ihnen, mit der Kündigung vor Augen, die Möglichkeit gegeben wird, ihr Verhalten zu ändern. Woraus die Verfügungsbeklagte ihre Sichtweise herleitet, dass die Verfügungskläger zu 1 und 2, wären sie abgemahnt worden, gleichwohl das beanstandete Verhalten fortgesetzt hätten, hat die Verfügungsbeklagte auch im Senatstermin nicht mitgeteilt.

3.

Es liegt auch ein Verfügungsgrund i.S.d. § 935 ZPO vor.

Der Dringlichkeit steht nicht entgegen, dass der Verfügungskläger zu 3 seit dem 01.02.2021 in einer neuen Einrichtung an 3 Tagen in der Woche betreut wird. Es ist mit den Verfügungsklägern derzeit noch nicht davon auszugehen, dass er sich in dieser Einrichtung bereits so eingewöhnt hat, dass eine Rückkehr in die Kindertagesstätte „(X)“ ihm mehr schaden als nützen würde. Abgesehen davon, dass infolge der Covid19-Pandemie in der neuen Einrichtung nur sehr wenige Kinder betreut wurden, zu denen er Bindungen hätte aufbauen können, haben die Verfügungskläger unbestritten vorgetragen, er spreche noch immer von der alten Kindertagesstätte und seinen Freunden dort, ihm fehle das Fußball- und Judotraining, an dem er, weil die neue Einrichtung nicht mit Vereinen zusammenarbeite, nicht mehr teilnehmen könne. Hinzu kommt, dass die den Verfügungskläger zu 3 derzeit betreuende Kindertagesstätte nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Verfügungskläger im Senatstermin keine Krippenbetreuung anbietet und nach der ihnen erteilten Auskunft des Jugendamtes der Stadt … ein Krippenplatz derzeit auch in einer anderen Einrichtung nicht zur Verfügung stehe, mit der Folge, dass die Verfügungsklägerin zu 4 „notgedrungen“ seit Januar 2021 zuhause betreut wird und ohne Zäsur in die Kindertagesstätte „(X)“ zurückkehren kann.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Fristsetzung zur Erhebung der Hauptsacheklage findet ihre Rechtsgrundlage in § 926 Abs. 1 ZPO.

Eine Revision gegen dieses Urteil findet nicht statt (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Der Streitwert für die erste Instanz wird gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG abgeändert und gemäß §§ 3, 9 ZPO auf die Wertstufe bis 13.000 € festgesetzt. Der Senat schätzt das wirtschaftliche Interesse der Verfügungskläger an der mit der einstweiligen Verfügung verfolgten (vorläufigen) Weiterbetreuung der Verfügungskläger zu 3 und 4 auf die Hälfte des dreieinhalbfachen Jahresbetrages der jeweiligen Elternbeiträge ([12 x 3,5 x 201,85 €] + [12 x 3,5 x geschätzt 300 €] x ½  = 10.538,33 €).


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant:

1. Familien- und Kinderbetreuungsrecht

Das Familien- und Kinderbetreuungsrecht ist in diesem Kontext vor allem wegen der Bedingungen und Pflichten relevant, die mit dem Betreuungsvertrag für eine Kindertagesstätte einhergehen. Die Belange der Kinder und ihrer Eltern stehen hier im Vordergrund. In diesem Fall wird diskutiert, ob und unter welchen Bedingungen ein solcher Vertrag gekündigt werden kann. Das Kindeswohl und die Erwartungen der Eltern sind entscheidend für die Bewertung der Situation.

2. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – § 627 und § 305c

  • § 627 BGB behandelt die Kündigung von Dienstverhältnissen, die keinem bestimmten Zeitraum unterliegen und aufgrund besonderen Vertrauens übertragen werden. Im vorliegenden Fall wird diskutiert, ob der Betreuungsvertrag unter diese Kategorie fällt oder nicht.
  • § 305c BGB regelt die Unwirksamkeit von überraschenden Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). In diesem Fall wurde eine solche Klausel im Betreuungsvertrag identifiziert und ihre Gültigkeit geprüft.

3. Zivilprozessordnung (ZPO) – § 935

§ 935 ZPO regelt die Möglichkeit einstweiliger Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand. In diesem Fall wurde geprüft, ob die Fortsetzung des bestehenden Zustands das Recht einer Partei wesentlich erschweren könnte.

4. Verbraucherschutzrecht

Das Verbraucherschutzrecht kommt zur Anwendung, wenn es um die Prüfung und Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geht. Im Kontext dieses Falles wurden die AGB des Betreuungsvertrags dahingehend geprüft, ob sie den Interessen der Verbraucher, in diesem Fall der Eltern und des Kindes, gerecht werden.

Diese rechtlichen Bereiche und Normen sind in dem vorliegenden Urteil relevant und bilden das Fundament für die endgültige Entscheidung des Gerichts.

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