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Klageantrag – Bestimmtheit Klageantrag auf Herstellung des Zustands vor Bankkontoauflösung

LG Offenburg – Az.: 2 O 390/18 – Urteil vom 18.10.2019

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Erbengemeinschaft nach R. S., verstorben am … 2013, bestehend aus Frau K. (geb. S.), wohnhaft …, W., Frau M. (geb. S.), wohnhaft …, K., dem Beklagten sowie dem Kläger, 34.646,04 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.05.2017 zu bezahlen und den vorgenannten Betrag zugunsten der Erbengemeinschaft beim Amtsgericht K. – Hinterlegungsstelle – zu hinterlegen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar in Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 42.000,00 €, in Ziffer 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 34.646,04 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtsfolgen aus einer Kontoauflösung durch den Beklagten.

Der Kläger ist gemeinsam mit Frau K. (geb. S.), Frau M. (geb. S.) sowie dem Beklagten Miterbe der am … 2013 verstorbenen Frau R. S. (im Folgenden: „Erblasserin“).

Dem Beklagten wurde von der Erblasserin am … 2008 eine Bankvollmacht hinsichtlich ihrer bestehenden und künftigen Konten bei der V-Bank in O. eingeräumt. In der entsprechenden Vollmachtsurkunde heißt es unter Ziffer 4 (vgl. Anlage K1):

„Die Vollmacht erlischt nicht mit dem Tod des Kontoinhabers, sie bleibt als Vollmacht der Erben bestehen. Der Widerruf eines von mehreren Erben lässt die Vollmacht nur für den Widerrufenden erlöschen. Der Bevollmächtigte kann in diesem Fall weitere Verfügungen nur gemeinsam mit dem Widerrufenden treffen. Die Bank kann verlangen, dass der Widerrufende sich als Erbe ausweist.“

Mit Schreiben vom 03.11.2014, d.h. dem Tag nach dem Ableben der Erblasserin, teilte der Kläger dem Beklagten Folgendes mit: „[…] außerdem widerrufe ich hiermit sämtliche Vollmachten die euch in der Erbsache erteilt wurden.“ (vgl. Anlage B1)

In einem anwaltlichen Schreiben des Klägers an den Beklagten vom 24.11.2014 heißt es auf Seite 3 (vgl. Anlage K2): „Rein fürsorglich weisen wir abschließend darauf hin, dass unser Mandant sämtliche etwaig erteilten Vollmachten der Erblasserin Ihnen gegenüber widerrufen hat. Sofern sich herausstellen sollte, dass dennoch widerrechtliche Verfügungen vorgenommen wurden, werden wir hinsichtlich der handelnden Personen Schadensersatzansprüche prüfen […].“

Am 06.03.2017 löste der Beklagte durch Erklärung gegenüber der kontoführenden Bank die verbliebenen Konten auf und verteilte das Kontoguthaben in Höhe von insgesamt 46.194,72 € gleichmäßig auf alle vier Miterben. Die kontoführende Bank ging seinerzeit davon aus, dass der Beklagte zu einer solchen Handlung aufgrund der Vollmachtserteilung vom … 2008 berechtigt sei (vgl. Anlage K4).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.04.2018 wurde der Beklagte vom Kläger aufgefordert, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, insbesondere die Erbengemeinschaft hinsichtlich der nach Kontoauflösung ausgezahlten Beträge schadlos zu halten. Die zum Ablauf des 04.05.2017 gesetzte Frist ist fruchtlos verstrichen. Der Kläger hat sich in vorgenanntem Schreiben zugleich bereit erklärt, den an ihn überwiesenen Betrag in Höhe von 11.548,68 € unverzüglich wieder an die Erbengemeinschaft herauszugeben.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Auflösung der streitgegenständlichen Konten und Verteilung des Kontoguthabens der Einstimmigkeit der Erbengemeinschaft bedurft hätte, welche mangels Zustimmung des Klägers aber nicht vorgelegen habe. Der Beklagte sei daher nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB zum Schadensersatz verpflichtet.

Der Kläger beantragt,

1.1. Der Beklagte wird verurteilt, den Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn die Sparkonten Nr. …8 sowie …5, jeweilig geführt bei der V-Bank O. (…, …, eingetragen im …-Register am Amtsgericht F., …), nicht am 06.03.2017 durch Erklärung des Beklagten aufgelöst worden wären.

1.2. Hilfsweise: Der Beklagte wird verurteilt, an die Erbengemeinschaft nach R. S., verstorben am … 2013, bestehend aus Frau K. geb. S., wohnhaft …, …, Frau M. geb. S., wohnhaft …, …, dem Beklagten sowie dem Kläger, 34.646,04 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.05.2017 zu bezahlen und zugunsten der Erbengemeinschaft beim Amtsgericht K. – Hinterlegungsstelle – zu hinterlegen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage bereits unzulässig sei, da der Kläger mangels Bestehens einer Erbengemeinschaft keine Ansprüche mehr für diese nach § 2039 BGB geltend machen könne. Weiterhin sei die Klage auch unbegründet, da die Klage im Hauptantrag auf eine unmögliche Leistung gerichtet sei, weil die Kontoauflösung nicht wieder rückgängig gemacht werden könne. Die Bankvollmacht des Beklagten aus dem Jahr 2008 habe der Kläger nicht widerrufen, da der vom Kläger erklärte Widerruf der Vollmacht „in der Erbsache“ gerade kein Widerruf der bereits zuvor bestehenden Bankvollmacht sei. Im Übrigen sei für die Kontoauflösung nur eine Mehrheitsentscheidung unter den Erben erforderlich gewesen, nicht aber Einstimmigkeit. Dem Begehren des Klägers stünde weiterhin die Dolo-Agit-Einrede entgegen, da der Beklagte den Klagebetrag aufgrund der Teilungsreife des Nachlasses sofort wieder zurückzahlen müsste. Die Blockadehaltung des Klägers im Rahmen der Auseinandersetzung sei schikanös i.S.v. § 226 BGB.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst dazugehöriger Anlagen Bezug genommen.

Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren mit Schriftsätzen vom 03.07.2019 (Bl. 147 d.A.) und 04.09.2019 (Bl. 165 d.A.) zugestimmt.

Entscheidungsgründe

I.

Der Antrag des Klägers unter Ziffer 1.1 ist unzulässig.

Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift einen bestimmten Antrag enthalten. Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Insbesondere muss vermieden werden, dass Unklarheiten hinsichtlich eines Antrags in das spätere Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BGH, Urt. v. 26.06.2013 – IV ZR 39/10, BeckRS 2013, 11764).

Nach diesen Maßstäben ist der Hauptantrag zu unbestimmt, da er letztlich lediglich den Wortlaut des § 249 Abs. 1 BGB wiederholt. Eine Zwangsvollstreckung wäre hieraus nicht möglich. Ein konkreter Antrag, etwa auf Zahlung entgangener Zinsen infolge der Kontoauflösung oder Wiedereröffnung eines neuen Kontos für die Erbengemeinschaft, wäre dem Kläger entgegen dessen Rechtsansicht ohne Weiteres zumutbar gewesen. Hierauf wurde der Klägervertreter vom Gericht auch nach § 139 ZPO hingewiesen (Bl. 172 d.A.). Eine Konkretisierung seines Klageantrags ist dennoch nicht erfolgt.

II.

Der hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Hauptantrags gestellte Antrag unter Ziffer 1.2 ist zulässig und überwiegend begründet.

1.) Die Klage ist im Hilfsantrag zulässig, insbesondere ist der Kläger als Miterbe gemäß § 2039 S. 1 BGB berechtigt, die Ansprüche der Erbengemeinschaft infolge der eigenmächtigen Kontoauflösung durch den Beklagten in gesetzlicher Prozessstandschaft klageweise gegen diesen geltend zu machen.

2.) Der Kläger kann vom Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 2039 BGB Hinterlegung der von letzterem ohne Zustimmung des Klägers abgebuchten 34.646,04 € zugunsten der Erbengemeinschaft verlangen, da der Beklagte seine Pflichten aus dem Auftragsverhältnis schuldhaft verletzt hat.

So hat der Beklagte seine ihm von der Erblasserin eingeräumte Rechtsmacht im Außenverhältnis gegenüber der gutgläubigen Bank missbraucht, indem er die streitgegenständlichen Konten gekündigt und das Guthaben auf die Miterben verteilt hat. Dies deshalb, weil der Beklagte im Innenverhältnis infolge des wirksamen Widerrufs der Bankvollmacht vom 03.11.2014 in seiner Verfügungsmacht beschränkt war (vgl. Preuß in: BeckOGK, Stand: 01.08.2019, § 1922 Rn. 253.1). Mit der Formulierung „Widerruf sämtlicher Vollmachten, die euch in der Erbsache erteilt wurden“ war gemäß §§ 133, 157 BGB für einen objektiven Empfänger dieser einseitigen Willenserklärung ohne Weiteres ersichtlich, dass allen voran trans- und postmortale Vollmachtserteilungen durch die Erblasserin ihre Gültigkeit verlieren sollten. Dass die Bankvollmacht auch schon zu Lebzeiten der Erblasserin bestanden hat, ist entgegen der Rechtsansicht der Beklagtenseite irrelevant. Die Vollmacht muss schließlich schon zu Lebzeiten der Erblasserin von dieser erteilt worden sein, da nach deren Ableben logischerweise keine Vollmachten mehr durch sie erteilt werden können, die es zu widerrufen gäbe. Diese Rechtslage wurde dem Beklagten auch mit anwaltlichem Schreiben vom 24.11.2014 explizit erläutert. Nichtsdestotrotz hat der Beklagte die Konten bei der V-Bank aufgelöst und die Guthaben an die Miterben verteilt. Da der Kläger den Verfügungen des Beklagten auch nicht nachträglich zugestimmt hat, hat letzterer die Folgen seiner Pflichtverletzung gemäß § 249 Abs. 1 BGB rückgängig zu machen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger dem Beklagten zugesichert hat, seine von ihm aufgedrängten 11.548,68 € freiwillig bei der zuständigen Hinterlegungsstelle zu hinterlegen, war eine Klage auf Hinterlegung von insgesamt 46.194,72 € nicht erforderlich.

Klarstellend sei erwähnt, dass die Verfügung über die Guthabensforderung gegen die kontoführende Bank und die Kündigung der Konten gemäß § 2040 BGB der Zustimmung aller Miterben und damit auch der Zustimmung des Klägers bedurft hätten. Die schlichte Mehrheitsentscheidung der anderen Miterben reicht nicht aus, da weder ein Fall der Notgeschäftsführung i.S.v. § 2038 Abs. 1 BGB vorlag noch die vorgenannten Verfügungen eine ausnahmsweise mit Mehrheitsentscheidung zulässige sog. ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme darstellten, da es dem Beklagten insbesondere nicht um die anderweitige Erlangung einer höheren Verzinsung des Kontoguthabens ging (vgl. den Fall des OLG Brandenburg, Urt. v. 24.08.2011 – 13 U 56/10, ZEV 2012, 261 m. krit. Anm. von Stützel in NJW 2013, 3543, 3546).

Zum Zwecke der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft werden der Beklagte sowie die beiden anderen Miterben auf den Rechtsweg verwiesen. Die Rechtsordnung bietet die Möglichkeit, den Kläger auf Zustimmung zu einem bestimmten Teilungsplan zu verklagen. Vor diesem Hintergrund ist die bisherige Blockadehaltung des Klägers zur Durchsetzung seiner vorgeblichen Ansprüche weder schikanös i.S.v. § 226 BGB noch treuwidrig i.S.v. § 242 BGB.

b) Die Klageabweisung im Übrigen folgt daraus, dass die Verzinsungspflicht aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 1 BGB erst ab dem Tag nach Verzugsbeginn, d.h. ab dem 05.05.2017 begann, § 187 BGB analog (Palandt/Ellenberger, § 187 Rn. 1).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, da der Kläger hinsichtlich der Verzinsungspflicht geringfügig unterliegt.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

V.

Der Streitwert richtet sich nach dem Wert des Hilfsantrags. Eine Addition mit dem Wert des Hauptantrags, der ebenfalls 34.646,04 € beträgt (BGH, Beschl. v. 13.06.1958 – V ZR 268/56, NJW 1958, 1397), findet gemäß § 45 Abs. 1 S. 3 GKG nicht statt.

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