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Eltern müssen Klassenfahrt ihrer Kinder bezahlen!

VERWALTUNGSGERICHT KOBLENZ

Az.: 7 K 3415/00. KO

Urteil vom 16.05.2001

(nicht rechtskräftig!)


Urteil verkürzt:

Stimmen Eltern der Teilnahme ihres Kindes an einer Klassenfahrt ausdrücklich zu, so müssen sie auch für die Kosten aufkommen. Dies hat jetzt das Verwaltungsgericht (=VG) Koblenz entschieden. Mit der Zustimmung der Eltern ist ein öffentlich­rechtlicher Vertrag mit der Schule zu Stande gekommen, der zur Zahlung verpflichte, wenn das Kind tatsächlich an der Klassenfahrt teilnimmt.

Das Gericht gab im vorliegenden Fall der Zahlungsklage des Landes Rheinland‑Pfalz gegen eine Mutter statt. Diese hatte sich schriftlich mit der Teilnahme ihres Kindes an einer Klassenfahrt einverstanden erklärt, war später aber nicht bereit, die Kosten in Höhe von 300 Mark zu zahlen. Sie argumentierte unter anderem, keinen Vertrag mit der Schule geschlossen zu haben. Der Vertrag ist nach Ansicht der Richter mit der schriftlichen Erklärung der Mutter zustande gekommen, einer nochmaligen schriftlichen Bestätigung durch die Schule habe es nicht bedurft.

Sofern man den öffentlich‑rechtlichen Vertrag für nicht formgültig halte, habe das Land jedenfalls einen öffentlich‑rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte. Dieser richte sich auf Geldersatz für die vom Kind der Beklagten in Anspruch genommenen Leistungen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig!


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Schulrecht hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2001 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger 299,61 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in einer der Kostenfestsetzung entsprechenden Höhe abwenden, wenn der Kläger vor der Vollstreckung nicht in dieser Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Der Sohn der Beklagten besuchte im Schuljahr 1999/2000 die Klasse 3d der Grund- und Hauptschule in D. Zu Beginn des Jahres 1999 wurde die Durchführung einer einwöchigen Klassenfahrt auf die Nordseeinsel Norderney (Termin: 2. Augustwoche 2000) beschlossen. Die Eltern der Schüler wurden im Rahmen eines Elternabends über die geplante Klassenfahrt im Einzelnen unterrichtet. Hiernach erbat die Klassenleiterin mit Schreiben vom 28. Februar 1999 von den Eltern der teilnehmenden Kinder deren Einverständnis. Beigefügt war eine Aufstellung der Gesamtkosten, die sich auf 299,61 DM pro Kind beliefen. Die Beklagte erklärte sich am 02. März 1999 schriftlich damit einverstanden, dass ihr Sohn an der Klassenfahrt im August 2000 teilnimmt. Die Schülerfahrt fand dann in der Zeit vom 21. bis 26. August 2000 statt, der Sohn der Beklagten nahm hieran auch teil.

Die Schule forderte vor Durchführung der Klassenfahrt und im Anschluss daran mehrfach die Beklagte auf, den auf ihren Sohn entfallenden Kostenanteil in Höhe von 299,61 DM zu begleichen. Die Beklagte, die nach eigenem Bekunden versuchte, sich das Geld zu beschaffen, leistete den fälligen Betrag in der Folgezeit gleichwohl nicht. Letztmals wurde die Beklagte durch den Schulleiter aufgefordert, den fälligen Betrag bis zum 20. November 2000 zu zahlen.

Nachdem keinerlei Zahlungen eingingen, hat der Kläger in Dezember 2000 Leistungsklage erhoben, mit der er von der Beklagten die auf ihren Sohn entfallenden Kosten der Klassenfahrt begehrt. Zur Begründung trägt er vor, die Beklagte schulde diesen Betrag, da ihr Sohn wirksam zu der Klassenfahrt angemeldet worden sei und auch an ihr teilgenommen habe. Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 299,61 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat sich im Verlaufe des gesamten Klageverfahrens nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze des Klägers sowie auf den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Leistungsklage ist zulässig.

Insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, denn der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch hat seine Rechtsgrundlage im öffentlichen Recht. Die Erklärung der Beklagten vom 02. März 1999, in der sie ihr Einverständnis mit der Teilnahme ihres Sohnes an einer kostenpflichtigen Klassenfahrt erklärte, bezog sich auf die für August geplante Klassenfahrt auf die Nordseeinsel Norderney, die ihre Grundlage ihrerseits im öffentlichen Schulverhältnis hat. Die Durchführung von „Klassenfahrten“ sind schulische Veranstaltungen; sie finden im Lande Rheinland-Pfalz – nach wie vor – ihre Grundlage in den Richtlinien für Schullandheimaufenthalte, Studienfahrten, Schulwanderungen und Unterrichtsgänge (Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums vom 12. Dezember 1990, Amtsblatt Nr. 3 1991, 173 ff.). Nach der Ziffer 1. dieser Richtlinien ergänzen derartige Veranstaltungen die Erziehungs- und Bildungsarbeit der Schule. Die mit einer Klassenfahrt verbundene Zahlungspflichten nehmen daher am öffentlichen Charakter des Schulverhältnisses teil (so im Einzelnen bereits VG Berlin, Urteil vom 28. Januar 2000, NJW 2000, Seite 2040 ff.).

Die Leistungsklage ist auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 299,61 DM nebst Verzugszinsen seit Rechtshängigkeit.

Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, kraft dessen der Kläger von der Beklagten die Entrichtung des zugesagten und auch tatsächlich angefallenen Entgelts für die Klassenfahrt verlangen kann. Dieser Vertrag kam spätestens mit der Erklärung der Beklagten vom 02. März 1999 zustande, mit der sich diese auf Anfrage des Klägers mit der Teilnahme ihres Sohnes an der geplanten Klassenfahrt einverstanden erklärte und zwar in Kenntnis des Umstandes, dass der hiervon dem Kläger angeforderte Betrag zu entrichten war.

Die Verpflichtung der Beklagten zur anteiligen Kostenübernahme durch einseitige schriftliche Erklärung vom 02. März 1999 ist auch formgültig. Insbesondere steht der Zahlungspflicht der Beklagten die Vorschrift des § 57 VwVfG, wonach öffentlich-rechtliche Verträge insgesamt der Schriftform bedürfen, nicht im Wege. Vom Grundsatz her erfordert die Schriftform im Sinne von § 57 VwVfG allerdings die Erklärungen und die Unterzeichnung der Vertragsparteien auf derselben Urkunde (vgl. § 62 VwVfG i.V.m. § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB), um einen wirksamen Vertrag begründen zu können. Diese Formstrenge gilt indessen nicht ausnahmslos. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Formvorschriften nicht Selbstzweck sind und deshalb unter Berücksichtigung ihres Sinngehalts ausgelegt und angewendet werden müssen. Der von § 57 VwVfG bezweckten Warn- und Beweisfunktion werde bei einseitiger Verpflichtung des Bürgers gegenüber der Verwaltung auch dann ausreichend Rechnung getragen, wenn die Annahmeerklärung nicht auf der Verpflichtungserklärung des Bürgers gesetzt, sondern gesondert ausgesprochen werde (vgl. BVerwG, NJW 1995, 1104 [1105]). Zwar verlangt das Bundesverwaltungsgericht auch in diesen Fällen eine unmissverständliche schriftliche Annahmeerklärung der Behörde. Insoweit wird man es allerdings ausreichen lassen müssen, dass durch den Schulbesuch ein besonderes Nutzungsverhältnis begründet wird, in dessen Rahmen nach allgemeiner Lebenserfahrung von der Schule vorbereitete Veranstaltungen, wie beispielsweise Informationsabende oder -wie hier- Elternabende, durchgeführt und diesbezügliche – auch schriftliche – Informationen herausgegeben werden, die sich auf die Planung der Reise in ihren Einzelheiten beziehen. Hiermit und mit der Übergabe vorbereiteter Teilnahmeerklärungen an die Eltern gibt die Schule zweifelsfrei zu erkennen, dass auch sie die Durchführung der Fahrt als beschlossen und als für alle Teilnehmer verbindlich ansieht. Dass der Kläger eine ausdrückliche schriftliche Bestätigung gegenüber der Beklagten hinsichtlich der Teilnahme ihres Sohnes an der Klassenfahrt nicht erklärt hat, ist demnach unschädlich (so auch VG Berlin, a.a.O.).

Aber auch für den Fall der Nichtigkeit des in Rede stehenden öffentlich-rechtlichen Vertrages ergibt sich letztlich kein anderes Ergebnis.

Dies ist dann ohne weiteres nachvollziehbar, wenn man dem Kläger für diesen Fall einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zubilligt, der auf die Rückgewähr rechtsgrundlos erlangter Leistungen (hier: Ersatz in Geld) gerichtet ist. Dieser Anspruch deckt den von dem Kläger geltend gemachten Betrag auch der Höhe nach ab.

Aber auch für den Fall, dass man beim Kläger keine außervertraglichen Ansprüche (auch nicht aus c.i.c und/oder GoA) anerkennen sollte, erweist sich die Klage gleichwohl als begründet. Bei dieser Rechtslage wäre es dann so, dass der Vertrag, obwohl formnichtig, von dem Kläger erfüllt worden ist und der Sohn der Beklagten die Vorteile, die ihm aus diesem nichtigen Geschäft zugeflossen sind, ohne weiteren Ausgleich behalten dürfte. Diese Rechtsfolge erweist sich nach Auffassung der Kammer in hohem Maße als unbillig, so dass unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben dem Kläger in den Fällen dieser Art ein Erfüllungsanspruch trotz des nichtigen Vertrages zuzubilligen ist (vgl. insoweit OVG Lüneburg, Urteil vom 13. August 1991, NJW 1992, 1404 ff. m.w.N.; vgl. zu diesem Ansatz auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Dezember 2000 – 2 A 11170/00. OVG

Die geltend gemachten Verzugszinsen ergeben sich aus § 291 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO, § 711 ZPO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 299,61 DM festgesetzt (§ 13 GKG).

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 25 Abs. 3 GKG mit der Beschwerde angefochten werden.

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