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Kinderwagenverbot im Hausflur

Ist ein Verbot von Kinderwagen im Hausflur immer rechtmäßig? Nein!

AG Landau (Pfalz), Az: 3 C 368/87, Urteil vom 22.07.1987

Tatbestand

Kinderwagenverbot im Hausflur
Symbolfoto: ratmaner / Bigstock

Die Verfügungsklägerin und ihr Ehemann mieteten durch schriftlichen Vertrag v. 1.9.1980 mit der Rechtsvorgängerin des Verfügungsbeklagten die im 2. Obergeschoß des Anwesens gelegene Wohnung. Die Verfügungsklägerin hatte damals ein Kind. Sie bekam zwei weitere Kinder, die in dieser Wohnung aufwuchsen und jetzt 4 und 6 Jahre alt sind. Die Verfügungsklägerin und ihr Ehemann nahmen im September 1986 ein Pflegekind in ihren Haushalt auf. Dieses Kind hält sich nur tagsüber bei der Verfügungsklägerin auf. Es ist 1 1/2 Jahre alt. Zu seiner Betreuung wird ein Kinderwagen benötigt.

Die Verfügungsklägerin besitzt einen 57 cm breiten Kinderwagen (Sportwagen), der in zwei Teile (Korb und Gestell) auseinander genommen werden kann. In dem Haus führt hinter der Eingangstür von einem Vorplatz in dessen Mitte eine sechsstufige Treppe zur Erdgeschoßwohnung, die der Verfügungsbeklagte bewohnt. Rechts dieser Treppe führt eine Treppe in den Keller. Diese Treppe ist steil. Die 16 Stufen sind leicht ausgetreten. Im Keller werden Kinderfahrräder aus dem Haushalt der Verfügungsklägerin abgestellt. Links der sechsstufigen Treppe zur Erdgeschoßwohnung liegt vor den Briefkästen eine Nische, über der die Treppe vom Erdgeschoß ins 1. Obergeschoß verläuft. In dieser Nische ist derzeit ein Blumentopf mit einem Farn aufgestellt. Die Wandanstriche im unteren Treppenhausbereich sind dringend erneuerungsbedürftig.

Die Verfügungsklägerin und ihr Ehemann stellen ihren PKW im Hof des Anwesens unüberdacht auf einen Stellplatz vom 2,85 m Breite ab.

Die Verfügungsklägerin begehrt vom Verfügungsbeklagten, dieser solle es dulden, daß ihr Kinderwagen in der Nische links der sechsstufigen Treppe zur Erdgeschoßwohnung des Hauses abgestellt werde. Sie trägt vor, bereits mit der Rechtsvorgängerin des Verfügungsbeklagten sei mündlich vereinbart worden, daß sie diesen Platz zum Abstellen des Kinderwagens benutzen dürfe. Der Verfügungsbeklagte selbst habe die Benutzung dieses Platzes zum Abstellen des Kinderwagens in früheren Jahren, – bei ihren eigenen Kindern -, geduldet. Sie sei nicht in der Lage, den Kinderwagen jeweils allein in das 2. Obergeschoß zu tragen. Sie sei deswegen auf den Stellplatz angewiesen.

Der Verfügungsbeklagte trägt vor, laut Mietvertrag der Parteien v. 1.9.1980 sei das Abstellen von Kinderwagen im Hausflur verboten. Der Platz, den sie beanspruche, sei der Verfügungsklägerin im übrigen nicht mitvermietet worden. Auch in der Vergangenheit habe er immer auf die Verfügungsklägerin eingewirkt, es zu unterlassen, den Kinderwagen im Hausflur abzustellen. Er habe sie aufgefordert, den Kinderwagen im Keller abzustellen. Das sei zumutbar. Die Nische, in der die Verfügungsklägerin den Kinderwagen abstellen wolle, werde zur Verschönerung des Hauses, nämlich zum Aufstellen eines Blumentopfes, benötigt. Auch seine, des Verfügungsbeklagten, Rechtsvorgängerin habe der Verfügungsklägerin nie erlaubt, den Kinderwagen im Hausflur abzustellen. Fremde Kinder, wie das Pflegekind, hätten überdies keine Rechte aus dem Mietvertrag v. 1.9.1980.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist teilweise begründet. Zur Regelung eines einstweiligen Zustandes ist die vorstehend ergangene einstweilige Verfügung erforderlich, um wesentliche Nachteile von der Verfügungsklägerin abzuwenden (§ 940 ZPO).

Im Mietverhältnis der Parteien ist unter den Parteien streitig, ob die Verfügungsklägerin ihren Kinderwagen im Hausflur, – dort unter der Nische links des Treppenaufganges zur Erdgeschoßwohnung -, abstellen darf. Der Streit bedarf der sofortigen Regelung, da ein längerer Zeitablauf die Regelung überholen würde. Eine Entscheidung in einem halben Jahr wäre weitgehend wertlos. Die Verfügungsklägerin will ab sofort ihren Kinderwagen im Hausflur des Anwesens abstellen. Da die Verfügungsklägerin eine Leistung, – Erfüllung eines behaupteten Anspruchs -, begehrt, hatte keine Sicherungsverfügung (§ 935 ZPO) sondern eine Regelungsverfügung (§ 940 ZPO) zu ergehen. Es wäre für die Verfügungsklägerin mit wesentlichen Nachteilen verbunden, wäre sie gehindert, den Kinderwagen im Hausflur abzustellen.

Daß die Verfügungsklägerin zur Betreuung des Pflegekindes einen Kinderwagen benötigt, steht außer Streit. Soweit der Verfügungsbeklagte meint, das Pflegekind habe keine eigenen Rechte aus dem Mietvertrag, geht das fehl. Es klagt nicht das Kind. Die Verfügungsklägerin macht ihre eigenen Belange mit dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung geltend.

Es ist der Verfügungsklägerin nicht zuzumuten, den Kinderwagen jeweils bis ins 2. Obergeschoß zu tragen. Obwohl er auseinandernehmbar ist, ist zumindest das Fahrgestell des Kinderwagens so schwer, daß für eine Frau ein solcher Transport anstrengend ist. Darüber hinaus fehlt es bei solch umständlichem Transport in 2 Etappen an der notwendigen Aufsicht für das Kind.

Es ist der Verfügungsklägerin nicht zuzumuten, den Kinderwagen jeweils in den Keller zu tragen. Der Transport sperriger, schwerer Sachen über die Kellertreppe ist wegen deren Beschaffenheit gefährlich. Es besteht die Gefahr eines Sturzes.

Das Abstellen des Kinderwagens im Freien (Hof) ist nicht zumutbar, weil bei entsprechendem Wetter (starker Regen mit Sturm) der Wagen auch dann naß wird, wenn er abgedeckt wird.

Die Verfügungsklägerin kann auch nicht darauf verwiesen werden, sich für verhältnismäßig wenig Geld einen leichteren Kinderwagen zu beschaffen, abgesehen davon, daß durch eine solche Maßnahme nur das Transportgewicht geringer wird, ändert sich nämlich nichts. Für die Zeit des Transports dieses leichteren Wagens ins 2. Obergeschoß wäre das Kind ebenfalls ohne Aufsicht. Die Sturzgefahr auf der Kellertreppe wird nicht beseitigt. Auch ein leichter Kinderwagen wird naß, wenn es regnet. Außerdem sind solche leichten Kinderwagen, in denen die Kinder in einer Art „Sack“ liegen, möglicherweise mit Haltungsschäden für die Kinder verbunden. Das kann zumindest befürchtet werden.

Hingegen stehen überhaupt keine beachtlichen Belange dem Abstellen des Kinderwagens der Verfügungsklägerin an dem begehrten Platz entgegen. Es ist zwar zutreffend, daß nach dem schriftlichen Mietvertrag der Parteien das Abstellen des Kinderwagens im Hausflur verboten ist. Die daraus folgende formalrechtliche Position darf der Verfügungsbeklagte jedoch nicht ausnutzen, wenn er nicht anderweitig einen geeigneten, in zumutbarer Weise zugänglichen Platz schafft, an dem ein Kinderwagen abgestellt werden kann. Jeder Vermieter hat sich darauf einzurichten, daß Kinder in seinem Haus aufgezogen werden, es sei denn, er betreibt bewußt ein Altersheim. Zu dieser Feststellung muß nicht das Grundgesetz (Art. 6 GG) bemüht werden. Daraus folgt, daß der Vermieter jedenfalls dann das Abstellen von Kinderwagen im Hausflur an Stellen, an denen der Durchgang nicht behindert ist, nicht verbieten darf, wenn er keine andere zumutbare Abstellmöglichkeit schafft. Beruft er sich auf ein formularvertragliches Verbot insoweit, ist das rechtsmißbräuchlich (§ 242 BGB). Es ist hiernach unerheblich, ob der Verfügungsklägerin in der Vergangenheit das Abstellen des Kinderwagens im Hausflur am begehrten Platz erlaubt worden ist oder nicht. Irgendwelche Belange des Verfügungsbeklagten von nur geringem Gewicht stehen dem Abstellen des Kinderwagens in der Nische unter der Treppe zum 1. Obergeschoß nicht entgegen. Die Briefkästen bleiben zugänglich. Die derzeit betriebene Verschönerung mit einer Farnpflanze in der Nische stellt nur das Feigenblatt dar, mit der der Verfügungsbeklagte seinen mangelnden Willen zu einem Verhalten, das der sozialen Komponente eines jeden Wohnungsmietvertrages gerecht wird, zu verbergen trachtet.

Bei Abwägung der Nachteile für die Verfügungsklägerin mit den Nachteilen für den Verfügungsbeklagten ist es als wesentlicher Nachteil für die Verfügungsklägerin zu bewerten, wenn sie ihren Kinderwagen nicht, wie verlangt, abstellen darf.

Die Dauer der einstweiligen Verfügung war bis 15.12.1987 – unter Beachtung der Gerichtsferien die voraussichtliche Dauer eines Hauptsacheverfahrens -, zu begrenzen. Das folgt aus dem Wesen der einstweiligen Verfügung, mit welcher eine wiederkehrende Leistung verlangt wird. Die einstweilige Verfügung dient lediglich der vorübergehenden Regelung. Die Verfügungsklägerin wird daher in dieser Sache schnellstmöglich ein Hauptsacheverfahren einleiten müssen. Unterläßt sie das, werden möglicherweise bei wiederholter Beantragung einer einstweiligen Verfügung auf Duldung des Abstellens des Kinderwagens ab 16.12.1987 erhebliche Zweifel am Regelungsbedarf aufkommen.

 

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