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Haftpflichtversicherung – Kindertransport auf Fahrrad ohne Helm

Oberlandesgericht Celle

Az.: 14 U 179/07

Urteil vom 11.06.2008

Vorinstanz: Landgericht Hannover, Az.: 14 O 435/06


Leitsatz:

1. Liegen die Vorraussetzungen des § 1664 Abs. 1 BGB vor, trifft also einen Elternteil weder der Vorwurf eines Verstoßes gegen die eigen übliche Sorgfalt noch des groben Verschuldens, fehlt es bereits an der Zurechenbarkeit eines etwaigen Fehlverhaltens und damit an einer Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der Grundsätze über ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis (BGHZ 103, 338 ff.).
2. Es ist nicht grob fahrlässig, wenn die Mutter eines bei einem Fahrrad Unfall verletzten 5jährigen Kindes zugelassen hat, dass ihr Sohn ohne Fahrradhelm in einem Kindersitz transportiert wird.


In dem Rechtsstreit hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2008 für Recht erkannt:

Die Berufung der Nebenintervenientin gegen das am 18. September 2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Nebenintervenientin, die auch die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der Klägerin zu tragen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Zahlungen von dem Beklagten im Innenausgleich aus einem Gesamtschuldverhältnis aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 27. März 2003, bei dem der damals fünfjährige Sohn P. der Streithelferin der Klägerin erheblich verletzt wurde.

Wegen des dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Sach und Streitstandes sowie der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird zunächst auf das Urteil des Landgerichtes (Bl. 187 ff. d. A.) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Nebenintervenientin (Haftpflichtversicherung des Beklagten), die die Auffassung vertritt, die Klägerin hafte für die Folgen des Verkehrsunfalls jedenfalls aus der Betriebsgefahr der am Unfall beteiligten Straßenbahn. Der Unfall sei nämlich für den Führer der Straßenbahn S. kein unabwendbares Ereignis gewesen.

Sie vertritt ferner die Auffassung, die Streithelferin der Klägerin (Kindesmutter) müsse sich ein Mitverschulden an dem Zustandekommen des Unfalls zurechnen lassen, da sie zugelassen habe, dass der Beklagte ohne Licht gefahren sei und ihr Sohn sich in einem nur lose an dem Fahrrad befestigten Kindersitz, zudem ohne Fahrradhelm befunden habe. Sie verweist ferner darauf, das verletzte Kind habe gar nicht in dem an der Lenkstange befestigten Fahrradsitz transportiert werden dürfen, da es das zulässige Körpergewicht überschritten habe.

Sie vertritt die Auffassung, im Hinblick auf das zu berücksichtigende Mitverschulden der Streithelferin der Klägerin hätten im vorliegenden Fall die Grundsätze über ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis zur Anwendung kommen müssen. Sie wirft deshalb der Klägerin rechtsmissbräuchliches Verhalten vor bei der Regulierung der Ansprüche der von der Krankenversicherung des geschädigten Kindes geltend gemachten Ansprüche, indem die Klägerin gegenüber dem Krankenversicherer nicht sämtliche Einwendungen erhoben habe, die sowohl ihr (der Klägerin) als auch insbesondere dem Beklagten zugestanden hätten. Durch ihr uneingeschränktes Anerkenntnis habe die Klägerin dem Beklagten diese Einwendungen abgeschnitten.

Die Nebenintervenientin hält schließlich das erstinstanzliche Urteil für verfahrensfehlerhaft, weil das Landgericht nicht auf seine geänderte Rechtsauffassung zur Helmtragepflicht hingewiesen habe.

Die Nebenintervenientin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Nebenintervenientin zurückzuweisen.

Sie und ihre Streithelferin verteidigen die angefochtene Entscheidung. Die Streithelferin vertritt die Auffassung, sie treffe an dem Unfall keinerlei Mitverschulden.

Die Akten 3342 Js 32915/03 StA Hannover haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Nebenintervenientin hat keinen Erfolg.

Die Klägerin kann von dem Beklagten gem. § 426 Abs. 1 und Abs. 2 BGB i. V. m. § 13 HaftPflG den vollständigen Ausgleich für diejenigen Zahlungen verlangen, die sie infolge des Verkehrsunfalls vom 27. März 2003 für den dabei verletzten, seinerzeit fünf Jahre alten P. S. erbracht hat und noch erbringen wird. Daher ist auch dem diesbezüglichen Feststellungsbegehren zu Recht vom Landgericht stattgegeben worden.

1.

Das landgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensfehler. Aus den Akten ist eine Änderung der Rechtsauffassung des Landgerichtes zu der Frage eines etwaigen Mitverschuldens der Streithelferin der Klägerin wegen des Nichttragens eines Fahrradhelms seitens des verletzten Kindes nicht erkennbar. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Klägerin hat das Landgericht diese Frage lediglich bei der Erörterung von Vergleichsmöglichkeiten angesprochen, jedoch als offen behandelt.

Unabhängig hiervon beruht das angefochtene Urteil nicht auf einem etwaigen diesbezüglichen Fehler des Verfahrens (siehe unten Ziff. 4 a).

2.

Die Klägerin und der Beklagte haften gegenüber der IKK, die auf sie übergegangene Ansprüche des Kindes P. S. geltend macht, als Gesamtschuldner. Die Haftung der Klägerin ergibt sich aus § 1 HaftPflG. Hierbei handelt es sich um eine reine Gefährdungshaftung (höhere Gewalt wird nicht geltend gemacht). die Haftung des Beklagten folgt aus § 823 Abs. 1 sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 230 StGB. Wegen fahrlässiger Körperverletzung ist der Beklagte auch in dem Verfahren 319 Ds 3342 Js 32915/03 – 106/03 AG Hannover – schuldig gesprochen und verwarnt worden unter gleichzeitiger Aufgabe der Ableistung von fünf Tagen Hilfsdienst.

3.

Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander jedoch nur dann zu gleichen Anteilen zum Ausgleich des Schadens verpflichtet, wenn nichts anderes bestimmt ist. Diese anderweitige Bestimmung ergibt sich im vorliegenden Fall aus § 13 Abs. 3 HaftPflG. Danach tritt eine Haftung nicht ein, wenn der Unfall unabwendbar war. Die Beweislast hierfür trifft die Klägerin.

a) Der Senat geht aufgrund der unstreitigen Umstände sowie namentlich des Ergebnisses des Strafverfahrens und der dort von der Streithelferin der Klägerin gemachten Angaben bei ihrer Vernehmung vom 8. April 2003 (Bl. 34 d. BA.) davon aus, dass der Fahrer der Straßenbahn S. auch bei Anwendung größtmöglicher Sorgfalt und vorausschauender Fahrweise nicht in der Lage war, den Sturz des Beklagten mit seinem Fahrrad zu verhindern. Entgegen der Auffassung der Nebenintervenientin hatte der Fahrer der Straßenbahn keinen Anlass, vorsorglich die Geschwindigkeit seiner Bahn zu reduzieren oder zu bremsen, zumal nicht einmal feststeht, dass es überhaupt zu einer Berührung des Fahrrades und der Straßenbahn oder des verletzten Kindes mit dem Straßenbahnzug gekommen ist.

Der Straßenbahnfahrer S. hat zwar nach eigenen Angaben die beiden Radfahrer ihm entgegenkommen sehen, hatte aber auch als besonders sorgfältiger und umsichtiger Fahrer keinen Grund anzunehmen, der Beklagte würde im Bereich der Drängelgitter die Straßenbahnschienen überqueren. Er durfte vielmehr auf ein verkehrsgerechtes Verhalten des Beklagten und seinen Durchfahrtsvorrang gemäß § 2 Abs. 3 StVO vertrauen (OLG Hamburg VRS 108, 193. OLG Düsseldorf NZV 1994, 28). Dagegen sprechende Anhaltspunkte ergaben sich nicht aus dem Fahrverhalten der beiden Radfahrer (z. B. Handzeichen o. ä.). Im Gegenteil hat die Streithelferin der Klägerin in der genannten Aussage bei der Polizei selbst bekundet, sie sei geradeaus weitergefahren und der Meinung gewesen, dies würde auch der Beklagte tun oder aber jedenfalls anhalten. Sie hat außerdem ihrer Einschätzung Ausdruck gegeben, der Fahrer der Straßenbahn habe den Unfall nicht vermeiden können.

b) Selbst wenn indes die Unabwendbarkeit des Unfalls nicht festzustellen wäre, so würde jedenfalls das grobe Verschulden des Beklagten am Zustandekommen des Unfalls zum völligen Zurücktreten der Betriebsgefahr der Straßenbahn führen (vgl. hierzu OLG Köln NZV 2002, 369. OLG Nürnberg NZV 2002, 127). Der Beklagte hatte der ihm entgegenkommenden Straßenbahn gemäß § 2 Abs. 3 sowie § 9 Abs. 3 StVO Vorrang einzuräumen. Das Verhalten des Beklagten, der ebenso wie die Kindesmutter die entgegenkommende Straßenbahn bei gebotener Sorgfalt hätte wahrnehmen können und müssen, erweist sich als grob fahrlässig. Er durfte nicht versuchen, die Schienen vor der herannahenden Straßenbahn zu überqueren (vgl. hierzu auch AG Köln NJWRR 2003, 882 ff.), wobei im vorliegenden Fall noch erschwerend hinzukommt, dass er das Drängelgitter durchfuhr, ohne von seinem Fahrrad abzusteigen, obwohl er den später verletzten Patrick in einem zwischen ihm (dem Beklagten) und dem Lenker seines Fahrrades befestigten Kindersitz transportierte, sodass die Wendigkeit seines Fahrrades zusätzlich eingeschränkt war.

4.

Die Klägerin konnte gegenüber den Ansprüchen der IKK auch nicht den Einwand erheben, das verletzte Kind müsse sich ein Mitverschulden seiner Mutter am Zustandekommen des Unfalls bzw. an den Unfallfolgen zurechnen lassen, und musste dies dementsprechend auch nicht tun. Damit liegen die Voraussetzungen für die Anwendung der Grundsätze über ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis nicht vor.

Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BGHZ 103, 338) ausgeführt, das – im weiteren Sinne – gesetzliche Haftungsprivileg des § 1664 Abs. 1 BGB, nach dem Eltern bei der Ausübung der elterlichen Sorge nur für die Sorgfalt einzustehen haben, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen, führe dazu, dass bereits die tragenden Voraussetzungen eines Gesamtschuldverhältnisses nach § 840 Abs. 1 BGB fehlten, das „gestört“ werden könne (BGH a. a. O. – jurisRn. 22 ). Ein Schädiger könne einen Mitverursacher des Schadens nur dann an der Haftung beteiligen, wenn und soweit dieser den Schaden zurechenbar mitgesetzt habe. Nur wenn das Haftungsprivileg ihm den Mitschädiger trotz dessen grundsätzlicher haftungsrechtlicher Verantwortung als Ausgleichsschuldner nehme, sei es gerechtfertigt, eine die §§ 849, 426 BGB durchbrechende Belastung des Schädigers durch das Haftungsprivileg anzunehmen.

An dieser Voraussetzung mangelt es indes, denn beim Vorliegen der Voraussetzung für eine Haftungsfreistellung nach §§ 1664 Abs. 1, 277 BGB fehlt es an der Zurechenbarkeit eines etwaigen Fehlverhaltens eines Elternteils, sofern die Pflichtverletzung nicht über die eigenübliche Sorgfalt hinausgeht oder sich als
grob fahrlässig darstellt (BGH a. a. O. – jurisRn. 23. OLG Hamm, Urteil vom 29. Oktober 2007 – Az. 6 U 34/07 – jurisRn. 10. Saarländisches Oberlandesgericht NZV 2002, 511).

Der Streithelferin der Klägerin ist jedenfalls nicht vorzuwerfen, anlässlich der Unfallfahrt nicht die eigenübliche Sorgfalt angewendet oder grob fahrlässig ihre Obhutspflicht gegenüber ihrem Sohn P. verletzt zu haben.

a) Soweit der Beklagte zum Unfallzeitpunkt ohne Licht fuhr, hat sich dieser Umstand ohnehin auf das Unfallgeschehen nicht ausgewirkt, denn der Fahrer der Straßenbahn S. hat nach eigenem Bekunden die beiden Radfahrer rechtzeitig gesehen.

b) Auf ihre in erster Instanz aufgestellte Behauptung, das verletzte Kind sei in seinem Kindersitz nicht angeschnallt gewesen, ist die Nebenintervenientin im Berufungsverfahren nicht zurückgekommen. Derartiges ergibt sich auch nicht aus den Strafakten.

c) Ebenso wenig ist ein Mitverschuldensvorwurf herzuleiten aus der Behauptung der Nebenintervenientin, der Kindersitz, in dem P. S. saß, sei an der Lenkerstange des Fahrrades des Beklagten nur lose befestigt gewesen. Zum einen ist dies ausweislich der Lichtbilder Bl. 16 bis 18 der Ermittlungsakten nur bedingt richtig. Der Kindersitz war mit zwei dafür vorgesehenen Rundeisen in eine Halterung gesteckt, die dafür an der Lenkerstange des Fahrrades befestigt war. Dies ist eine handelsübliche Befestigung derartiger Kindersitze und angesichts der Länge der Rundrohre auch nicht offensichtlich instabil.

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Im Übrigen ist auch insoweit eine etwaige Ursächlichkeit hinsichtlich des Unfallgeschehens weder erkennbar noch von der Nebenintervenientin vorgetragen, denn der Kindersitz ist in seiner Halterung geblieben.

d) Der Streithelferin der Klägerin ist bei Anlegen der oben skizzierten Maßstäbe (eigenübliche Sorgfalt oder grobes Verschulden) nicht vorzuwerfen, dass ihr Sohn keinen Fahrradhelm trug. Ob die Streitverkündete selbst einen Helm beim Fahrradfahren zu tragen pflegte, ist unbekannt.

Der Senat hält es auch nicht für grob fahrlässig, ein Kind in einem Fahrradsitz ohne Fahrradhelm zu transportieren oder von Dritten mitnehmen zu lassen. Dabei wird nicht verkannt, dass der Schutz der Gesundheit des Kindes im Rahmen der elterlichen Obhutspflicht einen hohen Stellenwert besitzt. Auch wenn es allgemeine Empfehlungen zum Tragen eines Fahrradhelmes durch Organisationen wie die Deutsche Verkehrswacht oder den ADAC gibt und die Eignung des Tragens von Schutzhelmen zur Vermeidung bestimmter Kopfverletzungen wissenschaftlich belegt ist, folgt der Senat gleichwohl in der Tendenz den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamm (NZV 2001, 86 f.) sowie Düsseldorf (NJWRR 2006, 1616 f.), die mit zutreffenden Erwägungen einen Mitverschuldensvorwurf wegen des Nichttragens eines Fahrradhelms verneinen. Dabei ist zwar nicht ausschließlich auf das Fehlen einer gesetzlichen Helmtragepflicht abzustellen. Trotz der vorgenannten Hinweise darauf, dass das Tragen eines Fahrradhelms zur Vermeidung insbesondere von Kopfverletzungen sinnvoll sei, ist indes nicht festzustellen, dass sich eine allgemeine Überzeugung von der Notwendigkeit eines solchen Eigenschutzes zur Vermeidung von Verletzungen herausgebildet hätte (vgl. OLG Hamm a. a. O.). In diesem Zusammenhang erlangt auch der Umstand Bedeutung, dass die Schaffung einer entsprechenden gesetzlichen Regelung nicht einmal ernsthaft diskutiert wird. Dementsprechend hat die Rechtsprechung bislang das Fahrradfahren ohne Helm nur in seltenen Ausnahmefällen zum Anlass genommen, einem Geschädigten überhaupt ein Mitverschulden anzulasten, nämlich z. B. bei Rennfahrern oder in dem von der Nebenintervenientin angeführten Fall eines seinerzeit zehn Jahre alten Kindes (LG Krefeld NJV 2006, 205 f.). Diese wenigen Ausnahmefälle betrafen aber zusätzlich jeweils den Fahrradfahrer selbst, nicht hingegen mittransportierte Kinder. Insoweit liegen nach den Recherchen des Senates (auch unter Zuhilfenahme des Internets) keinerlei Umfrageergebnisse, Statistiken, amtliche oder nichtamtliche Erhebungen o. ä. zum Vorhandensein eines allgemeinen entsprechenden Verkehrsbewusstseins vor.

Angesichts dieser Umstände kann einem Elternteil nicht der Vorwurf groben Verschuldens gemacht werden, wenn der Transport eines Kindes in einem Fahrradsitz ohne Helm gestattet wird.

5.

Ein grobes Verschulden der Streithelferin der Klägerin gegen die ihr obliegende elterliche Obhutspflicht ist schließlich nicht herzuleiten aus dem von der Nebenintervenientin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat neu vorgetragenen – von der Klägerin bestrittenen – Umstand, der Verletzte P. habe zum Unfallzeitpunkt 25,5 kg gewogen und deshalb gar nicht in dem an der Lenkstange befestigten Kindersitz transportiert werden dürfen.

Eine entsprechende gesetzliche Vorgabe existiert auch insoweit nicht. Weder § 21 StVO noch § 30 StVZO enthalten Regelungen zum Gewicht von Kindern, die in einem Kindersitz auf einem Fahrrad transportiert werden dürfen.

§ 21 Abs. 3 StVO schränkt lediglich die Mitnahmemöglichkeit dahin ein, dass das Kind unter sieben Jahre und der transportierende Fahrradfahrer über 16 Jahre alt sein müssen. Beide Voraussetzungen waren hier erfüllt.

Die Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie über Fahrräder, Fahrradanhänger und zugehörige Ausrüstungsgegenstände (Fahrradverordnung), in Kraft getreten am 1. Mai 2001, regelt in § 6 nicht das zulässige Gewicht eines Kindes. Auch der Anhang II zu dieser Verordnung enthält insoweit keine Vorgaben.

Dies gilt ebenso in Bezug auf die Richtlinien für die Beschaffenheit und Anbringung von Kindersitzen und Fußstützen an Fahrrädern und Fahrrädern mit Hilfsmotor mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h vom 3. November 1980 (VkBl. 1980, 788). Diese Richtlinien verweisen lediglich für die Hersteller von Kindersitzen darauf, ihren Erzeugnissen solle eine Gebrauchsanleitung beigegeben werden, aus der auch hervorgehe, ab und bis zu welcher Altersgrenze (Gewichts und Körpergröße) die Sitze verwendbar sind. Hierzu sind entsprechend DINNormen ergangen, die sich indes ebenfalls an die Hersteller richten.

Nach alldem vermag der Senat auch insoweit nicht festzustellen, dass die Mutter des geschädigten Kindes im vorliegenden Fall – selbst bei unterstellter Richtigkeit des Vorbringens der Nebenintervenientin in der mündlichen Verhandlung zum Gewicht des geschädigten Kindes – ein grobes Verschulden im Hinblick auf ihre Aufsichtspflicht trifft. Es ist nicht vorgetragen oder erkennbar, dass dem nach den Lichtbildern in der Strafakte ersichtlich älteren Kindersitz, der im vorliegenden Fall Verwendung fand, überhaupt eine Gebrauchsanleitung beiliegen musste (der Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Sitzes ist nicht bekannt) oder beilag, aus der sich eine Gewichtsbegrenzung ergab. Ebenso wenig ist erkennbar oder vorgetragen, dass dies der Streithelferin der Klägerin bekannt war oder infolge grober Fahrlässigkeit verborgen geblieben war (der Senat hat im Vorfeld der mündlichen Verhandlung sowie nach der Erörterung dieser Frage in der Verhandlung vom 20. Mai 2008 umfangreich zu diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen recherchiert). Angesichts der eingehaltenen Altersbegrenzung von unter sieben Jahren des zu transportierenden Kindes durfte die Kindesmutter grundsätzlich von der Zulässigkeit des Transportes ausgehen.

Auf die Verspätung des tatsächlichen Vorbringens der Nebenintervenientin zum Gewicht des geschädigten Kindes gem. § 533 Abs. 2 ZPO kommt es mithin nicht an.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 713, 543 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

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